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  • · Fachbeitrag · Wohnungseigentümergemeinschaft

    Bei verzögerter Umsetzung von Instandsetzungsbeschlüssen droht die Haftung

    • 1. Ein Anspruch auf Schadenersatz wegen verzögerter Beschlussfassung über notwendige Instandsetzungsmaßnahmen nach § 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB scheidet aus, wenn der betroffene Wohnungseigentümer vorher gefasste Beschlüsse über die Zurückstellung der Instandsetzung nicht angefochten hat.
    • 2. Die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband ist jedenfalls dann dem einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber verpflichtet, die unverzügliche Umsetzung eines Beschlusses zur Sanierung des Gemeinschaftseigentums gegenüber dem Verwalter durchzusetzen, wenn der Beschluss den Zweck hat, einen Schaden am Gemeinschaftseigentum zu beseitigen, der das Sondereigentum des Wohnungseigentümers unbenutzbar macht.

    (BGH 13.7.12, V ZR 94/11, Abruf-Nr. 122726)

    Sachverhalt

    Nachdem in 6/06 nach heftigem Regen Wasser durch die Decke der von den Klägern bis 11/07 selbst bewohnten Eigentumswohnung eindrang, stellte ein von ihnen eingeholtes Gutachten einen Befall des Deckengebälks und des Mauerwerks mit Hausschwamm fest. Sie leiteten das Gutachten der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft am 13.11.06 zu. Am 25.4.07 beschlossen die Wohnungseigentümer, ein gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen. Dieses bestätigte den Befund und wurde der Beklagten am 19.5.08 übersandt. Die Wohnungseigentümerversammlung beschloss am 22.10.08 eine weitere Beobachtung des Schwammbefalls durch den Gerichtssachverständigen und nach dessen Weigerung am 15.4.09 eine Teilsanierung. Der am 27.7.09 beauftragte Handwerker lehnte diese am 31.8.09 ab. Die Wohnungseigentümer beschlossen am 19.11.09 eine vollständige Sanierung. Sämtliche Beschlüsse sind nicht angefochten. Das LG hat Verzug der Beklagten mit der Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums erst ab 1.7.10 festgestellt und die weitergehende Schadenersatzklage abgewiesen. Die Revision der Kläger hat geringen Erfolg.

    Entscheidungsgründe

    Der BGH stellt fest, dass sich die Beklagte mit der Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums in der Wohnung der Kläger (Beseitigung des Schwammschadens) bereits seit dem 21.12.09 in Verzug befindet, verneint aber einen Anspruch der Kläger auf weiteren Schadenersatz (Anmietung einer Ersatzwohnung/Umzugskosten).

     

    Anmietungs- und Umzugskosten

    Nach § 280 Abs. 1 und 2 BGB i.V. mit § 286 BGB, § 21 Abs. 4 WEG und § 31 BGB setzt eine Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft voraus, dass

     

    • sie als Verband für ein schuldhaft pflichtwidriges Verhalten der Wohnungseigentümermehrheit als Organhandeln einstehen muss,
    • die Wohnungseigentümer verpflichtet waren, die umgehende Sanierung des Gemeinschaftseigentums zu beschließen und
    • dass die Beklagte mit der Instandsetzung in Verzug geraten war, bevor die geltend gemachten Schäden entstanden.

     

    Diese Voraussetzungen liegen nicht vor:

     

    • Für die Zeit bis zum Eingang des Gutachtens und Ablauf eines angemessenen Zeitraums zu dessen Auswertung am 30.6.08 fehlt es bereits an einer Pflichtverletzung. Grund: Die Wohnungseigentümer haben bei der Entscheidung, in welchen Schritten sie eine gebotene Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums durchführen, einen Gestaltungsspielraum (BGH NJW 11, 2958). Anspruch auf sofortige Durchführung einer bestimmten Maßnahme besteht nur, wenn allein dieses Vorgehen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (BGH NJW 12, 1724). Das heißt: Die Wohnungseigentümer durften vor der Beschlussfassung über konkrete Maßnahmen erst die Einholung eines Gerichtsgutachtens im selbstständigen Beweisverfahren beschließen, dessen Eingang abwarten und sich Zeit für seine Prüfung nehmen. Der BGH hält einen Zeitraum von etwa sechs Wochen für angemessen. Folge: Dass die Wohnungseigentümer bis 30.6.08 eine Sanierung nicht beschlossen und in Angriff genommen haben, ist nicht pflichtwidrig.

     

    • Für die Zeit danach (1.7.08 bis 31.8.09) lässt der BGH eine Verletzung der Pflicht zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums offen. Grund: Sämtliche Beschlüsse der WEG sind nach § 23 Abs. 4 S. 2 WEG bestandskräftig geworden. Folge: Die Bestandskraft schließt den Einwand, der Beschluss habe nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen, auch für einen Schadenersatzanspruch aus (BGH NJW 11, 2660).

     

    Merke | Ein Schadenersatzanspruch des Wohnungseigentümers wegen eines nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechenden Teilsanierungsbeschlusses setzt ein erfolgreiches Vorgehen nach § 23 Abs. 4 WEG voraus.

     

    Feststellungsantrag

    Die Gemeinschaft ist dem einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber aus dem mitgliedschaftlichen Treueverhältnis verpflichtet, den Verwalter zur unverzüglichen Beschlussumsetzung anzuhalten. Folge: Der Verband muss Schadenersatz leisten, wenn er seiner Verpflichtung nach § 21 Abs. 4 WEG nicht nachkommt (BGHZ 163, 154). Die Umsetzung der Eigentümerbeschlüsse obliegt nach § 27 Abs. 1 WEG dem Verwalter, der dem Verband auf Erfüllung und gegebenenfalls auf Schadenersatz haftet (BGH NJW-RR 11, 1093). Der BGH sieht den Verband jedenfalls unter den in Leitsatz 2 genannten Voraussetzungen in der Pflicht. Diese Pflicht ist verletzt, wenn die Umsetzung des Beschlusses nach Eintritt der Bestandskraft ausbleibt. Verzug ist - wegen der Umstände des Falls ohne weitere Vorbereitungszeit - nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB mit Bestandskraft des Beschlusses eingetreten.

     

    Merke | Grundsätzlich muss die WEG eine Verletzung der Pflicht zur Umsetzung bestandskräftiger Beschlüsse erst vertreten, wenn die Umsetzung auch nach Ablauf eines angemessenen Vorbereitungszeitraums unterbleibt.

    Praxishinweis

    Ungeklärt bleibt,

    • ob der Verband im Verhältnis zum einzelnen Wohnungseigentümer selbst zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums verpflichtet ist und für Verstöße gegen diese Pflicht durch die Mehrheit der Wohnungseigentümer nach § 31 BGB einstehen muss (Nachweise Urteilsgründe Tz. 7) und

     

    • ob der Verband nicht nur gemäß §§ 31, 89 BGB für schuldhaft pflichtwidriges organschaftliches Verhalten des Verwalters gegenüber Dritten (Nachweise Urteilsgründe Tz. 18), sondern auch dem einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber haftet, wenn dieser durch pflichtwidriges Untätigbleiben des Verwalters geschädigt wird.

     

    Neben einem Anspruch auf Schadenersatz wegen Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums nach § 21 Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 2 WEG kann auch ein - hier nicht rechtshängiger - Schadenersatzanspruch nach § 14 Nr. 4 Hs 2 WEG bestehen. Beide Ansprüche sind prozessual selbstständig und können - so der BGH - im Wege der Anspruchshäufung (§ 260 ZPO) geltend gemacht werden.

     

    Quelle: Ausgabe 02 / 2013 | Seite 30 | ID 36554580