· Kinderzahnheilkunde
Konservierende Behandlung eines Kleinkinds unter Lachgassedierung
von Isabel Baumann, Mülsen, praxiskonzept-baumann.de
| Kinder sind i. d. R. schmerzempfindlicher und weniger geduldig als Erwachsene ‒ erst recht, wenn es um Zahnbehandlungen geht. Mitunter verweigern sie sogar die Behandlung. Daher kann für sie bei besonders umfangreichen Therapiemaßnahmen eine Analgo- oder Lachgassedierung angezeigt sein. Wie eine solche Therapie ‒ vor allem die Lachgassedierung ‒ berechnet werden kann, zeigt dieser Beitrag anhand eines Fallbeispiels. |
Möglichkeiten der Abrechnung einer Lachgassedierung
Berufsrechtlich dürfen alle Zahnärzte eine Lachgassedierung durchführen. Gebührenrechtlich besteht ein Unterschied zwischen Zahnärzten mit und ohne Doppelapprobation (z. B. Zahnarzt und MKG-Chirurg). Denn die Lachgassedierung ist durch Nr. 450 GOÄ beschrieben, und diese gehört nicht zum für Zahnärzte geöffneten Teil der GOÄ.
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Leistung | Punkte | 1,0-fach | 2,3-fach | 3,5-fach |
Rauschnarkose ‒ auch mit Lachgas ‒ | 76 | 4,43 Euro | 10,19 Euro | 15,51 Euro |
Für die Abrechnung der Lachgassedierung gilt daher gebührenrechtlich folgende Unterscheidung:
- Zahnärzte mit Doppelapprobation können auf alle Leistungspositionen der GOÄ zugreifen, also auch auf die Nr. 450 GOÄ.
- Zahnärzte ohne Doppelapprobation ‒ der Großteil der deutschen Zahnärzte ‒ können nur auf den für Zahnärzte geöffneten Bereich der GOÄ zugreifen. Sie berechnen die Lachgassedierung analog nach § 6 Abs. 1 GOZ.
PRAXISTIPP | Anstatt die Lachgassedierung analog zu berechnen, können Zahnärzte ohne Doppelapprobation während der Behandlung mit einem Anästhesisten zusammenarbeiten. Dieser führt die Sedierung durch und stellt anschließend die Nr. 450 GOÄ dem Zahlungspflichtigen separat in Rechnung. |
Fall: Behandlung eines Vierjährigen unter Lachgassedierung
Bei einem vierjährigen Kleinkind sind umfangreiche Therapiemaßnahmen notwendig. Die durch Karies tief zerstörten Zähne 52‒62 sind nicht erhaltungswürdig und müssen extrahiert werden. Die Zähne 73, 74 und 64, 65 sind stark kariös und benötigen Füllungen. Da das Kind die Behandlung verweigert, muss diese abgebrochen und in einer weiteren Sitzung unter Lachgassedierung fortgesetzt werden.
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Datum | Zahn | Leistung | GOZ/GOÄ |
01.06. | ‒ | Früherkennungsuntersuchung | 0010 |
OK/UK | Orthopantomogramm (OPG) | Ä5004 | |
‒ | Kindgerechte Aufklärung über notwendige Therapiemaßnahmen, Beratung der Eltern über Extraktion und Füllungstherapie | Ä1 | |
‒ | Unterweisung der Eltern über Fluoridierungsmaßnahmen und Putztechnik sowie Ernährungsberatung | Ä4 | |
OK/UK | Vitalitätsprobe | 0070 | |
‒ | Motivation des Kindes zur Behandlung, Kind möchte sich nicht behandeln lassen; Behandlungsabbruch | ‒ | |
‒ | Aufklärung der Eltern über Weiterbehandlung unter Sedierung, Aufklärung über den Ablauf und die Risiken | ‒ | |
02.06. | ‒ | Konsiliarische Erörterung mit dem Kinderarzt vor Sedierung | Ä60 |
17.06. | ‒ | Analgosedierung mit Lachgas | § 6 Abs. 1 GOZ |
OK/UK | Abformung für Kinderprothese | Mat. | |
52‒62 | Infiltrationsanästhesie zur Schmerzausschaltung nach Sedierung und zur Verringerung der Blutungsneigung, Injektion vestibulär | 4 x 0090 + Mat. | |
74, 73, 64, 65 | Anlegen von Kofferdam | 2 x 2040 | |
74, 73, 64, 65 | Exkavation der Karies und Präparation der Kavität | ‒ | |
74, 64 | Indirekte Überkappung | 2 x 2330 | |
73, 74, 65 | Übermäßige Blutung gestillt, Maßnahme beim Präparieren | 2 x 2030 | |
74, 64, 65 | Separiert mit Keil und Matrize, Maßnahme beim Füllen | 2 x 2030 | |
64, 65 | Dreiflächige Kompositfüllung ‒mod‒ | 2 x 2100 | |
74 | Zweiflächige Kompositfüllung ‒ol‒ | 2080 | |
73 | Vierflächige Kompositfüllung ‒midv‒ | 2120 | |
52‒62 | Extraktion der tief zerstörten Zähne | 4 x 3020 | |
‒ | OP-Zuschlag | 0500 | |
52‒62 | Primäre Wundversorgung | ‒ | |
‒ | Ärztliche Bescheinigung zur Pflege des Kindes zum Bezug von Krankengeld | Ä70 | |
19.06. | 52‒62 | Wundkontrolle | 3290 |
52‒62 | Säuberung der Wunde durch Spülung, je OP-Gebiet | 3300 | |
52‒62 | Eingliederung der Kinderprothese mit einfach gebogenen Klammern | 5200 + 5070 |
Wichtig | Dieses Beispiel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Weitere Leistungen sind möglich und zusätzlich berechnungsfähig.
01.06.
Im Gegensatz zum BEMA enthält die GOZ keine separate Gebührenposition für Früherkennungsuntersuchungen (FU). Deshalb berechnet man die FU als eingehende Untersuchung nach Nr. 0010 GOZ. Die kindgerechte Aufklärung und die Aufklärung der Eltern über die notwendige Therapie dürfen nach der Nr. Ä1 zusätzlich neben Nr. 0010 GOZ berechnet werden.
Neben der Therapieaufklärung werden die Eltern über geeignete Fluoridierungsmaßnahmen und die richtige Putztechnik unterwiesen. Zusätzlich erfolgt eine Ernährungsberatung. Beides unterscheidet sich inhaltlich von der Beratung über die Notwendigkeit und den Ablauf der Therapiemaßnahmen. Daher kann neben der Nr. Ä1 und der Nr. 0010 GOZ zusätzlich die Nr. Ä4 berechnet werden.
Zur besseren Diagnostik wird ein OPG angefertigt und ausgewertet. Dies darf nach Nr. Ä5004 berechnet werden. Die Vitalitätsprobe dient ebenfalls diagnostischen Zwecken und wird nach Nr. 0070 GOZ je Sitzung berechnet.
Mit der Therapie kann in dieser Sitzung nicht begonnen werden, weil das Kind die Behandlung verweigert. Da der Behandlungsablauf sich nun ändert, werden die Eltern über eine mögliche Behandlung unter Sedierung aufgeklärt. Eine erneute Berechnung der Nr. Ä1 ist in derselben Sitzung nicht möglich.
PRAXISTIPP | Um für den erhöhten Aufwand bei der Beratung ein angemessenes Honorar zu erzielen, ist die für die erste Aufklärung berechnete Ä1 entsprechend § 5 Abs. 2 GOZ zu steigern. |
02.06.
Vor dem Eingriff berät sich der Zahnarzt mit dem behandelnden Kinderarzt. Das Konsilium ist von jedem liquidationsberechtigten Arzt bzw. Zahnarzt nach Nr. Ä60 berechnungsfähig.
17.06.
Da der Zahnarzt weder eine Doppelapprobation besitzt noch mit einem Anästhesisten zusammenarbeitet, berechnet er die Sedierung per Lachgas analog nach § 6 Abs. 1 GOZ. Nach der Lachgassedierung werden Ober- und Unterkiefer zur Herstellung einer Kinderprothese abgeformt. Das verwendete Abformmaterial wird nach § 4 Abs. 3 GOZ als Verbrauchsmaterial berechnet.
Zur Schmerzausschaltung und um die Blutung nach der Extraktion zu minimieren, wird eine Infiltrationsanästhesie gelegt. Diese kann je Zahn nach Nr. 0090 GOZ zzgl. des verwendeten Anästhetikums berechnet werden (im vorliegenden Fall viermal).
Das Anlegen von Kofferdam bei der Füllungstherapie ist nach Nr. 2040 GOZ je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich abrechenbar. Daneben dürfen besondere Maßnahmen beim Präparieren oder Füllen zusätzlich berechnet werden. Im vorliegenden Behandlungsfall kommt die Nr. 2030 GOZ insgesamt viermal zum Ansatz: Bei der Behandlung der Zähne 64, 65 und 73, 74 handelt es sich um zwei getrennte Kieferhälften, und die besonderen Maßnahmen betreffen jeweils einmal Maßnahmen beim Präparieren und einmal beim Füllen.
Das indirekte Überkappen mit einem Medikament berechnet man neben einer Füllung nach Nr. 2330 GOZ.
Je nach Ausdehnung der Kavität berechnet man das Präparieren und Füllen mit Komposit nach den Nrn. 2060, 2080, 2100 oder 2120 GOZ. Dabei ist die Angabe der Füllungsflächen zwingend erforderlich. Für die vier im vorliegenden Fall zu versorgenden Zähne werden folgende Positionen berechnet:
- Zähne 64, 65: dreiflächige Kompositfüllung ‒mod‒ (2 x Nr. 2100 GOZ)
- Zahn 74: zweiflächige Kompositfüllung ‒ol‒ (Nr. 2080 GOZ)
- Zahn 73: vierflächige Kompositfüllung ‒midv‒ (Nr. 2120 GOZ)
MERKE | Darüber, ob jeweils neben der Füllung die Nr. 2197 GOZ für die adhäsive Befestigung berechnungsfähig ist, besteht in der Rechtsprechung Uneinigkeit (PA 04/2019, Seite 5). Im vorliegenden Fall wird die Nr. 2197 GOZ nicht berechnet. |
Die Extraktion der tief zerstörten Zähne 52‒62 wird je Zahn nach Nr. 3020 GOZ berechnet (viermal). Zum Leistungsinhalt der Nr. 3020 GOZ gehört neben der Entfernung des tief zerstörten Zahnes (oder frakturierten Zahnes, siehe Kasten) die primäre Wundversorgung (für deren Inhalte siehe PA 11/2018, Seite 9). Der Ansatz der Nr. 3020 GOZ löst den OP-Zuschlag nach Nr. 0500 GOZ aus (je Sitzung nur einmal berechnungsfähig).
MERKE | Tiefe Zerstörungen der Zahnhartsubstanz können auch durch eine Zahnfraktur oder einen fehlgeschlagenen Extraktionsversuch verursacht werden. |
Das Ausstellen der kurzen Bescheinigung für die Mutter zur Betreuung des Kindes nach der Zahnbehandlung berechnet man nach Nr. Ä70.
19.06.
Die Wundkontrolle nach Nr. 3290 GOZ ist je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich und zusätzlich neben der Nachbehandlung nach einem chirurgischen Eingriff (Nr. 3300 GOZ) berechnungsfähig (PA 04/2019, Seite 9). Die Nachbehandlung nach Nr. 3300 GOZ kann je Operationsgebiet (zusammenhängende Schnittführung) abgerechnet werden (hier einmal).
MERKE | Zu den Leistungen der Nachbehandlung zählen beispielsweise das Säubern der Wunde, das Einbringen einer Tamponade, das Aufbringen desinfizierender Salben, das Erneuern einer Drainage oder das Entfernen von Fäden. |
Die Kinderprothese kann als Teilprothese mit einfachen gebogenen Halteelementen nach Nr. 5200 GOZ bei Eingliederung berechnet werden, zzgl. der Nr. 5070 GOZ je Spanne oder Freiendsattel. Anders als im BEMA gibt es für aufwendig gebogene Klammern keine zusätzliche Abrechnungsposition. Die Klammern sind in der Nr. 5200 GOZ enthalten. Die Aufwendungen für die zahntechnischen Leistungen werden dem Patienten entsprechend § 9 GOZ in Rechnung gestellt.