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  • · Fachbeitrag · Bauen im Bestand

    Nutzungsänderungen: Aufgabenstellung in Lph 1 und öffentliches Baurecht in Lph 2 klären

    | Beim Bauen im Bestand droht auch von den Baubehörden unerwarteter Widerstand. Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zeigt nämlich, dass selbst geringfügige Nutzungsänderungen das Risiko der Nichtgenehmigung bzw. Neuplanung mit hohen Auflagen tragen. Die Folge ist, dass der Auftrag wirtschaftlich zum Desaster wird. Ziehen Sie deshalb aus der aktuellen Rechtsprechung die richtigen Schlüsse. Handeln Sie nach folgender Maxime: Bei Nutzungsänderungen ist die Aufgabenstellung in der Leistungsphase (Lph) 1 und das öffentliche Baurecht in der Lph 2 zu klären. |

    Typischer Fall vor dem Verwaltungsgerichtshof Bayern

    Welche Probleme sich bei Umnutzungen stellen können, zeigt ein typischer Fall vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Bayern.

     

    Aus Lebensmittelmarkt soll Drogeriemarkt werden

    Unter Federführung eines Architekturbüros sollte ein Lebensmittelmarkt nach entsprechenden Umbauten und Modernisierungen als Drogeriemarkt genutzt werden. Die ursprüngliche Baugenehmigung enthielt eine Nutzung mit 550m² Nutzfläche als Lebensmittelmarkt und 150m² als Drogerieabteilung. Nun sollte die komplette Fläche insgesamt als Drogeriemarkt eingerichtet werden. Die Beteiligten (Planer und Bauherr) waren der Auffassung, dass diese Nutzungsänderung formlos erfolgen könne. Weit gefehlt.

     

    VGH Bayern untersagt formlose Umnutzung

    Der Fall landete vor Gericht. Mit schlechtem Ende für den Bauherrn. Der VGH Bayern untersagte die formlose Umnutzung. Die Folge war, dass umgeplant und eine erneute Baugenehmigung eingeholt werden musste. Eine relativ harmlos anmutende Änderung der Nutzung des Gebäudes hatte dazu geführt, dass eine ansonsten nicht genehmigungspflichtige Modernisierung zu einer genehmigungspflichtigen Nutzungsänderung mit allen baurechtlichen Folgen mutiert war. Die ursprüngliche Kostenschätzung aus der Lph 2 war hinfällig. Der Umbau wurde wesentlich teurer (VGH Bayern, Beschluss vom 9.9.2013 (Az. 14 ZB 12.1899; Abruf-Nr. 141237).

    Konsequenz für Ihre Planung

    Die Entscheidung entfaltet weit über Bayern hinaus ihre Wirkung, weil die öffentlich-rechtliche Sensibilität bei Umnutzungen wächst und den Planungsalltag beeinflusst. Ziehen Sie daraus die richtigen Konsequenzen:

     

    Nutzung in Lph 1 eindeutig klären

    Im Interesse einer sachgerechten und wirtschaftlich vertretbaren Planungsabfolge ist es unabdingbar, bereits bei Planungsbeginn Klarheit über die vorgesehene Nutzung zu schaffen. Das sehen übrigens auch die neuen Grundleistungen der Lph 1 in der HOAI 2013 so vor.

     

    PRAXISHINWEISE | Klären Sie also in der Lph 1 die Aufgabenstellung als Basis für die spätere Planungsvertiefung.

    • Die Aufgabenstellung muss so ausgestaltet sein, dass die vorgesehenen Nutzungen
      • eindeutig geklärt und
      • auch verortet werden.
    • Fehlt diese Klärung, kann es im Falle einer Planungsänderung passieren, dass die vergebliche (zu ändernde) Planung nicht vergütet wird.
    • Daher sollten Sie diese Klärung auch immer zeitnah dokumentieren. Musterschreiben finden Sie im Downloadbereich auf pbp.iww.de (mehr dazu unten).
     

    Beachten Sie | Das Planungsprinzip darf daher keinesfalls lauten „Wir ändern ein paar Wände am bestehenden Gebäude, schätzen dafür die Kosten, beschließen dann feierlich die Durchführung und versuchen später das Bauordnungsamt kurz vor Ausführungsbeginn zur Duldung zu überreden“.

     

    Fragen des öffentlichen Baurechts anschließend in Lph 2 klären

    Ist die Aufgabenstellung geklärt und die künftige Nutzung festgelegt, besteht der nächste Schritt darin zu klären, ob eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vorliegt oder die neue Nutzung vom Bestandsschutz der derzeitig genehmigten Nutzung umfasst ist.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Entscheidung, ab welcher Nutzungsänderung eine baugenehmigungspflichtige Nutzungsänderung vorliegt, ist nicht selten eine reine Frage des öffentlichen Baurechts.

    • Ein Architekt bzw. Ingenieur sollte diese Frage deshalb nie allein beantworten. Sie sollte stattdessen immer gemeinsam mit dem Bauamt geklärt werden und zwar möglichst bis zur Erarbeitung der Kostenschätzung.
    • Das richtige Instrument dazu ist eine Bauvoranfrage im Rahmen der Lph 2. Die Bauvoranfrage sollte auf die zentralen Fragestellungen ausgerichtet sein; nämlich die Genehmigungsfähigkeit der Maßnahme und die zu erwartenden Anforderungen von seiten der Baugenehmigungsbehörde.
    • Wer anders vorgeht, riskiert Honorarverluste. Wenn ein Planungsbüro schon mit Ausschreibungen befasst ist, während die Baugenehmigung nur mit hohen Auflagen erteilt wird, kann der Bauherr ein unkoordiniertes Vorpreschen einwenden und das Honorar für die vergebliche Planung zurückfordern.
     

    Umnutzungs-Beispiele aus dem Planungsalltag

    Um Sie für das Thema zu sensibilisieren, sind nachfolgend ein paar Fälle aus dem Planungsalltag aufgelistet und auf die Frage “neue Baugenehmigung erforderlich“ abgeklopft:

     

    Umbau einer Fachwerkwohnung in Arztpraxis oder Anwaltskanzlei

    Eine baugenehmigungspflichtige Nutzungsänderung kann vorliegen, wenn aus einem 150 Jahre alten Fachwerkwohngebäude eine Arztpraxis oder Rechtsanwaltskanzlei werden soll, auch wenn nur zwei Innenwände versetzt werden sollen (Beispielgrund: andere Anforderungen an Brandschutz und an Anzahl der Stellplätze auf dem Grundstück).

     

    Aus Schule soll Jugendherberge werden

    Bereits eine Veränderung der brandschutztechnischen Anforderungen (Rettungswege, Brandlasten von beweglichen Einrichtungen) kann zum neuen Bauantrag wegen Nutzungsänderung führen, wenn etwa aus einer ehemaligen Schule mit nur geringen Umbauten eine Jugendherberge gemacht werden soll.

     

    Blockheizmodul in Gewerbebetrieb

    Ein Bauantrag wird häufig erforderlich, wenn ein gewerblicher Immobilienbesitzer ein Blockheizmodul in sein Bauwerk ohne Veränderung der Gebäudehülle einbauen will, um erzeugten Strom ins Netz einzuspeisen und selbst zu verbrauchen.

     

    Alte Gebäude werden zu Versammlungsstätten

    Besonders interessant wird es wenn alte Gebäude zu Versammlungsstätten umgebaut werden (zum Beispiel alte Bahnhöfe oder ehemalige Kirchen werden Begegnungsstätten).

     

    Umnutzung eines großen Einfamilienwohnhauses zu Eigentumswohnung

    Auch die Umnutzung eines großzügigen Einfamilienwohnhauses zu drei Eigentumswohnungen kann genehmigungspflichtig sein und hohe Investitionen nur für das Baurecht erfordern (zum Beispiel im Hinblick auf neu zu schaffende Rettungswege und Stellplätze).

     

    Umwandlung einer Schulturnhalle in Dorfgemeinschaftshaus

    Last but not least sei hier noch die vorgesehene Umwandlung einer reinen Schulturnhalle ohne Tribüne in ein Dorfgemeinschaftshaus erwähnt. Zunächst waren nur wenige Maßnahmen vom Architekten geplant. Da im Dorfgemeinschaftshaus aber auch Abendveranstaltungen stattfinden sollten, wurden erhebliche weitere Maßnahmen erforderlich (zum Beispiel Umgebungsschallschutz nach TA Lärm, Stellplätze), sodass von der Maßnahme aus Kostengründen wieder Abstand genommen wurde. Dem Architekt wurde eine mangelhafte Kostenschätzung in der Vorentwurfsplanung und unkoordiniertes Vorpreschen mit den weiteren Lph vorgeworfen, weil er diese Kosten nicht eingerechnet hatte und der Bauherr damit nicht bereits im Zuge der Lph 2 entscheiden konnte, ob er den Umbau angeht. Die (unnötige) Folge war der Verlust des Planungshonorars.

     

    FAZIT | Bei Umnutzungen ist das wirtschaftliche Risiko für Bauherr und Planungsbüro in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Auch die Vielzahl der derzeit vor Gerichten anhängigen Prozesse spricht für sich. Ziehen Sie für Ihre Planung und Auftraggeber-Beratung daraus die richtigen Schlüsse. Klären Sie die Aufgabenstellung frühzeitig. Beraten Sie Bauherren formvollendet und dokumentieren Sie die Beratung und die Umsetzung durch den Bauherrn.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Das Musterschreiben zur „Beratung des Bauherrn bei Umnutzungen“ finden Sie auf pbp.iww.de unter Downloads → Musterschreiben → Optimale Vertragsabwicklung - allgemein.
    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 7 | ID 42655003