· Fachbeitrag · Bauen im Bestand
So vermeiden Sie Honorar- und Haftungsrisiken bei der Abweichung von Normen
| Beim Bauen im Bestand müssen regelmäßig Kompromisse gemacht werden, weil die allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) und die öffentlich-rechtlichen Vorschriften der Landesbauordnungen im Wesentlichen auf Neubaustandards bzw. Neubauten zugeschnitten sind ‒ und im Bestand nicht umgesetzt werden können. Haftungsrisiken vermeiden Sie nur, wenn Sie eine projektbezogene Vereinbarung vorweisen können, dass bestimmte a.a.R.d.T. nicht einzuhalten sind. Nehmen Sie die Reduzierung des Haftungsrisikos selbst in die Hand. PBP zeigt Ihnen, wie Sie das tun. |
Schwierige Rechtsprechung als Ausgangslage
Dass Sie aktiv werden müssen, ist in erster Linie der Rechtsprechung geschuldet. Sie nimmt nämlich Sie in die Verantwortung, wenn Sie mit Ihrem Auftraggeber keine haftungsbegrenzende Vereinbarung getroffen haben. Das zeigt sich z. B. an den Leitzsätzen einer Entscheidung des OLG Schleswig (Urteil vom 27.03.2015, Az. 1 U 87/10, Abruf-Nr. 146252):
- Wird ein Umbau durchgeführt, kann der Auftraggeber davon ausgehen, dass der Neubaustandard eingehalten wird, wenn das möglich ist.
- Der Architekt schuldet eine umfassende Beratung über die Möglichkeiten, die aktuellen technischen Regeln einzuhalten.
- Zustimmungen des Auftraggebers schließen einen Planungsmangel nur aus, wenn der Architekt ihn vorher aufgeklärt und belehrt hat.
Da es im Tagesgeschäft insbesondere bei Umbauten oft notwendig ist, von den a.a.R.d.T abzuweichen, müssen Sie tätig werden. Sie müssen den Auftraggeber beraten und ihn zu einer Entscheidung veranlassen.
Haftungsbegrenzung ist auch nach Vertragsschluss möglich
Die Abstimmung zu konkreten Vertragsinhalten kann beim Bauen im Bestand auch noch getroffen werden, wenn der Vertrag unterschrieben ist und die Planungsvertiefung in vollem Gange ist (Entwurfsplanung). Damit können Sie den fachtechnischen Planungsumfang und sinnvolle Abweichungen von den a.a.R.d.T noch während der Planung wirksam vereinbaren.
PRAXISTIPP | Das OLG Nürnberg hat diese Vorgehensweise ausdrücklich als übliche Vereinbarungen zum Vertragsinhalt zwischen Planer und Auftraggeber anerkannt. Voraussetzung ist, dass die Vereinbarungen später nachvollzogen werden können. Das Urteil ist wichtig, weil sie damit auch während der Planungsabwicklung technische Vertragsregelungen treffen können (OLG Nürnberg, Urteil vom 14.12.2001, Az. 6 U 2285/01, Abruf-Nr. 021226). |
Musterschreiben nutzen und Auftraggeber beraten
Mit dem nachfolgenden Musterschreiben informieren Sie den Auftraggeber über die Abweichung von den a.a.R.d.T. und geben ihm ein Zeitfenster für seine Entscheidung. Damit Sie ungehindert weiterplanen können, muss er Ihrem Vorschlag schriftlich zustimmen.
Musterschreiben / Information über Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik |
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Planung der Modernisierung wird derzeit im Rahmen der Vorplanung bearbeitet. Für das hier in Rede stehende Umbauprojekt ist aufgrund der umfangreichen baukonstruktiven Veränderungen ein Bauantrag einzureichen. Dabei werden eine Reihe von Abweichungen gegenüber den Anforderungen der Landesbauordnung nicht vermeidbar sein. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass wir uns hinsichtlich technischer Einzelheiten verständigen, bei denen altbaubedingt und durch Mitverarbeitung vorhandener Bausubstanz abweichend von den aktuellen Normen geplant und gebaut werden soll. Diese Abweichungen entstehen, weil aus Gründen der
vorhandene Baustoffe, -teile und -konstruktionen mitverwendet bzw. besondere, alternative oder historische Bauweisen anzuwenden sind, die nicht den aktuellen anerkannten Regeln der Technik entsprechen.
Deshalb können wir als Architekten nicht für darauf zurückzuführende technische und funktionale Einschränkungen und Abweichungen von den allgemein anerkannten Regeln der Technik bzw. DIN-Normen oder diesbezügliche Mängel und Schäden einstehen. Im Einzelnen betrifft dies insbesondere nachfolgend beispielhaft aufgeführte Fälle: Raum- und Durchgangshöhen, natürliche Raumbelichtung, Schlagregen- und Luftdichte alter Baukonstruktionen, Fenster, alternative Abdichtungen in Nassräumen, alternative Abdichtungen bei erdberührenden Bauteilen bzw. im Fundamentbereich, Mitverwendung vorhandener (z. B. verformter) Konstruktionen, Normanforderungen zum Wärme-, Kondensatschutz, zur Bauakustik, zum Schall- und Feuchteschutz, zu Putz- und Anstrichbeschichtungen sowie zu anderen Bauelementen im Zusammenwirken mit vorhandenen Untergründen oder Baustoffen.
Unberührt davon können Sie sicher sein, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Etwaige Abweichungen werden wir rechtzeitig mit der zuständigen Genehmigungsbehörde klären. Wir bitten um Ihre schriftliche Zustimmung bis zum ..., damit wir mit der Planung ohne Terminverzögerung fortfahren können.
Mit freundlichen Grüßen |
Auch Vertragsklausel ist möglich
Noch besser ist es natürlich, wenn Sie das Thema von vorneherein in einer Vertragsklausel regeln. Einen entsprechenden Vorschlag finden Sie im Beitrag „Endlich Klarheit: Beim Bauen im Bestand darf von DIN-Normen abgewichen werden“ in PBP 3/2017, Seite 14 → Abruf-Nr. 44535489. Das obige Musterschreiben steht für Sie als Word-Dokument auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 46600585 zur individuellen Anpassung bereit.