· Fachbeitrag · HOAI Regelung als Sackgasse
Mindestsatzunterschreitung wegen großer Längenausdehnung kann vergaberechtswidrig sein
| Auftraggeber, die die von der HOAI 2103 „legalisierte“ Mindestsatzunterschreitung bei Projekten mit großer Längenausdehnung nutzen wollen, haben einen ersten Dämpfer erlitten. Die Vergabekammer (VK) Brandenburg hat nämlich klargestellt, dass die Regelungen von Bewerbern bei VOF-Verfahren dann nicht genutzt werden können, wenn zum Zeitpunkt der Ausschreibung noch gar nicht absehbar ist, ob die Voraussetzungen für die Mindestsatzunterschreitung überhaupt vorliegen. Es bestätigt damit die in „„ Ausgabe 8/2014, Seite 20 vertretene Auffassung. |
Um diese HOAI-Regelungen geht es
In § 44 Abs. 7 HOAI 2013 ist Folgendes geregelt: „Steht der Planungsaufwand für Ingenieurbauwerke (Anmerkung der Redaktion: das Gleiche gilt für Tragwerke und Technische Anlagen) mit großer Längenausdehnung, die unter gleichen baulichen Bedingungen errichtet werden, in einem Missverhältnis zum ermittelten Honorar, ist § 7 Absatz 3 anzuwenden.ke“ § 7 Abs. 3 HOAI wiederum regelt, dass die in dieser Verordnung festgesetzten Mindestsätze durch schriftliche Vereinbarung in Ausnahmefällen unterschritten werden dürfen. Damit wird durch diese Regelung eine Mindestsatzunterschreitung bei Projekten mit großer Längenausdehnung in den Leistungsbildnern Ingenieurbauwerke (§ 44 Abs. 7 HOAI), Tragwerksplanung (§ 52 Abs. 5 HOAI) und Technischen Ausrüstung (§ 56 Abs. 6 HOAI) legal möglich.
VK schafft Klarheit zu großer Längenausdehnung
Im vorliegenden Fall hatte es der Auftraggeber im Rahmen eines VOF-Verfahrens zugelassen, dass Teilnehmer die Mindestsätze im Honorarangebot unterschritten. Einige taten dies, andere hielten sich an die Mindestsätze. Der Grund lag darin, dass die Teilnehmer die Fragen der „großen Längenausdehnung“ und das „Missverhältnis zum ermittelten Honorare“ unterschiedlich auslegten und daher unterschiedliche Honorarangebote zustande kamen.
Damit lag für die VK eine unzulässige Wettbewerbsverzerrung vor. Die Regelungen zur Mindestsatzunterschreitung bei Objekten mit großer Längenausdehnung dürften nicht dazu führen, dass Bewerber in VOF-Verfahren die Mindestsatzunterschreitungen nutzen, um Angebotspreise zu reduzieren und einen Preiswettbewerb zu führen. Im VOF-Verfahren müssten alle gleichgestellt werden (VK Brandenburg, Beschluss vom 25.6.2014, Az. VK 6/14; Abruf-Nr. 142861).
Die VK hat die angebotene Mindestsatzunterschreitung auch deshalb als HOAI-widrig eingestuft, weil zum Zeitpunkt des Wettbewerbs aus fachlichen Gründen heraus völlig unklar ist, ob die Voraussetzungen zur Mindestsatzunterschreitung nach § 44 Abs. 7 oder § 52 Abs. 5 HOAI überhaupt vorliegen.
PRAXISHINWEIS | Wenn Ihr Planungsbüro an einem VOF-Verfahren teilnimmt, das ein Mindestsatzunterschreitungs-Angebot wegen großer Längenausdehnung enthält, sollten Sie die Vergabewidrigkeit sofort rügen. |
HOAI-Regelung ist faktisch nicht umsetzbar
Wie oben erwähnt, setzt die vergaberechtskonforme Anwendung der Mindestsatzunterschreitungs-Regel voraus, dass der Auslober zum Zeitpunkt der Ausschreibung schon absehen kann, dass die in der HOAI genannten Voraussetzungen vorliegen werden. Für Auftraggeber, die nicht selbst planen und auch kein eigenes Planungsbüro betreiben, dürfte das eine Sache der Unmöglichkeit sein. Sie werden fachtechnisch nicht in der Lage sein, Folgendes zu ermitteln und festzustellen:
- Besteht tatsächlich ein Missverhältnis zwischen Aufwand und ermitteltem Honorar? Den Aufwand kann nur der einzelne Planer selbst einschätzen, er dürfte außerdem in den jeweiligen Büros durchaus unterschiedlich sein.
- Welchen konkreten Betrag ergibt das ermittelte Honorar vor Beginn eines VOF-Verfahrens unter Anwendung der genannten HOAI-Regelung?
- Liegen gleiche bauliche Bedingungen vor? Diese Einschätzung kann sich allenfalls im Zuge der Planung ergeben. Unklar ist darüber hinaus immer noch, was mit gleichen baulichen Bedingungen gemeint ist. Offensichtlich handelt es sich um zwei vergleichbare oder gleichartige Planungsaufgaben.
- Wann liegt überhaupt eine große Längenausdehnung vor? Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff.
Die erwähnten Unklarheiten hat wohl auch die VK bei ihrer Entscheidung vor Augen gehabt. Um auch fachtechnisch Klarheit zu schaffen, hat sie deshalb in ihrer Begründung klargestellt, dass ein Auslober, der die Mindestsatzunterschreitungen im VOF-Verfahren zulassen will, sachlich begründen muss, dass die Voraussetzungen vorliegen. Das werden aber die meisten Auftraggeber nicht leisten können.
Wichtig | Die vorstehenden Ausführungen gelten nicht nur für öffentliche Auftraggeber, sondern uneingeschränkt auch für private Auftraggeber, die Fördermittel in Anspruch nehmen. Dazu gehören auch die inzwischen vielfach privatisierten ehemaligen öffentlichen Auftraggeber, die - unzutreffenderweise - glauben, sich aufgrund ihrer privaten gesellschaftsrechtlichen Struktur nicht an die HOAI halten zu müssen.
Weiterführende Hinweise
- Beitrag „Legale Mindestsatzunterschreitung wegen großer Längenausdehnung ist unsachgemäß“, PBP 8/2014, Seite 20
- Beitrag "„Nachprüfungsanträge: So wahren Sie Ihre Rechte bei öffentlichen Vergabeverfahren“, PBP 6/2011, Seite 14