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  • · Fachbeitrag · Nachtragsprüfung und Baugrundrisiken

    Prüfung von Nachträgen: Bearbeiten Sie nur Fach- und keine Rechtsfragen

    | Die Prüfung von Nachträgen ist Bestandteil der Grundleistungen der Leistungsbilder Gebäude, Innenräume und Technische Ausrüstung. Nicht explizit geregelt ist in der HOAI 2013 aber, welche Art von Nachträgen und welche Fragestellungen Sie denn im Rahmen der Lph 8 prüfen müssen. Weil Planungsbüros bei unberechtigten Nachträgen mit Regressforderungen der Auftraggeber rechnen müssen, sollten Sie Ihre Leistungsgrenzen kennen. Eine Entscheidung des OLG Celle bietet hier eine gute Orientierungsshilfe. |

    Regelungslücke in der HOAI

    Das Problem besteht darin, dass die HOAI nicht regelt, welche Art von Nachtragsforderungen Sie im Rahmen der Grundleistungen prüfen müssen. Es ist also nichts darüber ausgesagt, ob die Prüfpflicht nur solche Nachträge umfasst, denen fachtechnische Gründe zugrunde liegen oder ob Sie auch Nachtragsangebote prüfen müssen, die ausführende Unternehmen deshalb präsentieren, weil der ihnen vorgegebene Vertragsinhalt missverständlich gestaltet ist (Nachtrag basiert auf rechtlichen Gründen).

     

    PRAXISHINWEISE | Von diesem Regelungs-Nirwana gibt es in der HOAI aber folgende Ausnahmen.

    • Teilweise geregelt sind bauwirtschaftlich begründete Nachträge, wie zum Beispiel Fragen der Bauverzögerungen oder der Aufstockung der Kapazitäten durch mehr Bauarbeiter vor Ort (Beschleunigungsvergütung). Da hier oft Fragestellungen aus dem rechtlichen und bauwirtschaftlichen Bereich gelöst werden müssen, hat der Verordnungsgeber die Prüfung bauwirtschaftlich begründeter Nachträge vorsorglich als Besondere Leistung geregelt. Das gilt aber nur für die Leistungsbilder Gebäude, Technische Ausrüstung und Innenräume.
    • In den Leistungsbildern Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen stellt die Nachtragsprüfung ohnehin eine Besondere Leistung dar. Folglich muss hier immer eine konkrete Leistungs- und Honorarvereinbarung getroffen werden, die auf die Bedingungen des Einzelfalls abzustimmen ist.
     

    Entscheidung des OLG Celle gibt Orientierungshilfe

    Für alle anderen - in der HOAI nicht geregelten - Fälle gibt eine Entscheidung des OLC Celle Orientierungshilfe. Im konkreten Fall ging es um ein Baugrundgutachten, dessen Ergebnis als Kalkulationsgrundlage für die Ausschreibung oder Beauftragung herangezogen wurde. Der ausführende Unternehmer machte Nachtragsforderungen geltend. Das OLG entschied, dass ein Teil der zusätzlich geforderten Vergütung berechtigt war (OLG Celle, Urteil vom 9.8.2012, Az. 5 U 34/12; Abruf-Nr. 142862). Die Entscheidung ist rechtskräftig. Der BGH hat die Beschwerde des Auftraggebers gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen (BGH, Beschluss vom 6.3.2014, Az. VII ZR 255/12).

     

    OLG unterscheidet zwischen Sachfrage und Rechtsfrage

    Wichtig für Sie an dem Urteil ist, dass das OLG darin unterschiedliche Gründe für den Vergütungsanspruch aufgeführt hat, die, wenn man sie sich näher ansieht, in baufachliche und rechtliche Kriterien gegliedert werden können:

     

    • Nachträge, denen ein baufachtechnischer Mehraufwand zugrunde liegt, sind in der Regel anhand baufachlicher Kriterien zu bewerten. Das sind in der Regel technische Fragestellungen, die das Planungsbüro bearbeiten kann. Als solche gelten
      • Nachträge wegen Mengenmehrungen,
      • Nachträge wegen unzweifelhaft hinzutretender zusätzlicher Leistungen, für die es keine Leistungsvereinbarung gibt, und
      • Nachträge, die auf einer unvollständigen Leistungsbeschreibung beruhen.

     

    • Erkennbare oder zum Zeitpunkt der Angebotskalkulation vorhersehbare Bodenverhältnisse stellen keine unvollständige Leistungsbeschreibung dar, wenn die Erkennbarkeit aus den vorgelegten Unterlagen hervorgeht und der Auftragnehmer die Erschwernisse vorhersehen hätte können, wenn er sein Angebot mit sachgemäßer Sorgfalt ausgearbeitet hätte.

     

    • Wichtig | Hier beginnt der Bereich der rechtlichen Auslegung des Vertrags. Ein solcher Nachtrag muss vom Planer hinsichtlich der reinen Rechtsfragen nicht geprüft werden, weil das nicht in seinen Kompetenzbereich fällt. Er hat seine (Beratungs-)pflicht erfüllt, wenn er dem Auftraggeber empfiehlt, den Nachtrag in rechtlicher Hinsicht von einem Anwalt prüfen zu lassen und selbst nur den baufachlichen Nachtragsteil prüft.

     

    Prüfungskriterien gelten generell

    Das OLG Celle musste im konkreten Fall entscheiden, wann Nachtragsforderungen für Erd- oder Gründungsarbeiten berechtigt sind, weil das Baugrundgutachten und/oder die Regelungen im LV (hier: Bauvertrag) auslegungsfähig sind. Die Ausführungen gelten aber für alle anderen Nachträge am Bau.

    Die Konsequenz für Ihre Nachtragsprüfungen

    Gehen Sie bei der Prüfung von Nachtragsangeboten keine unnötigen Haftungsrisiken ein bzw. vermeiden Sie unangemessenen Aufwand. Wägen Sie ab, ob die Bearbeitung des Nachtrags die Klärung von Rechtsfragen erfordert. Stehen Rechtsfragen an, empfehlen Sie Auftraggebern - vor allem gewerblichen - , dass diese die Berechtigung der Nachtragsforderung von einem versierten Rechtsanwalt prüfen lassen. Beachten Sie dabei, dass die Grundleistungen der einzelnen Leistungsbilder unterschiedlich formuliert sind.

     

    Beraten Sie Auftraggeber entsprechend. Nutzen Sie das nachstehende Musterschreiben. Es legt den - häufigen - Fall zugrunde, dass bei den Leistungsvereinbarungen zur Nachtragsprüfung nicht zwischen der rein fachtechnischen Prüfung und der rechtlichen Prüfung unterschieden worden ist. Das Schreiben ist auf den vom OLG Celle entschiedenen Fall (Nachtrag aufgrund Baugrundgutachten) zugeschnitten. Es ist aber nach entsprechender Umformulierung auf alle denkbaren Fälle übertragbar.

     

    Musterschreiben / Information des Auftraggebers über die Prüfung eines Nachtrags

    An

    Auftraggeber

     

    Betr. Baumaßnahme … - Nachtragsangebot Nr. … vom … zum Auftrag Nr. … der Firma …

     

    Sehr geehrte Damen und Herren,

     

    wir haben das Nachtragsangebot der Firma … Nr. … vom … fachtechnisch geprüft. Die Positionen … bis … stellen ohne Zweifel fachtechnisch erforderliche Zusatzleistungen dar, die im Vertrag und in den zugehörigen Kalkulationsunterlagen nicht enthalten sind und daraus auch nicht erkannt werden konnten. Diese Leistungen sind erforderlich, weil der im Zuge der Erdarbeiten tatsächlich vorgefundene Baugrund eine fachtechnisch andere Beschaffenheit (Bodenklasse … statt …) aufweist als ursprünglich angenommen und im Baugrundgutachten vom … beschrieben. Damit liegen fachtechnische Änderungen vor, die nicht im Verantwortungsbereich des ausführenden Unternehmers liegen. Beachten Sie bitte, dass das Baugrundgutachten, das Planungs- und Kalkulationsgrundlage ist, aufgrund von einigen Sondierungsaufschlüssen erstellt worden ist. Aufgrund dieser Sondierungsbohrungen müssen bestimmte Annahmen getroffen werden. Im hier vorliegenden Fall treffen die Annahmen trotz sorgfältiger Baugrunderkundung nicht zu, weil mit den konkret vorliegenden - sehr unregelmäßigen - Baugrundverhältnissen nicht zu rechnen war.

     

    Die Forderungen gemäß der Position … und Position … des oben genannten Nachtrags Nr. … werden von der Firma … geltend gemacht, weil sie der Auffassung ist, dass diese Leistungen dem Verständnis und dem Wortlaut der Kalkulations- und Vertragsunterlagen nach weder im Vertrag noch den zugehörigen Kalkulationsunterlagen enthalten sind und daraus auch bei sachgemäßer Angebotskalkulation nicht erkennbar waren.

     

    Hier vertreten wir aus rein fachtechnischen Gründen eine grundlegend andere Auffassung. Nach unserem fachlichen Verständnis war es für die Firma aus folgenden Gründen erkennbar, erforderlich und auch geboten, diese Leistungen bei der Kalkulation ihres Angebots sachgemäß zu berücksichtigen:

     

    • 1. …
    • 2. …

     

    Bei dieser Auffassung handelt es sich jedoch um eine rechtliche Vertragsauslegungsfrage. Deshalb empfehlen wir Ihnen, eine Rechtsauskunft zur Auslegung der vertraglichen Grundlage einzuholen, bevor Sie eine endgültige Entscheidung über die Beauftragung oder Nichtbeauftragung treffen. Da die hier in Rede stehenden Arbeiten unmittelbar bevorstehen, halten wir die rechtliche Bearbeitung für terminlich dringlich. Denn so können etwaige Verzögerungen vermieden werden. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir hier eine gesicherte Rechtsauskunft vorschlagen. Wir sind der Auffassung, dass nur eine rechtliche Klärung eine hinreichende Sicherheit für die weitere Abwicklung bietet und spätere Auseinandersetzungen vermeiden kann. Wir bitten um kurzfristige Information über das von Ihnen Veranlasste, damit wir ebenfalls entsprechend disponieren können. Die baufachliche Prüfung kann im Anschluss an die rechtliche Prüfung erfolgen.

     

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Weiterführende Hinweise

    • Sie finden das „Musterschreiben zur Information des Auftraggebers über die Prüfung von Nachträgen im Zuge der Lph 8“ auf pbp.iww.de unter Downloads → Musterschreiben → Optimale Vertragsabwicklung allgemein
    • Beitrag „Prüfung von Nachträgen in der HOAI 2013: So reagieren Objekt- und Fachplaner auf umstrittene Neuregelung richtig“, PBB 11/2013, Seite 3
    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 13 | ID 42961315