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  • · Fachbeitrag · HOAI

    Objekttrennung bei Erschließungsanlagen: So sichern Sie sich ein auskömmliches Honorar

    von Dipl.-Ing. Ulrich Welter, ö.b.u.v. Sachverständiger für Ingenieurhonorare, nach HOAI, ingside®, Büsum

    | Die richtige Bestimmung der Objekte ist aufgrund der Degression der Honorartafeln von fundamentaler Bedeutung für die Honorarermittlung. Denn je mehr Objekte vorliegen, desto höher ist das Honorar. Aus diesem Umstand ergeben sich unterschiedliche Interessen von Planern und Auftraggebern. Der Planer möchte viele Objekte, der Auftraggeber wenige. Doch wie wird die Anzahl der Objekte eines Bauvorhabens regelkonform bestimmt und was können Sie tun, wenn ein öffentlicher Auftraggeber die eindeutigen Vorgaben der HOAI missachtet? PBP klärt auf. |

    Auswirkungen der Objekttrennung auf das Honorar

    Soll das Honorar für die Planung von Ingenieurbauwerken nach der HOAI ermittelt werden, stellt sich zunächst die Frage, um welche Objekte es sich handelt und welchen Leistungsbildern diese Objekte zuzuordnen sind. Dazu ist festzustellen, dass sich alle Vorschriften der HOAI immer nur auf ein einziges Objekt beziehen. Eine Ausnahme hiervon ist der § 11 ‒ Auftrag für mehrere Objekte. Das bedeutet, dass für jedes Objekt die beauftragten Leistungen zu erbringen sind, dass aber auch das Honorar für jedes Objekt zu berechnen ist. Das ergibt sich schon aus der Generalvorschrift des § 11 Abs. 1. Diese lautet:

     

    • Die HOAI im Wortlaut: § 11 Abs. 1

    Umfasst ein Auftrag mehrere Objekte, so sind die Honorare vorbehaltlich der folgenden Absätze für jedes Objekt getrennt zu berechnen.

     

    Das ist wegen der Degression der Honorartafeln für die Höhe des Honorars von besonderer Bedeutung.

     

    • Sollen z. B. im Leistungsbild Ingenieurbauwerke drei Objekte mit anrechenbaren Kosten von je 100.000 Euro geplant werden, so ergibt sich in der Honorarzone III zum Mindestsatz das Honorar gemäß Honorartafel in § 44 HOAI zu je 13.932 Euro, also für drei Objekte zusammen 3 x 13.932 = 41.796 Euro.

     

    • Fasst man hingegen die drei Objekte zu einem einzigen zusammen, ergibt sich ein Honorar bei dann 300.000 Euro anrechenbaren Kosten von nur noch 32.532 Euro.

     

    Auftraggeber haben deshalb oft das Ziel, möglichst wenig Objekte zu vereinbaren. Was nun richtig ist und wie man mit misslichen Vorgaben der Auftraggeber umgeht, erläutert Ihnen PBP anhand einer aktuellen Leseranfrage.

    Der Fall

    Ein Ingenieurbüro soll zur Erschließung eines Bebauungsplangebiets eine Trinkwasserleitung und eine Abwasserentsorgung planen. Die Abwasserentsorgung besteht aus einem Schmutzwasserkanal, einer Pumpstation für das Schmutzwasser, einer anschließenden Druckleitung, einem Regenwasserkanal, einem Regenklärbecken, einer Ableitung zu einem zu planenden Regenrückhaltebecken und einer Ableitung von dort in den Vorfluter.

    Das Problem

    Der Auftraggeber schreibt aus, dass die Trinkwasserleitung zusammen mit den beiden Abwasserkanälen, der Pumpstation und dem Regenklärbecken ein gemeinsames Objekt und das Regenrückhaltebecken ein zweites Objekt darstellen und das Honorar „in Anlehnung an die HOAI“ ermittelt werden soll. Bietet das Ingenieurbüro so an und rechnet das Honorar später so ab, ist das Honorar mit größter Wahrscheinlichkeit unauskömmlich. Was also tun?

    Die Lösung

    Zunächst einmal muss sich das Ingenieurbüro klar machen, wie das Honorar korrekt zu ermitteln wäre. Darauf aufbauend muss es eine Bieterstrategie entwickeln. Dabei sind z. B. taktische Bieterfragen zu stellen. Zuletzt ist zu entscheiden, ob und wie ein Angebot abgegeben werden soll.

     

    Die Grundsätze der Objekttrennung nach HOAI

    Für eine korrekte Honorarermittlung ist zunächst die genaue Zahl der zu planenden Objekte zu bestimmen. Dabei gelten die Grundsätze der Objekttrennung. Diese sind:

     

     

    • 2. Innerhalb des Leistungsbilds: Ungleichartige Bauwerke (zu verschiedenen Bereich gemäß § 41 Abs. 1 gehörig, also z. B. Wasserversorgung und Abwasserentsorgung) können nicht ein gemeinsames Objekt bilden.

     

    • 3. Innerhalb des Leistungsbildes bei gleichartigen Bauwerken (z. B. bei mehreren Bauwerken der Abwasserentsorgung) ist zu trennen und zwar nach
    • a) der funktionalen Selbstständigkeit und
    • b) der konstruktiven Selbstständigkeit.
    •  
    • Dabei steht bei Gebäuden die konstruktive Selbstständigkeit im Vordergrund (BGH, Urteil vom 09.02.2012, Az. VII ZR 31/11, Abruf-Nr. 120903). Bei Ingenieurbauwerken spielen hingegen sowohl konstruktive als auch funktionale Kriterien eine Rolle. So besteht z. B. eine Abwasserbehandlungsanlage aus einer Vielzahl unterschiedlicher, konstruktiv selbstständiger und räumlich getrennter Bauwerke (Becken). Sie alle aber können nur gemeinsam die Funktion der Abwasserbehandlung erfüllen. Die konstruktive Selbstständigkeit führt deshalb nicht dazu, dass mehrere Objekte vorliegen, so wie dies bei Reihenhäusern der Fall ist. Bei Straßen wiederum können schon aus Gründen der Verkehrssicherheit gar keine konstruktiven Trennungen vorliegen. Deshalb kommt es bei Verkehrsanlagen ausschließlich auf die funktionale Selbstständigkeit an.

     

    Was ein Objekt im Sinne der HOAI ist, ergibt sich auch aus den Anlagen, z. B. Anlage 12.2 zur HOAI ‒ Objektliste Ingenieurbauwerke. Dort lautet die Überschrift:

     

    • Wortlaut der HOAI: Anlage 12.2

    Nachstehende Objekte werden in der Regel folgenden Honorarzonen zugerechnet:

     

    Daraus ergibt sich, dass alle aufgeführten Bauwerke/Anlagen jeweils ein Objekt darstellen und die Liste nicht abschließend ist. In den Gruppen 1 und 2 unterschiedet die HOAI nach Leitungen einerseits und Leitungsnetzen andererseits. Sind also zwei Leitungen zu planen, die nicht miteinander verbunden sind, liegen zwei getrennte Objekte vor.

     

    Die richtige Objekttrennung im Fallbeispiel

    Im hier zu besprechenden Beispiel liegen, wie aus nachstehender Tabelle zu entnehmen ist, eine Anlage der Wasserversorgung (Trinkwasserleitung) und mehrere Anlagen der Abwasserentsorgung vor. Es ergeben sich somit bei Weitem mehr als die vom Auftraggeber vorgegebenen zwei Objekte.

     

    Fallbeispiel: Die korrekte Objektbestimmung nach HOAI

    Trinkwasserleitung

    Die Trinkwasserleitung ist ein eigenständiges Objekt, weil sie gegenüber den Anlagen der Abwasser-entsorgung ungleichartig ist (vgl. § 41 HOAI, Nr. 1 und Nr. 2).

    SW- / RW-

    Kanal

    SW-Kanal und RW-Kanal sind eigenständige Objekte. Sie können nicht zu einem gemeinsamen Objekt zusammengefasst werden. Zum einen sind die beiden Kanäle konstruktiv getrennt. Zum anderen ist es ja gerade der Sinn eines Trennsystems, die Funktionen zu trennen. Bei einem Trennsystem liegen deshalb immer zwei Objekte vor (OLG Braunschweig, Urteil vom 11.03.2004, Az. 8 U 17/99, Abruf-Nr. 053024).

    Pumpstation

    Während die Kanäle die Abwasser sammeln und transportieren, ist es Aufgabe der Pumpstation, einen geodätischen Höhenunterscheid zu überwinden. Es liegt deshalb eine vollständig andere Funktion vor. Die Pumpstation ist deshalb und wegen ihrer konstruktiven Selbstständigkeit ein eigenständiges Objekt.

    Druckleitung

    Gleiches gilt für die Druckleitung (eigenständiges Objekt), deren Aufgabe und Funktion nur noch das Transportieren ist.

    Regenklärbecken

    Das Regenklärbecken (RKB) ist eine Abwasserbehandlungsanlage und sowohl funktional als auch konstruktiv eigenständig. Es ist deshalb ein eigenständiges Objekt.

    Regenrückhaltebecken

    Das Regenrückhaltebecken (RRB) erfüllt die Funktion der Retention und ist zudem konstruktiv selbstständig. Es ist deshalb ebenfalls ein eigenständiges Objekt.

    Ableitung

    Ob die Ableitung zum Vorfluter ein eigenständiges Objekt darstellt, ist im Einzelfall zu untersuchen. Im Grundsatz ist dies zu bejahen. Sofern es sich aber um nur eine kurze Leitung handelt, deren anrechenbare Kosten den Tafeleingangswert (25.000 Euro) nicht erreichen, kann das Honorar frei vereinbart werden. Die Leitung wird dann üblicherweise dem RRB zugeschlagen.

    Tragwerksplanung

    Gemäß § 49 Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 1 HOAI stellen Tragwerke eigenständige Objekte dar. Das gilt auch, wenn für ein Objekt mehrere Tragwerke zu planen sind, sofern diese für die Standsicherheit des Objekts maßgeblich sind. Im hier besprochenen Fall sind deshalb alle Tragwerksplanungen getrennt abzurechnen (z. B. Pumpstation, Verbau Pumpstation, Verbau SW-Kanal, Verbau RW-Kanal, RKB, Verbau RKB, Zulaufbauwerk RRB, Auslaufbauwerk RRB, u. a. m.).

    Technische Ausrüstung

    Die Anlagen der Technischen Ausrüstung sind gemäß § 54 Abs. 1 HOAI für jedes Objekt und getrennt nach den Anlagengruppen (AG) abzurechnen. Also z. B. Pumpwerk AG 3, 4, 5, 6, 7, 8; RKB AG 4, 5, 7, 8; u. a. m.

     

    In allen Fällen ist zu prüfen, ob die Vergütungstatbestände des § 11 Abs. 2 und Abs. 3 HOAI erfüllt sind (weitgehend vergleichbare Objekte bzw. im Wesent-lichen gleiche Objekte). Ist dies der Fall, ist entsprechend zu verfahren und es ergäbe sich eine Honorarminderung. Das ist aber in dem hier besprochenen Fall aus der Leserschaft sicher nicht so.

     

    HOAI: Ganz oder gar nicht

    Wird das Honorar nach den vorgenannten Objekten getrennt ermittelt, so entspricht dies den preisrechtlichen Vorschriften der HOAI. Das kommt allerdings in der Praxis leider nicht sehr häufig vor. Auftraggeber sollten jedoch wissen, dass ein Abweichen von der HOAI durch das Zusammenfassen von Objekten rechtlich nicht möglich ist. Zwar heißt es oft, mit der HOAI 2021 sei alles erlaubt. Dem ist aber nicht so. Die Parteien sind gemäß § 1 HOAI lediglich nicht mehr an die Anwendung der HOAI gebunden. Wendet man die Verordnung jedoch an, dann ist sie vollständig anzuwenden.

     

    Öffentliche Auftraggeber suchen einen Ausweg in Formulierungen wie „in Anlehnung an die HOAI“. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass man zwar die Bestimmungen der HOAI befürwortet, aber das Honorar der Höhe nach davon abkoppeln und dadurch eben drücken möchte. Ob das allerdings möglich ist, ist zumindest sehr zweifelhaft. Denn in § 1 S. 2 HOAI heißt es:

     

    • Die HOAI im Wortlaut: § 1 S. 2

    Die Regelungen dieser Verordnung können zum Zwecke der Honorarberechnung einer Honorarvereinbarung zugrunde gelegt werden.

     

    Das bedeutet: Man kann es so machen, aber man muss es nicht mehr. Doch wenn man es so macht, dann muss man es ganz machen. „Rosinen picken“, wie das Zusammenfassen von Objekten, ist nicht erlaubt. Die HOAI ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB), genauso wie z. B. die VOB/B. Und diese gelten entweder ganz oder gar nicht.

     

    Kritikern, die nun sagen, bei der VOB/B saßen aber die beteiligten Kreise zusammen, was bei der HOAI nicht der Fall war, sei gesagt, dass der BGH schon zweimal derart entschieden hat:

     

    • Einmal zur HOAI (BGH, Urteil vom 09.07.1981, Az. VII ZR 139/80) und

     

     

    Beachtlich ist, dass das zweite Urteil von einem ganz anderen Senat gesprochen wurde. Es spricht also sehr viel dafür, dass „Rosinen picken“ nicht möglich ist. Und „in Anlehnung an die HOAI“ wird wohl bald ein Ende finden. Die VK Südbayern hat jüngst entscheiden, dass „wilde“ Planungswettbewerbe unzulässig sind: Ein nur „in Anlehnung an die RPW 2013“ ausgestalteter Realisierungswettbewerb, bei dem weder eine eigene veröffentlichte einheit-liche Richtlinie noch die RPW 2013 Anwendung finden soll, stellt einen Vergabeverstoß dar. Wenn der Auslober die RPW 2013 als veröffentlichte einheitliche Richtlinie seinem Realisierungswettbewerb zu Grunde legen möchte, dann ist ein Abweichen von den Regelungen der RPW nur mit der Zustimmung der Architektenkammer möglich. Soweit der Auslober eigene Richtlinien für die Durchführung von Planungswettbewerben entwickelt hat, müssen diese veröffentlicht sein. Eine Mitteilung in der Wettbewerbsbekanntmachung genügt hierfür nicht (VK Südbayern, Beschluss vom 29.04.2024, Az. 3194.Z3-3_01-24-4, Abruf-Nr. 243268). Es bleibt den Parteien in diesem Kontext also nur zu wünschen, dass sie kluge und rechtssichere Vereinbarungen treffen.

    Wenn der Auftraggeber trotzdem „falsch“ ausschreibt?

    Schreibt ein Auftraggeber nun aber dennoch so aus, dass er Objekte unrechtmäßig zusammenfasst, sollten Sie dies mit einer Bieterfrage aufklären. Diese könnte wie folgt formuliert sein:

     

    Musterschreiben / Bieterfrage im Vergabesystem

    „In der Unterlage … haben Sie zur Honorarermittlung die Bauwerke/Anlagen … zu einem einzigen Objekt zusammengefasst. Dies widerspricht den Bestimmungen der HOAI. Gemäß § 11 Abs. 1 HOAI sind die Objekte getrennt abzurechnen. Bitte erklären Sie, aus welchem Grund von dieser Generalvorschrift abgewichen werden soll.“

     

    Hat der Auftraggeber hingegen die einzelnen Anlagen gar nicht benannt, so hat er auch die Objekte nicht zusammengefasst. Es kommt dann auf die konkrete Formulierung an. Heißt es z. B. „Es gelten die Bestimmungen der HOAI“ und es wird im Weiteren nur eine einzige Summe für die anrechenbaren Kosten angegeben, dann können Sie als Planer später nach Objekten getrennt abrechnen und sich so das volle Honorar sichern. Denn genau das entspricht den Bestimmungen der HOAI. In einem solchen Fall sollten Sie sich also entsprechende Bieterfragen sparen.

     

    FAZIT | Soll das Honorar für einen Auftrag nach HOAI abgerechnet werden, dann sind Objekte immer getrennt abzurechnen. Was ein Objekt ist, ergibt sich unmittelbar aus den Bestimmungen der HOAI (z. B. HOAI Anlage 12.2). Im Zweifel sind Objekte nach funktionalen und konstruktiven Kriterien gegeneinander abzugrenzen. Viele Auftraggeber wollen aber die Planungshonorare durch das unrechtmäßige Zusammenfassen von Objekten drücken. Ein Abweichen von den Grundsätzen der HOAI mittels „schwammiger Formulierungen“ wie z. B. „in Anlehnung an die HOAI“ ist rechtlich allerdings gar nicht möglich. Das bestätigt auch die aktuelle Rechtsprechung. Durch kluge Bieterfragen kann man in der Ausschreibungsphase Aufklärung verlangen und sich so Wettbewerbsvorteile verschaffen. Manche Fragen stellt man allerdings besser nicht.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Beitrag „Das ‚kleine Einmaleins des AGB-Rechts‘ und was es Ihnen in punkto Honorarsicherung nutzt“, PBP 01/2023, Seite 8 → Abruf-Nr. 48564562
    • Sonderausgabe „Die Honorarabrechnung beim Auftrag für mehrere Objekte: Praktische Anwendungstipps für § 11 HOAI“ → Abruf-Nr. 49923368
    Quelle: Ausgabe 10 / 2024 | Seite 6 | ID 50133302