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  • · Fachbeitrag · Honorarabrechnung

    Zusatzhonorar wegen Bauverzögerung: BGH spricht Machtwort zugunsten der Planer

    | Jahrelang wurde über die Möglichkeit von Zusatzhonorar bei Bauzeitverzögerungen ohne greifbares Ergebnis gestritten. Jetzt hat der BGH ein Machtwort gesprochen und eine praxisgerechte Möglichkeit der Nachweisführung und Abrechnung aufgezeigt. PBP stellt sie Ihnen vor. |

    Darum ging es beim BGH

    Im konkreten Fall war ein Planungsbüro mit der Bauüberwachung bei der Sicherung und Rekultivierung einer Deponie beauftragt.

     

    Kampfmittelfund verlängert Lph 8 bei Rekultivierung einer Deponie

    Im Februar 2013 begannen die Bauarbeiten. Dabei stellte sich heraus, dass der Baugrund durch Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg (Munition, Granaten, etc.) belastet war. Die Bauarbeiten mussten folglich unter erschwerten Bedingungen durchgeführt werden. Die Fertigstellung verschob sich um ein Jahr von Oktober 2013 auf Oktober 2014. Außerdem stiegen die Baukosten von 1,6 Mio. Euro auf 2,1 Mio. Euro.

     

    „Bauverzögerungsnachtrag“ des Planers stößt auf Ablehnung

    Das Planungsbüro legte einen Nachtrag mit „Bauverzögerungshonorar“ bzgl. des von der Verzögerung betroffenen Honorars für die Lph 8 in Höhe von ca. 52.000 Euro brutto. Der Bauherr lehnte ihn ab. Er behauptete, dass der Planer die Verzögerungen bereits im Zuge der Angebotskalkulation hätte erahnen können. Weitere Ablehnungsgründe waren:

     

    • Das Honorar ermittele sich nicht nach Bauzeit, sondern nach anrechenbaren Kosten. Folglich wäre allenfalls eine Honorarerhöhung anhand der höheren anrechenbaren Kosten (2,1 Mio. statt 1,6 Mio. Euro) zuzugestehen.

     

    • Der Planer habe es unterlassen, bereits bei der Ausschreibung der Planungsleistungen auf eine unvollständige Leistungsbeschreibung hinzuweisen (z. B. Bedenkenanzeige oder Nachfrage im Vergabeverfahren).

     

    • Allein durch die Bauzeitverlängerung seien keine zusätzlichen Leistungen entstanden. Die Vertragsinhalte seien unverändert geblieben. Sie hätten sich nur verzögert.

     

    • Die fachtechnische und rechnerische Herleitung des beanspruchten Zusatzhonorars sei unschlüssig.

     

    Planer unterliegt in erster Instanz

    Der Planer ging vor Gericht und unterlag in erster Instanz. Das LG Leipzig schmetterte die Klage mit der Begründung ab, dass sich die Kampfmittelproblematik für das Planungsbüro bereits zur Angebotsabgabe ergab.

    BGH spricht Machtwort und erleichtert Honorarforderung

    Damit lag es jedoch falsch. Denn aus dem (bei Angebotsabgabe bekannten) Baugrundgutachten hatte sich nicht ergeben, dass mit dem Vorhandensein von Kampfmitteln gerechnet werden musste. Folglich waren die beiden ‒ für die Durchsetzung eines Bauzeitverzögerungshonorars erforderlichen ‒ Voraussetzungen erfüllt: Der Planer hatte die Bauzeitverzögerung zum einen nicht verschuldet. Und sie war für ihn ‒ zum zweiten ‒ nicht kalkulierbar.

     

    Das OLG Dresden und der BGH sahen die Sache anders als das LG Leipzig. Nach ihrer Würdigung musste das Planungsbüro bei der Angebotsabgabe nicht zwingend davon ausgehen, dass auf der Deponie Kampfmittel gefunden werden würden. Folglich stammten die Gründe für die Verzögerung aus der Sphäre des Bauherrn. Es war dem Planer nicht zuzumuten, sich am Pauschalhonorar festhalten zu lassen (OLG Dresden, Urteil vom 06.09.2018, Az. 10 U 101/18, Abruf-Nr. 218994; rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 29.07.2020, Az. VII ZR 201/18).

     

    Beruht die Bauzeitverzögerung auf Planungsänderungen?

    Im vorliegenden Fall war ein Pauschalhonorar vereinbart worden, ohne Bezugnahme auf irgendwelche anrechenbare Kosten. Daher mussten sich die Richter nicht mit der Frage befassen, ob das verzögerungsbedingte Zusatzhonorar mit einer Anpassung der anrechenbaren Kosten ausgeglichen werden kann. Außerdem ist offen geblieben, inwieweit Planungsänderungen mit ihrem Zeitbedarf dabei gewürdigt werden müssen.

     

    • Beispiel

    Bei einem Neubau fallen umfangreiche Planungsänderungen an. Diese führen dazu, dass das Gebäude statt 8.000 m² BGF nun 12.000 m² BGF umfasst. In dem Fall ergibt sich naturgemäß bereits aus der Planungsänderung eine Verlängerung der Bauzeit. Diesen Fall regelt die BGH-Entscheidung vom 29.07.2020 nicht.

     

    Vergütungen für Planungsänderung und Bauzeitverzögerung trennen

    Um bauzeitverzögerungsbedingte Zusatzhonorare durchsetzen zu können, sollte im Tagesgeschäft strikt getrennt werden zwischen Zusatzvergütungen für Planungsänderungen und zusätzlichen Vergütungen für eine reine Bauzeitverlängerung. Honorar- und Leistungsvereinbarungen zu Planungsänderungen sollten immer im zeitlichen Zusammenhang mit diesen Änderungen getroffen werden.

     

    Wichtig | Um bei Planungsänderungen eine terminliche Ausgangslage für etwaige Zusatzhonorare wegen Bauverzögerungen zu erhalten, ist es daher erforderlich, bei den Vereinbarungen zu Planungsänderungen auch immer die Vertragstermine der Planungs- und Überwachungsleistungen zu aktualisieren. Denn nur im Abgleich mit Vertragsterminen ist ein Verzögerungszeitraum überhaupt nachvollziehbar. Ansonsten könnte das Thema Honorar für Bauzeitverzögerung bereits an einer fehlenden Ausgangslage scheitern. Die nachfolgenden Ausführungen zur erleichterten Ermittlung des verzögerungsbedingten Zusatzhonorars gelten also nicht für Verzögerungen, die ihre Ursache in Planungsänderungen haben, die ihrerseits wieder Änderungshonorare und andere (meistens höhere) anrechenbare Kosten nach sich ziehen. Sie gelten nur für reine Bauzeitverzögerungen.

    BGH erleichtert Berechnung bei reinen Verzögerungen

    Die besondere Bedeutung der BGH-Entscheidung liegt darin, dass die Richter eine einfachere Ermittlung des verzögerungsbedingten Zusatzhonorars durch Relationsrechnung (Dreisatz) akzeptieren. Es wird jetzt nicht mehr gefordert, dass Sie unbedingt den konkreten Mehraufwand in allen Einzelheiten nachweisen, der Ihnen verzögerungsbedingt entstanden ist.

     

    Verhältnisgerechter Dreisatz als kalkulatorische Grundlage

    Weil die Honorare für Planungs- und Bauüberwachungsleistungen auf Basis der HOAI aufwandsneutral sind, und das Ausgangshonorar als Pauschale vereinbart war, hat sich das Gericht für eine Verhältnisrechnung entschieden. Es hat aus dem Pauschalhonorar von ca. 30.000 Euro das Honorar ermittelt, das auf die Lph 8 entfiel, und dann die Pauschale je Monat auf den Verzögerungszeitraum angewendet.

     

    Wichtig | Diese Grundformel muss allerdings die Umstände jedes Projekts würdigen. PBP empfiehlt deshalb, diejenigen anteiligen Leistungen, die durch die Verzögerung nicht verlängert, sondern nur verschoben worden waren, aus der Relationsrechnung herauszunehmen. Letzteres gilt z. B. für die Erstellung der Kostenfeststellung oder die Abnahmen. Denn diese Leistungen werden nur verschoben, aber nicht gestreckt oder gedehnt.

     

    Das bedeutet, dass diese Berechnung bei zeitweiser Stilllegung der Bauarbeiten oder nicht verhältnisgerechter Bauzeitverzögerung (z. B. erhebliche Verzögerung kurz vor Inbetriebnahme, wenn die Bauüberwachungskapazitäten vor Ort bereits sehr heruntergefahren worden sind und der Probebetrieb schon läuft) naturgemäß ihre kalkulatorischen Grenzwerte erreichen.

     

    Beispiel zeigt die vom BGH genehmigte Ermittlungsmethode

    Das folgende ‒ einfach gehaltene ‒ Beispiel zeigt, wie Sie vorgehen.

    • Beispiel

    Bei einem Projekt entfällt auf die Lph 8 ein Honorar von 100.000 Euro. Die Bauzeit verzögert sich von zehn auf 23 Monate, also um 13 Monate. Sechs Monate davon gelten als im Planungsvertrag vereinbarte ‒ nicht zu berücksichtigende ‒ Karenzzeit. Die honorarwirksame Verzögerung in der Lph 8 beträgt sieben Monate.

     

    Zunächst müssen Sie die 100.000 Euro auf die einzelnen ‒ beauftragten ‒ Teilleistungen der Lph 8 verteilen. Mit dieser Differenzierung können Sie nachvollziehbar darstellen, welche Einzelleistungen verlängert und welche nur verschoben werden. Als Hilfsmittel dienen die Einzelbewertungstabellen (z. B. nach Siemon). Damit haben Sie eine fachtechnische und kalkulatorische Basis, um das verzögerungsbedingte Zusatzhonorar zu berechnen.

     

    Wichtig | Die konkret geltende Karenzzeit wird meistens in den Planungsverträgen vereinbart, um das Risiko verhältnisgerecht zu verteilen. Sechs Monate sind bei mittleren Projekten üblich. Bei kleinen Projekten ist die Karenzzeit häufig geringer.

     

    • Beispiel für Ermittlung des Verzögerungshonorars in der Lph 8 im Leistungsbild Gebäude

    Die folgende Tabelle zeigt die kalkulatorischen Herleitungen im Leistungsbild Gebäude. Die von der Verzögerung betroffenen Einzelleistungen sind rechts außen mit ihren jeweiligen Bewertungen in Prozent vom Gesamthonorar abgebildet. Für jede Teilleistung wird festgelegt, ob sie sich über einen längeren Zeitraum erstreckt (= verlängert wird) oder ob sie nur verschoben wird. Am Ende der Berechnung sehen Sie, dass von den 32 Prozentpunkten, die die Lph 8 nach HOAI am Gesamthonorar ausmacht, in diesem Projekt 22,95 Prozentpunkte verzögert erbracht werden. Nur bezogen auf die Lph 8 sind das 71,72 Prozent. Daraus ergibt sich bei 100.000 Euro netto für die Lph 8, dass 71,72 Prozent von der Verzögerung betroffen sind.

     

    Grundleistungen in der Lph 8

    Gesamt

    Verzögert

    • a) Überwachen der Ausführung des Objekts auf Übereinstimmung mit der öffentlich-rechtlichen Genehmigung oder Zustimmung, den Verträgen mit ausführenden Unternehmen, den Ausführungsunterlagen, den einschlägigen Vorschriften sowie mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik

    18,00 %

    18,00 %

    • b) Überwachen der Ausführung von Tragwerken mit sehr geringen und geringen Planungsanforderungen auf Übereinstimmung mit Standsicherheitsnachweis

    0,10 %

    0,10 %

    • c) Koordinieren der an der Objektüberwachung fachlich Beteiligten

    1,50 %

    1,50 %

    • d) Aufstellen, Fortschreiben und Überwachen eines Terminplans (Balkendiagramm)

    1,60 %

    1,60 %

    • e) Dokumentation des Bauablaufs (z. B. Bautagebuch)

    0,75 %

    0,75 %

    • f) Gemeinsames Aufmaß mit den ausführenden Unternehmen

    1,00 %

    • g) Rechnungsprüfung einschließlich Prüfen der Aufmaße der bauausführenden Unternehmen

    3,75 %

    • h) Vergleich der Ergebnisse der Rechnungsprüfungen mit den Auftragssummen einschließlich Nachträgen

    0,25 %

    • i) Kostenkontrolle durch Überprüfen der Leistungsabrechnung der bauausführenden Unternehmen im Vergleich zu den Vertragspreisen

    0,85 %

    • j) Kostenfeststellung, z. B. nach DIN 276

    1,00 %

    • k) Organisation der Abnahme der Bauleistungen unter Mitwirkung anderer an der Planung und Objektüberwachung fachlich Beteiligter, Feststellung von Mängeln, Abnahmeempfehlung für den Auftraggeber

    1,50 %

    • l) Antrag auf öffentlich-rechtliche Abnahmen und Teilnahme daran

    0,10 %

    • m) Systematische Zusammenstellung der Dokumentation, zeichnerischen Darstellungen und rechnerischen Ergebnisse des Objekts

    0,25 %

    • n) Übergabe des Objekts

    0,25 %

    • o) Auflisten der Verjährungsfristen für Mängelansprüche

    0,10 %

    • p) Überwachen der Beseitigung der bei der Abnahme festgestellten Mängel

    1,00 %

    1,00 %

    Gesamtbetrachtung über alle Lph

    32,00 %

    22,95 %

    Gesamtbetrachtung für Lph 8

    100,00 %

    71,72 %

     

     

    Folge: Bei einem Ausgangshonorar für die Lph 8 von 100.000 Euro und einer ursprünglichen Bauzeit von zehn Monaten errechnet sich ein Honorar von 10.000 Euro/Monat. Bei einer Verzögerung von 13 Monaten (davon sechs Monate Karenzzeit) besteht für sieben Monate Anspruch auf Verzögerungshonorar. Das berechnet sich wie folgt:

     

    10.000 Euro/Monat x 7 Monate x 0,7172 = 50.204 Euro oder 7.172 Euro/Monat

     

     

    So gehen Sie im Tagesgeschäft vorsorglich vor

    Um überhaupt einen Anspruch zu haben, müssen Sie in Ihrem Vertrag etwas zu Terminen regeln. Diese Termine müssen sich auf die Bauüberwachung auf der Baustelle beziehen. Denn um die geht es bei etwaigen Verzögerungen Der zweite Bestandteil der Regelung ist, wie sich das Zusatzhonorar bemisst. PBP empfiehlt, die gerichtlich abgesegnete Methode zu verwenden. Da der BGH diese als sachgerecht anerkannt hat, dürfte es Ihnen leichter fallen, diese Vereinbarung zu verhandeln. Nachfolgend finden Sie Vorschläge für beide Klauselbestandteile.

     

    Vertragsklausel / Termine

    § 10 Termine

    10.1 Für die vereinbarten Leistungen sind folgende Termine vereinbart […] bitte ausfüllen:

     

    • Nr. 1 Vorlage der Planungsgrundlagen […]
    • Nr. 2 Beginn der Planung nach Zustimmung zur Planungsgrundlage […]
    • Nr. 3 Fertigstellung der Leistungen der Lph 3 […]
    • Nr. 4 Einreichung der Bauantragsunterlagen […]
    • Nr. 5 Baubeginn […]
    • Nr. 6 Übergabe bzw. Fertigstellung des (Gebäudes): […] mit Inbetriebnahme

     

    10.2 Die Planungszeit (bis zum Abschluss der Lph 3) beträgt somit … Wochen/Monate. Die Bauzeit (gemäß Nr. 5 bis 6) bis zur Fertigstellung des Gebäudes beträgt … Wochen/Monate.

     

    Erläuterung: Diese Termine dienen als Geschäftsgrundlage für die Abwicklung des Vertrags. Sie sind z. B. bei Planungsänderungen, die zu Terminverschiebungen führen, anzupassen.

     

    Vertragsklausel / Änderungshonorar bei Bauverzögerungen

    § 11 Vergütung bei vom Planer unverschuldeten Verzögerung der Bauüberwachung (Lph 8)

    • 11.1 [Beispiel für große Projekte] Verlängert sich der aus § 10.1 Nr. 5 bis Nr. 6 ersichtliche Zeitraum der Objektüberwachung bis zur Fertigstellung des Gebäudes (mit Übergabe bzw. bestimmungsgemäße Inbetriebnahme) zzgl. eines Karenzzeitraums von … Monaten, erhält der Auftragnehmer ein zusätzliches Honorar, wenn und soweit die Verlängerung nicht vom Auftragnehmer selbst zu vertreten ist. Ein Abminderungsfaktor 0,7172 [Leistungsbild Gebäude] würdigt, dass nicht alle Grundleistungen verlängert werden, sondern zeitlich nur versetzt erbracht werden. Das Zusatzhonorar berechnet sich nach folgender Formel:

     

    Zusatz-honorar =

    urspr. Honorar für Lph 8 x Verlängerung [... Mon.] soweit über [... Mon.] hinausgehend x 0,7172

    urspr. vereinbarte Dauer gemäß § 10.1 Nr. 5 bis § 10.1 Nr. 6 [Mon.]

     

     

    Erläuterung: Diese Regelung entspricht sinngemäß der Rechtsprechung des OLG Dresden und des BGH. Die Karenzzeit ist mit sechs Monaten vereinbart. Das deshalb, weil diese Karenzzeit auch in den Verträgen des Bundes und der Bundesländer als terminliche Grenze enthalten ist. Sie würdigt, dass geringfügige Verzögerungen grundsätzlich zum Tagesgeschäft zählen.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2020 | Seite 7 | ID 46994137