· Fachbeitrag · Honorarrecht
BGH mit neuen Erkenntnissen zur Objektgliederung bei Kläranlagen
| Das OLG Koblenz hat im Einvernehmen mit dem BGH eine Grundsatzentscheidung zu der Frage getroffen, ob bzw. wann eine Kläranlage als einheitliches Objekt anzusehen ist und wann mehrere Objekte vorliegen. Konkret ging es um die Honorarabrechnung einer Abwasserbehandlungs- und einer Schlammbehandlungsanlage sowie des Betriebsgebäudes. |
Einstufung hat grundsätzliche Bedeutung für das Honorar
Nicht selten werden auf einem Baugrundstück mehrere Objekte geplant, teilweise sind es 10 bis 15 Objekte. In diesem Fall ist die Frage, ob eines oder mehrere Objekte vorliegen, honorartechnisch sehr bedeutsam. Liegen jeweils getrennte Objekte vor, sind diese nämlich einzeln abzurechnen. Durch die Degressionswirkung ergibt sich ein höheres Honorar als wenn die Objekte zusammen abgerechnet würden. Die Honorardifferenz kann sehr hoch ausfallen. Negativ kann sich aber der Umstand auswirken, dass für jedes Objekt auch eine Honorarzone bestimmt werden muss und die Honorarzonen einzelner Objekte niedriger sind als wenn es sich um ein Objekt handeln würde.
BGH: Abwasser- und Schlammbehandlungsanlage ein Objekt
Das OLG Koblenz hat jetzt klargestellt, dass es sich bei der Planung einer Abwasserbehandlungs- und einer Schlammbehandlungsanlage um ein Objekt handelt. Allein das zusätzlich zu planende Betriebsgebäude sei ein weiteres - eigenständiges - Objekt (OLG Koblenz, Urteil vom 16.9.2010, Az. 2 U 712/06; Abruf-Nr. 122653).
Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil zurückgewiesen (BGH, Beschluss vom 24.5.2012, Az. VII ZR 167/10). Die Koblenzer Entscheidung ist damit rechtskräftig geworden.
BGH nimmt der Objektliste ihre Bedeutung
Im vorliegenden Fall handelte es sich um eine mehrstufige Kläranlage mit biologischer und chemischer Reinigung, die der Honorarzone V zuzuordnen ist. Die Richter haben klargestellt, dass die Objektliste, die eine Abwasserbehandlungsanlage und - davon getrennt - eine Schlammbehandlungsanlage auflistet, für sich genommen nicht als Begründung für ein getrenntes Objektverständnis taugt. Mit anderen Worten: Dass Anlagen in der Objektliste getrennt aufgelistet sind, bedeutet noch lange nicht, dass sie eine eigene Abrechnungseinheit nach HOAI bilden.
Diese Entscheidung wird die Argumentationskette bei der getrennten Abrechnung nachhaltig verändern. Denn bisher gingen viele Praktiker davon aus, dass eine getrennte Auflistung in der Objektliste gleichzusetzen sei mit getrennten Objekten bzw. getrennter Honorarberechnung. Das dürfte künftig nicht mehr der Fall sein. Künftig ist die Frage der nach Objekten getrennten Abrechnung nach eigenständigen fachlichen Kriterien zu beantworten.
Ist die funktionelle Verflechtung der einzelnen Anlagen derart eng und vielfältig, dass sie funktionell eine Einheit bilden, spricht entsprechend der amtlichen Begründung zur HOAI und auch der Auffassung des BGH nichts dagegen, solche Anlagen als ein einheitliches Objekt anzusehen.
Gebäude und Ingenieurbauwerke sind immer getrennte Objekte
War diese erste Aussage des BGH noch eher ungünstig für Ingenieurbüros, so gilt für die zweite fundamentale Aussage des BGH das Gegenteil: Selbst wenn bei einem Objekt funktionelle Verknüpfungen bestehen, so ist auf jeden Fall immer dann eine getrennte Abrechnung vorzunehmen, wenn die Objekte nach einem anderen Abschnitt der HOAI (zum Beispiel Abschnitt 1 = Gebäude, Abschnitt 3 = Ingenieurbauwerke) abzurechnen sind. Im vorliegenden Fall war davon das Betriebsgebäude betroffen. Denn das Betriebsgebäude zählt zu den Gebäuden (und nicht zu den Ingenieurbauwerken) und ist daher getrennt als Gebäude abzurechnen.
Folgen der Objektgliederung für das Tagesgeschäft
Das Thema „zutreffende Objektgliederung“ ist zu wichtig, als dass man es vernachlässigen könnte. Denn die richtige Zuordnung hat sowohl Auswirkungen auf die Leistungserbringung als auch auf die Honorarabrechnung.
Richtige Objektgliederung und Leistungserbringung
Wir empfehlen, die Frage der zutreffenden Objektgliederung möglichst frühzeitig zu klären. Die HOAI legt zugrunde, dass bereits ab der Leistungsphase 2 die Kostenermittlungen je Objekt gesondert vorzunehmen sind, damit prüfbare Honorarabschlagsrechnungen vor Erstellung der Kostenberechnung möglich sind.
PRAXISHINWEIS | Das bedeutet, dass bereits im Zuge der Vorplanung - zumindest bürointern bzw. innerhalb des Planungsteams - eine Entscheidung über die fachgerechte Objektgliederung getroffen werden sollte. Die frühzeitige Klärung der Anzahl der Objekte ist auch vor dem Hintergrund wichtig, dass die weiteren Planungsbeteiligten (zum Beispiel Fachplaner für technische Ausrüstung) ihre Beiträge und Mitwirkung zu den Kostenermittlungen in der gleichen Objektgliederung ausarbeiten. So werden fachgerechte anrechenbare Kosten für die eigene Honorarermittlung des Objektplaners erreicht. |
Die Gliederung in die zutreffenden Objekte ist - wenn sie fachgerecht vorgenommen wird - auch nicht verhandelbar. Denn dies wird abschließend in der HOAI geregelt, auch wenn die Regelung Ermessensspielräume lässt.
Wichtig | Bei dieser Gliederung ist nach den Leistungsbildern fachlich zu unterscheiden. Je nach Leistungsbild kann die Objektgliederung völlig unterschiedlich aussehen. So kann sich die Objektgliederung bei ein und demselben Objekt von Planbereich zu Planbereich (Technische Ausrüstung im Verhältnis zu Ingenieurbauwerken und Gebäuden) gravierend unterscheiden.
Richtige Objektgliederung und die Auswirkung auf die Honorarzonen
Die richtige Gliederung der Objekte kann sich auch auf die Einstufung in die Honorarzone - und damit auf Ihr Honorar - auswirken. Werden mehrere kleine Objekte nach der neuen Rechtsprechung jetzt zu einem einzigen Objekt, verändern sich auch deren Eigenschaften in Bezug auf den Schwierigkeitsgrad mit entsprechenden Folgen für die Honorarzoneneingruppierung.
Die zutreffende Honorarzone ist somit Ausfluss des Schwierigkeitsgrads des jeweiligen Objekts. So kann es - wie im vom BGH entschiedenen Fall - vorkommen, dass die zutreffende Honorarzone auch erst eine Folge der neu vorgenommenen (geänderten) Objektgliederung ist.
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Ein komplexes Objekt war als ein eigenständiges Objekt eingestuft und hatte deshalb bei den Kriterien zur Bemessung der Honorarzone höhere Punktzahlen erreicht (Honorarzone V). Wird dieses Objekt jetzt in einzelne Objekte gegliedert, die für sich genommen nicht so hohe Anforderungen stellen, kann das dazu führen, dass einzelne Objekte in andere Honorarzonen eingegliedert werden. Das kann im Saldo eine andere Honorarsumme ergeben. |
Auch aus diesem Grund wird daher vorgeschlagen, die Gliederung in Objekte sehr früh und rein sachorientiert vorzunehmen, damit die Grundlagen für die Kostenberechnungen und Honorarberechnungen feststehen.
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Bereits beim Umbau einer Kläranlage mit anrechenbaren Kosten von einer Mio. Euro kann eine Honorardifferenz von rund 30.000 Euro entstehen. Es lohnt sich also, die Gliederung in Objekte mit objektbezogener Honorarzone bereits in Leistungsphase 2 fachgerecht anzugehen. |
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Im besprochenen BGH-Fall führte die im Zuge des Gerichtsverfahrens erfolgte Zusammenfassung der beiden Anlagen zu einem Objekt dazu, dass auch die Honorarzone(n) korrigiert wurden. Ehemals getrennte Objekte, die in der Honorarzone IV eingegliedert waren, wurden nach der Zusammenfassung in die Honorarzone V des neuen Objekts eingruppiert (Schwierigkeit: mehrstufige Kläranlage mit biologischer und chemischer Reinigung). Die Folge war eine andere Honorarsumme. |
Weiterführende Hinweise
- Beitrag „Honorar bei Klär- und Biogasanlagen leistungsgerecht abrechnen“, PBP 1/2012, Seite 4
- Beitrag „§ 35 HOAI bei Ingenieurbauwerken: Das unterscheidet einen Umbau von einer Instandsetzung“, PBP 9/2012, Seite 8