· Fachbeitrag · Honorarrecht
Neue Rechtsprechung nach EuGH-Urteil: Ohne Vergütungsvereinbarung gilt der Mindestsatz
| Existiert keine Vergütungsvereinbarung zwischen den Vertragsparteien, sind als taxmäßige Vergütung für Grundleistungen die Mindestsätze nach HOAI zugrunde zu legen. Diese Entscheidung hat das OLG München unter Billigung des BGH getroffen. Die Entscheidung gewinnt deshalb an Gewicht, weil der BGH mit dem Fall erst befasst war, nachdem der EuGH sein Mindestsatz-Urteil gefällt hat. |
Die Frage: Wonach bemisst sich die übliche Vergütung?
Damit besteht für alle Planer, die keine Honorarvereinbarung getroffen haben, berechtigter Anlass, die Vergütung nach wie vor nach dem Mindestsatz abrechnen zu dürfen. Der Beschluss steht auch nicht im Widerspruch zum EuGH-Urteil. Denn im konkreten Fall ging es nur um die übliche Vergütung, die anzusetzen ist, wenn keine Honorarvereinbarung existiert. Die Richter beziehen sich in ihrer Entscheidung einzig und allein auf die Regelung des § 632 BGB. Darin heißt es:
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(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. (2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. |
Für die Richter ist der Mindestsatz also angemessen, wenn Sie eine Honorarschlussrechnung für Planungs- und Überwachungsleistungen erstellen, denen keine verbindliche Honorarvereinbarung zugrunde liegt. Dann ist der Mindestsatz die taxmäßige Vergütung. Damit respektiert der BGH das Urteil des EuGH, das es erlaubt, Honorare unter dem Mindestsatz (und über dem Höchstsatz) zu vereinbaren (OLG München, Beschluss vom 21.08.2017, Az. 28 U 849/17 Bau, Abruf-Nr. 212276; rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 18.09.2019, Az. VII ZR 207/17).
Entscheidung wirkt bei unterschiedlichen Szenarien
Der Münchener Beschluss wirkt sich im Tagesgeschäft aber noch auf andere Honorartatbestände aus.
Anwendungsfall Eins: Honorar für Planungsänderungen
Anwendungsfall Eins betrifft das Honorar für Planungsänderungen. Eigentlich sollte das Thema keine Probleme mehr bereiten. Denn nach den BGB-Regelungen, die seit dem 01.01.2018 gelten, ist die Vergütung für Änderungsplanungen vor der Erbringung der Leistungen zu regeln (§ 650b BGB), wenn die 30-Tages-Straffrist vermieden werden soll.
Da diese gesetzliche Regelung von einer relevanten Anzahl von Bauherren und Planungsbüros offenbar noch immer nicht praktiziert wird, laufen genau diese Planungsbüros dem Änderungshonorar immer noch oft hinterher. Genau hier kommt die Münchner Entscheidung ins Spiel. Sie kann als zweiter Rettungsanker fürs Änderungshonorar gesehen werden. Nämlich deshalb, weil sie es ermöglicht, Änderungshonorare auch nach dem EuGH‒Urteil nach dem Mindestsatz abzurechnen.
Die Argumentation lautet: Für die konkrete Planungsänderung war zwar eine Leistungsvereinbarung getroffen worden, aber keine Vergütungsvereinbarung. In einem solchen Fall berechnet sich das Honorar nach § 632 BGB (übliche Vergütung). Und in einem solchen Fall ist laut OLG München/BGH der Mindestsatz die übliche Vergütung.
PRAXISTIPP | PBP empfiehlt trotzdem, die „erste Ausfahrt zum Änderungshonorar“ zu nehmen. § 650b BGB ist die mit Abstand einfachste Methode, um das Änderungshonorar sofort und in angemessener Höhe zu realisieren. Denn die dort geregelte Pflicht,
sorgt fast immer dafür, dass Planungsänderungen zeitnah und leistungsgerecht vergütet werden. |
Anwendungsfall Zwei: Nachträgliche Ergänzung des Vertragsumfangs
Zweiter Anwendungsfall ist, wenn im Zuge der Planungsabwicklung Leistungen vereinbart werden, die bisher nicht Vertragsgegenstand waren. Das passiert häufig beim Bauen im Bestand.
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Weil erforderliche Bestandsaufnahmen (siehe § 650p BGB) nicht beauftragt worden waren, müssen
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FAZIT | Auch nach dem EuGH-Urteil spielt der Mindestsatz als Taxe nach § 632 BGB eine wichtige Rolle im Tagesgeschäft. Der wichtigste Anwendungsfall ist der, dass keine Honorarvereinbarung getroffen worden war. Das bedeutet aber nicht, dass der Mindestsatz die verbindliche untere Honorargrenze darstellt. Das lehrt die Entscheidung des LG München, die PBP unter der Überschrift „Unklare Honorarvereinbarungen führen im Streitfall nicht unbedingt zum Mindestsatz“ auf Seite 5 dieser Dezember-Ausgabe kommentiert. |