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  • · Fachbeitrag · Nachhaltigkeit

    Wie sich ESG über die Finanzwirtschaft auf Planungsbüros auswirkt (Teil 3): Vertrag

    von Lena Rath, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau und Architektenrecht, Kelkheim (Taunus)

    | In einer mehrteiligen Reihe erläutert Ihnen PBP, was ESG-konformes Planen und Bauen konkret bedeutet. Nachdem der erste Teil in die übergeordneten Rahmenbedingungen eingeführt und grundlegende Fachbegriffe erläutert hat und der zweite Teil die spezifischen Anforderungen der EU-Taxonomie dargestellt hat, geht es im dritten Teil um die Projekt- und Vertragsgestaltung. Wozu braucht es eine ESG-Strategie und weshalb steht die für die Vertragsgestaltung oftmals herangezogene HOAI der Umsetzung von nachhaltigen Projekten entgegen? |

    Taxonomiekonforme Planungsprojekte

    Wir erinnern uns, dass die EU-Taxonomie Regelungen zur ökologischen Nachhaltigkeit ‒ dem „E“ von ESG ‒ enthält und sechs Umweltziele vorgibt. Bestimmt der Auftraggeber, dass im Rahmen seines Projekts ein Umweltziel unter Einhaltung der technischen Bewertungskriterien umgesetzt werden soll, muss ebenso sichergestellt und genauso dokumentiert werden, dass die verbleibenden Umweltziele durch das Vorhaben nicht beeinträchtigt werden. Nur anhand dieser Vorgehensweise und damit der Systematik der EU-Taxonomie folgend, kann ein taxonomiekonformes Projekt erfolgreich durchgeführt werden.

    Die ESG-Strategie kommt zuerst ...

    Wer nachhaltige Projekte realisieren und ESG-Konformität erreichen will ‒ was eben auch eine EU-Taxonomie konforme Planung umfasst ‒ benötigt zunächst eine projektbezogene ESG-Strategie. Diese aufzustellen ist Sache des Auftraggebers. Er kann sich zwar von einem ESG-Experten beraten lassen. Entscheiden muss er aber selbst und sich daher fragen: Wie ambitioniert möchte ich vorgehen und auf welche ESG-Aspekte will ich mich konzentrieren? Reicht es, ein Minimalziel zu verfolgen, um „gerade so“ Green-Washing zu vermeiden? Oder soll die Entwicklung der Immobilie möglichst weit vorausgedacht werden, um zukünftigen Veränderungen standzuhalten?

     

    Wie die Bedarfsplanung sollte auch die ESG-Strategie bei Beauftragung des Planers bereits vorliegen. Nur so ist sichergestellt, dass sich der Auftraggeber mit den Anforderungen des Projekts in der notwendigen Tiefe auseinandergesetzt und womöglich bereits die erforderlichen internen Strukturen aufgebaut hat, und die Offenheit für neue Akteure und Prozesse besitzt.

     

    Aus der ESG-Strategie sind dann die von dem Planer zu erreichenden Ziele abzuleiten und vertraglich zu vereinbaren.

     

    Die Zielfindungsphase nach § 650p Abs. 2 BGB ist für diesen Prozess nicht geeignet. Sie sieht vor, dass der Planer eine Planungsgrundlage zur Ermittlung der Leistungsziele erstellt, sofern diese Ziele bei seiner Beauftragung noch nicht vorliegen. Anschließend erhält der Besteller die Planungsgrundlage zusammen mit einer Kosteneinschätzung für das Vorhaben zur Zustimmung vorgelegt und kann von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen.

     

    Die auf diese Weise erzielten Ergebnisse sind zu oberflächlich, als dass daraus eine ESG-Strategie abgeleitet werden kann. ESG ist ein Thema, das aus Unternehmensstrategien und Risikomanagement erwächst und nun auf einzelne Projekte übergreift. Der Auftraggeber muss über die von ihm verfolgten Umweltziele hinaus auch Vorgaben zu der ihn betreffenden Berichterstattung machen und wissen, in welcher Form die Dokumentation erstellt werden muss. Das setzt fundiertes Wissen voraus und kann vom Planer nicht verlangt werden.

     

    PRAXISTIPP | Schließen Sie erst einen Beratungs- oder Projektfindungsvertrag ab, wenn der Auftraggeber eine ESG-Strategie vorweisen kann. In jedem Fall sollten Sie aber vor Vertragsunterzeichnung prüfen, welche Kapazitäten nicht nur bei Ihnen, sondern auch auf Auftraggeberseite für das Projekt zur Verfügung stehen.

     

    … und dann folgt der Vertrag

    Steht die ESG-Strategie und konnten daraus die Ziele für den Planer abgeleitet werden, stehen noch keine konkreten Leistungspflichten fest. Einzelne Pflichten oder konkret zu leistende Arbeitsschritte ergeben sich nicht aus dem Gesetz. In § 650p Abs. 1 BGB ist nur geregelt, dass die zum Erreichen der vereinbarten Ziele erforderlichen Leistungen zu erbringen sind. Um hier mehr Klarheit zu erhalten, kommt es auf die konkrete Vereinbarung der Parteien an. Was sagt der Vertrag zu den geschuldeten Leistungen?

     

    Bei der bisher üblichen Vertragsgestaltung wird auf die Leistungsbilder der HOAI verwiesen, denen eine traditionelle und idealtypische Vorstellung des Projektverlaufs zugrunde liegt. Die Leistungskataloge sind zwar ansatzweise modern und enthalten einzelne Leistungen, die es auch bei einem ESG-Projekt braucht. Darüber hinaus sind aber weitere Besondere Leistungen sinnvoll, für die ‒ in Anbetracht der hohen Anforderungen eines solchen Projekts ‒ ein angemessenes Honorar frei vereinbart werden kann.

     

    Folgende Besondere Leistungen kommen in Betracht, wobei die exemplarische Aufzählung selbstverständlich nicht abschließend und vom einzelnen Projekt abhängig ist:

     

    • Die Bedarfsplanung
    • Das Untersuchen alternativer Lösungsansätze nach verschiedenen Anforderungen
    • Das Erarbeiten und Durchführen von Zertifizierungssystemen
    • Das Erstellen eines Energiekonzepts und des Monitorings
    • Das Erstellen eines ressourcenschonenden Materialkonzepts
    • Das Erstellen vergleichender Ökobilanzen
    • Das Erstellen eines Materialökologie-Konzepts
    • Eine an den Lebenszykluskosten orientierte Planung
    • Das Erstellen eines Rückbau- und Verwertungskonzepts
    • Das Erstellen eines Abfallkonzepts für den Baustellenbetrieb
    • Das Erstellen eines Logistikkonzepts für die kreislaufgerechte Verwertung bzw. die Aufbereitung und den Einsatz von Sekundärbauteilen

     

    Auch wenn Grundleistungen sowie Besondere Leistungen angepasst und ergänzt werden können, landet man mit einer solchen Vertragsgestaltung nicht den „großen Wurf“. Zum einen wird den Besonderheiten des Bauens im Bestand oder innovativen Bauweisen dadurch noch immer nicht hinreichend Rechnung getragen, da die HOAI-Leistungsbilder z. B. nicht zu einer modularen Bauweise passen. Zum anderen bringt der „HOAI-Automatismus“ andere Nachteile mit sich.

     

    PRAXISTIPP | Falls es doch ein sog. HOAI-Vertrag sein soll, setzen Sie sich kritisch mit den für das Projekt erforderlichen Leistungen auseinander. Nutzen Sie die Vertragsfreiheit und erarbeiten Sie gemeinsam mit Ihrem Auftraggeber die Aufgabenstellung sowie die „Spielregeln“ zu dem vor Ihnen liegenden Projekt.

     

    Projekterfolg im Vertrag anlegen

    So wie es eine spezifische ESG-Strategie braucht, ist auch der Vertrag individuell zu gestalten. Nicht mehr passende Gewohnheiten sind durch neue Prozesse zu ersetzen. Der Sinn liegt nicht darin, einfach „alles neu“ und anders zu machen, sondern in Verbesserungen. Bauprojekte sind streitanfällig, was alle Beteiligten Zeit und Geld kostet. Was mit Verbesserung gemeint ist, soll an dieser Stelle anhand von zwei wesentlichen Aspekten dargestellt werden:

     

    Spielregeln vereinbaren ‒ aber wer spielt mit?

    HOAI-Verträge verleiten erfahrungsgemäß dazu, dass sich die Parteien nicht frühzeitig und hinreichend mit der tatsächlichen Leistung auseinandersetzen, die das spezifische Projekt braucht, Voraussetzung für den Projekterfolg ist eine intensive Befassung mit den für den Projekterfolg erforderlichen Leistungen aller Beteiligten. Und eine wesentliche, mit als erstes zu klärende, Frage lautet daher: Welche Projektbeteiligten sind ‒ heutzutage ‒ als neue Wissensträger hinzuzuziehen?

     

    Das kann der ESG-Manager, Auditor oder Berater sein, der vom Auftraggeber für das Projekt hinzugezogen wurde. Aber auch auf Planerseite muss sichergestellt sein, dass die für das ESG-Projekt eingesetzten Mitarbeiter entsprechend qualifiziert sind und das notwendige Verständnis mitbringen.

     

    Für alle noch etwas ungewohnt sind aber vor allem die IT-Dienstleister, die eine neue Transparenz und faktenbasierte Entscheidungen ermöglichen. Neue Akteure bringen ein erhebliches Optimierungspotenzial mit sich, wenn es z. B. um Datenerfassung, -auswertung und -management geht. Digitales Stoffstrommanagement oder ein digitaler Gebäuderessourcenpass sind von Anfang an „mitzudenken“. Das Wissen über das vorhandene Material und die Bauteile ‒ die Daten ‒ sind der notwendige Schlüssel für die Rückbaubarkeit eines Gebäudes.

     

    Auch das Monitoring der Betriebsphase ist ohne Daten nicht denkbar. Letztlich muss die Auswertung der Daten bestätigen, dass die Planung und Realisierung zu einem nachhaltigen Betrieb führen und dass die Daten geliefert werden, die für die Berichterstattung benötigt werden.

     

    Zusammenarbeiten und voneinander profitieren

    Damit die Projektbeteiligten die Herausforderungen des Projekts in vorausschauender Weise bewältigen und Optimierungspotentiale heben können, bedarf es eines frühzeitigen Wissensaustausches von Planern, Ausführenden und spezialisierten Experten sowie einer modernen Form des Projektmanagements.

     

    Kollaboration und eine gute Organisation der Zusammenarbeit sind für das Schaffen von Synergien essenziell. „Fremdeln“ wir nicht mehr mit dynamischen Entwicklungen, Innovationen und neuen Herangehensweisen, sondern nehmen „ESG-konformes“ Planen und Bauen zum Anlass, von neuen Akteuren zu lernen und die Projektstrukturen zu verbessern, um zu einem erfolgreichen Projektabschluss zu gelangen.

     

    FAZIT | Kehren wir zur Ausgangsfrage in Teil 1 dieser Beitragsreihe zurück: Würden Sie einen Vertrag, der eine „ESG-konforme Planung“ zum Ziel hat, ohne zu zögern unterschreiben? Ist in dem Planervertrag von einer ESG-konformen Planung die Rede, ohne dass dieses Schlagwort mit einer ESG-Strategie untermauert wird, sind Konflikte vorprogrammiert. Dieser Begriff ist zu abstrakt, als dass klar ist, welche Erwartungshaltung und welches eigene Leistungsvermögen der Auftraggeber konkret hat. Das macht das Projekt streitanfällig und ist für Planer mit einem wirtschaftlichen Risiko verbunden. Aufgaben und Vorgehensweise sind daher intensiv abzustimmen, sodass der zu erwartende Aufwand des ESG-Projekts kalkulierbar ist. ESG führt Bauvorhaben auf ein neues Level und erfordert technisch sowie organisatorisch andere, effektivere Prozesse. Planer müssen zunehmend systemoffen sein. Sich jetzt Wissen und Erfahrung anzueignen sowie ein eigenes Netzwerk aufzubauen, führt zu einem Wettbewerbsvorteil, der sich in Qualität und Preisbildung niederschlagen wird.

     

    Weiterführende Hinweise

     

    • Beitrag „Wie sich ESG über die Finanzwirtschaft auf Planungsbüros auswirkt? (Teil 2): EU-Taxonomie“, PBP 10/2024, Seite 14 → Abruf-Nr. 50038712
    Quelle: Ausgabe 12 / 2024 | Seite 8 | ID 50239358