· Fachbeitrag · Vertragsrecht
Übergabe und Inbetriebnahme: Welche Leistungen Sie in der Lph 8 wirklich schulden
| Wie ist der konkrete Ablauf bei der Übergabe und Inbetriebnahme von Gebäuden, Ingenieurbauwerken oder Technischen Ausrüstungen? Welcher Leistungs- und Organisationsumfang ist in den Grundleistungen der Leistungsbilder enthalten? Welche Institutionen und Personen auf Auftraggeberseite muss das Planungsbüro einladen oder zeitaufwendig terminlich koordinieren? Worum muss sich der Auftraggeber selbst kümmern? PBP liefert die Antwort auf diese Fragen, die viele Planungsbüros umtreiben. |
Wer ist Ansprechpartner des Planungsbüros?
Die häufigste Frage ist, wen der Planer bzw. Bauüberwacher im Zuge von Abnahmen und / oder Inbetriebnahmen auf Seiten des Auftraggebers unmittelbar ansprechen, koordinieren, einladen muss? Diese Frage ist in der HOAI nicht geregelt, sodass es immer auf die konkreten einzelvertraglichen Regelungen ankommt.
Das gilt für öffentliche Auftraggeber
Bei Verträgen der öffentlichen Hand ist meist geregelt, dass allein die Bauverwaltung als Ihr Kommunikations- bzw. Verhandlungspartner dient. Diese Regelung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Kommunikation zwischen Bauherr (= Bauverwaltung) und dem Planer fachlich geordnet und zielführend ablaufen muss. Daran ändert sich in der Inbetriebnahmephase nichts. Es sei denn, im Planungsvertrag wurde etwas anderes vereinbart.
PRAXISHINWEIS | Das bedeutet, dass der Auftraggeber sowohl die von ihm intern zu beteiligenden Dienststellen als auch die Personen der späteren Nutzer selbst terminlich koordinieren muss. Das gilt auch für provisorische Maßnahmen beim Bauen im Bestand, wenn mehrere Bauabschnitte umgebaut werden sollen und der Gebäudebetrieb wechselseitig darauf abgestimmt werden muss. Das Gleiche gilt übrigens für ausführende Unternehmen. Auch sie müssen sich nicht an innerbetrieblichen Abstimmungsfragen des Auftraggebers (wer nimmt von Seiten des Bauherrn an Abnahmen teil?) beteiligen. |
Ein anderer Fall liegt vor, wenn der Auftraggeber über keine Bauabteilung verfügt, wie es z. B. bei kleinen Gemeinden der Fall sein dürfte. Dann sind meistens keine Baufachleute, sondern Verwaltungskräfte Ansprechpartner. Die können dann eine Doppelrolle (Bauherrnvertreter und späterer Nutzer) einnehmen. Damit gibt es ebenfalls keine zusätzlichen Ansprechpartner.
Das gilt für private Auftraggeber
Bei privaten Auftraggebern sieht es ähnlich aus. Es gibt die organisatorisch gut aufgestellten - größeren gewerblichen - Auftraggeber und es gibt kleine Auftraggeber, die nur einmal im Leben oder selten bauen.
PRAXISHINWEIS | Da es den „fachkundigen Bauherrn“ in der Rechtsprechung nicht mehr gibt, sind alle Auftraggeber in gleicher Weise zu beraten und zu koordinieren (soweit das im Vertrag ergänzend zu den Grundleistungen geregelt ist). Gleichwohl müssen Sie dem Empfängerhorizont des Bauherrn Rechnung tragen. Sie müssen jeden Bauherrn im Rahmen der Übergabe des Objekts unberührt von seinem Organisationsgrad so beraten, dass er erkennt, welche Tragweite seine Mitwirkungsleistungen haben. |
Die Umsetzung in den einzelnen Leistungsbildern
Nachfolgend erfahren Sie, wo die Schnittstellen zwischen Ihren und den internen Koordinationsleistungen der Auftraggeber in den einzelnen Grundleistungen der HOAI in den jeweiligen Leistungsbildern liegen.
Umsetzung im Leistungsbild Gebäude / Innenräume / Freianlagen
Die Organisation der Abnahmen ist in der Lph 8 in Grundleistung k) geregelt, jedoch unter Mitwirkung der an der Planung und Objektüberwachung Beteiligten. Dazu zählen die späteren Nutzer nicht. In Grundleistung n) ist die Übergabe des Objekts geregelt. Auch hier steht nicht, dass bauherrnseitig weitere Personen zu beteiligen sind.
PRAXISHINWEIS | Insoweit sind Sie nach den Grundleistungen nicht verpflichtet, bauherrninterne organisatorische Koordinationsleistungen (z. B. Koordinierung von Einladungen verschiedener Personen / Abteilungen) zu übernehmen. Selbst die Grundleistung c) Koordinieren der an der Objektüberwachung fachlich Beteiligten ist da nicht anders zu verstehen. Denn hier geht es nur um die an der Objektüberwachung Beteiligten (z. B. Planer, Fachplaner, und Berater). Ähnlich verhält es sich mit Bemusterungen, bei denen teilweise äußerst hoher Organisationsaufwand im Zuge von Terminabstimmungen ansteht. |
Die Übergabe des Objekts ist auf den ersten Blick ein rein formaler Akt. Dem Auftraggeber wird das Objekt „übergeben“. Das bedeutet keinesfalls, dass der Auftraggeber erst ab diesem Zeitpunkt verantwortlich für den Schutz und Betrieb des Objekts ist. Das Objekt ist längst vorher in seinem Besitz (z. B. provisorischer Heizbetrieb, Probebetrieb von Einbauten, Diebstahl- und Beschädigungsschutz).
Die Übergabe nach HOAI ist daher kein formeller Akt der Zuständigkeitsübergabe (oder Abnahme). Sie ist darüber hinaus nicht an die Fertigstellung bestimmter Arbeiten gebunden. Sie kann deutlich vor der Endfertigstellung des Objekts erfolgen. So erfolgt die Übergabe in der Regel häufig, bevor die bewegliche Einrichtung geliefert wurde und die Endmontagen getätigt wurden. Alle provisorischen. Inbetriebnahmen wie z. B. Bauwerksheizung im Baubetrieb, Sicherung, Einbruchschutz, Beleuchtung, Wasserver- und -entsorgung im Gebäude können eine vorgezogene Teilübergabe bedeuten.
Je nach Verlauf der einzelnen VOB/B-Abnahmen erfolgt ebenfalls eine nach Gewerken gestaffelte Übergabe. Auch dies zeigt, dass die in Lph 8 geregelte Übergabe lediglich einen praktischen Abschluss der Bauüberwachung vor Ort symbolisiert. Die Leistungen der Lph 8 laufen unberührt weiter (Überwachung der Mängelbeseitigung nach Inbetriebnahme, etc.).
Leistungsbild Ingenieurbauwerke / Verkehrsanlagen
Die Leistungsbilder unterscheiden zwischen der in der HOAI honorartechnisch geregelten Bauoberleitung und der örtlichen Bauüberwachung. Bei der Bauoberleitung gilt in punkto Abnahme und Übergabe des Objekts das Gleiche wie im Leistungsbild Gebäude. Die örtliche Bauüberwachung, die nicht preisrechtlich geregelt ist, enthält die Mitwirkung bei der Überwachung der Prüfung der Funktionsfähigkeit der Anlagenteile und der Gesamtanlage.
PRAXISHINWEIS | „Mitwirkung“ ist in diesem Fall nicht so zu verstehen, dass Ihr Büro die terminliche Koordination aller an der Übergabe bzw. Inbetriebnahme bzw. Prüfung der Funktionsfähigkeit Beteiligten durchführen muss. Die örtliche Bauüberwachung wird vielmehr „praktisch eingeladen“, daran mitzuwirken. |
Leistungsbild Technische Ausrüstung
Ihr Planungsbüro muss die fachtechnische Abnahme mit Abnahmeempfehlung organisieren und durchführen, nicht die rechtliche Abnahme. In den Grundleistungen ist nicht geregelt, dass der spätere Anlagenbetreiber (= Bauherr) bei Leistungs- und Funktionsprüfungen mitwirkt. Soll dieser bei der Leistungs- und Funktionsprüfung oder Abnahme sowie Inbetriebnahme teilnehmen, sollte das Ihr Auftraggeber intern selbst organisieren.
Die Prüfung der Revisionsunterlagen (Grundleistung m) erfolgt nach vergleichbaren Prinzipien. Hier stellt sich aus praktischen Gründen aber die Frage, ob die Betreiber nicht von vornherein einzubinden sind, um spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden. Genauso kann bei der Zusammenstellung der Dokumentation (Grundleistung p) agiert werden.
Das Mitwirken bei Leistungs- und Funktionsprüfungen (Grundleistung j) bedeutet nicht, dass diese Leistungen federführend und koordinierend vom Fachplaner zu erbringen sind. Hier ist lediglich die Mitwirkung (bei der betreffenden Anlagengruppe) gemeint. Einzelheiten wie die terminliche Organisation, Einladungen oder die Dokumentation der Inbetriebnahmeschulungen sind in der Grundleistung nicht enthalten.
PRAXISHINWEIS | „Mitwirkung“ bedeutet, dass die Leistungs- und Funktionsprüfung von einem Dritten (i. d. R. gem. LV vom ausführenden Auftragnehmer unter kontrollierender Begleitung des Auftraggebers und Mitwirkung des Fachplaners) durchzuführen ist. Es sollte im LV daher geregelt werden, mit wem sich der ausführende Auftragnehmer bei der Leistungs- und Funktionsprüfung abzustimmen hat und wie diese durchzuführen und zu dokumentieren ist, damit ein geordneter Terminablauf gesichert ist. Wünscht Ihr Auftraggeber, dass Sie solche organisatorischen Koordinationsleistungen (Einladungen etc.) erbringen, sollten Sie eine gesonderte Leistungs- und Honorarvereinbarung schließen. |