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  • · Fachbeitrag · Betriebsprüfung in der Zahnarztpraxis

    Zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (zTSE) und Verfahrensdokumentation

    von StB vBP Prof. Dr. Johannes G. Bischoff und StB Dipl.-Finw. Julia Kekule, beide Köln, www.bischoffundpartner.de

    | Um die materiell zutreffenden Ergebnisse der datenverarbeitungsgestützten Buchführung nicht wegen formaler Mängel zu gefährden, ist auf die Einhaltung der GoBD besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt zu richten. Die Überwachung der Aktualität der erforderlichen Unterlagen sowie die Kontrolle der tatsächlichen Durchführung der Prozesse sind eine betriebliche Daueraufgabe. In diesem Beitrag werden Hinweise zur Notwendigkeit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (zTSE) bei in Zahnarztpraxen eingesetzten Abrechnungs- oder Praxismanagementsystemen mit Kassenmodul bzw. -funktion sowie zur Verfahrensdokumentation gegeben. |

    Einzelaufzeichnungspflicht

    Nach § 146 Abs. 1 S. 2 AO müssen die Kasseneinnahmen und Kassenausgaben täglich festgehalten werden. Die Art der Aufzeichnung wird insbesondere durch die Art der Kasse (offene Ladenkasse oder elektronische Registrierkasse bzw. PC-Kasse) bestimmt. Der Mandant hat grundsätzlich die Wahl, ob er die erforderlichen Aufzeichnungen digital (elektronische Aufzeichnungssysteme mit digitalen Einzelaufzeichnungen) oder auf Papier (Einzelaufzeichnungen in Papierform) erstellen will. Ein gesetzlicher Zwang, die Aufzeichnungen in digitaler Form zu führen, besteht nicht. Die Art der Aufzeichnung führt dabei zu keinen inhaltlichen Unterschieden, d. h., Einzelaufzeichnungen müssen bei elektronischer und manueller Kassenführung identisch sein.

     

    PRAXISTIPP | Die OFD Karlsruhe sowie das Landesamt für Steuern Niedersachsen haben Merkblätter zur Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung herausgegeben, die im Internet zum Download bereitstehen (vgl. die Links in den weiterführenden Hinweisen am Ende des Beitrags). Die Merkblätter informieren u. a. über die Einzelaufzeichnungspflicht und Ausnahmen, den Einsatz offener Ladenkassen und elektronischer Registrierkassen, Verfahrensdokumentationen, Datenzugriffsrecht, Kassensicherungsverordnung sowie Folgen von Mängeln und können zum besseren Verständnis der Thematik beitragen.

     

    Offene Ladenkasse

    Im Rahmen der Aufzeichnungen auf Papier muss der Betrag aus dem Beleg (Eingangsrechnung, Ausgangsrechnung, Einlagebeleg, Entnahmebeleg) in die Kassenaufzeichnung übertragen und dem Beleg als Anlage hinzugefügt werden. Bei Verwendung einer offenen Ladenkasse genügt es nicht, die Bareinnahmen nur durch Auszählung der Kasse zu ermitteln und das Ergebnis in das Kassenbuch zu übernehmen. Vielmehr müssen auch Ursprungsaufzeichnungen zu den einzelnen Geschäftsvorfällen gefertigt und aufbewahrt werden (vgl. Abschn. 5.4 der Muster-Verfahrensdokumentation des Deutschen Fachverbands für Kassen- und Abrechnungssystemtechnik e. V. (DFKA) für die Verwendung einer offenen Ladenkasse (Link am Ende des Beitrags).

    Elektronische Aufzeichnungssysteme

    Während die (allgemeine) Ordnungsvorschrift des § 146 AO die Buchführung als solche und die Erstellung von Aufzeichnungen im Allgemeinen betrifft und sich an sämtliche Buchführungspflichtigen wendet, hat § 146a AO nur diejenigen im Fokus, die aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle oder andere Vorgänge mithilfe eines elektronischen Aufzeichnungssystems erfassen. Maßgeblich für die Annahme eines elektronischen oder computergestützten Kassensystems oder einer Registrierkasse ist nach der Auslegung der Finanzverwaltung (BMF 7.0.19, IV A 4 - S 0316-a/18/10001, BStBl I 19, 518) das Vorliegen der Kassenfunktion, d. h. der Erfassungs- und Abwicklungsmöglichkeit von zumindest teilweise baren Zahlungsvorgängen. Das setzt eine Aufbewahrungsmöglichkeit des verwalteten Bargelds (z. B. eine Kassenlade) nicht voraus. Die vorstehende Definition umfasst daher grundsätzlich auch eingesetzte Abrechnungssoftware, bei der die Kassenfunktion nur optional zuschaltbar ist. Entscheidend soll sein, dass die Software zur Abrechnung von Bargeschäften nutzbar sein könnte.

     

    PRAXISTIPP | Anders zu beurteilen ist ein elektronisches Kassenbuch, das nur der Erfassung der Tages-/Abschlusswerte dient. So verfügt beispielsweise das DATEV Kassenbuch online über keine Abrechnungsfunktion und muss daher nicht mit einer zTSE ausgerüstet sein.

     

    Im Praxisalltag wird dem Kassenmodul aus der Praxissoftware häufig aus ganz praktischen Erwägungen der Vorzug eingeräumt, denn Leistung, Patient, Betrag und Umsatzsteuer werden automatisch vom System übernommen; lediglich eventuelle Entnahmen und Einlagen müssen zusätzlich erfasst werden.

    Notwendigkeit einer zTSE

    Mit dem am 28.12.16 verkündeten Gesetz zum Schutz vor Manipulation an digitalen Grundaufzeichnungen (Kassengesetz) ist die Vorschrift des § 146a AO eingeführt worden. Grundsätzlich ist jedes eingesetzte elektronische Aufzeichnungssystem i. S. d. § 146a AO i. V. m. § 1 S. 1 Kassensicherungsverordnung sowie die damit zu führenden digitalen Aufzeichnungen durch eine zTSE zu schützen. Einzelheiten regeln die Kassensicherungsverordnung und die Technischen Richtlinien des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).

     

    Nach Auffassung der Finanzbehörden müssen auch Kassenmodule der Praxissoftware über eine zTSE verfügen, denn mit der Software werden Leistungen der Zahnärzte abgerechnet und die Bareinnahmen der Praxis erfasst. Die extensive Auslegung der Zertifizierungspflicht ist nicht unumstritten. Gleichwohl sollte die Auffassung der führenden Vertreter der Finanzverwaltung aus Vorsichtsgründen dringend beachtet werden.

     

    Die Zertifizierung zahnärztlicher Abrechnungssoftware ist zwar Sache der Softwarehersteller, die Konsequenzen einer Nichtzertifizierung trägt allerdings zunächst primär der Nutzer. Einzelne Softwareanbieter verfügen bereits über eine TSE-Zertifizierung vom BSI, in diesem Fall ist der Zahnarzt auf der sicheren Seite. Andere Anbieter lehnen eine kostenintensive Zertifizierung bisher noch ab. Daneben gibt es Anbieter, die keine Kassenmodule für ihre Programme anbieten und deshalb unbestritten keine Zertifizierung benötigen.

     

    Aus Vorsichtsgründen wird empfohlen, nur Kassenmodule von Praxissoftware-Anbietern zu aktivieren, die über eine TSE-Zertifizierung des BSI verfügen. Soweit und solange es für die jeweils eingesetzte Praxissoftware noch keine zTSE gibt, sollte überlegt werden, das Kassenmodul in der Praxissoftware zu deaktivieren und Kassenaufzeichnungen z. B. in Papierform vorzunehmen. Denn derzeit besteht keine Verpflichtung des Zahnarztes, das Kassenmodul seiner Praxissoftware zu nutzen. Sobald aber das Kassenmodul im Abrechnungssystem der Praxis aktiviert ist, muss es auch genutzt werden. Das (zusätzliche) freiwillige Führen einer offenen Ladenkasse ist in diesem Fall kein Ausweg!

     

    PRAXISTIPP | Sobald auch nur die Möglichkeit besteht, dass Patienten bar bezahlen können, sind die in Zahnarztpraxen eingesetzten Abrechnungs- oder Praxismanagementsysteme mit Kassenmodul bzw. Kassenfunktion von der zTSE-Pflicht betroffen.

     

    Wichtig in diesem Zusammenhang ist der Hinweis, dass EC-Kartenzahlungen keine baren Zahlungsvorgänge sind. Als weitere Lösung könnte daher die Bitte an die Patienten gerichtet werden, ausschließlich per EC-Karte zu zahlen.

     

    Das FA kann die eingesetzten Systeme im Rahmen einer Betriebsprüfung intensiv durchleuchten. Drohende Risiken sind nicht nur etwaige Hinzuschätzungen zum Gewinn, sondern auch mögliche Geldstrafen bis zu 25.000 EUR, weil Verstöße als Bußgeldtatbestände definiert sind.

    Belegausgabepflicht

    § 146a Abs. 2 AO sieht eine Belegausgabepflicht vor. Auch der Zahnarzt muss hiernach ‒ wenn er die Kassenaufzeichnungen elektronisch im System vornimmt ‒ dem Patienten bei Erhalt der Barzahlung einen Beleg ausstellen. Dieser Beleg kann nach § 6 S. 3 KassenSichV elektronisch oder in Papierform zur Verfügung gestellt werden und muss diverse Pflichtangaben enthalten.

    Meldepflicht

    Nach § 146a Abs. 4 AO hat der Zahnarzt, der aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle oder andere Vorgänge mit einem elektronischen Aufzeichnungssystem i. S. d. § 146a Abs. 1 AO (Praxissoftware) erfasst, dem zuständigen FA nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck u.a. die Art der zTSE sowie die Art des elektronischen Aufzeichnungssystems mitzuteilen. Von dieser Mitteilung ist jedoch bis zum Einsatz einer elektronischen Übermittlungsmöglichkeit abzusehen. Da der Zeitpunkt des Einsatzes im Bundessteuerblatt Teil I gesondert bekannt gegeben werden soll (BMF 6.11.19 ‒ IV A 4 - S 0319/19/10002 :001, BStBl I 19, 1010; BMF 18.8.20, IV A 4 - S 0319/20/10002 :003, BStBl I 20, 656) und dies bis heute nicht geschehen ist, ruht die Meldepflicht derzeit faktisch.

    Verfahrensdokumentation

    Die Verfahrensdokumentation ist ein Teilbereich der Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD; BMF 28.11.19, IV A 4 - S 0316/19/10003 :001, BStBl I 19, 1269, Rz. 151‒155). Für jedes DV-System muss hiernach eine übersichtlich gegliederte Verfahrensdokumentation vorhanden sein, aus der Inhalt, Aufbau, Ablauf und Ergebnisse des DV-Verfahrens vollständig und schlüssig ersichtlich sein müssen. Die Finanzverwaltung formuliert in den GoBD nur grobe Eckpunkte für die Anforderungen an eine Verfahrensdokumentation für ein im Einsatz befindliches DV-System.

     

    Bestandteile einer Verfahrensdokumentation sind in der Regel eine allgemeine Beschreibung, eine Anwenderdokumentation, eine technische Systemdokumentation und eine Betriebsdokumentation. Die allgemeine Beschreibung ist eine Art Übersicht über die buchführungsrelevanten Prozesse im Unternehmen und das Unternehmen selbst. Die Anwenderdokumentation enthält eine vertiefte Darstellung der zuvor aufgezeigten Prozesse bei der elektronischen Buchführung inklusive der Nebensysteme. Die technische Systemdokumentation (Hardware/Software) umfasst die Beschreibung der Hardware, die Angabe des Herstellers, die Produktkennzeichnung sowie die technischen Daten der eingesetzten Systeme. Bezogen auf die Software sollen alle Programme einschließlich der jeweiligen Version aufgeführt werden. Eventuelle Anpassungen und Änderungen der Software sind darzustellen. Mit der Betriebsdokumentation muss das IT-System im täglichen Gebrauch dargestellt werden; darüber hinaus ist eine Notfalldokumentation erforderlich.

     

    Der Umfang der Verfahrensdokumentation ist in den GoBD allerdings nicht konkret festgelegt, sondern wird dadurch bestimmt, was zum Verständnis des DV-Verfahrens, der Bücher und Aufzeichnungen und der aufbewahrten Unterlagen notwendig ist. Die Dokumentation muss für einen sachverständigen Dritten ‒ gemeint ist der Betriebsprüfer ‒ in angemessener Zeit prüfbar sein.

     

    • Umfang einer Verfahrensdokumentation: Zahnarztpraxis
    • Welche Programme/Module in welcher Version sind im Einsatz?
    • Liegen Betriebsanleitungen/Onlinehilfen/FAQ etc. vor?
    • Wer ist in der Praxis für die Bedienung/Dateneingabe verantwortlich?
    • In welchem Umfang bestehen Zugriffsbeschränkungen (z. B. Code, Fingerprint)?
    • In welcher Form und durch wen ist eine Einweisung in die Systemnutzung erfolgt?
    • Wie werden Update-Informationen in der Systemnutzung umgesetzt?
    • Wie und durch wen erfolgt eine Ergebniskontrolle (Plausibilisierung der Richtigkeit von Eingaben)?
     

    Beachten Sie | Wichtig ist zudem, dass der Prüfer erkennen kann, dass die Verfahrensdokumentation den tatsächlichen Verhältnissen der Praxis entspricht, also gelebt wird, und dass die Verfahrensdokumentation bei Änderungen versioniert wird.

     

    Die rechtstheoretische Diskussion, ob es eine (ausdrückliche) Rechtsgrundlage für die Erstellung einer Verfahrensdokumentation gibt, sollte in diesem Zusammenhang vernachlässigt werden, denn die Folgen einer Nichterstellung können fatal sein. Nach Auffassung der Finanzverwaltung (GoBD, Rz. 155) liegt ein formeller Mangel mit sachlichem Gewicht vor, der zum Verwerfen der Buchführung führen kann, soweit eine fehlende oder ungenügende Verfahrensdokumentation die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit beeinträchtigt. Die Prüfer haben also im Einzelfall zu bewerten, ob die Verfahrensdokumentation die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit der Buchführung gewährleistet.

     

    Daneben sollte die ‒ häufig als lästiges Übel empfundene ‒ Verpflichtung als Chance gesehen werden: Positiver Nebeneffekt der Erstellung der Verfahrensdokumentation ist nämlich, dass sich der Praxisinhaber mit den internen Abläufen und Prozessen seiner Praxis beschäftigen muss, diese analysieren und sodann ‒ bei entsprechendem Bedarf ‒ auch optimieren kann.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Muster-Verfahrensdokumentation des Deutschen Fachverbands für Kassen- und Abrechnungssystemtechnik e. V. (DFKA) für die Verwendung einer offenen Ladenkasse (DFKA, 10.4.19)
    • Verprobung der Erlöse (Bischoff/Kekule, PFB 22, 75)
    • Das Risiko der Gewerbesteuerpflicht minimieren (Bischoff/Kekule, PFB 22, 22)
    • Die Umsatzsteuer als Prüfungsschwerpunkt (Bischoff/Kekule, PFB 21, 289)

    Zu Bischoff und Partner | Leserinnen und Leser können die Verfahrensdokumentation unter service@bischoffundpartner.de, Betreff: Verfahrensdokumentation, kostenlos anzufordern.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2022 | Seite 102 | ID 47915633