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  • · Fachbeitrag · Einkommensteuer

    Regelungen zur Zuordnung von Betriebseinnahmen und -ausgaben bei Freiberuflern

    von Prof. Dr. Stephan Peters, Haltern am See

    | Die Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben zum richtigen Wirtschaftsjahr ist eng mit dem Zufluss- und Abflussprinzip verknüpft. Laut § 11 EStG gilt das Prinzip, Einnahmen und Ausgaben in dem Jahr zu berücksichtigen, in dem die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt wurde. Diese Grundregel erfährt jedoch einige Ausnahmen, insbesondere bei „regelmäßig wiederkehrenden Leistungen“, die nahe am Jahreswechsel fließen. Zudem gibt es Sonderregelungen bei Vorauszahlungen und beim Übergang von der Einnahmen-Überschussrechnung zur Bilanzierung. Der Text beleuchtet die praktischen Auswirkungen und gibt hilfreiche Hinweise zur richtigen Anwendung. |

    1. Hintergrund

    Insbesondere auch bei Freiberuflern, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, stellt sich die Frage, in welchem Jahr Betriebseinnahmen und -ausgaben zu berücksichtigen sind. Dabei gilt der Grundsatz, dass Einnahmen und Ausgaben gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 EStG in dem Kalenderjahr anzusetzen sind, in dem sie zugeflossen bzw. geleistet worden sind. Maßgeblich ist die Erlangung oder der Verlust der wirtschaftlichen Verfügungsmacht. Ob die Vermögensmehrung oder -minderung von Dauer ist, ist ebenso unbeachtlich wie der Zeitpunkt der Fälligkeit. Es kommt lediglich darauf an, dass die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt wird, also bei der Zuordnung von Einnahmen der Leistungserfolg eingetreten ist.

     

    Bei Barzahlung wird ein Zufluss mit Übergabe des Geldes angenommen, bei Überweisung zum Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des Empfängers (BFH 21.8.12, IX R 55/10). Solange die Gutschrift nicht erfolgt ist, fehlt es nach der h.M. am Zufluss, auch wenn der Schuldner das Geld bereits an die Bank gezahlt hat. Bei Abrechnung über Verrechnungsstellen, bspw. im Bereich privatärztlicher Leistungen über die privatärztlichen Verrechnungsstellen, fließen dem Arzt Honorare bereits im Zeitpunkt ihres Eingangs bei der Verrechnungsstelle zu (OFD Frankfurt 3.3.04, S 2226 A-86-St 216). Bei der Zahlung an die privatärztliche Verrechnungsstelle handelt es sich um die Zahlung an einen Bevollmächtigten i. S. d. § 164 BGB (R 11 S. 2 EStR). Maßgeblich ist aber, dass die Verrechnungsstelle als Bevollmächtigte anzusehen ist. Im Ergebnis kommt es auch bei der unentgeltlichen Abtretung einer Forderung auf den Zufluss beim alten Gläubiger an.

     

    Wird eine Forderung hingegen entgeltlich an ein Inkassounternehmen abgetreten, liegt bereits im Zeitpunkt der Zahlung des Entgelts an den Zedenten ein Zufluss vor, da in der entgeltlichen Abtretung die Verwertung der Forderung zu sehen ist.

    Bei Überweisungen liegt eine Vereinnahmung des Entgelts i. S. v. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG auch dann erst im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Girokonto des Zahlungsempfängers vor, wenn die Wertstellung (Valutierung) bereits zu einem früheren Zeitpunkt wirksam wird (BFH 17.8.23, V R 12/22). Das BFH-Urteil ist zwar zur Umsatzsteuer ergangen, dürfte für die Lohn- und Einkommensteuer aber gleichermaßen gelten.

    2. Sonderfall „regelmäßig wiederkehrende Leistungen“

    Sonderregelungen sieht der Gesetzgeber für den Fall der Zuordnung von „regelmäßig wiederkehrenden Leistungen“ vor. Dies gilt sowohl für den Zufluss (§ 11 Abs. 1 S. 2 EStG) als auch für den Abfluss (§ 11 Abs. 2 S. 2 EStG). Abweichend von dem Grundsatz, dass die Zahlung im Jahr des Zuflusses/Abflusses zu berücksichtigen ist, dient die Ausnahmevorschrift der Vermeidung von „Zufallszuordnungen“ bei Zahlungen um den Jahreswechsel, indem ausnahmsweise auf das Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit abgestellt wird.

     

    Voraussetzung für die Anwendung der Ausnahmeregelung ist, dass es sich

    • um regelmäßig wiederkehrende Leistungen handelt,
    • die kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres (Zehn-Tages-Regelung = 22.12. bis 10.01.),
    • zu dem sie wirtschaftlich gehören,
    • zugeflossen oder abgeflossen sind.

     

    Regelmäßig wiederkehrend ist eine Leistung, wenn ihr ein Rechtsverhältnis zugrunde liegt, bei dem die Wiederholung in bestimmten Zeitabständen von Anfang an feststeht. Die zum 28.12. fällige Januarmiete ist danach auch bei erstmaliger Aufnahme des Mietverhältnisses bereits im ersten Zahlungsmonat eine solche regelmäßig wiederkehrende Leistung, da das Mietverhältnis für einen längeren Zeitraum eingegangen ist. Zu den regelmäßig wiederkehrenden Leistungen zählen auch die Abschlagszahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung (BFH 24.6.86, IV R 309/84, BStBl II 87, 16).

     

    Die Zahlung muss zudem innerhalb der Zehn-Tages-Regelung liegen, also in den Zeitraum vom 22.12. bis zum 10.01. fallen. Da es sich bei der Zehn-Tages-Regelung nicht um eine Frist handelt, verlängert sich dieser Zeitraum nicht, wenn der 10.01. ein Sonntag ist (BFH 11.11.14, VIII R 34/12, BStBl II 15, 285).

     

    Für die wirtschaftliche Zugehörigkeit kommt es nicht darauf an, wann eine Leistung fällig ist, sondern für welchen Zeitraum die Einnahme erzielt wird. Maßgeblich ist der Zeitraum, in dem die Gegenleistung erbracht wurde (Vermietung).

     

    Ungeschriebene Voraussetzung ist zudem, dass der Fälligkeitszeitpunkt ebenfalls innerhalb dieses Zehn-Tage-Zeitraums liegt. Wenngleich sich dieses Erfordernis nicht aus dem Wortlaut der Norm ergibt, spricht der Zweck der Norm, zufällige Verschiebungen bei Zahlungen um die Jahreswende zu verhindern, für dieses Erfordernis (BFH 16.2.22, X R 2/21, BStBl II 22, 448). Die Ausnahmevorschrift soll demnach keine vollständige Gleichstellung mit dem Realisationsprinzip bewirken, sondern bewirkt nur eine Annäherung.

     

    PRAXISTIPP | § 11 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 EStG setzen das Auseinanderfallen von wirtschaftlicher Zugehörigkeit einer regelmäßig wiederkehrenden Zahlung und Zahlungszeitpunkt voraus. Eine Zuordnung nach wirtschaftlicher Zugehörigkeit ist nur zulässig, wenn auch der Fälligkeitszeitpunkt in den Zehn-Tages-Zeitraum fällt.

     

    Für Ausgaben gelten die vorbenannten Ausführungen gemäß § 11 Abs. 2 S. 2 EStG entsprechend.

     

    • Beispiel

    Ausgangsfall:

    Die Januarmiete für das Jahr 02 ist im Voraus zu zahlen und am 30.12. des Jahres 01 fällig. Die tatsächliche Gutschrift auf dem Konto des Vermieters erfolgt ebenfalls am 30.12. des Jahres 01. Lösung: Gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 EStG ist die Zahlung entsprechend der wirtschaftlichen Zugehörigkeit (Vermietungsleistung im Januar) dem Jahr 02 zuzuordnen. Zeitpunkt der Zahlung (30.12.01) und wirtschaftliche Zugehörigkeit fallen auseinander. Zahlung und Fälligkeitszeitpunkt liegen innerhalb der Zehn-Tages-Regelung.

     

    Abwandlung 1:

    Die rückständige Miete für Mai (fällig am 30.4.01) wird am 8.1.02 auf dem Konto des Vermieters gutgeschrieben. Lösung: Auch hier fallen Zahlungszeitpunkt und wirtschaftliche Zugehörigkeit auseinander. Der Fälligkeitszeitpunkt liegt jedoch außerhalb der Zehn-Tages-Regelung, weshalb die Zahlung dem Jahr 02 zuzuordnen ist und § 11 Abs. 1 S. 2 EStG keine Anwendung findet.

     

    Abwandlung 2:

    Zusammen mit der Januarmiete 02 (fällig 30.12.01) wird auch die Miete für November 01 (fällig 30.10.01) und Dezember 01 (fällig 30.11.01)

    a) am 30.12.01 gezahlt,

    b) am 05.01.02 gezahlt,

    c) Fälligkeit der Mieten für November-Januar am 30.12.01, Zahlung am 5.1.02.

     

    Lösungen: Im Fall a) gilt für die November- und Dezembermiete § 11 Abs. 1 S. 1 EStG, da sowohl die wirtschaftliche Zugehörigkeit als auch der Zahlungszeitpunkt in das Jahr 02 fallen. Für die Januarmiete gilt § 11 Abs. 1 S. 2 EStG (s.o.).

     

    Im Fall b) sind alle Zahlungen im Jahr 02 zu erfassen. Für die Januarmiete gilt § 11 Abs. 1 S. 1 EStG. Für die November- und Dezembermiete fallen zwar das Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit und der Zahlungszeitpunkt auseinander. Für eine Anwendung von § 11 Abs. 1 S. 2 EStG fehlt es aber an der Fälligkeit im Zehn-Tages-Zeitraum, weshalb die Zahlungen für November und Dezember nach § 11 Abs. 1 S. 1 EStG ebenfalls im Jahr 02 zu berücksichtigen sind. Die Zuordnung der November- und Dezembermiete beruht nicht auf einer zufälligen Zuordnung rund um den Jahreswechsel.

     

    Bei Fall c) liegt bei der Januarmiete ein Fall von § 11 Abs. 1 S. 1 EStG vor. Bei der November- und Dezembermiete fallen Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit und Zahlungsjahr auseinander. Da die Fälligkeit ebenfalls innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums liegt, wird § 11 Abs. 1 S. 2 EStG angewendet. Die November- und Dezembermiete ist im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit (01) zu erfassen.

     

    3. Sonderfall Vorauszahlungen

    Auch für Vorauszahlungen gilt, dass diese mit dem Eingang, also i. d. R. mit Gutschrift auf dem Konto, zufließen nach § 11 Abs. 1 S. 1 EStG bzw. abfließen nach § 11 Abs. 2 S. 1 EStG.

     

    Eine Besonderheit gilt für Einnahmen, die auf einer Nutzungsüberlassung beruhen, und Ausgaben, die für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet werden. Ziel ist eine Vereinfachung auf der einen Seite und die Verhinderung von Gestaltungen durch Vorauszahlungen andererseits. Entgelte für Nutzungsüberlassung liegen vor, wenn sich das Entgelt als Gegenleistung für die Nutzung beweglicher oder unbeweglicher Sachen und Rechte darstellt. Praktische Bedeutung erlangt die Norm insbesondere bei der Vorauszahlung von Erbbauzinsen, Miet- und Leasingzahlungen.

     

    Zudem muss sich die Zahlung auf eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren beziehen. Dies ist der Fall, wenn der Zeitraum der Nutzungsüberlassung von Beginn an feststeht. Bei Abschluss eines unbefristeten Dauerschuldverhältnisses ist dieses Erfordernis nur erfüllt, wenn das Recht zur ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist. Besteht hingegen ein ordentliches Kündigungsrecht bei vereinbarter unbefristeter Laufzeit, liegt kein Fall des § 11 Abs. 2 S. 3 EStG vor (BFH 20.7.18, IX R 3/18). Ein konkreter Zeitraum von mehr als fünf Jahren muss demnach bestimmt oder bestimmbar sein. Neben der Dauer der Nutzungsüberlassung muss sich auch die Zahlung auf einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren beziehen (BFH 4.6.19, VI R 34/17, BStBl II 21, 5; a. A. Schiffers, DStZ 05, 333, 336). Vorauszahlungen für einen Zeitraum von weniger als fünf Jahren sind demnach nicht von der Norm erfasst, können aber ggf. einen Fall von § 42 AO begründen.

     

    PRAXISTIPP | Ein Fall von § 11 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 3 EStG liegt nur vor, wenn sich Nutzungsüberlassung und Vorauszahlungszeitraum auf einen Zeitraum von mehr als fünf Jahre beziehen (BFH 4.6.19, VI R 34/17, BStBl II 21, 5).

     

    Vorauszahlungen, die sich auf einen Zeitraum von weniger als fünf Jahren beziehen, sind demnach grundsätzlich nach § 11 Abs. 2 S. 1 EStG sofort abzugsfähig bzw. nach § 11 Abs. 1 S. 1 EStG als Einnahme zu berücksichtigen, wenn die Dauer des Nutzungsverhältnisses mehr als fünf Jahre beträgt. Dies wird mit dem Vereinfachungszweck der Norm erklärt (Kister in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 11 EStG, Rz. 125).

     

    § 11 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 3 EStG setzt zwar nicht voraus, dass die genaue Zeitdauer der Nutzungsüberlassung im Vorauszahlungszeitpunkt bereits fest vereinbart ist. Die Zeitdauer muss jedoch anhand objektiver Umstände ‒ gegebenenfalls im Wege einer Schätzung ‒ zumindest bestimmbar sein (BFH 12.12.23, IX R 18/22).

     

    Das Erfordernis der Zahlung im Voraus setzt voraus, dass die Zahlung vor der Nutzungsinanspruchnahme liegt. Die Vorschrift gilt nur bei Vorauszahlungen, für Nachzahlungen gelten § 11 Abs. 1 S. 1 bzw. Abs. 2 S. 1 EStG.

     

    Hinsichtlich der Rechtsfolgen gelten Unterschiede. Während bzgl. der Behandlung von Einnahmen, die auf einer Nutzungsüberlassung beruhen, ein Wahlrecht zur Verteilung der Zahlung besteht, ordnet § 11 Abs. 2 S. 3 EStG die Verteilung auf den Zeitraum bei Ausgaben verpflichtend an.

     

    • Übersicht
    Einnahmen (§ 11 Abs. 1 S. 3 EStG)
    Ausgaben (§ 11 Abs. 2 S. 3 EStG)

    Nutzungsüberlassung und Vorauszahlung

    Nutzungsüberlassung und Vorauszahlung

    Für Zeitraum von mehr als fünf Jahren

    Für Zeitraum von mehr als fünf Jahren

    Wahlrecht = Verteilung der Einnahmen auf Zeitraum der Nutzungsüberlassung

    Pflicht = Gleichmäßige Verteilung auf Zeitraum der Vorauszahlung

     

    4. Übergangsgewinn EÜR ‒ Bilanzierung

    Eine weitere Ausnahme erkennt die Finanzverwaltung bei dem Wechsel der Gewinnermittlungsart von der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zum Betriebsvermögensvergleich an. In diesem Fall kann der entstehende Übergangsgewinn zur Vermeidung von Härten auf Antrag auf bis zu drei Jahre verteilt werden (nach R 4.6 Abs. 1 S. 2 EStR), wobei der Gewinn nur gleichmäßig verteilt werden kann!

     

    Bei dem Antrag handelt es sich um einen Antrag nach § 163 AO, der Gegenstand eines gesonderten und von dem Festsetzungsverfahren losgelösten Verfahren ist. Es handelt sich bei der Entscheidung um einen für die Festsetzung bindenden Verwaltungsakt (Grundlagenbescheid § 171 Abs. 10 AO), der entsprechend umzusetzen ist. Dabei hat der BFH klargestellt, dass sich die Entscheidung über den Billigkeitsantrag nicht nur auf die Verteilung des Gewinns, sondern auch auf die Höhe des verteilten Gewinns erstreckt (BFH 1.10.15, X R 32/13). Es ist möglich, dass die Entscheidung über den Antrag auf Verteilung des Übergangsgewinns nicht ausdrücklich, sondern nur konkludent im Rahmen einer Steuerfestsetzung oder Feststellung getroffen wird.

    5. Sonderfall Gesellschafter-Geschäftsführer

    Viele GmbH-Gesellschafter sind ‒ über ihre Gesellschafterstellung hinaus ‒ selbstständig tätig und erbringen Leistungen gegenüber der „eigenen“ GmbH Wenn der Gesellschafter um den Jahreswechsel herum der GmbH Rechnungen schreibt, ist zu entscheiden, ob er die entsprechenden Honorare bereits bei Rechnungsstellung oder erst bei Vereinnahmung versteuern muss ‒ vorausgesetzt, er selbst ermittelt seinen Gewinn per Einnahmen-Überschussrechnung. Bei beherrschenden Gesellschaftern (mit mehr als 50 % der GmbH-Anteile) ist die Antwort relativ klar: Die Versteuerung muss grundsätzlich im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung, also üblicherweise bereits bei Rechnungsstellung, erfolgen (Zuflussfiktion). Schwieriger wird die Antwort bei nicht beherrschenden Gesellschaftern. Eigentlich gilt hier der Grundsatz, dass in Rechnung gestellte Honorare erst bei Vereinnahmung zu versteuern sind, wenn der Gesellschafter seinen Gewinn per Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt. Doch kein Grundsatz ohne Ausnahme. In diesem Zusammenhang hat das FG Rheinland-Pfalz (11.5.22, 2 K 1811/17; Rev. BFH VIII R 16/23) entschieden, dass die Zuflussfiktion auch für den nicht beherrschenden Gesellschafter gelten kann, wenn es gleichgerichtete Interessen zwischen beherrschenden und nicht beherrschenden Gesellschaftern gibt.

    6. Praxishinweis

    Die Regelungen zur Erfassung von Einnahmen und Ausgaben gemäß § 11 EStG können im Einzelfall zu Abgrenzungsfragen führen. Ein Graubereich mit Bewertungsrisiken verbleibt insbes. bei Zahlungen für eine Nutzungsüberlassung und Vorauszahlung von weniger als fünf Jahren. Insoweit kann im Einzelfall ein Fall von § 42 AO (Gestaltungsmissbrauch) vorliegen, auf den § 11 Abs. 2 S. 5 EStG ausdrücklich verweist. Die Vorschrift bildet damit eine Schranke für Fälle, die nicht unter Abs. 2 S. 3 EStG fallen. Abgrenzungskriterium soll nach Ansicht des Gesetzgebers sein, ob im Einzelfall für Vorauszahlungen im Zusammenhang mit einer Nutzungsüberlassung auf wirtschaftlich vernünftige Gründe zurückzuführen sind (BT-Drucks. 15/4050, S. 56). Unproblematisch und von der Rechtsprechung anerkannt ist die Vorauszahlung von Erbbauzinsen (BFH 23.9.03, IX R 65/02, BStBl II 03, 779), gleiches gilt für Miet- oder Pachtzahlungen, insbesondere wenn die Vorauszahlung der Vermeidung jährlicher Steigerungen dient. Darin dürfte ein wirtschaftlich vernünftiger Grund zu sehen sein.

    7. Fazit

    Abgrenzungsfragen über die Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben ergeben sich nicht nur bei den Überschusseinkünften, sondern auch bei Freiberuflern, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermitteln. Im Grundsatz ist der Zeitpunkt der Erlangung/des Verlusts der wirtschaftlichen Verfügungsmacht maßgeblich, wenngleich insbesondere § 11 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 EStG davon Ausnahmen vorsehen. Insoweit ist aber zu beachten, dass Ziel der Vorschrift nicht die völlige Durchbrechung des Zufluss- und Abflussprinzips zu Gunsten einem dem Bilanzsteuerrecht vergleichbaren Realisationsprinzip ist, sondern nur Zufallszuordnungen um die Jahreswende vermieden werden sollen. Neben dem Auseinanderfallen des Jahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit und des Zahlungszeitpunktes ist darüber hinaus als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal erforderlich, dass die Fälligkeit ebenfalls in diesen Zehn-Tages-Zeitraum fällt. Ob neben § 11 Abs. 2 S. 3 EStG für § 42 AO tatsächlich ein großer Anwendungsbereich verbleibt, darf bezweifelt werden. Indem der Gesetzgeber Vorauszahlungen bewusst erst für mehr als fünf Jahre erfasst hat, dürften für die Annahme einer Überschreitung der Schwelle zum Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 AO bei Vorauszahlungen für einen Zeitraum von weniger als fünf Jahren strenge Anforderungen gelten. Ein Gestaltungsmissbrauch kann demnach nur bei offensichtlichen und besonders krassen Fällen angenommen werden.

     

    Zum Autor | Dieser Beitrag wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst, sondern gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Autors wieder.

    Quelle: Ausgabe 02 / 2025 | Seite 36 | ID 50192400