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  • · Fachbeitrag · Praxisverkauf

    Wenn Freiberufler nach dem Praxisverkauf weiterarbeiten wollen

    von StB Thomas Karch, Krefeld und StB Dr. Rolf Michels, Köln

    | Möchte ein Freiberufler nach dem Praxisverkauf noch weiterarbeiten, könnte dieser Teilzeitjob teuer werden. Denn der Freibetrag für Betriebsveräußerungen und -aufgaben und die Tarifbegünstigung des „halben Steuersatzes“ sind an Voraussetzungen geknüpft. Der Beitrag zeigt auf, wie eine (Teilzeit-)Beschäftigung nach der Praxisveräußerung einkommensteuerlich behandelt wird und ob es sich hierbei um eine für die Steuerbegünstigung des Veräußerungsgewinns schädliche Tätigkeit handelt. |

    1. Vorbemerkung

    Der Veräußerungsgewinn aus einem Praxisverkauf ist zweifach steuerbegünstigt. Zum einen bleiben die ersten 45.000 EUR des Veräußerungsgewinns ohne Besteuerung (§ 16 Abs. 4 EStG), wenn der Veräußerer das 55. Lebensjahr vollendet hat oder dauernd berufsunfähig ist. Dieser Freibetrag reduziert sich allerdings bis auf Null, soweit der Veräußerungsgewinn einen Betrag von 136.000 EUR übersteigt. Der über den Freibetrag hinausgehende Gewinn wird ermäßigt besteuert. Es gilt die Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG (Fünftelungsregelung). Hat der Veräußerer das 55. Lebensjahr bereits vollendet oder ist er dauernd berufsunfähig, wird ihm auf Antrag alternativ die in der Regel günstigere Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG („halber“ Steuersatz) gewährt. Diese Vorteile sind jedoch u.a. an die Voraussetzung geknüpft, dass der Praxisinhaber seine gesamte Praxis oder seine gesamte Beteiligung an der Berufsausübungsgemeinschaft veräußert oder aufgibt und seine damit verbundene Tätigkeit einstellt. Eine Aufgabe der freiberuflichen Tätigkeit setzt voraus, dass der Veräußerer in seinem bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit seine bisherige freiberufliche Tiätigkeit nicht ausübt. Tut er dies nicht, kann ihm der Steuervorteil auch im Nachhinein wieder entzogen werden.

     

    Nun kommt es aber in der Praxis häufiger vor, dass der Arzt auch nach der Praxisabgabe noch weiter beruflich tätig sein will oder muss, z.B. durch:

    • Überleitendes Mitarbeiten nach Praxisverkauf,
    • Weiterführen eines Teils der Praxis nach Praxisverkauf,
    • Weiterarbeiten in einem anderen Tätigkeitsumfeld,
    • Arbeiten in einer Übergangskooperation mit dem Praxisnachfolger.

    2. Überleitende Mitarbeit nach dem Praxisverkauf

    Nicht selten wird ein Arzt gebeten, auch nach der vollständigen Praxisabgabe noch überleitend mitzuwirken. Er wird dann entweder als freier Mitarbeiter, was nach Berufsrecht nicht ohne Weiteres zulässig ist (s.u.), gleichwohl in der Praxis immer wieder vorzufinden ist, oder als angestellter Arzt in seiner alten Praxis weiterbeschäftigt:

     

    • Die freie Mitarbeit zeichnet sich dadurch aus, dass der Arzt auf Honorarbasis auf Namen und Rechnung des Praxisnachfolgers dessen Patienten betreut. Die Einnahmen hieraus hat er weiterhin nach den allgemeinen Grundsätzen als laufende Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit zu versteuern.

     

    • Im Hinblick auf eine privatärztliche Tätigkeit ist die freie Mitarbeit eines Arztes in einer Praxis unproblematisch. Bei kassenärztlicher Tätigkeit ist diese grundsätzlich nur bei „echter“ Krankheits- oder Urlaubsvertretung für bis zu 3 Monate innerhalb eines 12-Monatszeitraums zulässig. Bei einer „Dauermitarbeit“ kann es zudem zu sozialversicherungsrechtlichen Problemen kommen. So wird nach einem Zeitraum von etwa 6 Monaten häufig von einer Scheinselbstständigkeit ausgegangen und damit eine Verpflichtung zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen entstehen.

     

    • In der Anstellungsposition ist der Arzt an die Weisungen des neuen Praxisinhabers gebunden. Er erzielt demnach Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG, welche sozialversicherungspflichtig sind und dem Lohnsteuerabzug unterliegen.

     

    Unbeschadet dessen, ob der abgebende Arzt freiberuflich oder nichtselbstständig tätig ist, bleibt die Steuerbegünstigung des Veräußerungsgewinns aus der Praxisabgabe in diesem Fall grundsätzlich erhalten. Nach der Rechtsprechung (z.B. BFH 29.6.94, I R 105/98) ist die Weiterarbeit unter dem Nachfolger der Praxis für die Annahme der Aufgabe der freiberuflichen Tätigkeit und damit die steuerliche Begünstigung des Veräußerungsgewinns grundsätzlich unschädlich. Entscheidend für das Vorliegen eines begünstigten Veräußerungsgewinns ist, dass der Veräußerer die wesentlichen wirtschaftlichen Grundlagen der Praxis einschließlich des Patientenstamms zivilrechtlich auf den Erwerber überträgt und nur dieser die Rechtsbeziehungen zu den Patienten verwertet.

     

    PRAXISHINWEIS |  Die Rechtsprechung beurteilt eine freie Mitarbeit tendenziell als unschädlich, da der Arzt nicht mehr in eigenem Namen tätig wird. In der Literatur wird dies aber teilweise diskutiert. Die Finanzverwaltung könnte derartige Gestaltungen zudem möglicherweise als Gestaltungsmissbrauch ansehen und deren tatsächliche Durchführung anzweifeln. Es empfiehlt sich daher, eine solche Gestaltung vorab - beispielsweise durch eine verbindliche Auskunft des Finanzamtes - rechtlich abzusichern.

     
    • Beispiel

    Eine BAG in Düsseldorf erwirbt eine Einzelpraxis in Meerbusch. Es wird vereinbart, dass der Praxisabgeber noch drei Jahre nach Praxisabgabe als angestellter Arzt den alten Praxisstandort weiterführt, nur jetzt als angestellter und nicht mehr als selbstständiger Arzt. In diesem Fall bleibt dem abgebenden Arzt der Steuervorteil aus der Praxisabgabe erhalten, da er nicht mehr aus eigener Einkommensquelle tätig ist. Neu für den angestellten Arzt ist nun, dass er neben der vom anstellenden Arzt einzubehaltenden Lohnsteuer auch Sozialversicherungsbeiträge abführen muss.

     

     

    PRAXISHINWEIS | Wenn der Arzt weiterhin in der Praxis arbeitet, muss er sich auch tatsächlich wie ein Angestellter bzw. wie ein freier Mitarbeiter behandeln lassen. Das heißt, er darf nicht faktisch weiterhin wie ein Gesellschafter auftreten. Dies ist in der Praxis oft das größte Problem, da sich der Seniorpartner häufig nicht „unterordnen“ will.

     

    3. Weiterführen von Praxisteilen nach Praxisabgabe

    Nicht selten kommt es vor, dass sich der Praxisabgeber bei Verkauf vorbehält, einen Teil der Praxis auch nach Abgabe des Hauptbereichs in den alten Räumen oder in getrennten Räumen in der Umgebung fortzuführen (z.B. Fortführung von Gutachtertätigkeiten, Behandlung aller Privatpatienten oder nur Patienten, die eine bestimmte vom Nachfolger nicht mehr angebotene Therapie erhalten haben, wie etwa Akupunkturpatienten).

     

    3.1 Weiterführung unterhalb der Bagatellgrenze

    In diesem Fall bleibt der Praxisabgeber auch nach Verkauf selbstständig tätig. Nach der Rechtsprechung des BFH ist dennoch von einer begünstigten Veräußerung aller wesentlichen Grundlagen der Praxis auszugehen, wenn nur einzelne Patienten zurückbehalten werden, auf die in den letzten drei Jahren vor der Praxisveräußerung durchschnittlich weniger als 10 % der gesamten Einnahmen entfielen (BFH 29.10.92, IV R 16/91, BStBl II 93, 182, H 18.3 EStH 2011 „Veräußerung“). Die Hinzugewinnung neuer Patienten ist hingegen auch ohne Überschreiten der 10-%-Grenze schädlich, da das Anwerben neuer Patienten die Annahme einer Aufgabe der freiberuflichen Tätigkeit ausschließt.

     

    PRAXISHINWEIS |  Die Behandlung von Kassenpatienten mit entsprechender GKV-Vergütung setzt natürlich voraus, dass eine vertragsärztliche Zulassung (noch) besteht.

     
    • Beispiel

    Dr. A veräußert aus Altersgründen seine bisherige Einzelpraxis mit Ausnahme seiner fünf Akupunkturpatienten, da sein Nachfolger diese Therapie nicht anbietet. Die Einnahmen, die Dr. A in den letzten drei Jahren vor der Praxisabgabe mit diesen fünf Patienten erzielt hat, betrugen im Durchschnitt 7 % der Gesamteinnahmen.

     

    In diesem Fall wird die Steuerbegünstigung des Veräußerungsgewinns aus dem Praxisverkauf von Dr. A nicht gefährdet, da die Bagatellgrenze von 10 % nicht überschritten wird.

     

    PRAXISHINWEIS |  Wenn der Arzt noch in geringem Umfang weiter praktiziert, darf er währenddessen keine neuen Patienten mehr annehmen, um die Steuerbegünstigung nicht zu gefährden. Das heißt, er darf nur noch seine „alten“ Patienten weiter behandeln.

     

    3.2 Weiterführen einer Teilpraxis

    Eine Ausnahme von der strengen Handhabung durch die Finanzverwaltung gilt dann, wenn die Praxis in zwei selbstständige Teilbetriebe aufgeteilt werden kann und der Arzt einen dieser Teilbetriebe veräußert, den anderen aber zurückbehält und mit diesem seine Tätigkeit weiterhin ausübt. Dann liegt eine begünstigte Teilpraxisveräußerung vor.

     

    Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Allgemeinmediziner neben seiner Praxis noch als Betriebsarzt tätig war und diese Tätigkeit nun weiterführt. Eine begünstigte Teilpraxisveräußerung ist zudem häufig anzutreffen bei Praxen mit mehreren Standorten, von denen einer veräußert wird. Nicht als begünstigte Teilpraxisveräußerung anerkannt wird hingegen das eigenständige Weiterführen von Privatpatienten nach Abgabe der Kassenarztpraxis oder der Weiterbetrieb der Praxis nach Verkauf der halben Kassenarztzulassung.

     

    PRAXISHINWEIS |  Der BFH (26.6.12, VIII R 22/09) hat jüngst den Spielraum für die Annahme eines Teilbetriebs erweitert. Die Selbstständigkeit eines Teilbetriebes liegt trotz gleichartiger Tätigkeit und fehlender räumlicher Trennung auch dann vor, wenn ein zuvor erworbener Standort (Teilbetrieb) bis zur Veräußerung im Wesentlichen unverändert fortgeführt wird (s. Kratzsch PFB 13, 121 zur Veräußerung einer Steuerberatungspraxis als Teilbetrieb).

     

    Liegt ein steuerlicher Teilbetrieb vor, den der Arzt weiterführen möchte, kann er - wenn er die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG und die Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG erfüllt (s.o.) - wählen: Nimmt er diese Steuerbegünstigungen für den gerade abgegebenen Teil der Praxis in Anspruch, muss er den ggf. später aus dem Verkauf des weiteren Praxisteils zu erzielenden Veräußerungsgewinn ohne diesen Steuervorteil verkaufen, da er diese Begünstigungen nur einmal im Leben erhält. Verkauft er einen Teil der Praxis jetzt ohne die Steuerbegünstigungen in Anspruch zu nehmen, stehen sie ihm später beim Verkauf des verbliebenen Praxisteils zu.

    4. Weiterarbeiten in einem anderen Praxisumfeld

    Von dem vorgenannten Fall des weiteren Tätigseins im alten Praxisumfeld ist zu unterscheiden, wenn der Arzt nach der Praxisabgabe in einem neuen Praxisumfeld tätig wird. Das neue Praxisumfeld kann entweder räumlich oder sachlich begründet sein.

     

    • Beispiel
    • Ein Kardiologe verkauft seine Praxis in Köln, in der er bislang Patienten aus dem lokalen Umfeld betreut hat. Nach dem Verkauf schließt er sich einer BAG in Dortmund an, die aufgrund des Ausfalls eines Partners bisher keinen Nachfolger gefunden hat.

     

    • Ein Psychologe wird nach Abgabe seiner Praxis, in der er ausschließlich Therapien durchgeführt hat, als Gutachter für die Deutsche Rentenversicherung tätig.
     

     

    In diesen Fällen darf der Arzt die Steuerbegünstigung aus dem Verkauf der Praxis nur dann in Anspruch nehmen, wenn die Anschlusstätigkeit nicht im Zusammenhang mit seiner alten Praxis steht, er also z.B. keine Patienten aus der alten Praxis im Zuge der neuen Praxistätigkeit weiterbehandelt.

     

    Das hebt auch das FG Saarland (30.3.06, 1 K 401/02) hervor: Ein Arzt hatte seine Allgemeinarztpraxis veräußert und drei Monate später in der Nähe eine Arztpraxis für Naturheilverfahren und chinesische Medizin eröffnet. Das FG störte sich daran, dass die bisherigen Patienten auch weiterhin - wenn auch unter Anwendung von Naturheilverfahren - behandelt werden könnten. Zudem sei die Anwendung von Naturheilverfahren kein eigenständiger Facharztbereich, sondern lediglich eine Zusatzqualifikation in Ergänzung einer bestehenden Facharztkompetenz. Ähnlich sieht das auch das FG Hamburg: Trotz Veräußerung der Praxis eines ausschließlich operativ tätigen Orthopäden liegt kein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn vor, wenn zeitgleich eine neue Praxis für konservative Orthopädie eröffnet wird (FG Hamburg 5.4.11, 6 K 191/10).

     

    PRAXISHINWEIS |  So soll sichergestellt werden, dass die abgegebene Praxis vollständig auf den Praxiserwerber übergeht. Die Steuerbegünstigung soll den aus der Praxisabgabe für den Arzt verbleibenden Betrag erhöhen, damit dieser über ein größeres Polster für seine Altersabsicherung verfügt. Zudem erhält der Praxisnachfolger die Möglichkeit, seine eigene Bindung zu den Patienten aufzubauen. Der Praxisabgeber soll nicht in Konkurrenz zu ihm stehen. Denn wird die Tätigkeit nach Veräußerung der Praxis in örtlicher Nähe zur alten Praxis fortgeführt, liegt es nahe, dass die Patienten bei ihrem „alten“ Arzt bleiben.

     

    5. Übergangskooperation

    Der Zweck der Gründung einer Übergangskooperation liegt im Wesentlichen darin, den Juniorpartner langsam an die Praxis heranzuführen. Die Nachfolge wird frühzeitig durch Bindung eines jungen Arztes gesichert. Es erfolgt noch keine Abgabe der Praxis, ggf. kann der Seniorpartner aber bereits sukzessive seine Arbeitszeit herabsetzen. Werden in dem Rahmen bereits Praxisanteile an den Juniorpartner abgegeben, ist der hierdurch erzielte Gewinn steuerlich nicht begünstigt.

     

    Daher wird aus steuerlicher Sicht empfohlen, im ersten Schritt zur Gründung der Übergangskooperation nur einen geringen Anteil (z.B. 5 %) an den neuen Partner zu übertragen und den Rest bei der Praxisaufgabe. Die Gewinnverteilung unter den Partnern sollte fair erfolgen. So könnte z.B. ein Teil des Gewinns nach Arbeitszeit und ein Teil nach Kapitalbeteiligung verteilt werden.

     

    PRAXISHINWEIS |  Handelt es sich um einen gesperrten Bereich, kann der Junior­partner als Jobsharing-Partner auf der Zulassung des Seniorpartners mitarbeiten oder der Seniorpartner überträgt ihm die Hälfte seiner Zulassung. Nicht ganz klar ist aber, inwieweit die Übertragung der Zulassung wieder rückgängig gemacht werden kann. Grundsätzlich kann die Möglichkeit der Rückgängigmachung bei der Übertragung vertraglich vereinbart werden. Hier bestehen allerdings Unsicherheiten, sodass eine Beratung vorab zu empfehlen ist.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 124 | ID 38734640