· Nachricht · Angehörigenarbeitsverhältnis
Steuerliche Anerkennung trotz Mehrarbeit und fehlender Arbeitszeitnachweise
1. Bei Arbeitsverträgen zwischen nahen Angehörigen ist die Intensität der erforderlichen Prüfung der Fremdüblichkeit der Vertragsbedingungen auch vom Anlass des Vertragsschlusses abhängig. 2. Leistet der als Arbeitnehmer beschäftigte Angehörige unbezahlte Mehrarbeit über seine vertragliche Stundenzahl hinaus, steht dies der Annahme, das Arbeitsverhältnis sei tatsächlich durchgeführt worden, grundsätzlich nicht entgegen. Etwas anderes gilt nur, wenn die vereinbarte Vergütung schlechterdings nicht mehr als Gegenleistung für die Tätigkeit des Angehörigen angesehen werden kann und deshalb auf das Fehlen eines Rechtsbindungswillens zu schließen ist. 3. Die unterbliebene Führung von Arbeitszeitnachweisen betrifft - sofern nicht aus einem betriebsinternen Fremdvergleich Gegenteiliges folgt - in der Regel nicht die Frage der Fremdüblichkeit der Arbeitsbedingungen, sondern hat vorrangig Bedeutung für den dem Steuerpflichtigen obliegenden Nachweis, dass der Angehörige tatsächlich Arbeitsleistungen jedenfalls in dem vertraglich vereinbarten Umfang erbracht hat (Abgrenzung zu BFH 21.1.99, IV R 15/98, BFH/NV 99, 919), (BFH 17.7.13, X R 31/12). |
Sachverhalt
Der Kläger betrieb eine Werbe- und Medienagentur. Er hatte seinen Vater und seine Mutter als Bürohilfskraft eingestellt. Die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften wurden - einschließlich der für geringfügig Beschäftigte geltenden Beitragspflichten - vom Kläger beachtet. Eine Prüfung des Rentenversicherungsträgers blieb ohne Beanstandungen. Dennoch untersagte das FA mit Billigung des FG Rheinland-Pfalz (29.3.12, 5 K 1815/10; PFB online vom 7.8.13) den Betriebsausgabenabzug.
Anmerkungen
Der BFH sieht die Rechtslage jedoch grundlegend anders: Die Auffassung des FG, den Arbeitsverträgen sei die ertragsteuerrechtliche Anerkennung allein deshalb zu versagen, weil die als Arbeitnehmer beschäftigten Angehörigen mehr Arbeitsstunden geleistet hätten als vertraglich vereinbart und keine Stundenaufzeichnungen geführt worden seien, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Eine solche Rechtsfolge darf nur gezogen werden, wenn einer Abweichung der tatsächlichen Durchführung von dem vereinbarten Inhalt des Vertrags ein derartiges Gewicht zukommt, dass dies unter Berücksichtigung des Gesamtbildes der Verhältnisse eine Nichtanerkennung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt (BFH BFH/NV 05, 553). Dies ist hier nicht der Fall.
Leisten von Mehrarbeit
In der Leistung von Mehrarbeit hat das FG eine Abweichung der tatsächlichen Durchführung der Arbeitsverhältnisse von dem vertraglich Vereinbarten in Bezug auf eine Hauptleistungspflicht gesehen. Dies trifft zwar bei abstrakter Betrachtung zu. Die daraus vom FG gezogenen Schlüsse kann der BFH aber nicht teilen.
Die Bedenken des FG beruhen vielmehr allein darauf, dass Vater und Mutter ihre arbeitsvertraglichen Pflichten nicht nur erfüllt, sondern übererfüllt haben. Ein solches Verhalten - und das damit möglicherweise eintretende Missverhältnis zwischen der Arbeitsleistung und der dafür bezogenen Vergütung - steht der ertragsteuerrechtlichen Anerkennung jedoch selbst dann nicht entgegen, wenn die Mehrarbeit durch das Näheverhältnis zwischen dem Kläger und seinen Angehörigen veranlasst gewesen sein sollte. Im Übrigen hat das FG nicht berücksichtigt, dass die Übererfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten, anders als die Nichterfüllung von Hauptleistungspflichten, auch zwischen fremden Dritten nicht völlig unüblich ist.
Keine Arbeitszeitnachweise
Die unterbliebene Führung von Arbeitszeitnachweisen betrifft im Streitfall nicht die Frage der Fremdüblichkeit des Arbeitsverhältnisses, sondern hat allein Bedeutung für den dem Steuerpflichtigen obliegenden Nachweis, dass der Angehörige Arbeitsleistungen jedenfalls in dem vertraglich vereinbarten Umfang tatsächlich erbracht hat.
Das FG missversteht die von ihm angeführten BFH-Entscheidungen, wenn es ihnen entnimmt, in einem Fall wie dem vorliegenden sei die Führung von Arbeitszeitnachweisen fremdüblich, so dass ihr Fehlen die Anerkennung des Arbeitsverhältnisses ausschließe. Damit würde das Vorhandensein von Arbeitszeitaufzeichnungen (z.B. Stundenzettel) in den Rang eines Tatbestandsmerkmals erhoben, was weder der Rechtsprechung des BVerfG (BStBl II 96, 34) noch den vom FG zitierten BFH-Entscheidungen entnommen werden kann.
Teilweise Zurückverweisung an das FG
Der BFH konnte auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen nur in Bezug auf den mit dem Vater geschlossenen Arbeitsvertrag eine eigene abschließende Beurteilung vornehmen, nicht aber in Bezug auf den mit der Mutter geschlossenen Arbeitsvertrag, weil die Feststellungen des FG insoweit widersprüchlich waren. Die Sache geht daher zur Nachholung tragfähiger Feststellungen an das FG zurück.