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  • · Nachricht · Gewerbesteuer

    Befreiung für teilstationäre Rehabilitationszentren

    | Die Erträge aus der ambulanten Rehabilitation können gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG von der Gewerbesteuer befreit sein, auch wenn kein Versorgungsvertrag nach §§ 107 , 111 SGB V abgeschlossen wurde ( FG Niedersachsen 12.11.12, 7 K 10204/09, Rev. BFH X R 2/13 ). |

     

    Der Kläger betreibt als selbstständiger Physiotherapeut eine Physiotherapie-Praxis als Einzelunternehmen sowie ein Rehabilitationszentrum. Er beschäftigte im Streitjahr eine Vielzahl von Fachkräften, zu denen neben Physiotherapeuten auch Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter, Ernährungswissenschaftler und examinierte Krankenschwestern gehörten. Neben der klassischen Physiotherapie unterhielt er ein Rehabilitationszentrum, das spezielle Rehabilitationsleistungen in Absprache mit den Sozialversicherungsträgern (von den Beteiligten als ambulante Rehabilitation bezeichnet) erbrachte. Streitig ist, ob der Kläger teilweise Leistungen erbringt, die nach § 3 Nr. 20 GewStG von der Gewerbesteuer befreit sind.

     

    Nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG sind Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen von der Gewerbesteuer befreit, wenn im Erhebungszeitraum die Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind. Eine Einrichtung zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen i.S. des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG ist eine solche, in denen pflegebedürftige Personen zeitweise vollstationär (ganztägig) oder teilstationär (tagsüber oder nachts) untergebracht und gepflegt werden (FG Schleswig-Holstein 21.2.01, II 279/00, EFG 2001, 645).

     

    Nach der Rechtsprechung des BFH werden ambulante Rehabilitationseinrichtungen nicht von der Gewerbesteuer gemäß § 3 Nr. 20 GewStG befreit (BFH 22.10.03 I R 65/02, BStBl II 04, 300). Das FG schließt sich aber der von der Finanzverwaltung und in der Literatur vertretenen Auffassung an, dass teilstationäre Rehabilitationseinrichten gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG von der Gewerbesteuer befreit sind (R 3.20 Abs. 4 Satz 1 GewStR; Sarrazin in Lenski/Steinberg, GewStG, § 3 Rz, 517; Glanegger/Güroff, GewStG, § 3 Nr. 20 Rz. 210).

     

    Somit kommt es für die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG entscheidend darauf an, ob der Kläger eine ambulante oder teilstationäre Rehabilitationseinrichtung betrieben hat. Was unter einer teilstationären Einrichtung zu verstehen ist, ist gewerbesteuerrechtlich nicht definiert. Es kann wie für die Definition des Begriffs des Krankenhauses i.S. des § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG auf die Regelungen des Sozialrechts erläuternd zurückgegriffen werden (BFH 22.10.03 I R 65/02, BStBl. II 04, 300). Eine teilstationäre Behandlung erfordert demnach, dass

     

    • sich der Lebensmittelpunkt des Kranken für die Dauer der Behandlung in das Krankenhaus verlagert, wo seine gewohnten Aktivitäten weitestgehend zum Stillstand kommen.
    • Der Patient muss physisch und organisatorisch in das Versorgungssystem der Rehabilitationseinrichtung einbezogen werden und sich damit in der Obhut einer Einrichtung befinden, in der er zumindest auf einige Dauer verbleiben und versorgt werden kann (so der BFH zum Begriff stationäre bzw. teilstationären Unterbringung in einem Krankenhaus, BFH 22.10.03 I R 65/02, BStBl II 04, 300).

     

    Die Voraussetzungen sind allerdings dahingehend einzuschränken, dass der Grad der Integration des Patienten in die teilstationäre Rehabilitationseinrichtung entsprechend seiner nur zeitweisen Unterbringung zu mindern ist. Es ist ja gerade Ziel einer teilstationären Unterbringung, dass der Patient nach seinem Aufenthalt in der Einrichtung seinem normalen Leben weiter nachgehen kann. Daher reicht es aus, dass der Patient während seines Aufenthaltes in der Rehabilitationseinrichtung in den Ablauf eingegliedert ist. Abzugrenzen ist die teilstationäre Unterbringung von der ambulanten Behandlung, die sich dadurch auszeichnet, dass der Patient nur kurz zur Behandlung erscheint und sonst nicht in den Ablauf der Rehabilitationseinrichtung integriert ist.

     

    Das FG lehnt die Auffassung der Finanzverwaltung ab, wonach eine teilstationäre Rehabilitationseinrichtung gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG nur steuerbefreit ist, soweit die Voraussetzungen eines Versorgungsvertrag nach §§ 107, 111 SGB erfüllt sind (R 3.20 Abs. 4 S. 1 GewStR; FG Schleswig-Holstein 21.2.01 II 279/00, EFG 01, 645; Sarrazin in Lenski/Steinberg, GewStG, § 3 Rz, 517). Nach § 111 Abs. 1 SGB V dürfen Krankenkassen Rehabilitationsmaßnahmen nur von Einrichtungen erbringen lassen, die die Voraussetzungen des § 111 Abs. 2 SGB V erfüllen. Gemäß § 111 Abs. 2 SGB V muss die Einrichtung wiederum die Anforderungen des § 107 Abs. 2 SGB V erfüllen. Nach § 107 Abs. 2 SGB V muss die Rehabilitationseinrichtung eine stationäre Behandlung gewährleisten und die Patienten unterbringen und verpflegen können.

     

    Ob der Kläger die Voraussetzungen der §§ 107, 111 SGB V nicht erfüllt, weil die Patienten in seiner Einrichtung im Sinne dieser Vorschriften nicht untergebracht werden können (insbesondere nicht übernachten können), kann dahinstehen. Denn für die Besteuerung ist auf den tatsächlichen Geschehensablauf abzustellen. Danach erbringt der Kläger teilstationäre Rehabilitationsleistungen - unabhängig von der Frage, ob der Kläger aus versicherungsrechtlicher Sicht die Voraussetzungen der §§ 107, 111 SGB V erfüllt und einen entsprechenden Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V abgeschlossen hat. Die versicherungsrechtlichen Vorschriften stellen insoweit kein geeignetes steuerrechtliches Differenzierungskriterium dar. Schon die unterschiedlichen Zweckbestimmungen der Normen des SGB V einerseits und der Steuerbefreiungsvorschrift andererseits verbieten es, die Gewährung der Steuerbefreiung zwingend von der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen der §§107, 111 SGB V abhängig zu machen. Vielmehr ist bei der Auslegung entscheidend der Zweck der Steuerbefreiung, die Sozialversicherungsträger von Kosten zu entlasten, zu berücksichtigen. Wie bereits oben ausgeführt, wird der Zweck der Steuerbefreiungsvorschrift im Streitfall erfüllt, so dass deren Anwendung nicht von der Erfüllung der §§ 107, 111 SGB V abhängen kann.

    Quelle: ID 39420370