· Nachricht · Lohnsteuerhaftung
Werbungskostenabzug für eigene Lohnsteuer der GmbH-Geschäftsführung
| Die zur Geschäftsführung einer GmbH befugte Person darf auch die sie selbst betreffende Lohnsteuer als Werbungskosten abziehen, wenn er dafür in Haftung genommen wird. Das Abzugsverbot gemäß § 12 Nr. 3 EStG steht dem nicht entgegen (BFH 8.3.22, VI R 19/20). |
Die Klägerin war Mitgesellschafterin und Mitgeschäftsführerin einer GmbH. 2014 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. 2016 wurde die Klägerin für nicht abgeführte Lohnsteuern einschließlich Nebenleistungen in Höhe von rund 20.0000 EUR in Haftung genommen. Tatsächlich beglich die ehemalige Geschäftsführerin den Großteil dieser Schulden privat. Vor Gericht ging es um die Frage, ob der Teil der nachentrichteten Lohnsteuer, der auf die Geschäftsführerin selbst entfiel, als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zu berücksichtigen ist.
FG und BFH haben den Abzug zugelassen. Zwar sind Steuern vom Einkommen nach § 12 Nr. 3 EStG eigentlich nicht abzugsfähig. Dies betrifft aber nur eigene Steuerschulden des Steuerpflichtigen. Hingegen handelt es sich bei der Lohnsteuer, welche nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber an das FA abzuführen hat, um eine fremde Schuld. Da Arbeitgeber die GmbH war, sei die Lohnsteuer, auch die eigene in ihrer Funktion als Geschäftsführerin, für die Klägerin eine „fremde Schuld“.
FAZIT | Unstreitig war bereits, dass ein Geschäftsführer die Lohnsteuer bei Zahlung der Haftungsschuld grundsätzlich als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abziehen darf, sofern die Lohnsteuer auf die ‒ anderen ‒ Arbeitnehmer entfällt (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2.7.2013, 4 K 1508/09). Voraussetzung ist aber ein objektiver Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und der beruflichen Tätigkeit (Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 19.2.2015, 16 K 198/13 F). Nunmehr gilt das auch für die ihn selbst betreffende Lohnsteuer, wenn er dafür in Haftung genommen wird (BFH 8.3.22, VI R 19/20). |
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In der Krise eines Unternehmens ist es keine gute Idee, die Lohnsteuer oder Sozialversicherungsabgaben nicht abzuführen, um erst einmal Lieferanten bei Laune zu halten; denn der Arbeitgeber haftet für die Steuer nach § 42d EStG. Auch die Geschäftsführer einer GmbH haften bei pflichtwidrigem Handeln persönlich, da sie die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft erfüllen müssen. In der Krise sollten sich Unternehmer und Geschäftsführer daher frühzeitig über ihre Pflichten in Bezug auf die Abführung von Steuern und Sozialabgaben informieren. Gegebenenfalls sollte das Gespräch mit dem Finanzamt und den Sozialversicherungsträgern gesucht werden. Für Geschäftsführer könnte ansonsten die Haftung nach § 69 AO greifen, der sie sich nur selten entziehen können. Nach mittlerweile ständiger BFH-Rechtsprechung können finanzielle Schwierigkeiten der Gesellschaft den für die Abführung von Lohnsteuer verantwortlichen Geschäftsführer nicht ohne Weiteres entlasten (vgl. z.B. BFH 20.4.1993, VII R 67/92). |
Der Geschäftsführer darf vielmehr, wenn infolge eines Liquiditätsengpasses die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung der vollen vereinbarten Löhne (einschließlich Lohnsteueranteil) nicht ausreichen, die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder Teilbetrag auszahlen, sodass er aus den dann übrig bleibenden Mitteln die entsprechende Lohnsteuer an das FA abführen kann. Soweit der Arbeitgeber (Geschäftsführer) den Fehlbetrag nicht durch Zurückbehaltung von anderen Bezügen des Arbeitnehmers aufbringen kann, hat der Arbeitgeber (Geschäftsführer) dies dem Betriebsstätten-FA anzuzeigen. Einzelheiten regelt § 38 Abs. 4 EStG.
Gesellschafter(-Geschäftsführer) sollten neben den steuerlichen und beitragsrechtlichen Pflichten dafür Sorge tragen, dass eventuelle Einlagen, Darlehen oder Bürgschaften „im Fall der Fälle“ als nachträgliche Anschaffungskosten auf ihre GmbH-Beteiligung gewertet werden und im Rahmen des § 17 EStG berücksichtigt werden. Zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von Gesellschafterdarlehen, Bürgschaftsregress- und vergleichbaren Forderungen hat das BMF (7.6.22, BStBl I 22, 897) Stellung genommen, das insoweit frühzeitig zur Hand genommen werden sollte.
Der guten Ordnung sei darauf hingewiesen, dass steuerliche Vorteile, also die Anerkennung von Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten, allerdings oftmals mit zivil- bzw. gesellschaftsrechtlichen Nachteilen verbunden sind. Beispiel: Steuerlich kann ein krisenbestimmtes Darlehen von Vorteil sein. Dies ist ein Darlehen, bei dem der Gesellschafter schon vor dem Eintritt der Krise mit bindender Wirkung gegenüber der Gesellschaft oder den Gesellschaftsgläubigern erklärt, dass er das Darlehen auch im Falle einer Krise stehen lassen werde. Ob dies aber tatsächlich gewollt ist, muss natürlich im Vorfeld sauber analysiert werden.
Ein letztes Wort zu den Inanspruchnahmen während der Krise einer GmbH: Oftmals ist zwar die materiell-rechtliche Anerkennung nachträglicher Anschaffungskosten, Werbungskosten oder Betriebsausgaben unstreitig. Letztlich scheitert die Anerkennung aber daran, dass die Kosten im falschen Veranlagungszeitraum geltend gemacht werden. Erst nach einem Streit mit dem Finanzamt und ggf. dem FG wird der „richtige“ Veranlagungszeitraum ermittelt, doch wenn der entsprechende Steuerbescheid bestandskräftig ist, geht etwa eine Bürgschaftsinanspruchnahme ins Leere. Das betrifft zum Beispiel die Fälle von langwierigen Vergleichsverhandlungen mit den Gläubigern, die sich über mehr als einen Veranlagungszeitraum hinziehen (siehe hierzu z.B. BFH 3.12.14, IX B 90/14, Beschluss). Von daher sollten alle möglicherweise betroffenen Steuerbescheide offen gehalten werden. Zugegebenermaßen ist das aber gerade wegen eventuell anderer streitiger Punkte vielfach nicht gewünscht. |