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  • · Nachricht · Praxiskauf

    Erwerb eines abschreibbaren Praxiswerts oder nur einer nicht abschreibbaren Zulassung?

    von StB Jürgen Derlath, Münster

    Allein die Verlegung eines Kassenarztsitzes in die Praxisräume einer Gemeinschaftspraxis stellt den Erwerb des Praxiswerts einer Einzelpraxis nicht in Frage; erst recht nicht, wenn weitere praxiswertbildende Faktoren übernommen und die Einzelpraxis zum Verkehrswert der gesamten Praxis erworben wurde. Auch ist der isolierte Erwerb eines Kassenarztsitzes ein Ausnahmefall. Die Feststellungslast hierfür trägt das FA (FG Düsseldorf 27.5.14, 11 K 2364/13 F)

     

    Sachverhalt

    Klägerin war eine Orthopädin, die zunächst eine Einzelpraxis erworben hatte, die sie kurze Zeit später in eine BAG einbrachte. Die Ärztin sollte die Praxis (samt Inventar, Patientenkartei und Eintritt in alle praxisbezogenen Dauerschuldverhältnisse) mit Wirkung zum 1.1.08 übernehmen und im eigenen Namen auf eigene Rechnung fortführen. Noch vor diesem Zeitpunkt gründete sie jedoch mit den Gesellschaftern einer Gemeinschaftspraxis eine (zunächst) überörtliche BAG. Im Dezember 2007 stellte sie dann den Antrag, den Sitz der Einzelpraxis an den 6,5 km entfernten Ort der Gemeinschaftspraxis zu verlegen. Zur Begründung gab die Ärztin an: Erst im Zusammenhang mit dem Praxisübernahmevertrag habe sie festgestellt, dass eine Fortführung der Einzelpraxis in den alten Räumen nur mit erheblichen finanziellen Zusatzaufwendungen möglich gewesen wäre. Aufgrund dieser Zusatzinvestitionen habe sie parallel zu möglichen Investitionen überlegt, den Standort der Praxis zu verlegen. Das FA ging davon aus, dass die Ärztin lediglich die Zulassung erlangen wollte und erkannte die Abschreibungen auf den Praxiswert nicht an. Die Klage hiergegen hatte Erfolg:

     

    Anmerkungen

    Bereits 2011 hatte der BFH (9.8.11, VIII R 13/08) entschieden, dass sich der Kaufpreis für eine Vertragsarztpraxis grundsätzlich nicht l- auch nicht teilweise - dem wirtschaftlichen Vorteil aus der Vertragsarztzulassung zuordnen lässt. In Sonderfällen jedoch könne die Zulassung zum Gegenstand eines gesonderten Veräußerungsvorgangs gemacht und damit zu einem selbstständigen Wirtschaftsgut konkretisiert werden. Dies sei der Fall, wenn ein Arzt an einen ausscheidenden Arzt eine Zahlung im Zusammenhang mit der Erlangung der Vertragsarztzulassung leiste, ohne jedoch dessen Praxis zu übernehmen, weil er den Vertragsarztsitz an einen anderen Ort verlegen wolle (vgl. FG Niedersachsen 28.9.04, 13 K 412/01, rkr. ).

     

    Nach Auffassung des FG lag ein solcher Sonderfall nicht vor. Denn die Kassenarztzulassung wurde gerade nicht unabhängig von den übrigen Bestandteilen des Praxiswerts verkauft. Mit dem Praxisübernahmevertrag wurde die Einzelpraxis vielmehr im Ganzen veräußert, da sich der Kaufpreis am Verkehrswert der Praxis orientierte. Die Kassenarztzulassung war daher nicht vom Praxiswert trennbar (BFH 9.8.11, VIII R 13/08, BStBl II 11, 875).

     

    Die Ärztin hatte sich auch nicht darauf beschränkt, lediglich die Kassenarztzulassung zu erwerben, um den Kassenarztsitz zu verlegen. Sie hat daneben auch andere wesentliche, im Praxiswert enthaltene Einzelbestandteile erworben und fortgeführt. Dies betrifft vor allem den Patientenstamm. In den neuen Praxisräumen konnten ca. 180 Kassenpatienten aus der alten Praxis weiterbehandelt werden. Zuvor hatte die Ärztin in der Einzelpraxis einige Zeit mitgearbeitet, um die Patienten kennen zu lernen. Dies wäre nicht notwendig gewesen, wenn sie nicht auch beabsichtigt hätte, den Patientenstamm an sich zu binden.

     

    Auch die bestehenden Arbeitsverhältnisse und die damit verbundene Arbeitsorganisation wurden im Wesentlichen fortgeführt. Die vier vollzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen der Einzelpraxis sowie die Auszubildende wurden in die neue Praxis übernommen. Lediglich eine geringfügig Beschäftigte wurde nicht weiter beschäftigt. Die spätere Auflösung übernommener Arbeitsverhältnisse ist aber nicht untypisch und rechtfertigt keine andere Würdigung.

     

    Ferner war die Ärztin in einige weitere Dauerverträge eingetreten (z.B. Softwareüberlassungs- und Pflegevertrag sowie Praxisinventarversicherung, Knochendichtemessung Gbr. etc.) und hat überdies das Inventar genutzt, soweit es noch brauchbar war.

     

    Praxishinweis

    Der Sonderfall eines reinen Zulassungskaufs liegt übrigens dem BFH in einer Entscheidung des FG Nürnberg (23.9.14, 1 K 1894/12, Rev. BFH VIII R 56/14; Christmann/Derlath, PFB 15, 155) vor. Im Kern ging es dem Erwerber (Jahrgang 1960) darum, im Nachbesetzungsverfahren zum Zuge zu kommen, um den Arztsitz dann verlegen zu können, was auch so geschah. Deshalb übernahm der Erwerber weder das Anlage- noch das Umlaufvermögen und trat auch nicht in die laufenden Verträge der Praxis (Praxismietvertrag, Arbeitsverträge, Versicherungsverträge, Lieferverträge und sonstige praxisbezogene Dauerschuldverhältnisse) ein. Anders als das FG Niedersachsen (28.9.04, 13 K 412/01, rkr.) hält das FG Nürnberg die Zahlung für die Zulassung für abschreibbar und zwar auf den Zeitraum zwischen Erwerb der Zulassung und altersbedingter Beendigung der ärztlichen Tätigkeit, was allerdings weitere Probleme aufwirft (vgl. Christmann/Derlath, PFB 15, 155).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Gewinnermittlung - Sind die Aufwendungen für eine Vertragsarzt-Zulassung ein abschreibbares Wirtschaftsgut? (Christmann/Derlath, PFB 15, 155)
    • Zulassung: Vertragsarztsitz ist steuerlich abziehbar - zum Kleinkrieg zwischen BFH und BMF (Sedlazcek, PFB 11, 179)
    • Praxisfinanzierungen: Immer Ärger mit der Abschreibung des immateriellen Praxiswerts (Michels/Ketteler-Eising, PFB 09, 314)
    • Betriebsprüfung: Wann Zahlungen für die Zulassung doch abgeschrieben werden können (Kanter, PFB 08, 167)
    • Niedersächsisches Finanzgericht: Keine Abschreibung der Vertragsarztzulassung (Kanter, PFB 05, 213)
    Quelle: ID 43444585