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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Rückwirkend geänderte Verwendungsabsicht ist für Vorsteuerabzug aus den AK/HK irrelevant

    von StB Christian Herold, Herten, www.herold-steuerrat.de

    | Die in einem späteren Besteuerungszeitraum erstmals gefasste und dokumentierte Absicht, weitere Flächen eines noch zu erstellenden gemischt genutzten Gebäudes unternehmerisch zu nutzen, betrifft nicht das im jeweiligen Zeitpunkt des Leistungsbezugs im Umfang der vormals getroffenen und dokumentierten Zuordnungsentscheidung entstandene Recht, Vorsteuer abzuziehen (BFH 10.2.21, XI B 24/20). |

    1. Worum geht es?

    Wer ein Gebäude errichtet, das zumindest teilweise unternehmerisch genutzt werden soll, hat üblicherweise ein Interesse daran, die Umsatzsteuer aus den Baukosten möglichst weitgehend als Vorsteuer abzuziehen. Dazu muss die Immobilie aber ganz oder zumindest teilweise zum Unternehmensvermögen gehören. Die Entscheidung, ob und inwieweit die Zuordnung zum Unternehmensvermögen erfolgen soll, kann durchaus schwierig sein. Das betrifft insbesondere Ein- oder Zweifamilienhäuser, die teilweise auch der gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit des Bauherrn dienen sollen und bei denen sich der Umfang der unternehmerischen Nutzung noch nicht ganz genau vorhersagen lässt. Aber: Die Zuordnungsentscheidung muss getroffen werden, mitunter sogar bereits während der Bauphase. Denn wer die Zuordnung versäumt, kann sie später nicht nachholen.

     

    • Beispiel

    Ein Architekt errichtet ein Gebäude, in dem sich später seine Privatwohnung und sein Architekturbüro befinden sollen. Nach den Flächen würde die Aufteilung planmäßig 60 (Wohnung) zu 40 (Büro) betragen. Tatsächlich nimmt der Architekt insoweit den Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten vor, das heißt, er zieht 40 Prozent ab. Allerdings zieht sich die Bauphase über zwei Jahre hin und es wird zudem deutlich, dass eigentlich von Anfang eine genau umgekehrte Aufteilung, also 40 zu 60, besser gewesen wäre. Doch das FA verweigert den um 20 Prozentpunkte erhöhten Vorsteuerabzug - und zwar zurecht.

     

    Die einmal gefasste und dokumentierte Absicht, bestimmte Flächen eines ‒ noch zu erstellenden ‒ gemischt genutzten Gebäudes unternehmerisch zu nutzen, kann später nicht rückwirkend geändert werden. Das heißt: Sollte sich später herausstellen, dass ein Gebäude ‒ möglicherweise irrtümlich ‒ nur zu 40 Prozent dem Unternehmensvermögen zugeordnet wurde und ist auch nur insoweit der Vorsteuerabzug aus den Errichtungskosten vorgenommen worden, so kann später nicht eingewandt werden, eigentlich hätten 60 Prozent zum Unternehmensvermögen gehört. Der Vorsteuerabzug bleibt anteilig verloren. Dies hat der BFH aktuell noch einmal bestätigt und sieht hierin auch keinen Fall, der von der jüngsten EuGH-Rechtsprechung oder von aktuellen BFH-Vorlagen zum EuGH betroffen wäre.

    2. Was sagt der BFH dazu?

    Ein dem Beispiel vergleichbarer Fall lag aktuell dem BFH (10.2.21, XI B 24/20) vor, der in seinem Beschluss Folgendes entschied: Bei Bezug eines einheitlichen Gegenstands, der gemischt, also für unternehmerische und private Zwecke, verwendet wird oder werden soll, steht dem Unternehmer ein Zuordnungswahlrecht zu. Er kann den Gegenstand (hier: das Grundstück bzw. das Gebäude) in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen, insgesamt seinem Unternehmen zuordnen, oder entsprechend dem unternehmerischen Nutzungsanteil seinem Unternehmen zuordnen. Aus dem Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer folgt, dass die Zuordnungsentscheidung schon bei Anschaffung oder Herstellung des Gegenstands zu treffen ist.

     

    Die ursprünglich gefasste Absicht über den Umfang der privaten und unternehmerischen Verwendung eines zu erstellenden Gebäudes stellt eine innere Tatsache dar, die nicht rückwirkend wegfällt, wenn sie später aufgegeben/geändert wird. Die in einem nachfolgenden Besteuerungszeitraum erstmals gefasste und dokumentierte Absicht, weitere Flächen eines noch zu erstellenden gemischt genutzten Gebäudes unternehmerisch zu nutzen, betrifft die ursprüngliche Zuordnungsentscheidung und das damit verbundene Recht zum Vorsteuerabzug folglich nicht. Das heißt: Die im jeweiligen Zeitpunkt des Leistungsbezugs getroffene und dokumentierte Zuordnungsentscheidung bleibt bestehen und kann im Nachhinein nicht geändert werden.

     

    Mit der Absichtsänderung ist auch keine Tatsache mit steuerlicher Rückwirkung i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO verbunden. Es sei durch die Rechtsprechung des BFH bereits geklärt, dass Absichtsänderungen nicht zurückwirken und deshalb nicht dazu führen, dass Steuerbeträge nachträglich als Vorsteuer abziehbar sind. Soweit die Ausführungen der Beschwerde dahingehend verstanden werden könnten, dass der Kläger eine Berichtigung der Vorsteuer gemäß § 15a UStG begehrt, ist darüber in den Streitjahren nicht zu entscheiden.

    3. Relevanz für die Praxis

    Der BFH hat die Nichtzulassungsbeschwerde abgelehnt und das Urteil der Vorinstanz mithin bestätigt. Diese hatte die Nachholung eines Vorsteuerabzugs ebenso wie das FA verweigert. Letztlich zeigt die Entscheidung des BFH, wie wichtig die Zuordnungsentscheidung bei Anschaffung oder Herstellung einer Immobilie ist. Unternehmer müssen gegenüber dem FA die Zuordnung klar zu erkennen geben, also zum einen durch den Vorsteuerabzug in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen und der Jahreserklärung, am besten aber auch durch eine gesonderte und eindeutige schriftliche Erklärung.

     

    Für die jeweils bezogenen Leistungen muss eine Zuordnung spätestens bis zum 31. Juli des Folgejahrs erfolgen. Früher galt eine Frist bis zum 31. Mai des jeweiligen Folgejahrs. Bislang ist die Finanzverwaltung recht hart, wenn es um die Frist 31. Juli oder ‒ in Altfällen ‒ 31. Mai ‒ geht.

     

    Ein EuGH-Urteil aus dem Jahre 2018, in dem es um einen Fall aus Polen ging (EuGH 25.7.18, C-140/17 ‒ Gmina RyjewoI), lässt Unternehmer, die die Frist versäumt haben, aber ein Stück weit hoffen. Das heißt, wer die genannte Frist versäumt hat und daher z. B. eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen zu 100 Prozent nicht mehr treffen konnte, sollte dies nun unter Berufung auf das EuGH-Urteil tun. Von Bedeutung ist folgende Passage des Urteils:

     

    „Auch wenn eine eindeutige und ausdrückliche Bekundung der Absicht, den Gegenstand bei seinem Erwerb einer wirtschaftlichen Verwendung zuzuordnen, ausreichend sein kann, um den Schluss zu ziehen, dass der Gegenstand von dem als solchem handelnden Steuerpflichtigen erworben wurde, schließt doch das Fehlen einer solchen Erklärung nicht aus, dass diese Absicht implizit zum Ausdruck kommen kann.“

     

    Zwar hat das FG Rheinland-Pfalz (27.11.2019, 3 K 2217/18 nrkr.) die Anwendung des EuGH-Urteils auf deutsche Privatunternehmer abgelehnt, weil das Urteil nur zur öffentlichen Hand ergangen sei. Doch zwischenzeitlich liegen zwei EuGH-Vorlagen des BFH vor (18.9.19, XI R 3/19 und XI R 7/19, Beschlüsse). Allerdings weist der BFH in der hiesigen Besprechungsentscheidung darauf hin, dass das genannte EuGH-Urteil sowie seine Vorlagebeschlüsse für den betroffen Fall irrelevant seien. Denn in den jeweiligen Verfahren ging es nicht um die Frage, zu welchem Prozentsatz Gebäudeteile dem Unternehmensvermögen zuzuordnen sind und ob die einmal getroffene und dokumentierte Verwendungsabsicht rückwirkend geändert werden kann. Vielmehr fehlten die eindeutigen Zuordnungserklärungen.

     

    PRAXISTIPPS | Mitunter besteht die Ansicht, mit der Bilanzierung eines Gebäudes oder eines Gebäudeteils sei dem umsatzsteuerlichen Zuordnungswahlrecht, also der Zuordnung zum Unternehmensvermögen, Genüge getan. Doch auch wenn ein gewisser Indizcharakter gegeben ist: Diese Auffassung wird von den FÄ nicht geteilt. Die Zuordnung zum Unternehmensvermögen muss unabhängig und gesondert von der bilanziellen bzw. ertragsteuerlichen Einordnung erfolgen.

     

    Üblicherweise erfolgt die Aufteilung der Vorsteuer bzw. die Zuordnung zum Unternehmensvermögen nach den jeweils genutzten Flächen („Flächenschlüssel“). Bestehen bei gemischt genutzten Gebäuden aber erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume, sind Vorsteuerbeträge nach dem objektbezogenen Umsatzschlüssel aufzuteilen (BFH 11.11.20, XI R 7/20). Der BFH hat klargestellt, dass nicht der Steuerpflichtige beweisen muss, dass der Umsatzschlüssel präziser ist als ein Flächenschlüssel ‒ vielmehr darf das FA den Flächenschlüssel nur anwenden, wenn er präziser ist.

     
    Quelle: ID 47380787

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