· Fachbeitrag · Vorsteuerabzug
Der Zusammenhang von Eingangsleistung und Ausgangsleistung am Beispiel der Zahnärzte
von StB Catrin Stockhausen, Korbach
| Unternehmer dürfen Vorsteuerbeträge abziehen, wenn sie Eingangsleistungen für ihr Unternehmen beziehen und selbst umsatzsteuerpflichtige Umsätze erbringen. Dieser Zusammenhang gilt sowohl für 1:1 zuordenbare Eingangsleistungen als auch für Eingangsleistungen, die indirekt mit der wirtschaftlichen Tätigkeit in Verbindung stehen. Gerade Zahnärzte, die häufig gemischte Umsätze erbringen, müssen diesen Zusammenhang beachten. |
1. Grundsatz
Ein Unternehmer ist nach § 15 Abs. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er beabsichtigt, Leistungen für sein Unternehmen i.S. des § 2 Abs. 1 UStG und damit für seine unternehmerischen Tätigkeiten zu verwenden, um damit entgeltliche Leistungen zu erbringen (vgl. BFH 27.1.11, V R 38/09, BStBl II 12, 68).
PRAXISHINWEIS | Der Vorsteuerabzug hängt vom geplanten Ausgangsumsatz im Zeitpunkt des Leistungsbezugs ab (BFH 22.3.01, V R 46/00, BStBl II 03, 433). Verwendet der Unternehmer die Eingangsleistung anders, ist der Vorsteuerabzug zu korrigieren (§ 15a UStG). Der Anspruch auf Vorsteuerabzug bleibt auch dann bestehen, wenn es später nicht zu den beabsichtigten Verwendungsumsätzen kommt (vgl. BFH 17.5.01, V R 38/00, BStBl II 03, 434). |
Bei der Prüfung des Vorsteuerabzugs sind die Ausschlusstatbestände i.S. von § 15 Abs. 1a, 1b und 2 UStG zu berücksichtigen (vgl. Abschnitte 15.6, 15.6a, 15.12 bis 15.14 UStAE).
Zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung muss ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang bestehen (vgl. BFH 11.4.13, V R 29/10, BStBl II 10, 840). Nur mittelbar verfolgte Zwecke sind unerheblich (vgl. BFH 13.1.11, V R 12/08, BStBl II 12, 61). Es ist wie folgt zu differenzieren (vgl. BFH 11.4.13, V R 29/10):
- Fallgruppe 1: Besteht ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zu Ausgangsumsätzen, die steuerpflichtig sind (bzw. von § 15 Abs. 3 UStG umfasst werden), kann der Unternehmer den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen (vgl. EuGH 3.3.05, C-32/03).
- Fallgruppe 2: Besteht ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zu Ausgangsumsätzen, die nicht der Umsatzsteuer unterliegen (oder ohne Anwendung von § 15 Abs. 3 UStG steuerfrei sind), darf der Unternehmer keine Vorsteuer ziehen. Dies gilt auch, wenn der Unternehmer eine Leistung z.B. für einen steuerfreien Ausgangsumsatz bezieht, um mittelbar seine zum Vorsteuerabzug berechtigende wirtschaftliche Gesamttätigkeit zu stärken, da der von ihm endgültig verfolgte Zweck unerheblich ist.
- Beabsichtigt der Unternehmer bereits bei Leistungsbezug, die bezogene Leistung nicht für seine unternehmerische Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für die Erbringung unentgeltlicher Wertabgaben i.S. des § 3 Abs. 1b oder 9a UStG zu verwenden, ist er nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (vgl. Abschnitt 15.15 UStAE und BFH 9.12.10, V R 17/10, BStBl II 12, 53).
- Fallgruppe 3: Besteht kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer Eingangsleistung und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, kann der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn die Kosten für die Eingangsleistung zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und - als solche - Bestandteile des Preises der von ihm erbrachten Leistungen sind. Sie hängen dann direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Unternehmens zusammen (vgl. EuGH 26.5.05, C-465/03).
Beabsichtigt der Unternehmer bei Bezug der Leistung, diese teilweise für unternehmerische und nichtunternehmerische Tätigkeit zu verwenden (teilunternehmerische Verwendung), ist er grundsätzlich nur im Umfang der beabsichtigten Verwendung für seine unternehmerische Tätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigt (vgl. BFH 3.3.11, V R 23/10, BStBl II 12, 74).
PRAXISHINWEIS | Die (richtige) Zuordnung einer Leistung zum Unternehmen ist Voraussetzung für den Vorsteuerabzug und somit äußerst praxisrelevant. Unter Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung (BMF 2.1.14, IV D 2 - S 7300/12/10002: 001) ein umfangreiches Schreiben veröffentlicht, in dem die Zuordnung insbesondere bei teilunternehmerisch genutzten Gebäuden thematisiert wird. Wichtige Aspekte unter Berücksichtigung der Besonderheiten für Heilberufe werden in Frey (PFB 15, 33) dargestellt. |
2. Fallgruppen
Die drei Fallgruppen sollen nun näher betrachtet werden.
2.1 Zusammenhang mit einzelnen steuerpflichtigen Umsätzen (Fallgruppe 1)
Es besteht ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zu einzelnen Ausgangsumsätzen, die steuerpflichtig sind bzw. von § 15 Abs. 3 UStG erfasst werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ganz bestimmte steuerpflichtige Leistungen mit einem konkreten Gerät erbracht werden.
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Ein Zahnarzt schafft ein CEREC-Gerät für 60.000 EUR an. Im Preis sind 9.580 EUR Umsatzsteuer enthalten. Mit dem Gerät fertigt er ausschließlich Keramik-Inlays an. Er verwendet es nicht für Diagnosezwecke.
Lösung: Es besteht ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangsleistung und steuerpflichtiger Ausgangsleistung. Der Zahnarzt kann die 9.580 EUR als Vorsteuer geltend machen. |
Auf die an sich steuerfreien Ausgangsumsätze, die aber wegen § 15 Abs. 3 UStG dennoch zum Vorsteuerabzug berechtigen, muss hier nicht weiter eingegangen werden, da sie Heilberufler so gut wie nicht betreffen dürften.
2.2 Zusammenhang mit einzelnen nichtsteuerpfl. Umsätzen (Fallgruppe 2)
Hier besteht ein direkter, unmittelbarer Zusammenhang zu einzelnen Ausgangsleistungen, die nicht der Umsatzsteuer unterliegen (oder ohne Anwendung von § 15 Abs. 3 UStG steuerfrei sind). In diese Gruppe fallen vor allem die nach § 4 Nr. 14 Buchst a UStG steuerbefreiten Heilbehandlungen. Beabsichtigt der Unternehmer aber bereits bei Leistungsbezug, die bezogene Leistung nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Wertabgabe i.S. von § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG zu verwenden, ist er auch dann nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn er mit dieser Entnahme mittelbar Ziele verfolgt, die ihn nach seiner wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigen würden.
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Eine Apothekerin ist soweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, als sie die Gegenstände (Praxiseinrichtung etc.) und Umbauleistungen (Deckendurchbruch, Treppe etc.) nicht für ihre Apotheke, sondern für ihre Mieterin, eine Arztpraxis, bezogen hat. Dass die Eingangsleistungen von der Apothekerin mit dem Ziel bezogen wurden, damit die Ärzte die Gemeinschaftspraxis nicht in andere Räumlichkeiten verlegen und die Patienten der Gemeinschaftspraxis weiterhin ihre Medikamente in der Apotheke der Klägerin erwerben, führt zu keiner anderen Beurteilung in der Sache. Für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug ist es unerheblich, dass die bezogenen Umbauleistungen und Einrichtungsgegenstände mittelbar der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit der Klägerin dienten.
Bei Bezug der Leistungen stand von vornherein fest, dass die Gegenstände und Dienstleistungen den Ärzten ohne jede Gegenleistung zugewendet werden, weil die Ärzte sich nicht dazu hätten verpflichten lassen, die Praxisverlegung zu unterlassen. Insoweit waren die Eingangsleistungen unmittelbar und direkt für unentgeltliche Umsätze der Klägerin bestimmt, die nicht der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin (§ 3 Abs. 1b bzw. Abs. 9a UStG), sondern unmittelbar und direkt der wirtschaftlichen Tätigkeit der Ärzte dienten, deren Heilbehandlungsleistungen nach § 4 Nr. 14a UStG von der Umsatzsteuer befreit sind. Die bezogenen Gegenstände (Werklieferungen, Einrichtungsgegenstände) können insoweit auch nicht dem Unternehmensvermögen der Klägerin zugerechnet werden (FG Düsseldorf 23.5.14, 1 K 1552/13 U, PFB-Nachricht vom 5.9.14). |
2.3 Kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang (Fallgruppe 3)
Fehlt ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Eingangsleistung und einer oder mehrerer Ausgangsleistungen, kann der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn die Kosten für die Eingangsleistungen zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und - als solche - in seine Preiskalkulation eingehen (vgl. Abschn. 15.2b Abs. 2, 15.21 und 15.22 UStAE und BFH 27.1.11, V R 38/09, BStBl II 12, 68).
3. Aufteilung
Bestimmt sich ein Vorsteuerabzug mangels eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs nach der Gesamttätigkeit, ist zunächst zu prüfen, ob der Leistungsbezug (mittelbar) einer bestimmten Gruppe von Ausgangsumsätzen wirtschaftlich zugeordnet werden kann (vgl. auch Abschn. 15.12 Abs. 3 UStAE). Ist auch das nicht möglich, ist die Vorsteuer nach der Gesamtschau des Unternehmens aufzuteilen. Dabei ist § 15 Abs. 4 UStG zu berücksichtigen.
Dies bedeutet, dass die Vorsteuern nach ihrer wirtschaftlichen Zuordnung aufzuteilen sind.
Vor der Aufteilung muss der Unternehmer zunächst die Vorsteuerbeträge den zum Vorsteuerabzug berechtigenden und den nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen unmittelbar und wirtschaftlich zuordnen sowie getrennte Aufzeichnungen führen (§ 22 Abs. 3 S. 2 und 3 UStG; Abschn. 22.4 UStAE). Jeder einzelne Leistungsbezug und jede Anzahlung ist zuzuordnen. Kommt der Unternehmer dieser Zuordnungsverpflichtung nicht nach, sind die den einzelnen Bereichen zuzuordnenden Leistungsbezüge und die darauf entfallenden Vorsteuerbeträge nach § 162 AO zu schätzen.
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(3) Ein Zahnarzt führt sowohl zum Vorsteuerabzug berechtigende (80 % Anteil am Gesamtumsatz) als auch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze (z.B. kosmetische Behandlungen; 20 % Anteil am Gesamtumsatz) aus. Um für sein Leistungsspektrum zu werben, lässt er eine Internet-Homepage erstellen, auf der er sowohl über die Heilbehandlungsleistungen als auch über seine kosmetischen Leistungen informiert.
Lösung: Die Eingangsleistung wird unternehmerisch bezogen, kann aber nicht direkt und unmittelbar bestimmten Ausgangsumsätzen zugeordnet werden. Soweit die Eingangsleistung auch zur Ausführung von steuerfreien Umsätzen verwendet wird, besteht nach § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Die abziehbaren Vorsteuerbeträge sind nach § 15 Abs. 4 UStG zu ermitteln. Die Aufteilung der Vorsteuern hat nach Kostenzurechnungsgesichtspunkten zu erfolgen. Da keine andere Form der wirtschaftlichen Zurechnung erkennbar ist, ist der Umsatzschlüssel als sachgerechte Schätzmethode anzuerkennen (§ 15 Abs. 4 S. 3 UStG)
(4) Der Zahnarzt nutzt das CEREC-Gerät aus Beispiel 1 (60.000 EUR brutto, darin 9.580 EUR Umsatzsteuer) für dreidimensionale Aufnahmen, die mit der in das Gerät eingebauten Mundvideokamera angefertigt werden und dem Zahnarzt eine Entscheidung über Art und Umfang der Behandlung ermöglichen - also für steuerfreie Diagnosezwecke.
Lösung: In diesem Fall muss die Vorsteuer in einen nicht abziehbaren und in einen abziehbaren Teil aufgeteilt werden. Als Maßstab könnten z.B. die Anteile an Diagnostik und Erstellung von Zahnersatz genommen werden, die den Patienten berechnet werden (BFH 28.11.96, V R 23/95, BStBl II 99, 251). |
Bei der Aufteilung von Vorsteuerbeträgen aus allgemeinen Aufwendungen des Unternehmens ist regelmäßig auf das Verhältnis der gesamten Umsätze im Besteuerungszeitraum abzustellen. Wird ein Aufteilungsschlüssel im Voranmeldungsverfahren vorläufig angewandt, z.B. auf der Grundlage der Umsätze des vorangegangenen Jahres, führt die Festsetzung des endgültigen, abweichenden Aufteilungsschlüssels zu einer Berichtigung der nach dem vorläufigen Aufteilungsschlüssel ermittelten Vorsteuerbeträge in der Jahresfestsetzung (vgl. BFH 24.4.13, XI R 25/10, BStBl II 14, 346).
Bei Gebäuden kommt regelmäßig eine Aufteilung nach den Nutzflächen in Betracht, insoweit die einzelnen Flächen jeweils ausschließlich für eine bestimmte Umsatzart verwendet werden (z.B. Zahnarztpraxis im Erdgeschoss, Labor im 1. Obergeschoss).
Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs § 15a UStG maßgebend (vgl. Abschnitt 15a.2 UStAE).
Weiterführender Hinweis
- Umsatzsteuer Zuordnung von gemischt genutzten Leistungen zum Unternehmensvermögen (Frey, PFB 15, 33)