· Fachbeitrag · Vertreterbetriebsstätte
Geschäftsführer einer ausländischen Kapitalgesellschaft als ständiger Vertreter im Inland?
von RA FAStR FAHuG Sigmund Perwein, Zertifizierter Berater für Internationales Steuerrecht (DAA), Reichert & Reichert, Singen/Hohentwiel
| Während der Berater eine Betriebsstätte - auch wegen des Erfordernisses einer festen Einrichtung - eher „auf dem Zettel“ hat, wird der ständige Vertreter vom Berater eher „übersehen“ und ist deshalb umso gefährlicher für die ausländische Kapitalgesellschaft. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass Finanzämter häufig die Auffassung vertreten, dass der gesetzliche Vertreter einer Kapitalgesellschaft zugleich deren ständiger Vertreter sein kann. Der vorliegende Beitrag analysiert die einschlägige Rechtsprechung und widmet sich auch der Frage nach der Abgrenzung zum Ort der Geschäftsleitung ( § 10 AO ). |
1. Eine kleine Rechtsprechungsschau
In der Literatur werden zum Thema „Organ einer ausländischen Kapitalgesellschaft als deren ständiger Vertreter ?“ - soweit ersichtlich - folgende neuere Entscheidungen von Finanzgerichten und dem BFH zitiert:
1.1 BFH 15.7.98, I B 134/97, BFH/NV 99, 372 (AdV-Verfahren)
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A und B mit Wohnsitz in Deutschland erwarben im Streitjahr 1995 alle Anteile an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in Portugal und wurden später auch deren Geschäftsführer. Als Geschäftsadresse der portugiesischen Kapitalgesellschaft wurde die Wohnung des A verwendet; dort befanden sich auch die Geschäftsunterlagen, ein Raum wurde als Büro genutzt. |
Das FA war der Auffassung, dass die portugiesische Kapitalgesellschaft in der Wohnung des A eine inländische Betriebsstätte unterhielt und deshalb im Inland beschränkt steuerpflichtig war. Das FG München teilte die Auffassung einer beschränkten Steuerpflicht der portugiesischen Kapitalgesellschaft, zweifelte aber am Vorliegen einer Betriebsstätte, sondern sah A und B als ständige Vertreter der portugiesischen Kapitalgesellschaft an (FG München 10.9.97, 7 V 3061/97, DStRE 98, 177). Nach Auffassung des BFH befand sich der Ort der Geschäftsleitung der portugiesischen Kapitalgesellschaft im Inland. Sie sei deshalb in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig.
1.2 BFH 16.12.98, I R 138/97, BStBl II 99, 437 (Klageverfahren)
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C war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft rumänischen Rechts, deren Sitz sich in seinen privaten Wohnräumen in Rumänien befand. Er schloss für die rumänische Kapitalgesellschaft im Streitjahr 1992 |
vor Ort in Deutschland Werkverträge über Bauleistungen ab. Die Werkleistungen in Deutschland erbrachte die Kapitalgesellschaft mit eigenen, aus Rumänien mitgebrachten Arbeitnehmern, wobei C die Bauüberwachung inne hatte und selbst mitarbeitete. Die Bauvorhaben dauerten jeweils weniger als 12 Monate. Im Inland hatte die Kapitalgesellschaft keine eigenen Geschäftsräume. Für Vertragspartner und Behörden war sie über die Adresse von D ständig erreichbar. D fungierte aber nur als Übersetzerin und Ansprechpartnerin, da C kein Deutsch konnte. Als Ort der Geschäftsleitung sowie als Anschrift ihres Geschäftsführers in Deutschland gab die rumänische Kapitalgesellschaft gegenüber dem FA die Adresse von D an. In Rumänien war die Kapitalgesellschaft nicht aktiv tätig. |
Das FA war der Auffassung, das C ständiger Vertreter der rumänischen Kapitalgesellschaft und diese deshalb im Inland nur beschränkt steuerpflichtig war. Die Vorinstanz verneinte die beschränkte Steuerpflicht, da C als Geschäftsführer der rumänischen Kapitalgesellschaft nicht zugleich deren ständiger Vertreter sein könne (FG Rheinland-Pfalz 17.9.97, 4 K 2438/95, EFG 98, 576). Der BFH war der Auffassung, dass sich der Ort der Geschäftsleitung der rumänischen Kapitalgesellschaft im Inland befand und diese deshalb in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war. Die Frage, ob C als Organ einer ausländischen Kapitalgesellschaft deren ständiger Vertreter sein konnte, war nach ausdrücklicher Feststellung des BFH im Urteil nicht entscheidungserheblich.
1.3 BFH 17.12.98, I B 101/98, BFH/NV 99, 753 (AdV-Verfahren)
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Eine ungarische Kapitalgesellschaft mit Sitz in Ungarn war im Streitjahr 1995 in Deutschland mit Bauausführungen tätig, deren Dauer aber jedenfalls nicht über 12 Monate hinausgingen. Ferner unterhielt sie im Inland Räume mit Telefonanschluss und nutzte deren Anschrift als Geschäftsanschrift. Der Geschäftsführer E hielt sich im Inland max. drei Wochen im Jahr zur Aushandlung und zum Abschluss von Verträgen auf, war für die Vertragspartner aber auch regelmäßig der Ansprechpartner auf den Baustellen und u.a. über das Telefon in den inländischen Geschäftsräumen erreichbar. |
Das FA war der Auffassung, dass die im Inland angemieteten Räumlichkeiten der ungarischen Kapitalgesellschaft eine Betriebsstätte darstellten und diese deshalb im Inland beschränkt steuerpflichtig war. Die Vorinstanz teilte die Auffassung einer beschränkten Steuerpflicht der ungarischen Kapitalgesellschaft, zweifelte aber am Vorliegen einer Betriebsstätte, sondern sah den Geschäftsführer E als ständigen Vertreter der ungarischen Kapitalgesellschaft an (FG München 25.8.98, 7 V 1/98, DStRE 98, 800). Die Auffassung, dass das Organ einer Kapitalgesellschaft nicht gleichzeitig deren ständiger Vertreter sein könnte, bezeichnete das FG München wörtlich als „abwegig“. Der BFH war der Auffassung, dass die angemieteten Räume eine inländische Betriebsstätte (in der Form einer Geschäftsstelle) darstellten.
1.4 FG Düsseldorf 16.1.02, 15 K 8624/99 K (rkr.), EFG 03, 1125 (Klageverfahren)
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Eine polnische Kapitalgesellschaft mit Sitz in Polen war in den Streitjahren 1997 bis 1999 in Deutschland mit Bauausführungen tätig, deren Dauer aber nicht über zwölf Monate hinausgingen. Im Inland unterhielt sie bei einem Bekannten des in Polen ansässigen Geschäftsführers F eine Zustellanschrift, welche von der Arbeitsverwaltung verlangt worden war. F hielt sich allenfalls jeweils drei bis vier Tage, jährlich aber insgesamt nicht mehr als ein paar Wochen in Deutschland auf, um Verträge zu verhandeln bzw. zu schließen, mit Geschäftspartnern zu sprechen, auf den Baustellen nach dem Rechten zu sehen und die Abläufe mit den für die jeweilige Baustelle weisungsbefugten Vorarbeitern zu besprechen. Insgesamt wurden in sieben Jahren 13 Geschäftsabschlüsse getätigt. Die überwiegende Geschäftstätigkeit der Kapitalgesellschaft lag in Polen. |
Das FA sah den Geschäftsführer F der polnischen Kapitalgesellschaft als deren ständigen Vertreter an und behandelte diese deshalb im Inland als beschränkt steuerpflichtig. Das FG war der Auffassung, dass das Organ einer Kapitalgesellschaft nicht gleichzeitig deren ständiger Vertreter sein kann und entschied, dass die polnische Kapitalgesellschaft im Inland weder unbeschränkt noch beschränkt steuerpflichtig war. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ließ das FG Düsseldorf die Revision zu; soweit ersichtlich hat das FA aber keine Revision eingelegt, sodass das Urteil des FG Düsseldorf rechtskräftig wurde.
1.5 FG Niedersachsen 28.5.03, 11 K 335/99 (rkr.), EFG 03, 1626 (Klageverfahren)
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Eine griechische Kapitalgesellschaft mit Sitz in Griechenland mit dem Gesellschaftszweck Reparatur, Instandsetzung und Reinigung von Schiffen war in Deutschland und in Griechenland tätig. Ihr Geschäftsführer G, der in Deutschland nach seinen Angaben keine Wohnung hatte, hielt sich im Jahr 1991 zwei Monate in Deutschland auf, im Streitjahr 1992 zunächst 2,5 Monate, dann 1,5 Monate und schließlich nochmals ca. zwei Monate, jeweils zur Ausführung von Aufträgen. Auf Rechnungen der griechischen Kapitalgesellschaft stand G mit einer inländischen Adresse (wohl der seines Bruders). |
Das FA sah G als ständigen Vertreter der griechischen Kapitalgesellschaft an. Das FG Niedersachsen folgte dem. Die NZB wurde vom BFH als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückgewiesen, wobei die „Behandlung“ als ständiger Vertreter - soweit ersichtlich - nicht (mehr) angegriffen worden war.
1.6 BFH 3.8.05, I R 87/04, BStBl II 06, 220 (Klageverfahren)
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Eine portugiesische Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Portugal erbrachte 1994 bis 1998 im Inland Bauausführungen, von denen nur eine länger |
als sechs Monate andauerte. Die portugiesische Kapitalgesellschaft hatte im Streitjahr 1998 drei Geschäftsführer, von denen einer, H, 1995 achtmal, 1996 zehnmal, 1997 13-mal und 1998 14-mal für jeweils zwei bis fünf Tage nach Deutschland reiste und sich dort im Streitjahr insgesamt 43 Tage zum Abschluss von Verträgen, zur Akquise, Kundenpflege sowie der Kontrolle der Baustellen aufhielt. |
Das FA sah H als ständigen Vertreter der portugiesischen Kapitalgesellschaft an. Die Vorinstanz (FG Münster 24.5.04, 9 K 5177/99 K, EFG 04, 1498) folgte dem insoweit, als es der Auffassung war, dass H grundsätzlich ständiger Vertreter der portugiesischen Kapitalgesellschaft sein könne. Im konkreten Fall sah das FG aber ebenso wie der vom FA aufgrund zugelassener Revision angerufene BFH einen Aufenthalt von 43 Tagen im Jahr als nicht ausreichend an, um die Betriebsstättenfiktion des Art. 5 Abs. 5 DBA-Portugal (Vertreterbetriebsstätte) auszulösen (der BFH definierte hier ausdrücklich eine „Grenze“ von bis zu 60 Tagen, also zwei Monaten, während das FG der Auffassung war, dass mehr als sechs Monate erforderlich seien). Aus Sicht des BFH bot der Streitfall deshalb „keine Veranlassung, (die) Frage (ob ein Geschäftsführer zugleich ständiger Vertreter sein kann), (…) abschließend zu erörtern“.
1.7 FG Sachsen 26.2.09, 8 K 428/06 (rkr., Klageverfahren)
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Eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Ausland (vermutlich eine rumänische S.R.L.) war im Streitjahr 1998 zu etwa 80 % in Deutschland tätig und erstellte als Subunternehmerin Rohbauten. Die Gesellschaft hatte zwei Geschäftsführer, I und J, sowie die Prokuristin K. K hielt sich im Streitjahr deutlich mehr als 200 Tage im Inland auf und handelte die Werkverträge in ihren Einzelheiten aus, unterzeichnete diese und erstellte die Rechnungen der Gesellschaft für das Inland und Ausland. |
Das FA sah (wohl) die Geschäftsführerin J als ständige Vertreterin an. Das FG Sachsen bejahte ebenfalls das Vorliegen eines ständigen Vertreters, allerdings in der Person der Prokuristin K (wobei im Urteil unklar bleibt, ob J und K dieselbe Person sind. Die Prokura wurde wohl für eine später im Inland ins Handelsregister eingetragene Zweigstelle erteilt. Für das Ergebnis kam es darauf aber nicht an, weil das FG Sachsen ohnehin der Meinung war, dass ein Mitglied der - auch erweiterten Geschäftsführung - einer Kapitalgesellschaft deren ständiger Vertreter sein könne). Die NZB der Kapitalgesellschaft wies der BFH als unzulässig zurück (BFH 16.8.10, I B 132/09, BFH/NV 10, 2108).
Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über den Gang der Verfahren.
Dabei ist augenfällig, dass der BFH - soweit die NZB oder Revision „erfolgreich“ war - es bis heute vermieden hat, über die Frage zu entscheiden, ob das Organ einer Kapitalgesellschaft zugleich deren ständiger Vertreter sein kann. Er hat stattdessen entweder die beschränkte Steuerpflicht auf das Vorliegen einer Betriebsstätte gestützt oder darüber hinausgehend sogar das Vorliegen von unbeschränkter Steuerpflicht festgestellt (Ort der Geschäftsleitung in Deutschland). Blieb der Rechtsstreit dagegen auf der Ebene des jeweiligen FG „hängen“, dann hing die Entscheidung von der Auffassung des jeweiligen FG ab. Der Auffassung, dass das Organ einer Kapitalgesellschaft zugleich deren ständiger Vertreter sein kann, sind die FG München, Niedersachsen, Münster und Sachsen (hier obiter dictum), anderer Auffassung sind dagegen die FG Rheinland-Pfalz und Düsseldorf.
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Vorstehende Entscheidung Nr. | Auffassung FA | Auffassung Vorinstanz | Entscheidung BFH |
1. | Betriebsstätte | GF als ständiger Vertreter(FG München) | Ort der Geschäftsleitung |
2 | GF = ständiger Vertreter | GF ist kein ständiger Vertreter (FG Rheinland-Pfalz) | Ort der Geschäftsleitung; die Frage, ob GF ständiger Vertreter sein kann, war deshalb nicht entscheidungserheblich |
3. | Betriebsstätte | GF als ständiger Vertreter (FG München) | Betriebsstätte |
4. | GF = ständiger Vertreter | GF ist kein ständiger Vertreter (FG Düsseldorf) | FA hat keine Revision eingelegt |
5. | GF = ständiger Vertreter | GF als ständiger Vertreter (FG Niedersachsen) | NZB teilweise unzulässig, teilweise unbegründet |
6. | GF = ständiger Vertreter | GF kann ständiger Vertreter sein, im konkreten Fall fehlte es aber an der Nachhaltigkeit (mehr als sechs Monate) (FG Münster) | Lässt offen, ob GF ständiger Vertreter sein kann, denn es fehle jedenfalls an der Nachhaltigkeit (mehr als 60 Tage) |
7. | Prokurist = ständiger Vertreter | Prokurist als ständiger Vertreter (FG Sachsen) | NZB unzulässig |
2. Definition des ständigen Vertreters
Ständiger Vertreter ist nach § 13 AO eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Für ein Einzelunternehmen hat der BFH schon früh festgestellt, dass dessen Inhaber nicht zugleich sein eigener ständiger Vertreter sein kann (BFH 18.12.90, X R 82/89, BStBl II 91, 395). Wörtlich heißt es im Urteil: „Jedenfalls setzt der Begriff der Vertretung voraus, dass der Vertretene (offensichtlich ein Redaktionsversehen: es muss „Vertreter“ heißen) anstelle des Unternehmers Handlungen vornimmt“. Das Wort anstelle ist m.E. auch ein deutlicher Fingerzeig darauf, dass das Organ einer Kapitalgesellschaft nicht zugleich deren ständiger Vertreter sein kann, denn das Organ einer Kapitalgesellschaft (z.B. der Geschäftsführer einer GmbH) handelt gerade nicht anstelle der GmbH, sondern für die GmbH, weil diese nicht selbst handeln kann.
Ansonsten kommt grundsätzlich jede Person (z.B. ein Bankier, der die gesamten Finanzgeschäfte des Unternehmens erledigt oder ein Produktionsleiter, der die an Subunternehmer vergebenen Arbeiten einteilt und deren Ausführung überwacht, vgl. Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, Rz. 9 zu § 13) als ständiger Vertreter in Betracht, die den Sachweisungen des Unternehmens unterliegt. Das sind zunächst Arbeitnehmer (z.B. ein Prokurist, wie der Fall des FG Sachsen zeigt) des Unternehmens, in Betracht kommen aber auch Personen, die nicht Arbeitnehmer des Unternehmens sind.
Auch im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Sachweisungsunterworfenheit zeigen sich m.E. Zweifel daran, ob z.B. der Geschäftsführer einer GmbH zugleich deren ständiger Vertreter sein kann. Zwar können Geschäftsführer einer GmbH grundsätzlich von den Gesellschaftern „ihrer“ GmbH Weisungen erhalten (§ 37 Abs. 1 GmbHG), doch ist dies im häufigen Fall des Alleingesellschafter-Geschäftsführers oder Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführers praktisch gerade ausgeschlossen, weil dieser sich (als Gesellschafter) nicht selbst (als Geschäftsführer) Weisungen erteilen wird. Es könnten insoweit allenfalls Geschäftsführer, die Fremdgeschäftsführer oder Minderheitsgesellschafter sind, als ständiger Vertreter in Betracht kommen.
Der Vertreter muss schließlich, um ein ständiger Vertreter zu sein, die Geschäfte des Unternehmens nachhaltig besorgen. Nachhaltige Geschäftsbesorgung (bzw. auf DBA-Ebene: gewöhnliche Nutzung einer Abschlussvollmacht) setzt eine nicht nur gelegentliche Tätigkeit im Inland voraus. D.h., es muss
- eine Tätigkeit von gewisser Dauer (BFH 18.12.90, X R 82/89, BStBl II 91, 395) bzw.
- durch eine gewisse Regelmäßigkeit sich äußernde Planmäßigkeit des Handelns (FG München 10.9.97, 7 V 3061/97, DStRE 98, 177) vorliegen.
PRAXISHINWEIS | Aus den vorgenannten Entscheidungen tut sich hierzu ein Bereich von mehr als 60 Tagen (BFH 3.8.05, I R 87/04, BStBl II 06, 220) bis mehr als sechs Monate auf (FG Münster 24.5.04, 9 K 5177/99 K, EFG 04, 1498; ebenso die BFH-Richter Gosch, in: Kirchhof, EStG, 13. Aufl. 2014; Rz. 14, dort FN 7, zu § 49 und Kempermann, FR 06, 191). |
Auf DBA-Ebene erfährt der Begriff des ständigen Vertreters sodann in zweierlei Hinsicht gegenüber der nationalen Vorschrift (§ 13 AO) eine Eingrenzung. Zum einen muss der ständige Vertreter hier eine sog. Abschlussvollmacht haben und diese gewöhnlich (das DBA-Pendant zum Merkmal „nachhaltig“ in § 13 AO) im Inland ausüben; zum anderen sind Nicht-Arbeitnehmer des Unternehmens, d.h. sog. unabhängige Vertreter, hier grundsätzlich vom Begriff des ständigen Vertreters ausgenommen. Man kann trefflich streiten, ob die Abschlussvollmacht nur eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht sein kann oder auch die gesetzliche Vertretungsbefugnis des Organs einer Kapitalgesellschaft erfasst, zumal die Abschlussvollmacht nicht formal-juristisch, sondern wirtschaftlich verstanden wird (vgl. Haase, AStG/DBA, 2. Auflage 12, Art. 5 MA Rn. 152). Jedenfalls fällt auch hier der Alleingesellschafter- oder auch Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer aus dem Kreis der ständigen Vertreter heraus, denn dieser ist insoweit gerade nicht abhängig, als er keine Sachweisungen erteilt bekommen kann.
3. Abgrenzung zum Ort der Geschäftsleitung
Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung und damit der Ort der Geschäftsleitung ist dort, wo das zuständige Organ einer Kapitalgesellschaft mit gewisser Regelmäßigkeit die Entscheidungen des Tagesgeschäfts von einigem Gewicht trifft (vgl. ausführlich Perwein, GmbHR 09, 418, 419). Der Ort der Geschäftsleitung ist also der Ort der tatsächlichen Geschäftsführung i.S.d. Art. 4 Abs. 3 OECD-MA.
Wenn der Geschäftsführer einer GmbH zugleich auch als deren ständiger Vertreter in Betracht kommen soll, wie lässt sich dann der Geschäftsführer (als Geschäftsführer) vom Geschäftsführer (als ständiger Vertreter) abgrenzen? Das ist beileibe keine akademische Diskussion, vielmehr entscheidet sich danach auch die Frage, ob eine GmbH im Inland beschränkt steuerpflichtig ist (wenn ständiger Vertreter) oder unbeschränkt steuerpflichtig ist (wenn Wechsel des Orts der Geschäftsleitung) zwangsläufig anhand einer Person. Und kann das wirklich sein? Nimmt man das „zugleich“ ernst, dann käme jedenfalls theoretisch die Situation in Betracht, dass eine GmbH durch die Person ihres Geschäftsführers zugleich beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtig sein könnte (der Geschäftsführer, der als ständiger Vertreter angesehen wird, wird dadurch ja nicht zum Nicht-Geschäftsführer).
Der letzte Gedanke führt zurück zu dem oben im 2. Abschnitt bereits dargestellten Merkmal der nachhaltigen Tätigkeit (bzw. gewöhnlichen Nutzung der Abschlussvollmacht). Forderte man (entgegen dem BFH) insoweit für das Vorliegen eines ständigen Vertreters ein Tätigsein von mehr als sechs Monaten, muss man den Geschäftsführer einer GmbH als vom Kreis möglicher ständiger Vertreter ausgeschlossen ansehen, da in der Person des Geschäftsführers - dogmatisch betrachtet - nicht zugleich beschränkte und unbeschränkte Steuerpflicht eintreten kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Tätigkeit, die (zugleich) zur Geschäftsbesorgung durch einen ständigen Vertreter qualifiziert, so umfassend ist, dass damit auch das sog. Tagesgeschäft des Geschäftsführers abgedeckt ist.
Zugegebenermaßen ist es aber denkbar, dass die Tätigkeit, welche zur Geschäftsbesorgung durch einen ständigen Vertreter qualifiziert, in nur wenigen oder gar nur einer sich wiederholenden Tätigkeit oder Handlung besteht (z.B. nur Vertragsverhandlungen und Vertragsabschlüsse im Inland). In einem solchen Fall kann das Organ der Kapitalgesellschaft ständiger Vertreter sein, ohne dass der Ort der Geschäftsleitung hierdurch zugleich ins Inland wechselt. Dies gilt insbesondere dann, wenn man für das Vorliegen eines ständigen Vertreters eine geringere als sechsmonatige Tätigkeit im Inland als ausreichend ansieht (so wie in BFH 3.8.05, I R 87/04, BStBl II 06, 220).
4. Gestaltungsüberlegungen
- Die „einfachste“ Methode zur Vermeidung inländischer Besteuerung durch Zurechnung von Einkünften über einen ständigen Vertreter besteht darin, die 60-Tage-Grenze des BFH nicht zu überschreiten, d.h. keinen Aufenthalt im Inland von mehr als 60 Tagen pro Jahr.
- Sollte diese Grenze perspektivisch überschritten werden, so ist an den Einsatz von z.B. selbstständigen Handelsvertretern (im Fall des Vertriebs) oder selbstständigen Architekten (im Fall von Bauüberwachungen) statt von Arbeitnehmern der Kapitalgesellschaft zu denken. Gemäß Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (und vielen insoweit identischen Länder-DBAs) führt der Einsatz von unabhängigen Vertretern grundsätzlich nicht zur Annahme des Vorliegens eines ständigen Vertreters, sodass das Besteuerungsrecht nach DBA (mag auch § 13 AO erfüllt sein), beim Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft verbleibt.
PRAXISHINWEIS | Zur „Wahrheit“ gehört allerdings auch, dass die Vermeidung der beschränkten Steuerpflicht infolge des Einsatzes unabhängiger Vertreter dann möglicherweise dadurch „erkauft“ werden muss, dass dem Handelsvertreter etc. bei Beendigung seiner Tätigkeit für das Unternehmen eine Abfindung gezahlt werden muss (§ 89b HGB). Es zeigt sich hier deutlich, dass die Vermeidung einer inländischen Besteuerung kein isoliert zu betrachtendes Ziel darstellen darf, sondern mit Zusatzkosten, welche die „Vermeidung“ mit sich bringt, verglichen werden muss.
- Kann die 60-Tage-Grenze nicht eingehalten werden und kommt - warum auch immer - nur der Einsatz eigenen Personals der Kapitalgesellschaft in Betracht, so kann es gerade sinnvoll sein, dass der Geschäftsführer der ausländischen Gesellschaft die Geschäftsbesorgungen im Inland verrichtet. Denn mangels bislang erfolgter Entscheidung durch den BFH besteht noch immer die Möglichkeit, dass der BFH seine Entscheidung aus dem Jahre 1990 im Sinne einer rechtsformübergreifenden Logik auch auf die Organe von Kapitalgesellschaften anwendet (BFH 18.12.90, X R 82/89, BStBl II 91, 395: Einzelunternehmer kann nicht sein eigener ständiger Vertreter sein). Dabei ist aber darauf zu achten, dass der Geschäftsführer nicht mehr als sechs Monate im Inland tätig ist (es sei denn, die ausländische Kapitalgesellschaft hat mehrere Geschäftsführer und die „anderen“ sind nur im Ausland tätig - s. BFH 3.8.05, I R 87/04, BStBl II 06, 220), da ansonsten die Gefahr besteht, dass der Ort der Geschäftsleitung ins Inland verlegt wird, mit der Folge dass die ausländische Kapitalgesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig wird.
- Am sichersten - um dies klar zu sagen - ist steuerlich aber in jedem Fall, dass kumulativ
- a) die 60-Tage-Grenze eingehalten wird und
- b) der Vertreter kein Arbeitnehmer des Unternehmens ist.
FAZIT | Es spricht zwar vieles dafür, dass das Organ einer Kapitalgesellschaft nicht zugleich deren ständiger Vertreter sein kann. Angesichts der Tatsache, dass die Mehrheit (jedenfalls bezogen auf die bekannt gewordenen Entscheidungen) der Finanzgerichte dies aber anders sieht, ist die damit verbundene Gefahr, dass die ausländische Kapitalgesellschaft als im Inland beschränkt steuerpflichtig behandelt wird, nicht von der Hand zu weisen. Wie dem Fortgang der dargestellten Verfahren beim BFH zu entnehmen ist, scheint es zudem so zu sein, dass eine NZB bzw. eine Revision aus Sicht der ausländischen Kapitalgesellschaft die Besteuerungsgefahr sogar noch steigert, sodass es bei in der Vergangenheit bereits verwirklichten Sachverhalten im Einzelfall das geringere Übel sein könnte ggf. mit dem ständigen Vertreter zu leben, statt sich sogar noch die Feststellung unbeschränkter Steuerpflicht einzufangen. Gestalterisch wird man, wo praktisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll, sich in jedem Fall an der 60-Tage-Grenze orientieren und/oder andere Unternehmer, statt eigener Arbeitnehmer, einsetzen. |