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  • · Fachbeitrag · Spendenabzug

    Erneuter Rechtsstreit um Spenden ins Ausland: FG Köln stellt sich gegen die Finanzverwaltung

    von RAin Gabriele Ritter, FAin für Steuer- und Sozialrecht, Ritter&Partner mbB, Rechtsanwälte und Steuerberater, Wittlich

    | Ein Spendenabzug für Spenden ins Ausland ist mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Der Spender muss nachweisen, dass die ausländische Körperschaft, obwohl in ihrem Land als gemeinnützig anerkannt, nach ihrer Satzung und Geschäftsführung die Voraussetzungen des deutschen Gemeinnützigkeitsrechts erfüllt. Hinzu kommen weitere Anforderungen wie etwa, dass die Tätigkeit des Empfängers auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beitragen kann. Das FG Köln äußert in einer aktuellen Entscheidung hiergegen verfassungs- und europarechtliche Bedenken. |

    1. Sachverhalt

    In seinem Urteil vom 20.1.16 (9 K 3177/14, Abruf-Nr. 185505) hatte das FG Köln darüber zu befinden, ob Zahlungen von 15.000 EUR an eine durch Gesetzesdekret errichtete griechisch-katholische Pfarrgemeinschaft in Rumänien als Spende steuerlich anzuerkennen. Die Pfarrgemeinde ist laut Satzung eine juristische Person, die humanitäre, geistliche, religiöse, erzieherische, wohltätige und kulturelle Zwecke verfolgt. Die Zuwendung der Klägerin diente der Fertigstellung einer Kirche, die sich zum Zeitpunkt des Spendenflusses noch in der Bauphase befand und ohne die Zuwendung der Klägerin im Jahre 2010 nicht hätte fertiggestellt werden können. Der Name der Klägerin wurde im Fuß des Altars eingraviert. Im Veranlagungsverfahren wurden diverse Bescheinigungen in nicht amtlicher Übersetzung vorgelegt.

     

    Beachten Sie | Das Finanzamt ließ die Spende nicht zum Abzug zu, da es an der Voraussetzung des strukturellen Inlandsbezugs fehle. Unstreitig war zwischen den Beteiligten, die formellen Voraussetzungen des Spendenabzugs.

     

    • Die Zuwendungsempfängerin ist in einem Mitgliedstaat der EU belegen;

     

    • sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die nach inländischen Maßstäben als steuerbegünstigt steuerbefreit wäre, weil sie kirchliche Zwecke verfolgt.

     

    • Ferner hat die Klägerin für beide Streitjahre Bescheinigungen vorgelegt, die in hinreichender Weise die satzungsgemäße Verwendung der Spenden dokumentieren.

     

     

    Keine Einigung bestand hingegen, ob die Tätigkeit des Zuwendungsempfängers neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beitragen kann (Inlandsbezug).

     

    Das FG Köln gab der hiergegen gerichteten Klage statt, ließ aber wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BFH zu (dort anhängig unter dem Aktenzeichen X R 5/16).

     

    • Gesetzliche Grundlagen

    Nach § 10b Abs. 1 EStG können Zuwendungen zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke im Sinne der §§ 52 bis 54 AO insgesamt bis zu 20 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte als Sonderausgaben abgezogen werden. Voraussetzung für den Abzug ist, dass diese Zuwendungen an eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat belegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) Anwendung findet, und die nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Nr. 2 zweiter Halbsatz KStG steuerbefreit wäre, wenn sie inländische Einkünfte erzielen würde, geleistet werden.

     

    Für nicht im Inland ansässige Zuwendungsempfänger ist weitere Voraussetzung, dass durch diese Staaten Amtshilfe und Unterstützung bei der Beitreibung geleistet werden. Werden die steuerbegünstigten Zwecke des Zuwendungsempfängers nur im Ausland verwirklicht, ist für den Sonderausgabenabzug (weiter) Voraussetzung, dass natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, gefördert werden oder dass die Tätigkeit dieses Zuwendungsempfängers neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beitragen kann (§ 10b Abs. 1 S. 6 EStG).

     

    2. Entscheidungsgründe

    Das Gericht weist einleitend darauf hin, dass sich weder im Gesetz selbst noch in der Gesetzesbegründung eine Definition dessen findet, was zu einer Ansehenssteigerung der Bundesrepublik Deutschland führen kann und wann dies der Fall sein soll.

     

    2.1 Darlegung der in der Literatur geäußerten Bedenken

    Dieses Tatbestandsmerkmal, das sich wortgleich in § 51 Abs. 2 AO findet, wird - so das FG - in der Literatur wegen fehlender Normenklarheit (Leisner-Egensperger in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 51 Rz. 48), wegen erheblicher Auslegungsunschärfen als für die praktische Rechtsanwendung völlig ungeeignet (Kirchhof in: Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 10b Rn. 20; Geserich in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10b Anm. B 82d; ders., DStR 09, 1173, 1177), wegen vager Formulierung (Gersch in: Klein, AO, 12. Aufl., § 51 Rn. 9), wegen eines fehlenden vollzugsfähigen Inhalts (Kulosa: in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10b EStG Anm. 56) sowie als inhaltsleer und für die praktische Rechtsanwendung ungeeignet (Seer: in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 51 AO Tz. 8) kritisiert.

     

    Ferner wird der Regelung in Gestalt, wie die Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/11108, 45) und die Finanzverwaltung (AEAO § 51 Nr. 7 Abs. 2) sie verstanden haben möchten, vorgeworfen, europarechtswidrig zu sein. Denn danach ist bei in Deutschland ansässigen Organisationen der Inlandsbezug ohne besonderen Nachweis schon dadurch erfüllt, dass sie sich personell, finanziell, planend, schöpferisch oder anderweitig an der Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke im Ausland beteiligen (Indizwirkung). Wenn allerdings nach Auffassung des EuGH Direktspenden ins Ausland nicht schlechter behandelt werden dürfen als Spenden an inländische Fördereinrichtungen, die ihre Zwecke im Ausland selbst oder durch das Weiterleiten von Mitteln an eine im Ausland ansässige, nicht unbedingt gemeinnützige Körperschaft verwirklichen, ist jeder Inlandsbezug latent europarechtswidrig; hierauf weist die Klägerin nach Auffassung der Richter zutreffend hin. Die Tatbestandsmerkmale „Inländerbegünstigung“ und „Ansehensförderung“ richten sich vornehmlich gegen ausländische Einrichtungen, die ihre gemeindienliche Tätigkeit grenzüberschreitend ausüben. Dies spricht für eine Europarechtswidrigkeit des § 51 Abs. 2 AO bzw. des wortgleichen § 10b Abs. 1 S. 6 EStG (Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 51 AO Tz. 8).

     

    2.2 FG teilt Literaturmeinung

    Der Senat teilt die in der Literatur geäußerte Kritik sowohl in verfassungsrechtlicher als auch in europarechtlicher Hinsicht.

     

    Weder für die Finanzverwaltung noch für die Finanzgerichte ist auch nur ansatzweise ersichtlich, wie und anhand welcher Maßstäbe das Tatbestandsmerkmal der potenziellen Ansehenssteigerung der Bundesrepublik Deutschland zu prüfen sein soll. Insoweit bestehen wegen fehlender Bestimmtheit tatsächlich Bedenken an der Rechtsstaatlichkeit der Norm. Denn das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Bestimmtheitsgebot verpflichtet den Normgeber, seine Vorschriften so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Anforderungen der Normenklarheit und der Justiziabilität entsprechen. Gesetze müssen so formuliert sein, dass die davon Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Die Gerichte müssen in der Lage sein, die Anwendung der betreffenden Rechtsvorschrift durch die Verwaltung zu kontrollieren.

     

    Zwar ergibt sich weder aus dem Rechtsstaatsprinzip noch aus den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Gewaltenteilung ein Verbot, unbestimmte Rechtsbegriffe, also Begriffe, die bei der Gesetzesanwendung noch der Konkretisierung bedürfen, zu verwenden. Der Gesetzgeber ist aber gleichwohl verpflichtet, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung muss sich eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Vorschrift gewinnen lassen (BVerfG 24.4.13 1 BvR 1215/07, BVerfGE 133, 277 m.w.N.).

     

    Europarechtlich ist es aus Sicht des Senats nahezu offenkundig, dass das vom Gesetzgeber geschaffene Tatbestandsmerkmal der potenziellen Ansehenssteigerung der Bundesrepublik Deutschland sich nur gegen ausländische Körperschaften richtet und daher gegen europarechtliche Grundsätze verstößt, soweit in der EU ansässige Körperschaften betroffen sind. Dies ergibt sich schon aus der Gesetzesbegründung, wonach für inländische Körperschaften, die ihre gemeinnützigen Zwecke im Ausland verfolgen, eine Indizwirkung für den Inlandsbezug sprechen soll, die für EU-ansässige Körperschaften - die ansonsten die inländischen Kriterien der Gemeinnützigkeit erfüllen l- gerade nicht gilt (vgl. BT-Drucksache 16/11108, 45).

     

    Letztlich können nach Auffassung des Gerichts diese Bedenken aber dahinstehen. Denn der Senat legt die streitige Norm in verfassungs- und europarechtlich gebotener Weise aus.

     

    2.3 Auslegung anhand des Wortlauts

    Ausgehend vom Wortlaut der Vorschrift ist erforderlich, dass die Tätigkeit des Zuwendungsempfängers neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beitragen kann. Maßgeblich ist demnach auf die Tätigkeit des ausländischen Zuwendungsempfängers abzustellen. Dabei ist unter Heranziehung der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/11108, 46) indessen zu bedenken, dass diese Tätigkeit nicht „in nicht nur unbedeutendem Umfang“ der Ansehensförderung dienen muss. Außerdem ist der mögliche Ansehensbeitrag nicht als eigenständiger Nebenzweck zu sehen. Ferner ist in der Gesetzesbegründung ausdrücklich ausgeführt, dass bei Verfolgung förderungswürdiger Zwecke nach §§ 52 bis 54 AO davon auszugehen ist, dass eine solche Tätigkeit dem Ansehen Deutschlands nicht entgegensteht (BT-Drs. 16/11108, 45). Dem entspricht, dass im Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 der Bundesregierung (BT-Drs. 16/10189, 80) als Beispiel genannt wird, dass das Engagement deutscher Forschungseinrichtungen im Ausland regelmäßig das Ansehen Deutschlands fördere.

     

    Abgesehen davon, dass eine hierarchische Unterscheidung nach der Art der steuerbegünstigten Zwecke im Gesetz nicht angelegt ist, ist für den Senat auch nicht der Unterschied zwischen der Tätigkeit einer deutschen Forschungseinrichtung im Ausland und der Tätigkeit der von der Klägerin unterstützten Kirche ersichtlich. Beide fördern gleichermaßen einen nach inländischen Kriterien steuerbegünstigten Zweck, während die Forschungseinrichtung zur Ansehenssteigerung Deutschlands beitragen soll und die Tätigkeit einer kirchlichen Einrichtung nach Ansicht des Beklagten nicht. Aus der Satzung der Pfarrgemeinschaft ist ersichtlich, dass ihre Tätigkeit sich keineswegs auf rein religiöse Zwecke beschränkt - was im Übrigen ureigenstes Aufgabengebiet einer Kirche ist -, sondern dass darüber hinaus in vielfältigem Maße auch rein humanitäre Zwecke wie Kampf gegen Hunger, Armut, Krankheiten, Hilfe bei Naturkatastrophen, Schutz von Kinderrechten, Unterstützung von Bildungsmaßnahmen verfolgt werden (Art. 6, 7 der Satzung, Bl. 43 f. FG-Akte). Wenn dies mit Geldern aus Deutschland geschieht, kann dies nach Überzeugung des Senats zumindest in gleicher Weise zur Ansehensförderung Deutschlands beitragen wie die Tätigkeit der in der Gesetzesbegründung genannten Forschungseinrichtung.

     

    Im Hinblick auf die o. g. Kritik an dem Tatbestandsmerkmal der Möglichkeit der Steigerung des Ansehens Deutschlands versteht der Senat die Vorschrift daher so wie Seer (in: Tipke/Kruse, a.a.O.), wonach aus dem vorsichtigen und in der Form nicht justiziablen Wortlaut abzuleiten ist, dass die Möglichkeit, dass die Tätigkeit der ausländischen Körperschaft zur Ansehenssteigerung Deutschlands beitragen kann, nicht evident ausgeschlossen ist. Ob irgendwelche Maßnahmen oder Handlungen zu einer Ansehenssteigerung Deutschlands führen können, ist nicht zu sagen, erst recht nicht von der deutschen Finanzverwaltung oder von deutschen Gerichten. Es geht demnach immer nur um Einschätzungen und Ahnungen. Deshalb muss der unscharfe Wortlaut des Gesetzes in praktikabler Form so wie gehandhabt verstanden werden. Dass die Tätigkeit der Zuwendungsempfängerin es nicht ausschließt, zur Ansehenssteigerung Deutschlands beizutragen, ist bei ihr als kirchlicher Einrichtung unter Beachtung ihrer Satzung offenkundig.

     

    2.4 Europarechtlicher Hintergrund der Norm

    Dies wird untermauert durch die europarechtliche Seite der Norm, die nach dem Verständnis des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucksache 16/11108, 45 f.) in unzulässiger Weise Inlandskörperschaften durch die o. g. Indizwirkung bevorzugt. Denn hinsichtlich der Gemeinwohlziele der EU, wie sie im AEUV genannt sind, sind Inlandsvorbehalte kaum noch denkbar (Geserich: in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 10b Rn. 82b). Dies gilt z.B. für Bildungsziele (Art. 165 f. AEUV), Kultur (Art. 167 AEUV), Gesundheitswesen (Art. 168 AEUV), Forschung (Art. 179 ff. AEUV), Umwelt (Art. 191 ff. AEUV), Katastrophenschutz (Art. 196 AEUV) und Zusammenarbeit in der Entwicklungshilfe sowie humanitäre Hilfe (Art. 208 ff. AEUV).

     

    Im Übrigen stimmen diese Ziele in großen Bereichen mit der Aufzählung in § 52 Abs. 2 AO und auch mit den Zielen in der Satzung der Zuwendungsempfängerin überein. Dies spricht umso mehr dafür, den strukturellen Inlandsbezug in § 51 Abs. 2 AO bzw. § 10b Abs. 1 S. 6 EStG so zu verstehen, dass EU-Körperschaften nicht benachteiligt werden. Der Senat folgt insoweit Förster (BB 11, 663, 665 ff.; ähnlich Jachmann/Unger in: Beermann/Gosch, AO/FGO, § 51 AO Rz. 88), die in europarechtlich tauglicher Weise das Verständnis der Regelung dergestalt auslegt, dass bei einer ausländischen Organisation, die nachgewiesen hat, dass sie nach deutschem Recht gemeinnützig ist, ohne weitere Prüfung auch von einer möglichen Ansehenssteigerung auszugehen ist. Dies führt zwar dazu, dass der Gesetzeswortlaut insoweit ausgehöhlt wird, aber dies ist wegen des völlig unklaren Gesetzesinhalts zur Vermeidung einer Europarechtswidrigkeit zwingende Rechtsfolge.

    3. Relevanz für die Praxis

    Gerade bei Spenden ins Ausland besteht eine große Rechtsunsicherheit in puncto steuerlicher Anerkennung. Die Verifikationsprobleme im Spendenrecht erweisen sich derzeit als schwer überwindbare Hindernisse auf einem europäischen Spendenmarkt. Der allgemein restriktiven Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben könnte durch weitere Gesetzesinitiativen entgegengewirkt werden. Mit dem aktuell anhängigen Verfahren hätte der BFH zudem (erneut) die Möglichkeit, den unbefriedigenden aktuellen Entwicklungen entgegenzuwirken (s. dazu auch Ritter/Marx, Europa und Nonprofits, Stiftung & Sponsoring, Rote Seiten 2/2015, s. 15 ff. m.w.N).

    Quelle: Ausgabe 11 / 2016 | Seite 203 | ID 44334917