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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Umsatzbesteuerung im Kulturbereich

    von Ulrich Goetze, Steuerberater, Wunstorf *StB Ulrich Goetze ist als Autor und Dozent im Bereich der Besteuerung von Vereinen und Stiftungen tätig. Auf diesem Fachgebiet wirkt er auch als Gutachter und leistet Einzelberatungen (www.ugoetze.de).

    | Die Umsatzsteuerbefreiung im Kulturbereich ist für Stiftungen ein zweischneidiges Schwert. Im folgenden Beitrag werden die Grundzüge der Umsatzbesteuerung von Stiftungen, die im Kulturbereich tätig sind, zusammengestellt. |

    1. Die Ausgangslage

    Kulturelle Leistungen von Stiftungen, denen von der Kulturbehörde bescheinigt wurde, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die Einrichtungen des öffentlichen Rechts erfüllen, sind von der Umsatzsteuer befreit. Für die ausführende Stiftung kann die Umsatzsteuerbefreiung wegen des damit verbundenen Verlusts des Vorsteuerabzugs nachteilig sein, insbesondere wenn Investitionen getätigt wurden. Gleichwohl steht die Steuerbefreiung nicht im Belieben der Stiftung, sondern ist anzuwenden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, also insbesondere, wenn die gleichen kulturellen Aufgaben wie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erfüllt werden. Ob dies der Fall ist, entscheidet nicht die Finanzverwaltung, sondern die für die Stiftung jeweils zuständige Landeskulturbehörde.

     

    Sofern die Bescheinigung nicht erteilt worden ist, kann eine Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % in Betracht kommen (OFD Magdeburg 15.11.13, S 7177-16-St 243).

    2. Wann liegen kulturelle Leistungen vor?

    Die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 20 gilt für die Umsätze der folgenden, abschließend aufgezählten Einrichtungen:

     

    • Diese Einrichtungen sind von der Umsatzsteuer befreit
    • Theater,
    • Orchester,
    • Kammermusikensembles und Chöre,
    • Museen (wissenschaftliche Sammlungen und Kunstsammlungen),
    • botanische Gärten, zoologische Gärten, Tierparks,
    • Archive, Büchereien sowie
    • Denkmäler der Bau- und Gartenbaukunst.
     

    Die Vorschrift zur Umsatzsteuerbefreiung von kulturellen Leistungen in § 4 Nr. 20 UStG beruht auf der verbindlichen gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe in Art. 132 Abs. 1n der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL). Nach dieser Vorschrift befreien die EU-Mitgliedstaaten:

    •  Art. 132 Abs. 1n MwStSystRL

    Von der Umsatzsteuer befreit sind: „bestimmte kulturelle Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen von Gegenständen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten kulturellen Einrichtungen erbracht werden“.

    Die Richtlinienvorschrift lässt den Mitgliedstaaten damit einen Spielraum, in welchem Umfang sie kulturelle Leistungen von der Umsatzsteuer befreien wollen. Nachstehend werden einige der in § 4 Nr. 20a UStG genannten Zwecke anhand der neueren Rechtsprechung näher beleuchtet.

    3. Künstlerische Leistungen

    Künstlerische Aktivitäten werden jeweils in den Spielarten des Schaffens, Ausübens und Lehrens umschrieben:

     

    • Musik
    • bildende Kunst
    • darstellende Kunst.

     

    Eine Festlegung, was darunter im Einzelnen zu verstehen ist, ist im Hinblick auf die Vielfalt, Komplexität und Dynamik der Erscheinungsformen künstlerischer Betätigungsfelder nicht möglich. Auf eine materielle Definition des Kunstbegriffs hat der Gesetzgeber bewusst verzichtet. Dieser Begriff ist deshalb aus dem jeweiligen Regelungszweck eines Gesetzes unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung und der historischen Entwicklung zu erschließen.

     

    Im Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe (Künstlerbericht) aus dem Jahre 1975 wird ein an der Typologie von Ausübungsformen orientierter Kunstbegriff vorgegeben, der in aller Regel dann erfüllt ist, wenn das zu beurteilende Werk den Gattungsanforderungen eines bestimmten Kunsttyps (z.B. Theater, Gemälde, Musik) entspricht. Bei diesen Berufsfeldern wird z.B. im Künstlersozialversicherungsgesetz das soziale Schutzbedürfnis des Künstlers unterstellt, ohne dass es auf die Qualität der künstlerischen Tätigkeit ankommt oder eine bestimmte Werk- und Gestaltungshöhe vorausgesetzt wird.

     

    3.1 Theater

    Unter dem Begriff Theater fällt die Gesamtheit der darstellenden Künste, insbesondere Schauspiel, Oper, Operette, Ballett, Musical, Zimmertheater, Heimatbühne, literarisches Kabarett, Puppen-, Marionetten- und Pantomimentheater. Unter Theatervorführungen sind nicht nur die Vorführungen von Theaterstücken aller Art, sondern auch Darbietungen der Pantomime und Tanzkunst, des Kabaretts sowie Puppenspiele und Eisrevuen zu verstehen. Filmvorführungen, Varietéaufführungen und sonstige Veranstaltungen der Kleinkunst fallen nach UStAE 4.20.1 Abs. 2 ohne Begründung nicht unter die Steuerbefreiung. Im Einzelfall sollte unter Berufung auf Art. 132 Abs. 1n MwStSystRL die Steuerbefreiung dieser Veranstaltungen durchgesetzt werden.

    3.2 Konzerte

    Unter Konzerten sind Aufführungen von Musikstücken zu verstehen, bei denen Instrumente und/oder die menschliche Stimme eingesetzt werden. Beispiele sind Orchesterkonzerte, Solistenkonzerte, Kammerkonzerte, Rock-, Pop- oder Jazzkonzerte, Volksmusik oder Liederabende. Auf den kulturellen, musikalischen oder gesanglichen Wert dieser Vorführungen kommt es nicht an. Auch Unterhaltungsmusik kann unter die Vorschrift fallen (UStAE 4.20.2 Abs. 1 S. 4).

     

    Unter die Begriffe Orchester, Kammermusikensembles” und Chören fallen alle Musiker- und Gesangsgruppen mit zwei oder mehr Mitwirkenden.

     

    3.3 Solokünstler

    Nach Auffassung des EuGH ist die MwStSystRL dahingehend auszulegen, dass der Begriff der „anderen anerkannten Einrichtung” Einzelkünstler nicht ausschließt. Die Finanzverwaltung hat diese Rechtsauffassung in das nationale Recht übertragen. Daher sind Einzelkünstler gleichermaßen von den Auswirkungen des Bescheinigungsverfahrens betroffen. Die Aspekte der Solokünstler, Regisseure, Bühnen- und Kostümbildner und weitere Berufsfelder im kulturellen Bereich werden wir in einem Folgebeitrag darstellen.

     

    3.4 Technoveranstaltungen

    Beispielhaft für das weite Spektrum von kulturellen Veranstaltungen, steht das BFH-Urteil vom 18.8.05, V R 50/04, in dem er sich damit auseinander gesetzt hat, ob Techno-Veranstaltungen umsatzsteuerlich Konzerte sind. Gleichzeitig hat er Kriterien aufgestellt, anhand derer auch andere musikalische Veranstaltungen als Konzerte angesehen werden können und nicht als bloße Unterhaltung zur Belustigung des Publikums einzuordnen sind.

     

    Die während der „Techno-Veranstaltungen“ dargebotenen musikalischen Leistungen entsprechen nach Ansicht des BFH der Definition des Konzertbegriffs. Dabei legt der V. Senat des BFH den Konzertbegriff weit aus. Der Annahme eines Konzertes stünde nicht entgegen, dass bei der Veranstaltung bereits auf einem Tonträger existente Musikstücke durch den Einsatz technischer Medien eingespielt und durch Überlagerungen, Ein- und Ausblendungen oder das Hinzufügen von Effekten abgeändert werden.

     

    Der Begriff „Instrument“ sei wegen des technischen Fortschritts weit auszulegen. Dies erfordere schon der Umstand, dass zwischen neuen und bisherigen Musiktechniken und -richtungen gleiche Wettbewerbsbedingungen bestehen müssen, die nicht durch umsatzsteuerrechtliche Unterschiede gefährdet werden dürften. Deshalb sollen auch technische Medien wie z.B. Plattenteller, Mischpulte, CD-Player, die bereits bestehende Musikstücke lediglich musikalisch verändern, Instrumente sein, wenn sie (wie konventionelle Instrumente) zum Vortrag des Musikstücks und nicht nur zum Abspielen des Tonträgers eingesetzt werden. Dass es sich dabei nicht um Musikinstrumente im üblichen Sinne handele, sei unerheblich. Präsentiert ein DJ seinen eigenen gemixten Sound einem Publikum muss nach den Umständen des Einzelfalls entschieden werden, ob dieses der tatsächliche Zweck der Veranstaltung ist und nicht die bloße Unterhaltung. Dann kann die Veranstaltung als Konzert zu werten sein, welches steuerbefreit nach § 4 Nr. 20a UStG ist oder dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.

    4. Abgrenzung der begünstigten Umsätze

    Das Gesetz umschreibt in § 4 Nr. 20a UStG den Umfang der Umsätze der dort aufgeführten Einrichtungen nicht näher. Bei einer engen Auslegung, die bei einer Steuerbefreiung geboten ist, sind bei Theateraufführungen oder Konzerten nur die typischen Leistungen befreit.

     

    Checkliste / Befreite und nichtbefreite Leistungen eines Theaters

    Von der Umsatzsteuer befreite Leistungen sind in erster Linie:

     

    • Die Eintrittsgelder der Zuhörer und Zuschauer. Dazu gehören auch Entgelte aus Rundfunk- oder Fernsehaufzeichnungen und
    • darüber hinaus die Aufbewahrung der Garderobe, der Verkauf von Programmheften und die Vermietung von Operngläsern.

     

    Nicht steuerbegünstigt sind folgende Nebenleistungen:

     

    • Die Vermietung der Räume und von Ausstellungsvitrinen,
    • Vergütungen von Automatenaufstellern,
    • Honorare für Anzeigengestaltungen,
    • Arbeiten der Werkstätten oder Ausführung von Transporten,
    • Der Betrieb einer Theatergaststätte und
    • die Vermietung oder Verpachtung eines Theaters oder Nebenbetriebs, z.B. Gaststätte, Kleiderablage oder sonstige Hilfsgeschäfte, wie z.B. der Verkauf von Einrichtungsgegenständen.
     

     

    Im Rahmen einer begünstigten Veranstaltung darf der Charakter der Veranstaltung als Theatervorführung oder Konzert nicht beeinträchtigt werden. Inwieweit kabarettistische, tänzerische oder andere Darbietungen den Charakter einer Veranstaltung ausmachen, ist im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen.

     

    Zu den Nebenleistungen gehört nicht der Verkauf von Bild- und Tonträgern mit Aufzeichnungen von Aufführungen. Der Verkauf von Tonträgern durch Veranstalter oder Künstler ist mit dem Regelsteuersatz zu versteuern (OFD Frankfurt a.M. 17.10.08).

     

    4.1 Verzehrtheater

    Die Abgabe von Speisen und Getränken durch ein Theater bzw. Musicaltheater gehört nicht zu dessen steuerfreien Umsätzen, wenn diese Leistungen dazu bestimmt sind, dem Theater zusätzliche Einnahmen zu verschaffen und sie in unmittelbarem Wettbewerb mit gewerblichen Unternehmen ausgeführt werden. Die Abgabe von Speisen und Getränken in den Pausen ist im Rahmen einer Theatervorstellung nicht unerlässlich.

     

    Bei einer Veranstaltung, bei der kulinarische und künstlerische Elemente untrennbar gleichwertig nebeneinander angeboten werden und aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers gerade dieses Kombinationserlebnis im Vordergrund steht (Dinnershows), liegt eine Leistung eigener Art vor, die dem allgemeinen Steuersatz unterliegt (BFH 10.1.13, V R 31/10).

     

    4.2 Heimatabende

    Die Veranstaltung von Heimatabenden erfüllt in der Regel nicht die Voraussetzungen einer Konzertveranstaltung i.S. von § 4 Nr. 20b UStG. Erforderlich ist danach eine musikalische Aufführung von Orchestern, Kammermusikensembles oder Chören, die selbst wiederum die Voraussetzung nach § 4 Nr. 20a UStG erfüllen muss. Dabei wird zwar die Steuerbefreiung für die Aufführung von Konzerten durch die Mitwirkung von Solisten nicht ausgeschlossen, wenn der Gesamtcharakter der Darbietung als Konzert erhalten bleibt.

     

    Als unschädlich für den Charakter eines Konzerts kann auch ein Ansager gelten, der bei einem Konzert zwischen den einzelnen Darbietungen in verbindenden Worten Hinweise über Komponist, Werk und Interpret gibt.

     

    Heimatabende werden dagegen als Angebot einer Gesamtveranstaltung gegen Eintritt abgehalten, bei der musikalische Darbietungen von Blaskapellen und Musikgruppen, Auftritte von Volkstanzgruppen der verschiedenen Altersstufen eines Trachtenvereins, von Schuhplattlern und auch gegebenenfalls Solisten in bunter Reihenfolge dargeboten werden, meist aufgelockert durch humoristische Einlagen. Manchmal findet anschließend eine allgemeine Tanzveranstaltung statt. Heimatabende sind daher nicht als Konzertveranstaltungen i.S. von § 4 Nr. 20b UStG anzusehen und deshalb nicht steuerbefreit. Allerdings unterliegen die Umsätze aus den Heimatabenden von gemeinnützigen Trachtenvereinen unter Umständen dem ermäßigten Steuersatz als Zweckbetrieb.

     

    Weiterführende Hinweise

    • In einem Folgebeitrag werden wir die Voraussetzung der Erteilung der Bescheinigung der Kulturbehörde über das Vorliegen gleicher kultureller Aufgaben wie öffentlich-rechtlicher Einrichtungen erläutern. Weiter besprechen wir die Folgen für Veranstalter beim Einsatz von Künstlern, denen unmittelbar eine Bescheinigung erteilt worden ist.
    • Zur Umsatzbesteuerung in der Altenpflege, Ritter, SB 13, 153
    Quelle: Ausgabe 04 / 2014 | Seite 70 | ID 42590937