06.02.2008 · IWW-Abrufnummer 080338
Bundesfinanzhof: Urteil vom 09.05.2007 – XI R 23/06
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
XI R 23/06
Gründe:
I. Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der Landesverband einer Partei, gemäß § 10b Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Aussteller unrichtiger Spendenbescheinigungen in den Jahren 1996 und 1997 für entgangene Steuern haftet.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) stellte fest, dass 1997 auf Aufwendungsersatzansprüche in Höhe von ... DM zugunsten der Partei verzichtet worden war; tatsächlich erstattet wurden nur Aufwendungen in Höhe von ... DM. Daher bestünden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der übrigen Erstattungsanträge. Gegen die Ernsthaftigkeit spreche auch, dass den Aufwendungsersatzansprüchen in Höhe von insgesamt ... DM nur Gesamtbesitzposten des Landesverbandes in Höhe von ... DM zum 31. Dezember 1997 gegenüberstünden. Daher sei der Erstattungsanspruch nicht ohne weiteres realisierbar gewesen, da er aus den vorhandenen Mitteln nicht habe bestritten werden können. Hierbei müsse auf die Vermögensverhältnisse des Landesverbandes abgestellt werden.
Die Einräumung der Aufwendungsersatzansprüche sei von vornherein unter der Bedingung des Verzichts auf die Erstattung erfolgt, so dass keine rechtswirksam eingeräumten Aufwendungserstattungsansprüche vorlägen.
Nachdem der Kläger keine Angaben zur Höhe der Aufwandsspenden u.a. für 1996 gemacht hatte, erließ das FA unter dem 14. Dezember 2000 einen Haftungsbescheid gemäß § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG gegenüber dem Kläger wegen der Ausstellung unrichtiger Bestätigungen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt; die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1050, veröffentlicht. Das FA habe den Kläger zu Unrecht in Haftung genommen.
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG.
1. Gemäß § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG haftet für die entgangene Steuer, wer vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unrichtige Bestätigung ausstellt. Aufwendungen zugunsten einer zum Empfang steuerlich abzugsfähiger Zuwendungen berechtigten Körperschaft sind nur abzugsfähig, wenn ein Anspruch auf die Erstattung von Aufwendungen durch Vertrag oder Satzung eingeräumt und auf die Erstattung verzichtet worden ist (§ 10b Abs. 3 Satz 4 EStG). Der Anspruch darf nicht unter der Bedingung des Verzichts einger äumt worden sein (§ 10b Abs. 3 Satz 5 EStG).
2. Auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob die Voraussetzungen des § 10b Abs. 3 Sätze 4 und 5 EStG im Streitfall erfüllt sind.
a) Sog. Aufwandsspenden können steuerrechtlich als reguläre Spenden zu berücksichtigen sein, sofern beim Spender nachweislich eine tatsächliche Vermögenseinbuße eintritt (vgl. die Berichte über die Rechenschaftsberichte 1993 bis 1995 sowie über die Entwicklung der Finanzen der Parteien gemäß § 23 Abs. 5 des Parteiengesetzes --PartG--, in BTDrucks 13/4503, S. 16, unter 4.2.3., und in BTDrucks 13/8888, S. 31, unter 4.4.3.; vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 3. Dezember 1996 I R 67/95, BFHE 182, 258, BStBl II 1997, 474, unter II.3.b der Entscheidungsgründe). Bei der Beurteilung des Verzichts auf die Erstattung von Aufwendungen ist zu berücksichtigen, dass es die Beteiligten in der Hand haben, ob sie unentgeltlich, ob sie entgeltlich oder ob sie unentgeltlich, aber zumindest gegen Ersatz ihrer eigenen Aufwendungen tätig werden wollen (vgl. Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10b Rz D 56). Dabei werden die Beteiligten auch Überlegungen anstellen, wie die Situation für alle Beteiligten am günstigsten gestaltet werden kann. Bietet das Steuergesetz bestimmte Wege, so können diese Wege von den Steuerpflichtigen beschritten werden, ohne dass ihnen missbräuchliches Verhalten vorgehalten werden kann. Im Rahmen des Spendenabzugs sieht § 10b Abs. 3 Satz 4 EStG die Möglichkeit des Verzichts auf einen Aufwendungsersatzanspruch ausdrücklich vor. Es ist daher prinzipiell nicht zu beanstanden, wenn die Steuerpflichtigen diese Gestaltung wählen. Allerdings ist im Hinblick auf die gleich gelagerten Interessen von Spender und Empfänger in Fällen dieser Art darauf zu achten, dass die Beteiligten ernstlich gewollte, klare, eindeutige und widerspruchsfreie Abmachungen getroffen haben und dass die einzelnen Verträge und Willenserklärungen ihrem Inhalt entsprechend durchgeführt worden sind; die Vereinbarungen müssen insoweit einem "Fremdvergleich" standhalten.
b) Der Umstand, dass das Vermögen des Klägers nicht alle Ansprüche abdeckte, steht diesen Anforderungen nicht bereits von vornherein entgegen. Entscheidend ist die Werthaltigkeit des einzelnen Anspruchs zum Zeitpunkt der Zusage und des Verzichts; es muss gewährleistet sein, dass der Kläger jeweils alternativ zur Erfüllung des Anspruchs in der Lage gewesen wäre (vgl. BTDrucks 13/8888, S. 31, unter 4.4.3., 3. Abs.). Die vom FA angestellte Betrachtungsweise, die pauschal auf die jährliche Summe der Erstattungsansprüche abstellt, wird den Besonderheiten des tatsächlichen Geschehensablaufs nicht gerecht.
c) Gegen die Ernsthaftigkeit der Vereinbarungen könnte sprechen, dass unklar ist, in welcher Höhe der Aufwendungsersatz zu leisten sein sollte.
Nach dem vorliegenden Abrechnungsformular wurden die Fahrtkosten mit dem PKW pauschal mit 0,80 DM/km berechnet; dieser Ansatz beruhte auf einem Beschluss des Präsidiums. Andererseits war nach dem Formular "Beauftragung zur Ausführung einer Aufgabe ..." eine Pauschalierung nur im Rahmen steuerlich anerkannter Sätze zulässig (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28. November 1990 X R 61/89, BFH/NV 1991, 305; Oberfinanzdirektion München, Verfügung vom 8. April 1999 S 2223 - 127 St 413, Deutsches Steuerrecht 1999, 1441; ferner BTDrucks 13/8888, S. 32, unter 4.4.3., 1. Abs.). Es ist daher nicht auszuschließen, dass eine überhöhte pauschale Erstattung vereinbart worden war, dass einander widersprechende Regelungen vorlagen und dass möglicherweise nicht vereinbarte Aufwendungen erstattet wurden. In diesem Fall würden ernstlich gewollte, eindeutige und widerspruchsfreie Vereinbarungen fehlen; ein Abzug der Aufwendungen als Aufwandsspende wäre nicht zulässig.
d) Ebenso ist nicht hinreichend geklärt, ob die erteilten Aufträge durchweg "fremdnütziger" Natur waren, also der Partei zugute kamen, oder ob sie auch der Wahrnehmung der eigenen Mitgliedschaft dienten. Aufwendungen, die (auch) im eigenen Interesse des Zuwendenden getätigt werden, fehlt das für den Spendenabzug zwingend erforderliche Element der Uneigennützigkeit (BFH-Urteil vom 2. August 2006 XI R 6/03, BFHE 214, 378, BStBl II 2007, 8). Das FG ist entsprechend den vorgelegten Formularen davon ausgegangen, dass die Parteimitglieder im Rahmen eines Auftragsverhältnisses tätig geworden sind und sich ihr Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen aus § 670 BGB ergibt. Nach § 662 BGB verpflichtet sich der Beauftragte, ein ihm übertragenes Geschäft für den Auftraggeber unentgeltlich zu besorgen. Nur die Erstattung solcher Aufwendungen stellt eine nach § 1 Abs. 4 PartG zulässige Verwendung von Parteimitteln dar (BTDrucks 13/4503, S. 17); Fahrtkosten darf eine Partei beispielsweise nur erstatten, wenn diese zur Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Zwecke erforderlich waren (vgl. Geserich, in: Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 10b Rz D 85). Das FG hat nicht geprüft, ob es sich bei den Aufträgen um Geschäfte für die Partei handelte. Dies ist nachzuholen.