02.05.2014 · IWW-Abrufnummer 141374
Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 04.03.2014 – 6 K 9244/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit
des A...,
Kläger,
bevollmächtigt:
gegen
das Finanzamt,
Beklagter,
wegen Haftungsbescheids für Einkommensteuern 2005 bis 2007 und Zahlungsaufforderung
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 6. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 4. März 2014 durch
den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,
den Richter am Finanzgericht ... und
den Richter ...
sowie die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Herr ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Streitig ist die Haftungsinanspruchnahme des Klägers gem. § 10b Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes -EStG-.
Der Kläger ist ein gemeinnütziger Fußballverein und hatte in den Streitjahren ca. 280 Mitglieder. Im Rahmen von Kontrollmitteilungen wurde dem Beklagten bekannt, dass der Kläger seinen Vereinsmitgliedern und den Familienangehörigen der Vereinsmitglieder Spendenbescheinigungen ausgestellt hatte, die diese im Rahmen der persönlichen Einkommensteuer steuermindernd geltend machten.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2005 wies der Beklagte den damaligen steuerlichen Berater des Klägers darauf hin, dass der Verzicht auf Aufwendungsersatz nur dann als Aufwandsspende zu berücksichtigen sei, wenn u.a. der Anspruch auf Aufwendungsersatz wirksam vereinbart und ernsthaft gewollt sei und nicht unter der Bedingung des Verzichts gewährt werde (Bl. 3 der Akte Spendenhaftung). Dann könne auch ein Vorstandsbeschluss genügen, der den Mitgliedern bekannt gemacht worden sei.
Daraufhin legte der damalige steuerliche Berater des Klägers einen Vorstandsbeschluss vom 10. Dezember 2004 mit folgendem Wortlaut vor:
"Die zu erstattenden Reisekosten für Fahrten im Auftrage des Vereins zum Training und zu Spielen aller Mannschaften des Vereins können im Rahmen der zulässigen steuerlichen bzw. vereinsinternen Pauschalbeträge auf Antrag des Empfängers als Aufwandsspende bestätigt werden. Hier ist ein Maximalbetrag von 3.000 EUR pro Jahr pro Empfänger zu berücksichtigen."
Bei der anschließenden Prüfung durch den Beklagten stellte sich heraus, dass der Kläger in den Streitjahren Zuwendungsbestätigungen erteilt hatte, die er in seiner internen Buchführung nicht vollständig erfasst hatte. Im Einzelnen:
Zeitraum gebuchte Aufwandsspenden vorliegende Spendenbescheinigungen bei der Einkommensteuer geltend gemachter Spendenbetrag
2005 6.247,80 EUR 6.247,80 EUR nicht bekannt
2006 17.973,58 EUR 17.973,58 EUR 22.860,- EUR
2007 14.737,48 EUR 23.808,63 EUR 26.544,63 EUR
Mit Bescheid vom 23. Juli 2010 (Bl. 5 der Gerichtsakten) nahm der Beklagte den Kläger gem. § 10b Abs. 4 Satz 2f. EStG persönlich und unbeschränkt für die entgangene Einkommensteuer für 2005 bis 2007 in Haftung, wobei der Beklagte jeweils 40% des bestätigten Zuwendungsbetrages ansetzte. Dies führte zu Haftungsbeträgen in Höhe von 2.400,- EUR für das Jahr 2005, von 9.200,- EUR für das Jahr 2006 und von 10.400,- EUR für das Jahr 2007. Zugleich forderte der Beklagte den Kläger zur Zahlung auf, ohne einen Fälligkeitstag anzugeben.
Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Spendenbescheinigungen seien unrichtig gewesen. Das Ausstellen der Spendenbescheinigungen sei in allen Fällen mindestens grob fahrlässig gewesen. Die Inanspruchnahme des Klägers sei auch ermessensgerecht. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat auf den Bescheid vom 23. Juli 2010.
Der Kläger legte sowohl gegen den Haftungsbescheid für die Jahre 2005 bis 2007 als auch gegen die Zahlungsaufforderung Einspruch ein.
Mit einer Einspruchsentscheidung vom 1. September 2011 minderte der Beklagte die Haftungssummen für 2005 auf 1.800,- EUR, für 2006 auf 6.900,- EUR und für 2007 auf 7.800,- EUR. Dies beruhte darauf, dass § 10b Abs. 4 EStG zwischenzeitlich durch das Gesetz zur Stärkung des bürgerlichen Engagements vom 10. Januar 2007 dahingehend geändert worden war, dass die aufgrund falscher Spendenbescheinigungen entgangene Einkommensteuer statt mit 40% nur noch mit 30% des zugewendeten Betrages anzusetzen war.
Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch gegen den Haftungsbescheid als unbegründet zurück. Die Spendenbescheinigungen seien falsch, weil der Vorstandsbeschluss keinen generellen Anspruch auf Aufwendungsersatz vorgesehen habe. Jedenfalls sei der Anspruch nur unter der Bedingung des Verzichts eingeräumt worden. Dem Kläger sei ein Verschulden seines steuerlichen Vertreters zuzurechnen. Der Kläger habe gar nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aufgewiesen, um alle Aufwandsersatzansprüche seiner Mitglieder zu erfüllen. Die Vereinbarung sei daher nicht ernstlich vereinbart worden. Der Beklagte habe schließlich zu Recht den Kläger auf Haftung in Anspruch genommen, weil die Zuwendenden auf die Richtigkeit der Spendenbescheinigung des Klägers hätten vertrauen dürfen.
Mit einer weiteren Einspruchsentscheidung vom 1. September 2011 wies der Beklagte auch den Einspruch gegen die Zahlungsaufforderung im Haftungsbescheid als unbegründet zurück, weil der Kläger ausschließlich Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids geltend gemacht habe.
Dagegen richtet sich die am 4. Oktober 2011 beim Gericht eingegangene Klage. Der Kläger macht zur Begründung geltend, dass der Beklagte zu Unrecht von einem grob fahrlässigen Verhalten des Klägers ausgehe. Die Fehlerhaftigkeit der Spendenbescheinigungen habe diesen nicht auf der Stirn geschrieben gestanden. Der Beklagte gehe zu Unrecht von einem groben Verschulden des damaligen steuerlichen Beraters des Klägers aus. Zudem verneine der Beklagte zu Unrecht die Ernsthaftigkeit der Vereinbarung, weil es beim Kriterium der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht nur um die Einnahmen des Vereins gehe, sondern auch um seine Vermögenswerte. Die Leistungsfähigkeit könne auch durch eine Bürgschaft oder ein Darlehen nachgewiesen werden. Insoweit habe der Beklagte aber gar nicht ermittelt. Wie das Projekt "Kunstrasenplatz" zeige, wäre der Kläger durchaus in der Lage gewesen, die Aufwendungsersatzansprüche zu finanzieren, weil Mitglieder und Förderer dies finanziert hätten. Der Kläger habe einen hohen Mitgliederbestand.
Auf Nachfrage des Berichterstatters hat der Kläger mitgeteilt, dass die Spendenbescheinigungen an Trainer, Betreuer und an Eltern erteilt worden seien, die als Betreuer die Begleitung zum Training für andere Eltern übernommen hätten. Es seien auch Reisekosten erstattet worden, und zwar 5.906,25 EUR im Jahr 2005, 13.842,81 EUR im Jahr 2006 und 18.192,94 EUR im Jahr 2007.
Der Kläger beantragt,
1.
den Haftungsbescheid vom 23. Juli 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. September 2011 aufzuheben,
2.
die Zahlungsaufforderung im Haftungsbescheid vom 23. Juli 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. September 2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Einspruchsentscheidungen und führt ergänzend aus, dass für den steuerlichen Berater des Klägers höhere Sorgfaltsanforderungen gelten würden.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage gegen den Haftungsbescheid hat keinen Erfolg; denn der Haftungsbescheid vom 23. Juli 2010 ist in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. September 2011 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
1. Nach § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG haftet für die entgangene Steuer, wer vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unrichtige Zuwendungsbestätigung ausstellt. Die entgangene Steuer ist mit 30% des zugewendeten Betrags anzusetzen (§ 10b Abs. 4 Satz 3 EStG).
Der Beklagte hat den Kläger zu Recht gem. § 10b Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG für die entgangene Einkommensteuer der Vereinsmitglieder in Haftung genommen, denn der Kläger hat unrichtige Zuwendungsbestätigungen erteilt (dazu 2.). Dies ist zudem auch grob fahrlässig geschehen (dazu 3.). Die Höhe des Haftungsbetrags ist nicht zu beanstanden (dazu 4.). Der Beklagte hat auch sein Ermessen ohne Fehler ausgeübt (dazu 5.).
2. Der Kl äger hat seinen Mitgliedern zu Unrecht Zuwendungsbestätigungen erteilt, in denen er ihnen Aufwandsspenden aufgrund des Verzichts auf Fahrtkosten bestätigte.
a) Eine Spendenbescheinigung ist unrichtig, wenn der Inhalt nicht der objektiven Sach- und Rechtslage entspricht. Die Unrichtigkeit bezieht sich auf die Angaben, die für den Abzug wesentlich sind, insbesondere also auf die Höhe des zugewendeten Betrags, den beabsichtigten Verwendungszweck und den steuerbegünstigten Status der spendenempfangenden Körperschaft (vgl. Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 12. August 1999 XI R 65/98, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2000, 65). Aussteller einer Spendenbescheinigung ist die spendenempfangsberechtigte Körperschaft, die im Rahmen ihrer Empfangszuständigkeit die Richtigkeit der Bestätigung zu verantworten hat (BFH-Urteil vom 24. April 2002 XI R 123/98, BStBl II 2003, 128 [BFH 24.04.2002 - XI R 123/96]).
b) Zuwendungen (Spenden und Mitgliedsbeiträge) zur Förderung gemeinnütziger Zwecke im Sinne der §§ 52 bis 54 AO können innerhalb bestimmter Höchstgrenzen als Sonderausgaben (§ 10b Abs. 1 EStG) berücksichtigt werden, wenn sie u.a. an eine nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreite Körperschaft geleistet werden. Ausgaben (Zuwendungen) sind alle Wertabgaben, die das Vermögen des Zuwendenden gemindert haben. Begünstigt sind Geld- und Sachzuwendungen, nicht jedoch die Zuwendung von Nutzungen und Leistungen (§ 10b Abs. 3 EStG). Wurde für Nutzungen und Leistungen ein Entgelt bzw. Aufwandsersatz vereinbart, kann es sich bei einem Verzicht auf diesen Erstattungsanspruch um eine sog. Aufwandsspende handeln.
Voraussetzung für den Abzug ist, dass der Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen durch Vertrag oder Satzung eingeräumt worden ist und nach Erbringung der Leistung auf den Erstattungsanspruch bedingungslos verzichtet wird. Der Anspruch darf nicht unter der Bedingung des Verzichts eingeräumt worden sein (§ 10b Abs. 3 Satz 5 und 6 EStG).
c) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
aa) Im Streitfall sind nach Auffassung des Senats schon die Voraussetzungen des § 10b Abs. 3 Satz 5 EStG nicht erfüllt, wonach den Zuwendenden ein Anspruch auf Aufwendungsersatz entweder durch Vertrag oder durch Satzung eingeräumt worden sein muss.
Im Streitfall beruht der Aufwendungsersatz allein auf dem Vorstandsbeschluss vom 10. Dezember 2004. Ein solcher Vorstandsbeschluss ist jedoch weder ein Vertrag mit den Zuwendenden noch Teil der Satzung (§ 25 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -BGB-) des Klägers. Soweit die Finanzverwaltung (vgl. Oberfinanzdirektion Rheinland, 20.06.2012, S 2223-2012/0019 A-St 154a, FMNR2b9390012v, [...], sowie Schreiben des Beklagten vom 12. Dezember 2005) und ein Teil der Literatur (Schmidt/Heinicke, 32. Aufl. 2013, § 10b EStG Rn. 5) auch einen rechtsgültigen Vorstandsbeschluss genügen lassen, kann der Senat dem daher nicht folgen.
bb) Selbst wenn zugunsten des Klägers angenommen würde, dass auch ein Vorstandsbeschluss eine ausreichende Rechtsgrundlage darstellen kann, würde daraus im Streitfall kein anderes Ergebnis folgen. Dies liegt zum einen daran, dass der Kläger nicht den Nachweis führen konnte, den Vorstandsbeschluss seinen Mitgliedern bekannt gemacht zu haben. Zum anderen war der Vorstandsbeschluss nicht hinreichend konkret. Der Senat hat bei einer Würdigung der Gesamtumstände vielmehr die Überzeugung gewonnen, dass die Einräumung eines Aufwendungsersatzanspruchs nicht ernsthaft gewollt war, sondern nur "formal auf dem Papier" stand.
Aufwandsspenden können steuerrechtlich als reguläre Spenden zu berücksichtigen sein, sofern beim Spender nachweislich eine tatsächliche Vermögenseinbuße eintritt. Bei der Beurteilung des Verzichts auf die Erstattung von Aufwendungen ist zu berücksichtigen, dass es die Beteiligten in der Hand haben, ob sie unentgeltlich, ob sie entgeltlich oder ob sie unentgeltlich, aber zumindest gegen Ersatz ihrer Aufwendungen tätig werden wollen. Dabei werden die Beteiligten auch Überlegungen anstellen, wie die Situation für alle Beteiligten am günstigsten gestaltet werden kann. Bietet das Steuergesetz bestimmte Wege, so können diese Wege von den Steuerpflichtigen beschritten werden, ohne dass ihnen missbräuchliches Verhalten vorgehalten werden kann.
Im Rahmen des Spendenabzugs sieht § 10b Abs. 3 Satz 4 EStG die Möglichkeit des Verzichts auf einen Aufwendungsersatzanspruch ausdrücklich vor. Es ist daher prinzipiell nicht zu beanstanden, wenn die Steuerpflichtigen diese Gestaltung wählen. Allerdings ist im Hinblick auf die gleich gelagerten Interessen von Spender und Empfänger in Fällen dieser Art darauf zu achten, dass die Beteiligten ernstlich gewollte, klare, eindeutige und widerspruchsfreie Abmachungen getroffen haben und dass die einzelnen Verträge und Willenserklärungen ihrem Inhalt entsprechend durchgeführt worden sind; die Vereinbarungen müssen insoweit einem "Fremdvergleich" standhalten (BFH-Urteil vom 9. Mai 2007 XI R 23/06, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2007, 2251; Finanzgericht -FG- München, Urteil vom 7. Juli 2009 6 K 3583/07, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2009, 1823; beide auch zu den folgenden Ausführungen).
Aus dem Vorstandsbeschluss wird nicht hinreichend deutlich, wem der Kläger unter welchen Voraussetzungen einen Aufwendungsersatzanspruch für Reisekosten einräumen wollte. Hinsichtlich der Person der Ersatzberechtigten kommen neben Trainern, Betreuern, Vereinsfunktionären auch die fußballspielenden Mitglieder selbst sowie - bei minderjährigen Mitgliedern - deren Eltern in Betracht. Auch der Anlass der Reisekosten war nicht beschränkt mit der Folge, dass z.B. auch für die Fahrten zum Training ein Reisekostenersatz in Betracht käme. Die Kläger-Bevollmächtigte konnte vor diesem Hintergrund in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht erklären, wem und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Ersatz der Reisekosten zustehen sollte. Dies spricht gegen die Ernsthaftigkeit der Zusage im Vorstandsbeschluss vom 10. Dezember 2004.
Gleiches gilt hinsichtlich der Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs. Der Vorstandsbeschluss sieht vor, dass die Reisekosten im Rahmen der zulässigen steuerlichen bzw. vereinsinternen Pauschalbeträge zu erstatten sein sollten. Vereinsinterne Pauschalbeträge dürften gar nicht festgesetzt worden sein; jedenfalls hat der Kläger dies nicht vorgetragen, und auch die Prozessbevollmächtigte konnte in der mündlichen Verhandlung keine nennen. Hinsichtlich der steuerlichen Pauschalbeträge, auf die der Vorstandsbeschluss verweist, bleiben viele Fragen offen. So ist nicht klar, ob die Fahrten nach den Grundsätzen der Entfernungspauschale oder nach Dienstreisegrundsätzen abgerechnet werden sollten. Auch die Frage, ob zusätzliche Aufwendungen wie z.B. Verpflegungsmehraufwand und Übernachtungskosten zu erstatten sind, ist nicht geregelt.
Gegen die Ernsthaftigkeit des Vorstandsbeschlusses spricht auch die Höhe der Aufwendungsersatzansprüche. Zwar folgt der Senat nicht der Auffassung des Beklagten, dass vom schlechtesten Fall auszugehen sei, dass also alle 281 Mitglieder den Höchstbetrag von 3.000,- EUR geltend machen (entspricht: 843.000,- EUR); denn dies ist unrealistisch. Aber allein die tatsächlich als Verzicht bestätigten Aufwendungsersatzansprüche von über 20.000,- EUR in den Jahren 2006 und 2007 dürften die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Klägers überschritten haben.
Schließlich steht der steuerlichen Anerkennung von Aufwandsspenden entgegen, dass nicht alle Reisekosten fremdnütziger Natur waren, also dem Kläger zugute kamen, wie dies z.B. bei Fahrten von Trainern und Betreuern der Fall wäre. Jedenfalls ein Teil der Reisekosten diente vielmehr der Wahrnehmung der eigenen Mitgliedschaftsrechte. Dies betrifft insbesondere Fahrten der Sportler (oder ihrer Eltern), und zwar selbst dann, wenn Fahrgemeinschaften gebildet worden sein sollten. Denn Aufwendungen, die (auch) im eigenen Interesse des Zuwendenden getätigt werden, fehlt das für den Spendenabzug zwingend erforderliche Element der Uneigennützigkeit.
cc) Im Übrigen liegen im Streitfall auch die Ausschlusskriterien des § 10b Abs. 3 Satz 6 EStG vor. Danach darf der Anspruch auf Aufwendungsersatz nicht unter der Bedingung des Verzichts erklärt werden. Er darf also nicht ausschließlich deshalb gewährt werden, dass zur Erlangung der Steuerbegünstigung anschließend auf ihn verzichtet wird.
Nach dem Vorstandsbeschluss vom 10. Dezember 2004 konnten "die zu erstattenden Reisekosten ... auf Antrag ... als Aufwandsspende bestätigt werden". Eine Auslegung, wonach der Vorstandsbeschluss auch eine Auszahlung der Reisekostenerstattung vorsieht, ist nach der Auffassung des Senats nicht möglich. Genau diese Fälle schließt § 10b Abs. 3 Satz 6 EStG aber von der Begünstigung aus.
3. Die für den Kläger handelnden Personen haben grob fahrlässig gehandelt.
a) Es liegt jedoch kein grob fahrlässiges Handeln des Vorstands des Klägers vor.
Da der Kläger als juristische Person selbst nicht handlungsfähig ist, kommt es darauf an, ob die für ihn handelnden Organe mindestens grob fahrlässig gehandelt haben, weil das Handeln dieser Personen dem Kläger als eigenes Handeln zugerechnet wird. Nach der ständigen BFH-Rechtsprechung handelt grob fahrlässig, wer die nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten gebotene und zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. September 1990 V R 110/85, BStBl II 1991, 124). Das ist dann der Fall, wenn der Betroffene unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, oder wenn er die einfachsten, ganz naheliegenden Überlegungen nicht anstellt (vgl. Klein/Rüsken, AO,11. Aufl. 2012, § 173 Rn. 111 ff.). Für den Vorstand des Vereins war es nicht ohne weiteres erkennbar, dass die erteilten Zuwendungsbestätigungen falsch waren, zumal der steuerliche Berater des Klägers offenbar zu diesem Vorgehen geraten hatte. Bei der Ermittlung der Sorgfaltspflichten des Vorstandes ist auch zu berücksichtigen, dass der Vorstand ehrenamtlich tätig ist. Es kann daher nicht der gleiche Sorgfaltsmaßstab wie z.B. bei einem GmbH-Geschäftsführer angelegt werden.
b) Dem Kläger ist aber das Verschulden seines damaligen steuerlichen Beraters zuzurechnen.
aa) Im Rahmen des § 10b Abs. 4 EStG ist dem Kläger das Verschulden seiner Vertreter zuzurechnen. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung an, wonach der Verschuldensbegriff des § 10b Abs. 4 EStG dem des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO entspricht (FG München, Urteil vom 16. Juli 1996 16 K 3638/94, EFG 1997, 322; wohl auch Schmidt/Heinicke, 32. Aufl. 2013, § 10b Rn. 51 f; offen: Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10b EStG Anm. 145, 142).
Der Senat hält diese Verschuldenszurechnung für gerechtfertigt, weil sie dem allgemeinen Rechtsgedanken entspricht, dass derjenige, der andere mit der Erfüllung seiner Angelegenheiten betreut, auch für deren Fehler einzustehen hat. Anderenfalls hätte die Einschaltung eines steuerlichen Beraters eine unangemessene Einschränkung der Haftung nach § 10b Abs. 4 EStG zur Folge. Auf der anderen Seite steht dann gegebenenfalls ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den damaligen steuerlichen Berater, über dessen Bestehen der Senat aber nicht zu entscheiden hat.
bb) Der steuerliche Berater des Klägers hat grob fahrlässig gehandelt.
An die Sorgfaltspflichten eines Anwalts oder eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe sind besonders hohe Anforderungen zu stellen, nämlich eine äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt (BFH-Urteil vom 17. März 2010 X R 57/08, BFH/NV 2010, 1780). Bei einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe wird vorausgesetzt, dass er das materielle Recht und das Verfahrensrecht kennt, so dass sein Irrtum auf diesem Gebiet regelmäßig als schuldhaft einzuordnen ist.
Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall von grober Fahrlässigkeit des Steuerberaters des Klägers auszugehen; denn für den steuerlichen Berater des Klägers war in den Streitjahren erkennbar, dass die Zuwendungsbestätigungen des Klägers falsch waren. Insbesondere war offenkundig, dass es einer hinreichenden Grundlage und Konkretisierung der Ansprüche auf Ersatz der Reisekosten fehlte. Auch der Verstoß gegen § 10b Abs. 3 Satz 6 EStG war ohne weiteres erkennbar.
Zudem ist zu Lasten des steuerlichen Beraters des Klägers zu berücksichtigen, dass ihn der Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2005 - also vor Erstellung der meisten hier streitigen Zuwendungsbestätigungen - auf die rechtliche Problematik hingewiesen hat. Ein steuerlicher Berater, der dann die Augen vor den negativen Konsequenzen der anderen Rechtsansicht verschließt, handelt grob fahrlässig.
4.§ 10b Abs. 4 Satz 3 EStG sieht eine Haftung in Höhe von 30% des zugewendeten Betrags vor. Bis zum Jahr 2006 galt ein Satz von 40%. Maßgebend für die Anwendung des abgesenkten Prozentsatzes ist der Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheids (§ 52 Abs. 1 EStG). Da der Haftungsbescheid erst am 23. Juli 2010 ergangen ist, musste der niedrigere Prozentsatz angewendet werden. Dies hat der Beklagte in der Einspruchsentscheidung nachgeholt.
Der Haftungsanspruch ist auch nicht durch Verjährung erloschen; dabei ist insbesondere die Ablaufhemmung des § 10b Abs. 4 Satz 5 EStG zu beachten, wonach die Festsetzungsfrist für die Haftung nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist der Körperschaftsteuer des Klägers für den Veranlagungszeitraum der Ausstellung der unrichtigen Zuwendungsbestätigung endet. Dies war hier für den ältesten Streitzeitraum 2005 im Jahr 2010 noch nicht der Fall.
5. Der Beklagte hat auch sein Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt.
a) Der Beklagte hatte gem. § 191 Abs. 1 AO zu entscheiden, ob überhaupt und in welcher Höhe eine Haftungsinanspruchnahme erfolgen sollte. Ob die Behörde von der Möglichkeit der Inanspruchnahme Gebrauch macht, liegt grundsätzlich in ihrem (Entschließungs-)Ermessen. Die Ermessensentscheidung ist nach § 102 FGO darauf zu überprüfen, ob der Haftungsbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Wegen der Befugnis und Verpflichtung des Gerichts zur Überprüfung behördlicher Ermessensentscheidungen, die dem Gericht keinen Raum für eigene Ermessenserwägungen lässt, muss die Ermessensentscheidung der Verwaltung im Haftungsbescheid, spätestens aber in der Einspruchsentscheidung begründet werden (vgl. § 121 Abs. 1, § 126 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO).
b) Der Beklagte hat sein Entschließungsermessen ordnungsgemäß ausgeübt.
§ 191 Abs. 1 AO räumt der Behörde ein Entschließungsermessen hinsichtlich der Inanspruchnahme des Haftungsschuldners ein. Der Senat schließt sich jedoch der Auffassung des Hessischen Finanzgerichts (Urteil vom 14. Januar 1998 4 K 2594/94, EFG 1998, 128) an, dass im Fall des § 10b Abs. 4 EStG aufgrund des Legalitätsprinzips (§ 85 AO) grundsätzlich eine Verpflichtung des Finanzamts besteht, die Körperschaft in Haftung zu nehmen, die eine falsche Zuwendungsbestätigung erteilt.
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Kläger auf Haftung in Anspruch genommen und nicht die Einkommensteuer der Zuwendenden erhöht worden ist; denn die Zuwendenden durften auf die Richtigkeit der Zuwendungsbestätigungen des Klägers vertrauen.
Der Steuerpflichtige darf auf die Richtigkeit der Zuwendungsbestätigung vertrauen, es sei denn, dass er die Bestätigung durch unlautere Mittel oder falsche Angaben erwirkt hat oder dass ihm die Unrichtigkeit der Bestätigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war (§ 10b Abs. 4 Satz 1 EStG). Die Zuwendenden haben die Bestätigung weder durch unlautere Mittel oder falsche Angaben erwirkt, noch war ihnen die Unrichtigkeit der Zuwendungsbestätigungen bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt (§ 10b Abs. 4 Satz 1 EStG). Davon gehen - unausgesprochen - auch die Beteiligten aus. Zwar waren die Zuwendungsbestätigungen - wie bereits ausgeführt - falsch. Hinsichtlich der Sorgfaltsanforderungen gelten bei den Zuwendenden aber vergleichbare Anforderungen wie beim Vorstand des Klägers. Wie diesem ist auch den Zuwendenden nicht der Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens zu machen.
c) Sein Auswahlermessen hat der Beklagte dahingehend ausgeübt, dass er mit dem Kläger denjenigen in Anspruch genommen hat, der die unzutreffenden Zuwendungsbestätigungen erteilt hat. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte ausschließlich den Kläger und nicht auch die für ihn handelnden Personen in Haftung genommen hat. Denn "Aussteller" im Sinne des § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG ist nicht die natürliche Person, die die Zuwendungsbestätigung erstellt und/oder unterschrieben hat, sondern der Kläger als Empfängerkörperschaft, sodass auch nur der Kläger als Haftungsschuldner in Betracht kommt. Etwas anderes würde nur gelten, wenn den für den Kläger handelnden Personen ein so massives Fehlverhalten vorzuwerfen wäre, dass ihr Handeln nicht mehr als Ausfüllung des ihnen als Organ oder Vertreter des Klägers zukommenden Wirkungskreises angesehen werden könnte (vgl. Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10b EStG Anm. 146, m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
II. Auch die gegen die Zahlungsaufforderung im Haftungsbescheid vom 23. Juli 2010 gerichtete Klage ist unbegründet; weil auch dieser Verwaltungsakt rechtmäßig ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Die Zahlungsaufforderung gem. § 219 AO ist ein selbständiger Verwaltungsakt, nämlich das Leistungsgebot iSv § 254 Abs. 1 AO bei Haftungsbescheiden, gegen den der Einspruch gegeben ist. Allerdings können gegen das Leistungsgebot keine Einwendungen erhoben werden, die sich gegen den Grund und die Höhe der Haftung richten (vgl. Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl. 2012, § 219 Rn. 12).
Zwar weist die Zahlungsaufforderung kein Fälligkeitsdatum aus; die Angabe der Zahlungsfrist ist aber kein notwendiger Inhalt der Zahlungsaufforderung (Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl. 2012, § 219 Rn. 2).
Auch die einschränkenden Voraussetzungen des § 219 Satz 1 AO sind im Fall der Haftung nach § 10b Abs. 4 Satz 2 ff. EStG nicht zu beachten. Danach darf, wenn nichts anderes bestimmt ist, ein Haftungsschuldner nur auf Zahlung in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben ist oder vermutlich aussichtslos sein wird. Da - wie bereits dargelegt - die Zuwendenden auf die Richtigkeit der Zuwendungsbestätigungen vertrauen durften, konnten sie die Bemessungsgrundlage ihrer Einkommensteuer um die bestätigten Zuwendungen mindern, und eine Vollstreckung bei ihnen kommt nicht in Betracht.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.