01.02.2024 · IWW-Abrufnummer 239408
Verwaltungsgericht Düsseldorf: Urteil vom 29.01.2024 – 29 K 910/22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten um eine infektionsschutzrechtliche Entschädigungszahlung für die Ordensschwester Frau M. T. .
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Frau T. ist Mitglied der Ordensgemeinschaft I. -H. -T1. . Die Ordensgemeinschaft gewährt ihr Unterbringung, Verpflegung, Bekleidung, ärztliche Versorgung und Altersruhestand.
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Seit dem Jahr 2010 ist Frau T. für den Kläger im Rahmen eines sogenannten Gestellungsvertrages zwischen dem Kläger und der Ordensgemeinschaft als Pflegehilfskraft mit einem Beschäftigungsumfang von 31 Stunden beschäftigt. Im Jahr 2020 zahlte der Kläger an die Ordensgemeinschaft ein monatliches Gestellungsgeld in Höhe von 3.745,41 Euro.
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Im Juli 2020 ordnete die X. E. im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gegenüber Frau T. für neunzehn Tage eine Absonderung in Form der häuslichen Quarantäne an. Im Oktober 2020 kam es erneut zu einer ‒ in diesem Fall zehntätigen ‒ behördlichen Absonderungsanordnung.
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Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 00. Mai 2021 für Frau T. eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 3.447,26 Euro.
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Mit am 00. Mai 2021 und 00. Juni 2021 unterschriebener Urkunde vereinbarten der Kläger und der I. -H. -T1. J. M1. e.V., Forderungen der Ordensgemeinschaft nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) wegen der Corona-Erkrankungen von Frau T. im Juli und Oktober 2020 an den Kläger abzutreten.
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Mit Bescheid vom 00. Dezember 2021 lehnte der M2. S. den Antrag ab, da die Ordensschwester kein Gehalt und damit kein Arbeitsentgelt erhalte.
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Der Kläger hat am 20. Januar 2022 Klage erhoben.
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Er meint, dass die ablehnende Entscheidung rechtswidrig sei. Das gezahlte Gestellungsgeld enthalte Sozialversicherungsbeiträge und Steuern, die von der Ordensgemeinschaft für die Ordensschwestern abgeführt würden. Das für Frau T. gezahlte Gestellungsgeld sei höher als ein Gehalt, das der Kläger ihr im Falle eines Anstellungsverhältnisses zahlen würde. Der Verdienstausfall sei nicht bei der Ordensschwester, dafür aber bei dem sie versorgenden Orden eingetreten. So werde der Kläger das Ordensgestellungsgeld um die Ausfallzeit der Ordensschwester kürzen müssen. Ohne Gestellungsgeld könne der Orden indes nicht die Versorgung seiner Mitglieder sicherstellen. Im Ergebnis habe der Orden seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt und einen Verdienstausfall erlitten. Die Argumentation des Beklagten würde die Ordensschwester und den Orden diskriminieren. Die Ordensschwestern seien ebenso wie andere Mitarbeitende als Arbeitskräfte anzusehen, da sie der Wohnbereichsleitung unterstellt seien und gegebenenfalls arbeitsrechtliche Konsequenzen tragen müssten.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 00. Dezember 2021 zu verpflichten, dem Kläger die am 00. Mai 2021 beantragte Entschädigung in Höhe von 3.447,26 Euro zu bewilligen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Ansicht, dass § 56 IfSG mangels Verdienstausfalls nicht einschlägig sei. Das Gestellungsgeld werde unmittelbar an die Ordensgemeinschaft und nicht an die Ordensschwester selbst gezahlt. Ferner obliege der Ordensgemeinschaft die unbedingte Sorge, insbesondere in kranken und alten Tagen. Zudem sei die Arbeit der Ordensschwester durch karitative Gesichtspunkte geprägt, sodass keine der Unterhaltssicherung dienende Erwerbstätigkeit vorliege. Insbesondere fehle es an einer Beschäftigung im Sinne des § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch, da Ordensleute im Rahmen einer Gestellung keine fremdbestimmte Arbeit leisteten, sondern aus religiös-sittlicher Motivation allein ihren Hausoberen unterstünden. Im Übrigen werde der Gestellungsvertrag überwiegend als Werkvertrag eingeordnet und ausweislich der vorgelegten Abrechnungen würden gerade keine Sozialversicherungsabgaben geleistet. Auf eine finanzielle Einbuße des Ordens komme es nicht an, da für einen Entschädigungsanspruch allein entscheidend sei, ob der betroffene Arbeitnehmer einen Verdienstausfall erleidet. Dieser solle vor materieller Not geschützt werden, wenn die allgemeine Fortzahlungspflicht des Arbeitgebers nicht eingreife.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zur Begründung des Entschädigungsanspruchs auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. August 2023 (Az. VG 32 K 198/22) verwiesen.
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Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, nachdem die Kammer ihm den Rechtsstreit gemäß § 6 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) mit Beschluss vom 17. November 2023 übertragen hat.
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Die als Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO statthafte Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 56 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 IfSG (analog) in der Fassung vom 23. Mai 2020 auf Bewilligung von 3.447,26 Euro gegen den Beklagten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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Das IfSG findet vorliegend in der ab dem 23. Mai 2020 gültigen Gesetzesfassung Anwendung, weil die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens des möglichen Anspruchs auf Erstattung der gezahlten Verdienstausfallentschädigung maßgeblich ist.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 10. März 2023 ‒ 18 A 563/22 ‒, juris Rn. 42 ff.
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Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG in der ab dem 23. Mai 2020 gültigen Fassung erhält eine Entschädigung, wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 IfSG Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet. Nach Satz 2 gilt das Gleiche für Personen, die als Ausscheider, Ansteckungsverdächtige oder Krankheitsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können. Ein so entstandener Entschädigungsanspruch eines Arbeitnehmers wird zunächst vom Arbeitgeber erfüllt, dem die ausgezahlten Beträge sodann auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet werden (vgl. § 56 Abs. 5 Satz 1 und 2 IfSG in der ab dem 23. Mai 2020 gültigen Fassung).
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Vorliegend ist bei Frau T. schon kein Anspruch nach § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG entstanden, sodass ein Erstattungsanspruch des Klägers nach § 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG ‒ unabhängig davon ob aus eigenem oder aus durch die Ordensgemeinschaft abgetretenem Recht ‒ nicht besteht.
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Zwar war Frau T. im Juli und Oktober 2020 Adressatin einer Absonderungsanordnung der X. E. nach § 30 IfSG.
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Ein ihr infolge dieser behördlichen Maßnahmen entstandener Verdienstausfall wurde jedoch nicht dargelegt.
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Nach § 56 Abs. 3 Satz 1 IfSG gilt als Verdienstausfall das Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zusteht, vermindert um Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung sowie zur Arbeitsförderung oder entsprechende Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang (Netto-Arbeitsentgelt). Gemäß § 56 Abs. 3 Satz 4 IfSG gilt diese Vorschrift dem Grunde nach auch für in Heimarbeit Beschäftigte und für Selbständige.
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Frau T. erhält für ihre Tätigkeit bei dem Kläger weder von dem Kläger selbst noch von ihrer Ordensgemeinschaft ein Arbeitsentgelt.
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Zwischen Frau T. , der Ordensgemeinschaft und dem Kläger besteht eine rechtliche Verbindung dergestalt, dass Frau T. auf Geheiß der Ordensgemeinschaft im Rahmen eines Gestellungsvertrages zwischen der Ordensgemeinschaft und dem Kläger bei dem Kläger tätig wird.
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Für gewöhnlich versteht man unter Gestellungsverträgen Verträge zwischen einer karitativen Einrichtung und einem Entleiher (Gesteller). Sie zeichnen sich durch mangelnde Erwerbswirtschaft des Gestellers und durch die fehlende Arbeitnehmereigenschaft der Bediensteten aus.
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Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland, Beschluss vom 25. 4. 1996 - 0124/11-95, NZA-RR 1998, 479; vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Januar 2004 ‒ L 1 AL 113/01 ‒, juris Rn. 29 m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 3. September 1990 ‒ 6 P 20/88 ‒, juris Rn. 17 und Ihli, Fremdpersonaleinsatz in der Kirche, ZAT 2015, 159 (162).
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Unabhängig davon, ob zwischen der karitativen Einrichtung und der gestellten Person partielle arbeitsvertragliche Pflichten entstehen können bzw. parallel zum Gestellungsvertrag ein Arbeitsvertrag vorliegen kann,
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vgl. Kirchlicher Arbeitsgerichtshof für die deutschen Diözesen, Urteil vom 7. Juni 2013 ‒ M 22/12 ‒, juris Orientierungssatz 1,
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ist dies vorliegend jedenfalls hinsichtlich der arbeitsrechtlichen Lohnzahlungspflicht im Sinne des § 611a Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch nicht dargelegt. Vielmehr zahlt der Kläger für die Dienste von Frau T. allein an die Ordensgemeinschaft eine Vergütung. Die Ordensgemeinschaft muss die Vergütung auch nicht unmittelbar bzw. in der ausgezahlten Höhe an Frau T. weiterleiten und ist damit nicht bloße „Zahlstelle“ ihrer Mitglieder.
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Soweit sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. August 2023 (Az. VG 32 K 198/22) gestützt hat, folgt hieraus keine andere Bewertung des Verdienstausfalls bei Frau T. . Das Urteil betrifft eine andere Fallkonstellation.
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Zwar wird in der Entscheidung der wohl nur durch die Fortgeltungsanordnung des § 56 Abs. 9 Satz 3 IfSG n.F. abgewendete Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld infolge der Absonderungsanordnung mit einem Verdienstausfall gleichgestellt.
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Vgl. Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 25. August 2023 ‒ 32 K 198/22 ‒, juris Rn. 30; anderer Ansicht jedoch Verwaltungsgericht Frankfurt, Urteil vom 1. November 2023 ‒ 5 K 452/23.F ‒, juris Rn. 38 f.
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Soweit man diese Auffassung entgegen dem Wortlaut von § 56 Abs. 9 Satz 1 IfSG, der an einen bereits bestehenden Entschädigungsanspruch und damit auch weiterhin an einen Verdienstausfall im Sinne des § 56 Abs. 3 IfSG anknüpft, teilen sollte, setzt der Verdienstausfall im Ausgangspunkt gleichwohl wiederum einen in der Person des Störers liegenden unmittelbaren materiellen Verlust voraus. Daran fehlt es jedoch auf Grundlage des Vorbringens der Beteiligten bei Frau T. .
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Auch die Erwägung, dass der Übergang des Entschädigungsanspruchs durch § 56 Abs. 9 Satz 1 IfSG zur Folge habe, dass die Kosten nicht bei der Versichertengemeinschaft verblieben, sondern vom Land getragen würden,
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Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 25. August 2023 ‒ 32 K 198/22 ‒, juris Rn. 44,
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legitimiert nicht, bei der Betrachtung des Verdienstausfalls die Störereigenschaft einer natürlichen Person grundsätzlich mit einer (möglichen) finanziellen Einbuße bei der hinter ihr stehenden Organisation zu kombinieren.
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Unabhängig hiervon steht einem Entschädigungsanspruch des Klägers aus eigenem Recht Folgendes entgegen: Ein Erstattungsanspruch setzt voraus, dass der Arbeitgeber an seinen Arbeitnehmer eine Entschädigung im Sinne des § 56 Abs. 1 IfSG leistet und nicht regulär weiterzahlt, etwa in Gestalt der Lohnfortzahlung.
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Vgl. Kümper, in: Kießling, Infektionsschutzgesetz, 3. Aufl. 2022, IfSG § 56 Rn. 45.
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Nach dem klägerischen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, wonach das Gestellungsgeld im Falle eines Ausfalls der Ordensschwester analog zum Entgeltfortzahlungsgesetz genauso weitergezahlt würde, wie wenn die Ordensschwester zum Dienst erscheinen würde, ist indes jedenfalls zweifelhaft, dass infolge des quarantänebedingten Ausfalls von Frau T. das Gestellungsgeld nicht ohnehin weitergezahlt und stattdessen eine Entschädigung entsprechend § 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG gezahlt worden wäre.
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Auch die Mitgliedschaft von Frau T. in der Ordensgemeinschaft begründet kein Arbeitsverhältnis, aus dem ein Anspruch auf Arbeitsentgelt und hierdurch ein möglicher Verdienstausfall folgen würde. Die Mitgliedschaft ist vielmehr in der Regel Teil einer Lebensordnung, auf die staatliches Recht ‒ und damit auch das Arbeitsrecht ‒ nicht zur Anwendung gelangt, weil der Dienst ausschließlich vom religiösen Bekenntnis geprägt wird.
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Vgl. BAG, Urteil vom 25. April 2023 ‒ 9 AZR 253/22 ‒, juris Rn. 42; Ihli, Fremdpersonaleinsatz in der Kirche, ZAT 2015, 159 (162); vgl. BFH, Urteil vom 30. Juli 1965 ‒ VI 205/64 U ‒, juris Rn. 10.
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Entsprechend sind die seitens der Ordensgemeinschaft ‒ nicht näher bezifferte ‒ gewährte Verpflegung und Unterbringung auch keine an die Tätigkeit der Ordensschwester bei dem Kläger im Sinne eines schuldrechtlichen Gegenseitigkeitsverhältnisses gekoppelten Sachbezüge, die im Falle des Vorenthaltens einen Verdienstausfall begründen würden. Vielmehr dürfte es sich um eine Grundverpflichtung der Ordensgemeinschaft handeln, die nach kirchlichem Recht eine zwingende Rechtsfolge des wirksamen Beitritts zur Ordensgemeinschaft darstellt.
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Vgl. Glenski, Die Stellung der Ordensangehörigen in der Krankenversicherung, S. 78 f.
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Etwas anderes hat der Kläger ‒ insbesondere nicht auf die Nachfrage in der mündlichen Verhandlung, ob die Versorgung der Ordensschwester durch den Orden an Bedingungen geknüpft sei ‒ auch nicht dargelegt.
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Ein bei der Ordensgemeinschaft selbst entstandener Entschädigungsanspruch liegt bereits unabhängig von einem möglichen Verdienstausfall nicht vor. Ein solcher kommt nach § 56 Abs. 1 Satz 1 bzw. Satz 2 IfSG nur bei natürlichen Personen in Betracht, die Adressat einer entsprechenden infektionsschutzrechtlichen Anordnung waren.
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Vgl. Kümper, in: Kießling, Infektionsschutzgesetz, 3. Aufl. 2022, IfSG § 56 Rn. 11.
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Dies ist bei der Ordensgemeinschaft, die naturgemäß kein Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger oder Adressat einer Absonderung sein kann, ‒ ebenso wie beim Kläger selbst ‒ nicht der Fall.
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Eine analoge Anwendung von § 56 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 IfSG auf Fälle wie den vorliegenden, in dem ein Ordensmitglied einer Absonderungsanordnung unterfällt und die karitative Einrichtung das Gestellungsgeld an den Gesteller fortzahlt und hierdurch materiell schlechter als ohne die Absonderungsordnung steht, kommt ebenfalls nicht in Betracht.
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Es fehlt bereits an der neben einer vergleichbaren Interessenlage für die Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.
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Für die Annahme der Planwidrigkeit muss sich die Regelungslücke aus dem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrunde liegenden Regelungsplan ergeben.
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Vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2014 ‒ III ZR 61/14 ‒, juris Rn. 9.
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So liegen die Dinge hier nicht.
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Im Zuge der Normierung des Infektionsschutzgesetzes heißt es in der Gesetzesbegründung, dass die im 12. Abschnitt getroffenen Entschädigungsregelungen den von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Aufopferungsanspruch umfassend ersetzen würden und diesem damit insoweit keine lückenschließende Funktion mehr zukomme. Weitergehende Ansprüche aus Amtshaftung blieben unberührt.
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BT-Drs. 14/2530, S. 87.
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Daraus folgt, dass die Entschädigungsvorschriften der §§ 56 ff. IfSG als gesondert normierte Regelung eines allgemeinen Aufopferungsanspruchs mit Ausnahme von Amtshaftungsansprüchen abschließend gemeint waren.
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Vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 23. Februar 2023 ‒ 4 U 70/21 ‒, juris Rn. 69 f.; vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 5. November 2021 ‒ I-11 U 44/21 ‒, juris Rn. 17: „Auch bei der Einführung des IfSG wurde mit den Regelungen in §§ 56 und 65 IfSG eine den §§ 49 und 57 BSeuchG ähnliche punktuelle Entschädigungsregelung zugunsten eines begrenzten Personenkreises beibehalten.“ (Unterstreichung durch den Einzelrichter); vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 1. Juni 2022 ‒ 3 B 29/21 ‒, juris Rn. 17.
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Entsprechend führt der BGH aus:
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„Der Gesetzgeber hat mit §§ 56, 65 IfSG ein plangemäß vollständiges Entschädigungsregime geschaffen, das bewusst nur bestimmte Beeinträchtigungskonstellationen erfassen sollte.“
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BGH, Urteil vom 11. Mai 2023 ‒ III ZR 41/22 ‒, juris Rn. 28.
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Darüber hinaus legt die Überschrift des 12. Abschnitts des IfSG „Entschädigung in besonderen Fällen“ (Unterstreichung durch den Einzelrichter) nahe, dass sich der Gesetzgeber bewusst für eine Beschränkung der Entschädigungsleistungen auf gerade die normierten Fälle entschieden hat und nicht sämtliche aus Absonderungen resultierenden materiellen Einbußen ‒ auch nicht hinsichtlich nicht in der Vorschrift enthaltener Personengruppen, die von einer Absonderung betroffen sind ‒ erfassen wollte.
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Gleiches folgt aus der lediglich punktuellen Erweiterung des Anspruchskreises der Entschädigungsberechtigten bei notwendiger Kinderbetreuung zum Zeitpunkt einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite gemäß § 56 Abs. 1a IfSG in Ansehung der Corona-Pandemie.
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Vgl. OLG Hamm, Urteil vom 5. November 2021 ‒ I-11 U 44/21 ‒, juris Rn. 18.
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Soweit eine analoge Anwendung von § 57 IfSG im Falle eines Übergangs des Entschädigungsanspruchs nach § 56 Abs. 9 IfSG und von der Bundesagentur für Arbeit fortgezahlten Sozialversicherungsbeiträgen angenommen wird,
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vgl. Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 25. August 2023 ‒ 32 K 198/22 ‒, juris Rn. 57,
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knüpft dies an einen bereits bestehenden Entschädigungsanspruch im Sinne des § 56 Abs. 1 IfSG an und weicht nicht zugunsten zusätzlicher Anspruchsberechtigter von dem erforderlichen Zusammenfallen von Störereigenschaft und hierdurch verursachtem Verdienstausfall in der Person des Störers ab.
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Über diese allein die Regelungsstruktur des IfSG betreffenden Erwägungen hinaus drängt sich eine planwidrige Regelungslücke auch bei Betrachtung des konkreten Falles nicht auf. Vielmehr spricht folgende Erwägung dagegen, dass nach dem § 56 IfSG zugrundeliegenden Regelungsplan für im Rahmen von Gestellungsverträgen tätige Ordensmitglieder ebenfalls ein ‒ auf die fortzahlende karitative Einrichtung übergangsfähiger ‒ Anspruch auf Entschädigung vorgesehen war, dies aber planwidrig nicht geregelt wurde:
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Bei § 56 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG handelt es sich um eine Billigkeitsregelung, die Störern im infektionsschutzrechtlichen Sinne ausnahmsweise, um eine gewisse Sicherung vor materieller Not zu erreichen, eine Entschädigung gewährt, wenn sie auf Grund ihrer Störereigenschaft einem gezielt personenbezogenen Erwerbsverbot unterworfen worden sind.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. März 2023 ‒ 18 A 563/22 ‒, juris Rn. 52.
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Die materielle Not, der vorgebeugt werden soll, muss damit ‒ würde keine gesetzliche Entschädigungsregelung eingreifen ‒ unmittelbar auf das Erwerbsverbot zurückzuführen sein. Dies ist bei Gestellungsverträgen ohne eigenen Erwerbsanspruch des Ordensmitgliedes jedoch nicht der Fall. Soweit Ordensangehörige in kirchlichen Einrichtungen nicht als (lohnberechtigte) Arbeitnehmer beschäftigt werden müssen, obwohl sie weisungsgebundene Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verrichten,
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vgl. BAG, Urteil vom 25. April 2023 ‒ 9 AZR 253/22 ‒, juris Rn. 42,
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dient ihre Tätigkeit bereits bei regulärer Durchführung ohne ein Beschäftigungsverbot nicht der unmittelbaren Absicherung vor materieller Not. Die Ordensmitglieder tragen lediglich mittelbar durch die Erwirtschaftung der Gestellungsgelder zu ihrer eigenen materiellen Absicherung durch die Ordensgemeinschaft bei, da als zusätzlicher Zwischenschritt die ordnungsgemäße Verwaltung und Verteilung des Ordensvermögens hinzutritt.
78
Vgl. Sailer, Die Stellung der Ordensangehörigen im staatlichen Sozialversicherungs- und Vermögensrecht, S. 141.
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Darüber hinaus wird die Erfüllung der Versorgungsgewährleistung bei den Orden der katholischen Kirche durch ein Solidarwerk („Solidarwerk der katholischen Orden Deutschlands e.V.“) abgesichert, das aus Beiträgen aller Orden finanziert wird.
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Hierzu Geckeler, in: Rolfs/Giesen, BeckOK Sozialrecht, 71. Ed. 1.12.2023, SGB VI § 5 Rn. 8b.
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Die Eingliederung von Ordensmitgliedern in eine ‒ sogar über den einzelnen Orden hinausreichende ‒ Solidargemeinschaft unterscheidet diese insoweit maßgeblich von demgegenüber allein verantwortlichen Arbeitnehmern und Selbständigen, die während eines Erwerbsverbots ohne gleichzeitige Entgeltfortzahlung oder eine Ausfallversicherung in materielle Not geraten könnten.
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Darüber hinaus spricht gegen eine planwidrig unterlassene Gleichstellung von im Rahmen von Gestellungsverträgen tätigen Personen mit Arbeitnehmern oder Selbständigen, dass das erwirtschaftete Gestellungsgeld eine steuer- bzw. sozialversicherungsrechtliche Sonderstellung einnimmt: Ordensmitglieder sind bei Gestellungsverträgen ohne einen daneben bestehenden Arbeitsvertrag regelmäßig nicht von der Einkommenssteuerpflicht umfasst und die für den Orden erwirtschafteten Einkünfte werden auch im Falle einer Nachversicherung in die gesetzliche Rentenversicherung nach § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch bei Ausscheiden eines Ordensmitglieds aus seinem Verband nicht berücksichtigt.
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Vgl. Glenski, Die Stellung der Ordensangehörigen in der Krankenversicherung, S. 100; Sailer, Die Stellung der Ordensangehörigen im staatlichen Sozialversicherungs- und Vermögensrecht, S. 147 f.; vgl. ferner Sozialgericht Hamburg, Urteil vom 11. Juni 1974, 9-AN 762/71, KirchE 14, 85; vgl. Schramm/Leyva in: EStG - eKommentar, § 19 EStG, Rn. 61; vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 4. Oktober 1995 ‒ 7 B 94.593 ‒, juris Rn. 25.
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Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, dass durch die Fortzahlung des Gestellungsgeldes bei ihm selbst ein Verdienstausfall entstünde, ist (allein) hieraus ebenfalls kein Schluss auf eine planwidrig vom Gesetzgeber nicht geregelte Fallkonstellation zulässig. Da § 56 IfSG den Schutz einzelner natürlicher Personen vor materieller Not bezweckt, erfasst dieses Regelungskonzept gerade nicht auch karitative Einrichtungen selbst.
85
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 Zivilprozessordnung.
86
Rechtsmittelbelehrung:
87
Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
88
Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung ‒ VwGO ‒ und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung ‒ ERVV ‒) wird hingewiesen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
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Die Berufung ist nur zuzulassen,
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1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
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2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
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3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
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4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
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5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
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Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen.
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Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
97
Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz ‒ RDGEG ‒). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
98
Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
99
Beschluss:
100
Der Streitwert wird auf 3.447,26 Euro festgesetzt.
101
Gründe:
102
Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz erfolgt.
103
Rechtsmittelbelehrung:
104
Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
105
Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung ‒ VwGO ‒ und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung ‒ ERVV ‒) wird hingewiesen.
106
Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
107
Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
108
Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
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War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
RechtsgebietIfSGVorschriften§ 56 IfSG