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  • 15.03.2024 · IWW-Abrufnummer 240332

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 25.07.2023 – 8 K 2452/21

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.



    Tenor:

    Unter Änderung des berichtigten Umsatzsteuerbescheids 2016 vom 25.07.2023 wird die Umsatzsteuer 2016 auf ... € festgesetzt.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen.
     
    1

    Tatbestand
    2

    Zwischen der Klägerin, der Z AG, und dem Beklagten ist streitig, ob das Produkt förmliche Zustellung (im Folgenden: PZA-Leistungen) als Post-Universaldienstleistung gemäß § 4 Nr. 11b UStG von der Umsatzsteuer befreit ist, sofern es rabattiert oder DV-freigemacht ist.
    3

    Streitig ist auch, ob der Beklagte für steuerfreie PZA-Leistungen gemäß § 4 Nr. 11b UStG, die die Klägerin unter unrichtigem Ausweis von Umsatzsteuer in ihren Rechnungen veräußert hat, gemäß § 14c Abs. 1 UStG Umsatzsteuer festzusetzen hat.
    4

    Die Klägerin, die über eine Bescheinigung des Bundeszentralamtes für Steuern gemäß § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG verfügt, wendet sich gegen den berichtigten Umsatzsteuerbescheid 2016 vom 25.07.2023, mit dem die Umsatzsteuer 2016 auf ... € unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt worden ist.
    5

    Der in der mündlichen Verhandlung vom 25.07.2023 bekannt gegebene Umsatzsteuerbescheid 2016 vom 25.07.2023 ist gemäß § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden.
    6

    Die Klägerin reichte für den Zeitraum 1/16 bis 12/16 Umsatzsteuervoranmeldungen ein. Gegen die entsprechenden Bescheide legte sie zwischen dem 19.04.2016 und dem 06.04.2017 jeweils fristgemäß Einspruch ein.
    7

    In einer Stellungnahme der Klägerin zu den bevorstehenden Einspruchsbegründungen ihres Vertreters, auf die verwiesen wird, heißt es bezüglich der PZA-Leistungen unter Tz. 2, bei PZA handele es sich um förmliche Zustellungen nach der Prozessordnung und dem Verwaltungszustellungsgesetz. Der PZA sei nur für Behörden, Gerichte, Gerichtsvollzieher und Schiedsmänner/-frauen vorgesehen.
    8

    Auf die Einspruchsbegründung vom 06.11.2017 und die ihr in der Steuerakte nachgeheftete Stellungnahme der Klägerin wird verwiesen.
    9

    Am 22.12.2017 reichte die Klägerin die Umsatzsteuererklärung 2016 beim Beklagten ein.
    10

    Unter Tz. F. „Berechnung der zu entrichtenden Umsatzsteuer“, Nr. 102, erklärte sie Steuerbeträge gemäß § 14c UStG i.H.v. ... €. Ferner erklärte sie unter Tz. E. „Steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug, nicht zum Gesamtumsatz gehörend nach § 4 Nr. 8 - 28 UStG“, Nr. 44, Umsätze i.H.v. ... €.
    11

    In einem Begleitschreiben zu der Umsatzsteuererklärung teilte die Klägerin mit, dass in den erklärten steuerfreien Umsätzen nach § 4 Nr. 11b UStG PZA-Leistungen i.H.v. ... € enthalten seien.
    12

    Auf die Umsatzsteuererklärung und das Begleitschreiben vom 22.12.2017 wird verwiesen.
    13

    Der Beklagte teilte der Klägerin unter dem 29.01.2018 mit, dass der am 22.12.2017 eingegangen Umsatzsteuererklärung 2016 am 10.01.2018 zugestimmt worden und Umsatzsteuer 2016 i.H.v. ... € festgesetzt worden sei.
    14

    Mit Umsatzsteuerbescheid vom 08.02.2018 wurde die Steuerfestsetzung gemäß § 164 Abs. 2 AO geändert. Die festgesetzte Umsatzsteuer betrug demnach... €.
    15

    In den Erläuterungen zu dem Bescheid wird ausgeführt, dass die aus den Produkten Postzustellungsauftrag, Nachnahmeübermittlungsentgelt, Services Rolle und Sperrgut, DV-Freimachung, Handyporto und Teilleistungen resultierenden Umsätze i.H.v. ... € (netto) als umsatzsteuerpflichtig behandelt würden. Die dazugehörigen Vorsteuern i.H.v. ... € würden als abzugsfähig behandelt. Aus einer Berechnung des Beklagten hierzu ergibt sich, dass dem Betrag von ... € netto u.a. PZA-Leistungen i.H.v. ... € brutto zugrunde lagen.
    16

    Auf den Umsatzsteuerbescheid 2016 vom 08.02.2018 und die dazugehörigen Berechnungen des Beklagten, die sich in den (Papier-)Steuerakten befinden, sowie die am 04.12.2019 beim Beklagten eingegangene berichtigte Umsatzsteuererklärung 2016 und die am 16.01.2020 und 23.10.2020 ergangenen Umsatzsteueränderungsbescheide 2016 wird verwiesen.
    17

    In dem am 14.12.2021 ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung stellte der Beklagte bezüglich der PZA-Leistungen fest, dass die Klägerin ... € steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 11b UStG erklärt habe.
    18

    Die von der Klägerin steuerfrei abgerechneten und erklärten PZA-Umsätze haben allerdings unstreitig lediglich ein Volumen von ... € (siehe Anl. 27 zum Schriftsatz der Klägerin vom 24.07.2023, Fach A, B, C, F und G, Zeile 2, sowie Fach A, B, C, D, E, F und G, Zeile 7 - 13).
    19

    Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
    20

    Der Beklagte beließ in dem am 14.12.2021 ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung, geändert durch Umsatzsteuerbescheid vom 25.07.2023, die unrabattierten und nicht DV-freigemachten, von der Klägerin steuerfrei abgerechneten PZA-Leistungen in Höhe von brutto ... € (Umsatzsteuer ... €; siehe Anl. 27 zum Schriftsatz vom 24.07.2023, Fach A, B, C, F und G, Zeile 2) sowie die unrabattierten und nicht DV-freigemachten, von der Klägerin steuerpflichtig abgerechneten PZA-Leistungen in Höhe von netto ... € (Umsatzsteuer ... €; siehe Anl. 27 zum Schriftsatz vom 24.07.2023, Fach A, B, C, F und G, Zeile 3 und 4) unter Berufung auf das BMF-Schreiben vom 28.09.2021 (III C 3-S7167-b/19/10003:001, 2021/1035367, juris) rückwirkend umsatzsteuerfrei unter Wegfall des Vorsteuerabzugs für in Zusammenhang mit diesen Umsätzen bezogene Eingangsleistungen in Höhe von ... € (... € Vorsteuer, bezogen auf Umsätze in Höhe von brutto ... €, und ... € Vorsteuer, bezogen auf Umsätze in Höhe von netto ... €).
    21

    Auf den Umsatzsteuerbescheid 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2021 und auf die als Anlage, datiert auf den 12.01.2022, vom Beklagten nachgereichten geänderten Besteuerungsgrundlagen 2016 wird verwiesen.
    22

    Dem BMF-Schreiben vom 28.09.2021 waren das EuGH-Urteil vom 16.10.2019 ‒ C-4/18 und C-5/18, Winterhoff u.a. sowie die BFH-Urteile vom 06.02.2020 ‒ V R 36/19 und V R 37/19, juris, vorausgegangen.
    23

    Dort war entschieden worden, dass PZA-Leistungen als Post-Universaldienstleistungen gemäß § 4 Nr. 11b UStG von der Umsatzsteuer befreit sind, sofern sich der Lizenznehmer entsprechend einer seitens der Bundesnetzagentur zu diesem Zweck erteilten Lizenz verpflichtet, die PZA-Leistungen im gesamten Bundesgebiet anzubieten.
    24

    Die Klägerin ist unstreitig entsprechend einer ihr seitens der Bundesnetzagentur für PZA-Leistungen erteilten Lizenz verpflichtet, diese im gesamten Bundesgebiet anzubieten. Zu diesem Zweck ist sie gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 Postgesetz (‒ PostG ‒) mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet (beliehene Unternehmerin). Die Entgelte für ihre PZA/ePZA-Leistungen im Streitjahr sind gemäß § 34 PostG durch die Bundesnetzagentur genehmigt worden.
    25

    Soweit die Klägerin für die nunmehr als gemäß § 4 Nr.11b UStG umsatzsteuerfrei behandelten PZA-Leistungen i.H.v. netto ... € Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis erstellt hatte, setzte der Beklagte in dem Umsatzsteuerbescheid 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2021 19 %ige Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG in Höhe von ... € fest.
    26

    In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erklärt, dass sie nicht ausschließen könne, dass sie von den vom Beklagten gemäß § 14c Abs. 1 UStG besteuerten PZA-Leistungen (netto ... €, siehe Anl. 27 zum Schriftsatz vom 24.07.2023, Fach B und C, Zeile 3 und 4) in Höhe von netto ... € (siehe Anl. 27 zum Schriftsatz vom 24.07.2023, Fach B und C, 4, „Alle Kunden“) ‒ allerdings zu einem sehr geringen Prozentsatz ‒ im Zeitraum 9 - 12/2016 PZA-Leistungen an vorsteuerabzugsberechtigte Kunden unter Umsatzsteuerausweis verkauft habe.
    27

    Es ist daraufhin unstreitig gestellt worden, dass Rechnungen für PZA-Leistungen in Höhe von 0,1 % der Nettoumsätze von ... €, d.h. für Nettoumsätze i.H.v. ... € unter Ausweis von insgesamt ... € Umsatzsteuer an vorsteuerabzugsberechtigte Kunden im Streitjahr erteilt worden sind.
    28

    Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.
    29

    Bezüglich aller anderen PZA-Leistungen in Höhe von netto ... € (Umsatzsteuer ... €, davon netto ... € PZA-Leistungen unter Ausweis von durch die Klägerin in Rechnung gestellter Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt ... €; siehe Anl. 27 zum Schriftsatz vom 24.07.2023, Fach B, C, F, G, Q, R und S, Zeile 7 - 32), die einer Mengenrabattierung unterlagen oder im Wege der DV-Freimachung frankiert worden waren, ging der Beklagte in dem Umsatzsteuerbescheid 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2021, geändert durch Umsatzsteuerbescheid vom 25.7.2023, weiterhin von einer Umsatzsteuerpflicht aus, da diese PZA-Leistungen seiner Auffassung nach keine steuerbefreiten Universaldienstleistungen im Sinne des § 4 Nr. 11b UStG seien.
    30

    Die Vorsteuer in Höhe von ... € bezüglich der mit den rabattierten und DV-freigemachten PZA-Leistungen in Zusammenhang stehenden Eingangsleistungen beließ der Beklagte weiterhin abzugsfähig.
    31

    Dass die Klägerin ihren Kunden im Streitjahr 2016 entgegen der von ihr vertretenen Auffassung, dass sämtliche von ihr erbrachten PZA-Leistungen steuerbefreit seien, neben PZA-Leistungen in Höhe von netto ... €, die nicht rabattiert oder DV-freigemacht worden waren, PZA-Leistungen für Sendungen, die rabattiert oder DV-freigemacht waren, in Höhe von netto ... € mit Umsatzsteuer in Rechnung stellte, beruhte auf einer vom Beklagten am 07.06.2010 erteilten verbindlichen Auskunft (in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.06.2012) und einer im Streitjahr verfestigten obergerichtlichen Rechtsprechung in Vergabesachen, wonach PZA-Leistungen der Klägerin als umsatzsteuerpflichtig einzuordnen waren.
    32

    Auf die verbindliche Auskunft der Klägerin vom 07.06.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.06.2012 wird verwiesen.
    33

    Die Klägerin sicherte diversen Kunden, denen sie für die PZA-Leistungen Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis erteilt hatte, zu, dass sie ihnen im Falle einer späteren (gerichtlichen) Feststellung der Steuerfreiheit der PZA-Leistungen die eingenommenen Umsatzsteuerbeträge erstatten werde (Bl. 90 Prozessakte).
    34

    Die Kunden der Klägerin, die von ihr im Streitjahr rabattierte oder DV-freigemachte PZA-Leistungen bezogen (sogenannte Vertragskunden), waren unstreitig ausschließlich nicht vorsteuerabzugsberechtigte Gerichte, Verwaltungsbehörden und Gerichtsvollzieher, die auf der Grundlage von Prozessordnungen und der Gesetze, die Verwaltungszustellungen regeln, förmliche Zustellungen von Schriftstücken bewirken, bzw. unter § 4 Nr. 26 UStG fallende, nicht vorsteuerabzugsberechtigte Personen, die eine ehrenamtliche Tätigkeit ausübten (z.B. Schiedsmänner/-frauen).
    35

    Mit der vorliegenden Klage trägt die Klägerin vor,
    36

    1. zu den unrabattierten und nicht DV-freigemachten PZA-Leistungen i.H.v. brutto ... €:
    37

    Der Beklagte und sie, die Klägerin, seien sich darüber einig, dass unrabattierte und nicht DV-freigemachte PZA-Leistungen im Streitjahr i.H.v. brutto ... €, die pro Zustellung ... € gekostet und die sie, die Klägerin, steuerfrei gegenüber ihren Kunden abgerechnet habe, in dem Umsatzsteuerbescheid 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2021, geändert durch Umsatzsteuerbescheid 2016 vom 25.07.2023, zu Recht als steuerbefreite Post-Universaldienstleistungen gemäß § 4 Nr. 11b UStG bewertet worden seien.
    38

    Insoweit bestehe auch Einigkeit über die Rechtmäßigkeit der Kürzung von Vorsteuer i.H.v. ... €, die in Zusammenhang mit Eingangsleistungen für die PZA-Leistungen i.H.v. brutto ... € stehe.
    39

    2. zu den unrabattierten und nicht DV-freigemachten PZA-Leistungen i.H.v. netto ... €:
    40

    Zu Recht habe der Beklagte zwar in dem Umsatzsteuerbescheid 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2021, geändert durch Umsatzsteuerbescheid 2016 vom 25.07.2023, die unrabattierten und nicht DV-freigemachten PZA-Leistungen i.H.v. netto ... €, die pro Zustellung ... € gekostet hätten und die sie, die Klägerin, unter Ausweis von Umsatzsteuer in Höhe von ... € ihren Kunden in Rechnung gestellt habe, als steuerbefreit gemäß § 4 Nr. 11b UStG anerkannt und die Abzugsfähigkeit der diesbezüglich zunächst anerkannten Vorsteuer i.H.v. ... € aberkannt. Im nächsten Schritt habe der Beklagte allerdings zu Unrecht die nunmehr rückwirkend umsatzsteuerfreien Umsätze i.H.v. netto ... € der Umsatzsteuer in Höhe von ... € wegen des unrichtigen Steuerausweises gemäß § 14c Abs. 1 UStG unterworfen.
    41

    Hiergegen sei einzuwenden, dass eine unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuerschuld
    42

    ‒ wie vorliegend auf die unstreitig steuerfreien PZA-Leistungen in Höhe von netto ... € ‒ weder nach Art. 203 Mehrwertsteuersystemrichtlinie (‒ MwStSystRL‒), der das unionsrechtliche Äquivalent zu § 14c UStG sei, noch nach § 14c UStG, der richtlinienkonform auszulegen sei, entstehe, wenn der Leistungsempfänger der steuerbefreiten Leistungen als Adressat einer Rechnung mit unrichtigem Umsatzsteuerausweis nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei oder der Rechnungsaussteller so wie sie, die Klägerin, bei Ausweis der Umsatzsteuer in ihren Rechnungen gutgläubig gewesen sei.
    43

    Soweit erforderlich berufe sie, die Klägerin, sich sowohl auf die Nichtanwendbarkeit des § 14c Abs. 1 UStG sowie unmittelbar auf das Unionsrecht (Schriftsatz vom 26.04.2023 Tz. 1. am Ende, Seite 3; Bl. 711 Prozessakte; Tz 4.2. am Ende, Seite 7; Bl. 715 Prozessakte).
    44

    Der EuGH habe mit Urteil vom 08.12.2022 ‒ C-378/21, P GmbH, juris, erklärt, dass Art. 203 MwStSystRL grundsätzlich vorsehe, dass jede Person, die Umsatzsteuer in einer Rechnung ausweise, diese Steuer schulde, auch wenn es an einem tatsächlichen steuerpflichtigen Umsatz fehle. Art. 203 MwStSystRL solle der Gefährdung des Steueraufkommens entgegenwirken, die sich aus dem Recht des Leistungsempfängers ergebe, aus der ihm überlassenen Rechnung mit Umsatzsteuerausweis den Vorsteuerabzug geltend zu machen.
    45

    Der EuGH habe in dem zitierten Urteil klargestellt, dass durch den unrichtigen Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnungen gegenüber nicht vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfängern keine Steuergefährdung vorliege und deshalb keine Steuerschuld gemäß Art. 203 MwStSystRL entstehe. Art. 203 MwStSystRL sei in einem solchen Fall nicht anwendbar (EuGH, Urteil vom 08.12.2022 ‒ C-378/71, P GmbH, juris, Rn. 24).
    46

    Sei keine Steuerschuld gemäß Art. 203 MwStSystRL entstanden, entfalle auch die Notwendigkeit einer Rechnungsberichtigung.
    47

    Daraufhin habe das österreichische Bundesfinanzgericht in der Nachfolgeentscheidung zu dem EuGH-Urteil P GmbH mit Urteil vom 27.01.2023 ‒ GZ.RV/7100930/2021 unter Ziff. II.3.2., Seite 5 (Bl. 727 Prozessakte) entschieden, dass § 11 Abs. 12 öUStG 1994 dahingehend eingeschränkt richtlinienkonform zu interpretieren sei, dass die § 14c UStG entsprechenden Regelungen in § 11 öUStG 1994 nur im Falle der Gefährdung des Steueraufkommens anwendbar seien. Die Notwendigkeit zu einer Berichtigung der unrichtigen Umsatzsteuer gemäß §§ 11 Abs. 12 , 16 Abs. 1 öUStG 1994, um eine Umsatzbesteuerung mit der in den streitgegenständlichen Rechnungen unrichtig ausgewiesenen Umsatzsteuer zu vermeiden, habe das österreichische Bundesfinanzgericht folgerichtig nicht gesehen. Auch habe es nicht entschieden, dass die P GmbH ihren Kunden die ihnen zu Unrecht in Rechnung gestellte und vereinnahmte Umsatzsteuer erstatten muss.
    48

    Der Beklagte wolle diese Konsequenz aus dem zitierten EuGH-Urteil nicht ziehen. Er verlange bei Rechnungen von einem Unternehmer, in denen die Umsatzsteuer unrichtig ausgewiesen sei, als Bedingung für eine Nichtfestsetzung der unrichtig ausgewiesenen Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 1 UStG nach wie vor, dass der Unternehmer unabhängig davon, ob der Leistungsempfänger vorsteuerabzugsberechtigt ist oder nicht, die Rechnungen berichtige und die zivilrechtlichen Erstattungsansprüche der Leistungsempfänger auf Rückzahlung der zu Unrecht an ihn abgeführten Umsatzsteuer erfülle (siehe Umsatzsteuer- Anwendungserlass ‒ UStAE ‒ Abschnitt 14 c.1. Abs. 5).
    49

    Zu der Behauptung des Beklagten, „die Verwaltung“ habe sich noch keine Meinung zu den Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil vom 08.12.2022 (EuGH, Urteil vom 08.12.2022 ‒ C-378/71, P GmbH, juris) gebildet, werde auf ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen an die obersten Finanzbehörden der Länder vom 02.02.2023, GZ. III C 2-S7358/19/10001: 007, Doc 2023/0112261 verwiesen. In dem Schreiben habe das BMF die Grundsätze des EuGH-Urteils vom 08.12.2022 dahingehend angewandt, dass den Finanzbehörden der Länder nahegelegt werde, bei Rechnungen mit unrichtigem Umsatzsteuerausweis an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte juristische Personen des öffentlichen Rechts von der Festsetzung und Abführung von Umsatzsteuer im Sinne des § 14c UStG abzusehen.
    50

    Das EuGH-Urteil P GmbH vom 08.12.2022 betreffe zwar Endverbraucher und das BMF-Schreiben vom 02.02.2023 juristische Personen des öffentlichen Rechts.
    51

    Es sei jedoch kein Grund dafür ersichtlich, dass die Grundsätze des EuGH-Urteils und des BMF-Schreibens nicht auch vorliegend anwendbar seien, soweit ihre, der Klägerin, PZA-Kunden unstreitig ebenfalls nicht vorsteuerabzugsberechtigt seien.
    52

    Ebenfalls scheide aus, dass die Rückzahlung der zu Unrecht in ihren Rechnungen ausgewiesenen und auch eingenommenen Umsatzsteuer durch sie, die Klägerin, an ihre PZA-Kunden die Voraussetzung für eine Erstattung der Umsatzsteuer durch den Beklagten an sie sei. Das Unionsrecht gebe den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, zur Vermeidung ungerechtfertigter Bereicherung ein entsprechendes Rückzahlungserfordernis zu regeln (EuGH, Urteil vom 18.06.2009 ‒ C-566/07, Stadeco, juris, Rn. 48; BFH, Urteil vom 16.05.2018 ‒ XI R 28/16, juris, Rn. 63, 65). Die insofern national geregelte Rückzahlungspflicht gemäß § 14c Abs. 1 S. 2 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG gelte aber nur, wenn der Rechnungsaussteller den unrichtigen Steuerausweis wegen Gefährdung des Steueraufkommens berichtigen müsse.
    53

    Mit Blick auf die geringe Zahl von vorsteuerabzugsberechtigten Kunden entsprechend Anl. 27 zum Schriftsatz vom 24.07.2023, Fach B und C, Zeile 4, „Alle Kunden“, denen sie entsprechend ihrer Erklärung in der mündlichen Verhandlung im Zeitraum 9 - 12/2016 unter Ausweis von Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt ... € bei Nettoumsätzen i.H.v. ... € für PZA-Leistungen Rechnungen erteilt haben könnte, verweise sie auf ihren Vortrag in den Schriftsätzen vom 25.02.2022 unter Tz. 3.2.3, vom 11.07.2022 unter Tz. 1.2.2.3 und vom 26.04.2023 unter Tz. 4.2 und 4.3.
    54

    Demnach bestehe eine Pflicht zur Korrektur von Rechnungen mit unrichtigem Umsatzsteuerausweis weder nach Gemeinschaftsrecht noch nach nationalem Recht, wenn der Rechnungsaussteller bei Rechnungsausstellung gutgläubig gewesen sei. Auf die einschlägige EuGH-Rechtsprechung, nach der bei Gutgläubigkeit des Rechnungsausstellers eine Korrektur der Rechnungen mit unrichtigem Steuerausweis nicht notwendig sei (EuGH, Urteil vom 13.12.1989 ‒ C-342/87, Genius Holding, juris, Rn. 18; EuGH, Urteil vom 19.09.2000 ‒ C-454/98, Schmeink & Cofreth, juris, Rn. 58 ff.; EuGH, Urteil vom 11.04.2013 ‒ C-138/12, Rusedespred OOD, juris; so auch EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin vom 08.09.2022 ‒ C-378/21, juris, Rn. 45 ff. mwN), werde verwiesen. Sofern § 14c Abs. 1 UStG nicht unionskonform auslegbar sei, berufe sie sich hilfsweise auf Art. 203 MwStSystRL in der Ausprägung durch die zitierten EuGH-Urteile. Denn sie, die Klägerin, sei bei Ausweis der Umsatzsteuer in ihren Rechnungen über PZA-Leistungen unstreitig gutgläubig gewesen. Sie habe sich an die Vorgaben des Beklagten in der verbindlichen Auskunft vom 07.06.2010, Tz.I.3.1.6, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.06.2012, Tz.C.I.9 und des UStAE Abschn. 4.11b.1. Abs. 8 (in der Fassung bis zum 27.09.2021) gehalten.
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    3. zu den rabattierten bzw. DV-freigemachten PZA-Leistungen i.H.v. netto ... €:
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    Der Beklagte habe zu Unrecht in dem Umsatzsteuerbescheid 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2021, geändert durch Umsatzsteuerbescheid 2016 vom 25.07.2023, entsprechend der Handhabung in den vorher ergangenen geänderten Umsatzsteuerbescheiden 2016, die PZA-Leistungen in Höhe von netto ... €, für die ein Rabatt eingeräumt worden sei bzw. die im Wege der DV-Freimachung ebenfalls günstiger als ... € frankiert worden seien, mit Umsatzsteuer in Höhe von ... € unter Anerkennung eines Vorsteuerabzuges i.H.v. ... € besteuert belassen. Diese Leistungen seien entgegen der Auffassung des Beklagten ebenfalls steuerfrei.
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    Der Beklagte vertrete die Ansicht, dass es sich bei PZA-Leistungen, die rabattiert oder DV-freigemacht seien, nicht um steuerbefreite Post-Universaldienstleistungen im Sinne des § 4 Nr.11b UStG handele. Er gehe fälschlicherweise davon aus, dass diese PZA-Leistungen gemäß UStAE Abschnitt 4.11b.1. Abs. 3 von der Umsatzsteuerbefreiung ausgenommen seien. Die Regelung des Abschnitts 4.11b.1. Abs. 2 Nr. 6 UStAE, der zufolge die förmlichen Zustellungen jetzt unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11b UStG fallen, sei nach Meinung des Beklagten in direktem Zusammenhang mit den Einschränkungen des Abschnitts UStAE 4.11b.1. Abs. 7 zu lesen. Sowohl bei den rabattierten PZA, die zu niedrigeren Preisen als ... € angeboten würden, als auch bei den PZA, die im Wege der DV-Freimachung frankiert würden, erfolgten ihre, der Klägerin, PZA-Leistungen nach Auffassung des Beklagten gemäß § 4 Nr.11b Satz 3 Buchst. b UStG aufgrund von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu abweichenden Qualitätsmerkmalen. Etwas anderes ergäbe sich auch nicht aus dem EuGH-Urteil vom 16.10.2019 (EuGH, Urteil vom 16.10.2019 ‒ C-4/18 und C-5/18, Winterhoff u.a., juris). Dieses beträfe einen „speziell gelagerten Einzelfall“.
    58

    Dem sei von ihrer, der Klägerin, Seite, entgegenzuhalten, dass die Universaldienstleistungen eines Postdienstleisters immer auf der Grundlage von AGB erbracht würden. Auf die diesbezüglich eingereichten Unterlagen werde verwiesen (Anlagen 24 - 26 zum Schriftsatz vom 11.07.2023, Bl. 762 ‒ 800 Prozessakte).
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    Es sei auch nicht erkennbar, warum PZA-Leistungen, die auf der Grundlage von AGB erbracht werden, zu abweichenden Sondertarifen oder Qualitätsbedingungen erfolgten. Auch den PZA-Leistungen, die für ein Entgelt von ... € erbracht würden, lägen AGB zugrunde, nämlich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Z AG Brief National („AGB Brief National“). Diese Leistungen seien allerdings auch nach Ansicht des Beklagten steuerfreie Post-Universaldienstleistungen. Der Beklagte führe auch nicht aus, inwiefern aufgrund angewandter allgemeiner Geschäftsbedingungen abweichende Qualitätsbedingungen oder die Annahme einer steuerfreien PZA-Leistung ausschließende Sondertarife vorlägen. Sie, die Klägerin, stelle sowohl die rabattierten PZA-Leistungen als auch die DVA-freigemachten PZA-Leistungen unter den Bedingungen der §§ 1 ff. Post-Universaldienstleistungsverordnung (‒ PUDLV ‒) zu. Von diesen Bedingungen könne sie nicht abweichen, da das Bundeszentralamt für Steuern ansonsten die ihr erteilte Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG widerrufen würde. Im Übrigen berechne sie, die Klägerin, ihren Kunden für ihre PZA- und ePZA-Leistungen die von der Bundesnetzagentur gemäß § 34 PostG sich je nach Einlieferungsmenge unterscheidenden genehmigten Entgelte von ... €, ... € oder ... € pro PZA-Leistung bzw. von ... €, ... € oder ... € pro ePZA-Leistung. Auch hierzu sei sie durch die Vorgaben des Postrechts verpflichtet. Die Anwendung dieser Entgelte werde auch durch die Bundesnetzagentur geprüft. Den Freistempelrabatt, den sie für DV-frankierte Sendungen ebenso wie für Sendungen, die mit Absenderfreistempelmaschinen freigemacht würden, gewähren müsse, würde gemäß den Vorgaben der Bundesnetzagentur gewährt. Der Freistempelrabatt sei ein Preisnachlass, den sie, die Klägerin, wegen der von den Kunden selbst übernommenen Tätigkeiten im Einklang mit dem Grundsatz der Kostenorientierung (vergleiche Erwägungsgrund 39 der Richtlinie 2008/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008 (‒ PostDRL 2008/6/EG ‒)) zu gewähren habe. Es gebe keine Entgeltminderung, die aus vom Beklagten unterstellten „anderen Gründen“ gewährt würde.
    60

    Für den EuGH spiele es auch keine Rolle, wer Auftraggeber der PZA-Leistungen sein könne, ob sie also allen Nutzern zur Verfügung stehe. Die Frage stelle sich insbesondere bereits deswegen nicht, weil Nutzer von Postdiensten nach Art. 2 Nr. 17 PostDRL nicht nur diejenigen natürlichen oder juristischen Personen seien, die einen Dienst als Absender in Anspruch nähmen, sondern auch die Empfänger dieser Dienste (EuGH vom 16.10.2019 ‒ C-4/18 und C-/18, Winterhoff u.a., juris, Rn. 60). Außerdem würden PZA-Leistungen zwar in Erfüllung von Aufträgen ausschließlich öffentlicher Stellen durchgeführt, doch ziele deren Tätigkeit nicht darauf ab, eigene Bedürfnisse zu befriedigen, sondern darauf, das ordnungsgemäße Funktionieren des Justiz- oder Verwaltungssystems zu gewährleisten, dem sie angehörten. Die förmliche Zustellung diene dabei nicht der Erfüllung besonderer Interessen bestimmter Wirtschaftsteilnehmer, wobei der Beklagte auch gar nicht näher ausführe, welche Wirtschaftsteilnehmer das sein sollen. Für den EuGH habe demnach auch festgestanden, dass die förmlichen Zustellungen den Grundbedürfnissen der jeweiligen nationalen Bevölkerung entsprächen (EuGH vom 16.10.2019 ‒ C-4 /18 und C-5 /18, Winterhoff u.a., juris, Tz. 64).
    61

    Das Finanzgericht Köln habe sich im Übrigen bereits in seinem Urteil vom 02.02.2021 (FG Köln, Urteil vom 02.02.2021 ‒ 8 K 1248/18, juris) unter Tz. 5 - 11 der Entscheidungsgründe eingehend damit befasst, inwiefern rabattierte und DV-freigemachte Dienstleistungen, die auf der Grundlage von AGB erbracht werden, Teil des steuerbefreiten Post-Universaldienstes seien. Auch auf das vom Beklagten angeführte Kriterium, ihre, der Klägerin, rabattierte und DV-freigemachte Leistungen seien für einen durchschnittlichen Nachfrager eines Privathaushaltes nicht zugänglich, sei das Finanzgericht eingegangen. Hierauf werde verwiesen. Zu bedenken sei zusätzlich, dass bezüglich der hier zu beurteilenden PZA-Leistungen der durchschnittliche Nachfrager eines Privathaushaltes grundsätzlich nicht ihr Auftraggeber sein könne, denn PZA-Leistungen würden normalerweise ausschließlich von öffentlichen Stellen in Auftrag gegeben.
    62

    4. zu den in den rabattierten bzw. DV-freigemachten PZA-Leistungen i.H.v. netto ... € enthaltenen PZA-Leistungen i.H.v. netto ... €:
    63

    Sofern sie, die Klägerin, unter anderem aufgrund der verbindlichen Auskunft des Beklagten vom 07.06.2010, für rabattierte bzw. DV-freigemachte PZA-Leistungen i.H.v. netto ... € in Rechnungen an ihre unstreitig nicht vorsteuerabzugsberechtigten Kunden in Höhe von insgesamt ... € Umsatzsteuer ausgewiesen habe (Anl. 27 zum Schriftsatz vom 24.07.2023, Fach Q, R und S, Zeile 20 - 31), könne zur Besteuerung des Umsatzes i.H.v. netto ... € die Vorschrift des § 14c Abs. 1 UStG nicht zur Anwendung kommen, sollte der erkennende Senat zu der Auffassung gelangen, auch rabattierte und DV-freigemachte PZA-Leistungen seien gemäß § 4 Nr. 11b UStG steuerfreie Post-Universaldienstleistungen.
    64

    Insofern werde auf die bereits erfolgten Ausführungen zum richtlinienkonformen Verständnis von § 14c Abs. 1 UStG bezüglich eines unrichtigen Steuerausweises in Rechnungen über gemäß § 4 Nr. 11b UStG steuerfreie PZA-Leistungen gegenüber ihren, der Klägerin, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Kunden verwiesen (Tz. 2 des Tatbestandes).
    65

    Auch hier berufe sie sich zusätzlich auf Art. 203 MwStSystRL entsprechend den Grundsätzen des EuGH in seinem Urteil vom 08.12.2022 (EuGH, Urteil vom 08.12.2022 ‒ C-378/71, P GmbH, juris).
    66

    Die Klägerin beantragt,
    67

    unter Änderung des berichtigten Umsatzsteuerbescheides 2016 vom 25.07.2023 die Umsatzsteuer 2016 um ... € auf ... € herabzusetzen,
    68

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.
    69

    Der Beklagte beantragt,
    70

    die Klage abzuweisen,
    71

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.
    72

    Der Beklagte trägt vor, auch er vertrete die Auffassung, dass PZA-Leistungen eine Post-Universaldienstleistung darstellten und deshalb im Sinne des § 4 Nr. 11b UStG steuerbefreit seien, sofern die Klägerin diese Leistungen zum Regelpreis von ... € abgerechnet habe und die Sendungen nicht per DV-Freimachung frankiert oder rabattiert seien. Rabattierte und DV-freigemachte PZA-Leistungen seien hingegen nicht steuerbefreit.
    73

    Darüber hinaus vertrete er, der Beklagte, die Auffassung, dass die Klägerin, soweit sie gegenüber ihren Kunden für PZA-Leistungen, die Post-Universaldienstleistungen seien, Umsatzsteuer in ihren Rechnungen offen ausgewiesen habe, diese ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG schulde.
    74

    1. PZA-Leistungen mit Rabatt und DV-Freimachung
    75

    § 4 Nr. 11b Satz 3 UStG nehme Leistungen, die unter ganz bestimmten Voraussetzungen und zu bestimmten Bedingungen vereinbart werden, von der grundsätzlich nach § 4 Nr. 11b Satz 1 UStG zu gewährenden Steuerbefreiung aus.
    76

    Zwar habe der EuGH in seinem Urteil vom 16.10.2019 ‒ C-4/18 und C-5/18 und dem folgend der BFH in seinen Urteilen vom 06.02.2020 ‒ V R 36/19 und V R 37/19 entschieden, dass die Ausführung von PZAs eine steuerfreie Post-Universaldienstleistung darstellt.
    77

    Dementsprechend habe die Finanzverwaltung den Umsatzsteueranwendungserlass dahingehend geändert, dass nach UStAE Abschnitt 4.11b.1 Abs. 2 Nr. 6 auch PZA von Schriftstücken unter bestimmten Voraussetzungen als Post-Universaldienstleistungen unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11b UStG fallen.
    78

    Soweit die Klägerin allerdings PZA-Leistungen zu rabattierten Preisen oder PZA-Leistungen, die mittels DV-Freimachung frankiert wurden, ausführe, müsse diesen Leistungen die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11b UStG Satz 3 Buchst. b UStG versagt werden, weil die Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen diese Leistungen auf Grund allgemeiner Geschäftsbedingungen zu abweichenden Qualitätsbedingungen oder zu günstigeren Preisen als den für jedermann zugänglichen Tarifen erbringe.
    79

    Eine Steuerbefreiung komme für diese Leistungen schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin keine Post-Universaldienstleistungen im Sinne des Art. 3 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (‒ Post-DRL 97/67/EG ‒) und damit auch nicht im Sinne des § 11 PostG und der PUDLV erbringe, da die darin genannten Qualitätsmerkmale nicht erfüllt würden.
    80

    Nach Art. 3 PostDRL 97/67/EG hätten die Mitgliedstaaten sicherzustellen, „dass den Nutzern ein Universaldienst zur Verfügung steht, der ständig flächendeckend postalische Dienstleistungen einer bestimmten Qualität zu tragbaren Preisen für alle Nutzer bietet.“
    81

    § 11 Abs. 1 PostG definiere den Begriff der Post-Universaldienstleistung als „ein Mindestangebot an Postdienstleistungen nach § 4 Nr. 1 PostG, die flächendeckend in einer bestimmten Qualität und zu einem erschwinglichen Preis erbracht werden.“
    82

    Nach § 6 Abs. 1 PUDLV gelte der Preis für eine Post-Universaldienstleistung als erschwinglich, wenn er „den … Preis für die durchschnittliche Nachfrage eines Privat-haushalts … nicht übersteige.“
    83

    a. PZA mit Rabattgewährung
    84

    UStAE Abschn. 4.11b.1 Abs. 3 bestimme auch nach Aufnahme der PZA-Leistungen als Post-Universaldienstleitungen in Abschn. 4.11b.1 Abs. 2 Nr. 6, dass weitere Voraussetzung für das Vorliegen einer der Art nach begünstigten Post-Universaldienstleistung für die unter Absatz 2 genannten Leistungen sei, dass der Preis für diese Leistungen erschwinglich sein müsse. Der Preis gelte als erschwinglich, wenn er dem realen Preis für die durchschnittliche Nachfrage eines Privathaushalts nach der jeweiligen Post-Universaldienstleistung entspreche. Maßstab sei grundsätzlich das genehmigte Entgelt. Soweit eine Entgeltminderung jedoch aus anderen Gründen gewährt werde, weil die Kunden z.B. die Briefsendungen unmittelbar beim Anbieter der Post-Universaldienstleistung einliefern müssten, lägen die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht vor.
    85

    UStAE Abschn. 4.11b. Abs. 7 nehme sog. AGB-Leistungen von der Steuerbefreiung aus, soweit in den AGB Qualitätsmerkmale festgelegt würden, die von den in Abs. 2 der Vorschrift festgelegten Qualitätsmerkmalen abwichen (lit. a) oder zu Tarifen erbracht würden, „die zwar grundsätzlich für jedermann zugänglich sind, aber nicht für den durchschnittlichen Nachfrager eines Privathaushalts bestimmt sind.“ (lit. b) oder zu günstigeren Preisen als den nach § 19 PostG genehmigten Entgelten (lit. c).
    86

    Die Rabattgewährung führe auch dazu, dass die rabattierten förmlichen Zustellungen zu günstigeren Preisen erbracht würden als den für jedermann zugänglichen Tarifen.
    87

    Unter einem allgemein für jedermann zugänglichen Tarif sei das Entgelt zu verstehen, das der durchschnittliche Nachfrager eines Privathaushalts zu entrichten habe (Kulmsee in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, 1. Aufl. 1995, 149. Lieferung, § 4 Nr. 11b UStG, Rz. 42).
    88

    Die nach den AGB der Klägerin vereinbarten Rabatte seien einem durchschnittlichen Nachfrager eines Privathaushalts zweifelsohne nicht zugänglich, da dieser zumindest die hierfür geforderten Mindestmengen niemals erfüllen könne. Soweit die Klägerin mit ihren Großkunden in ihren AGB Sonderkonditionen vereinbart habe, müssten solche Leistungen aus der Steuerbefreiung ausscheiden, da sie nicht mehr der Grundversorgung der Bevölkerung dienten.
    89

    b. PZA mit DV-Freimachung
    90

    Bei der DV-Freimachung von förmlichen Zustellungen handele es sich um eine elektronische Entrichtung von Portogebühren ausschließlich für Großkunden. An der DV-Freimachung der Klägerin könne nur teilnehmen, wer eine gesonderte DV-Freimachungs-Vereinbarung abgeschlossen habe. Liege diese vor, könne die DV-Freimachung mit spezieller Software realisiert werden. Die DV-Freimachung werde von der Klägerin nur angeboten, wenn der Kunde bestimmte Voraussetzungen nach den zugrundeliegenden AGB erfülle. So würden durch die DV-Freimachungen Vor- und Nebenleistungen durch die Kunden selbst übernommen (Vorsortierung fortlaufend nach Postleitzahlen, Einlieferung in festgelegten Großannahmestellen, durchschnittliche Mindestmengen von 4.000 Standardsendungen oder 200 Groß-/Maxisendungen, wobei sich die durchschnittliche Mindestmenge bei Verwendung des „AM-elektronischen Auftragsmanagements“ verringere).
    91

    Die vereinfachte (technische) Abwicklung führe zu einem reduzierten Bearbeitungsaufwand für die Klägerin und ermögliche in der Folge eine angepasste Entgeltstruktur, die in entsprechenden Preisvorteilen an die Großkunden weitergegeben werde. An die Vertragskunden werde ein 1%iger Rabatt gegenüber den Preisvorgaben der Bundesnetzagentur gewährt. Da ab einer solchen Einlieferungs(mindest)menge/-voraussetzung der Tarif nicht mehr für jedermann zugänglich sei, gehe er, der Beklagte, davon aus, dass diese Leistungen keine Post-Universaldienstleistungen im Sinne des § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b UStG seien.
    92

    2. Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG
    93

    Wie die Klägerin selbst ausführe, habe sie PZA-Leistungen, die unstreitig steuerbefreite Post-Universaldienstleistungen seien, als steuerpflichtig behandelt und ihren Kunden Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis erteilt.
    94

    Dadurch seien steuerfreie Leistungen steuerpflichtig abgerechnet worden, so dass rückwirkend in entsprechender Höhe Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG entstanden sei, die die Klägerin als Rechnungsausstellerin schulde.
    95

    Dies gelte entsprechend der Einspruchsentscheidung zum einen für die steuerpflichtig abgerechneten und erklärten PZA-Leistungen i.H.v. netto ... € für ... € sowie hilfsweise für die rabattierten bzw. DV-freigemachten PZA-Leistungen, die die Klägerin gegenüber ihren Kunden steuerpflichtig abgerechnet habe i.H.v. netto ... €, sollte der Senat diese PZA-Leistungen entgegen seiner, des Beklagten, Rechtsauffassung als steuerbefreite Post-Universaldienstleistungen einordnen.
    96

    Für den Fall, dass in Rechnungen zu Unrecht Umsatzsteuer ausgewiesen worden sei, bestimme auch Art. 203 MwStSystRL, dass die Person, die die Steuer in einer Rechnung ausweise, diese auch schulde. Allerdings habe der EuGH mit Urteil vom 08.12.2022 (EuGH, Urteil vom 08.12.2022 - C-378/21, P GmbH) entschieden, dass ein Steuerpflichtiger, der eine Dienstleistung erbracht und in seiner Rechnung Umsatzsteuer ausgewiesen habe, die auf der Grundlage eines falschen Steuersatzes berechnet worden sei, den zu Unrecht in Rechnung gestellten Teil der Umsatzsteuer nicht schulde, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliege.
    97

    Zur Begründung habe der EuGH darauf hingewiesen, dass Art. 203 MwStSystRL nur zur Anwendung komme, wenn der Adressat der in Rede stehenden Rechnung sein Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen könne. Seien die Rechnungsadressaten ausschließlich nicht vorsteuerabzugsberechtigte Endverbraucher und sei daher die Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen, sei Art. 203 MwStSystRL nicht einschlägig.
    98

    Das nationale Recht sehe in § 14c Abs. 1 S. 1 u. 2 UStG hingegen vor, dass ein Steuerpflichtiger solange den in der Rechnung unrichtig ausgewiesenen Mehrbetrag schulde, wie keine Rechnungsberichtigung erfolge. Danach entstehe die Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG auch bei einer Rechnungserteilung an Nichtunternehmer, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt seien (vgl. BFH, Urteil vom 13. Dezember 2018 ‒ V R 4/18).
    99

    Das EuGH-Urteil vom 08.12.2022 ‒ C-378/21, P GmbH, stelle damit eine grundsätzliche Entscheidung für das nationale Verständnis des § 14c Abs. 1 UStG dar.
    100

    Da aber mit einer zeitnahen Entscheidung der Verwaltung darüber, wie sich das EuGH- Urteil vom 08.12.2022 auf das Verständnis von § 14c Abs. 1 UStG auswirken werde, nicht zu rechnen sei, werde weiterhin die bisherige Verwaltungsauffassung vertreten.
    101

    Danach gelte, dass es nach der EuGH-Rechtsprechung grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten sei, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer berichtigt werden könnten. Denn nur so könnten die Mitgliedstaaten die Neutralität der Umsatzsteuer gewährleisten, die beinhalte, dass jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer berichtigt werden könne, wenn der Aussteller der Rechnung seinen guten Glauben nachweise oder die Gefährdung des Steueraufkommens durch den unrichtigen Steuerausweis in der Rechnung rechtzeitig und vollständig beseitige (Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, 197. Lieferung 01.2022, § 14c UStG, Rn. 9).
    102

    Die demnach gemäß § 14c Abs. 1 S. 2 UStG mögliche Berichtigung des unrichtigen Steuerbetrags gegenüber dem Leistungsempfänger verlange eine Berichtigung der unrichtigen Rechnung gegenüber dem Leistungsempfänger in der Erklärung des Leistungspflichtigen und Rechnungsausstellers, nachdem die Rechnung mit dem unrichtigen Steuerausweis gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigt worden sei (Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, 197. Lieferung 01.2022, § 14c UStG, Rn. 187 ff.).
    103

    Ein derartiges Berichtigungsverfahren sei vorliegend nicht erfolgt. Hierauf könne jedoch im Festsetzungsverfahren nicht verzichtet werden. Denkbar wäre allenfalls, im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO auf das im Umsatzsteuergesetz geregelte Rechnungsberichtigungsverfahren zu verzichten (BFH, Urteil vom 27.09.2018 ‒ V R 32/16, juris, Rn. 9).
    104

    Auch habe die Klägerin nicht vorgetragen, dass sie den Auftraggebern der PZA-Leistungen die in ihren PZA-Rechnungen zu Unrecht ausgewiesene und von ihr vereinnahmte Umsatzsteuer erstattet habe.
    105

    Bereits mit Urteil vom 16.05.2017, XI R 28/16 und seitdem in stetiger Rechtsprechung habe der BFH jedoch entschieden, dass die Rückzahlung der zu Unrecht vereinnahmten Umsatzsteuer durch den Rechnungsaussteller an den Leistungsempfänger weitere Voraussetzung für eine Nichterhebung der Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 1 UStG sei.
    106

    Die Rechnungsberichtigung als formaler Akt gegenüber dem Leistungsempfänger allein reiche für die wirksame Berichtigung eines Steuerbetrags i.S. von § 14c Abs. 1 S. 2, § 17 Abs. 1 UStG mit der Folge, dass dieser dem Rechnungsaussteller von der Finanzverwaltung zu erstatten sei, nicht aus.
    107

    Die Rechtsprechung des BFH stütze sich vorrangig nicht auf Art. 203 MwStSystRL, der bei Rechnungsberichtigung eine Rückzahlung des Umsatzsteuerbetrages an den Leistungsempfänger nicht voraussetze, sondern auf den Neutralitätsgrundsatz als grundlegendes Prinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems. Grundsätzlich solle der Unternehmer zur Verwirklichung der Belastungsneutralität von der gezahlten bzw. geschuldeten Umsatzsteuer entlastet werden. Die Umsatzsteuer solle ‒ gerade eben aufgrund des Neutralitätsgrundsatzes ‒ keinen Kostenfaktor darstellen. Im Umkehrschluss ergebe sich aus dem Grundsatz der Belastungsgleichheit ein Verbot der ungerechtfertigten Bereicherung auf Seiten des Unternehmers.
    108

    Dies stehe im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben. Einem Mitgliedstaat sei es unionsrechtlich nicht verwehrt, die Berichtigung der Mehrwertsteuer auch davon abhängig zu machen, dass der Aussteller der fraglichen Rechnung dem Empfänger der Dienstleistungen die zu Unrecht gezahlte Steuer erstatte (vgl. EuGH-Urteil Stadeco, EU:C:2009:380, Rz. 48).
    109

    Diese zweite Voraussetzung einer wirksamen Steuerberichtigung gemäß nationaler Vorschrift sei nicht Gegenstand des EuGH-Urteils vom 08.12.2022 ‒ C-378/21 und widerspreche dem EuGH-Urteil P GmbH deshalb auch nicht.
    110

    Auf die gerichtlichen Schreiben vom 19.06.2023 und vom 05.07.2023 sowie auf die von der Klägerin eingereichten Tabellen (Anl. 23 zum Schriftsatz vom 11.07.2023 und Anl. 27 zum Schriftsatz vom 24.07.2023) wird verwiesen.
    111

    Ebenfalls wird verwiesen auf das Schreiben des Beklagten vom 19.07.2023 nebst Prüfberechnung, mit dem er angekündigt hat, dass er in der mündlichen Verhandlung einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 2016 mit einer um ... € auf ... € erhöhten Umsatzsteuer vorlegen wird, sowie auf die Einverständniserklärung betreffend die Berichtigung in dem Schriftsatz der Klägerin vom 24.07.2023 unter Tz. 5.
    112

    Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
    113

    Entscheidungsgründe
    114

    Die Klage ist begründet.
    115

    Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2021, geändert durch Umsatzsteuerbescheid 2016 vom 25.07.2023, ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, als ihre rabattierten und DV-freigemachten PZA-Leistungen in Höhe von netto ... € als steuerpflichtig in Höhe von ... € mit Umsatzsteuer belegt werden, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO.
    116

    Die rabattierten und DV-freigemachten PZA-Leistungen der Klägerin in Höhe von netto ... € sind als Post-Universaldienstleistungen gemäß § 4 Nr. 11b UStG steuerfrei.
    117

    Soweit die Klägerin für in diesen steuerfreien rabattierten und DV-freigemachten PZA-Leistungen enthaltene PZA-Leistungen in Höhe von netto ... € Rechnungen mit unrichtigem Umsatzsteuerausweis in Höhe von ... € erteilt hat, scheidet auch eine Umsatzbesteuerung gemäß § 14c Abs. 1 UStG wegen fehlender Gefährdung des Steueraufkommens aus.
    118

    Soweit die Klägerin in Rechnungen für gemäß § 4 Nr. 11b UStG steuerfreie nicht rabattierte und nicht DV-freigemachte PZA-Leistungen in Höhe von netto ... € unrichtigerweise Umsatzsteuer i.H.v. ... € ausgewiesen hat, scheidet eine Umsatzbesteuerung gemäß § 14c Abs. 1 UStG in Höhe von ... € Umsatzsteuer auf der Grundlage von PZA-Leistungen i.H.v. netto ... € wegen fehlender Gefährdung des Steueraufkommens und in Höhe von ... € Umsatzsteuer auf der Grundlage von PZA-Leistungen in Höhe von netto ... € wegen der Gutgläubigkeit der Klägerin bezüglich des unrichtigen Steuerausweises aus.
    119

    Von der dementsprechend um ... € herabzusetzenden Umsatzsteuer 2016 ist wegen der Steuerbefreiung nicht mehr abzugsfähige Vorsteuer i.H.v. ... € in Abzug zu bringen.
    120

    1.
    121

    Gemäß § 4 Nr. 11b S. 1 UStG sind Universaldienstleistungen nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (im Folgenden Postdienstrichtlinie‒ PostDRL 97/67/EG), die zuletzt durch die Richtlinie 2008/6/EG (im Folgenden PostDRL 2008/6/EG) geändert worden ist, durch Unternehmer gemäß § 4 Nr. 11b S. 2 UStG steuerbefreit.
    122

    2.
    123

    Unternehmer nach § 4 Nr. 11b S. 2 UStG ist derjenige, der sich gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) verpflichtet hat, flächendeckend im gesamten Bereich der Bundesrepublik Deutschland die Gesamtheit der Universaldienstleistungen oder einen Teilbereich dieser Leistungen gemäß § 4 Nr. 11b S. 1 UStG anzubieten, und der dafür eine Bescheinigung von dem BZSt erhalten hat.
    124

    Die Klägerin ist unstreitig Inhaberin einer Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 11b S. 2 UStG und damit Unternehmerin (Universalpostdienstleisterin) nach § 4 Nr. 11b S. 2 UStG.
    125

    Bezogen auf die hier streitigen PZA-Leistungen der Klägerin bestimmt § 33 Postgesetz (‒ PostG ‒), dass ein Lizenznehmer, der Briefzustelldienstleistungen erbringt, verpflichtet ist, Schriftstücke unabhängig von ihrem Gewicht nach den Vorschriften der Prozessordnungen und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln, förmlich zuzustellen. Im Umfang dieser Verpflichtung ist der Lizenznehmer mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet (beliehener Unternehmer).
    126

    § 176 Abs. 1 Zivilprozessordnung idF bis zum 31.12.2021 (‒ ZPO ‒) bestimmt zur förmlichen Zustellung, dass die Geschäftsstelle des Auftraggebers, die einen Zustellungsauftrag an einen Postdienstleister erteilt, das zuzustellende Schriftstück in einem verschlossenen Umschlag zusammen mit dem vorbereiteten Formular einer Zustellungsurkunde übergibt.
    127

    Als Lizenznehmerin, die derartige Briefzustelldienstleistungen erbringt, hat die Klägerin gemäß § 34 PostG Anspruch auf ein Entgelt.
    128

    Durch das Entgelt werden alle von ihr erbrachten Leistungen einschließlich der hoheitlichen Beurkundung und Rücksendung der Beurkundungsunterlagen gemäß § 182 ZPO abgegolten.
    129

    Das Entgelt hat den Maßstäben des § 20 Abs. 1 und 3 PostG zu entsprechen. Die gemäß § 34 Satz 4 PostG genehmigungsbedürftigen Entgelte haben sich demnach an den Kosten einer effizienten Leistungsbereitstellung zu orientieren.
    130

    Sämtliche von der Klägerin erbrachten, hier streitigen Entgelte für nicht rabattierte und nicht DV- freigemachte sowie für rabattierte und DV-freigemachte PZA- und ePZA-Leistungen sind gemäß § 34 Satz 4 PostG unstreitig durch die Bundesnetzagentur genehmigt worden.
    131

    3.
    132

    § 4 Nr. 11b S. 3 UStG benennt Ausnahmen von der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 11b
    133

    S. 1 UStG und hat folgenden Wortlaut:
    134

    Die Steuerbefreiung gilt nicht für Leistungen, die der Unternehmer erbringt
    135

    a) aufgrund individuell ausgehandelter Vereinbarungen oder
    136

    b) aufgrund allgemeiner Geschäftsbedingungen
    137

    (Alternative 1:) zu abweichenden Qualitätsbedingungen oder
    138

    (Alternative 2:) zu günstigeren Preisen
    139

    (Fall 1:) als den nach den allgemein für jedermann zugänglichen Tarifen oder
    140

    (Fall 2:) als den nach § 19 PostG genehmigten Entgelten.
    141

    4.
    142

    Mit dem mit Wirkung ab dem 01.07.2010 neu gefassten § 4 Nr. 11b UStG verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie(‒ MwStSystRL ‒) im Einklang mit der zu dieser Richtlinienvorschrift ergangenen EuGH-Rechtsprechung in nationales Recht umzusetzen.
    143

    Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL besagt, dass die Mitgliedstaaten bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Umsätze von der Umsatzsteuer befreien, und zwar bezogen auf Postprodukte „die von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachten Dienstleistungen und dazugehörigen Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen.“
    144

    Der Wortlaut der Richtlinienvorschrift erweckt den Eindruck, dass jede Postdienstleistung, die von einer öffentlichen Posteinrichtung wie ‒ unstreitig ‒ der Klägerin erbracht wird, steuerbefreit ist. Dem ist aber entsprechend der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung nicht so.
    145

    Der EuGH verknüpft die Umsatzsteuerbefreiung gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. a
    146

    MwStSystRL für postalische Dienstleistungen in seinen Urteilen vom 23.04.2009 ‒ C‑357/07, TNT, Post UK Ltd. (EuGH, Urteil vom 23.04.2009 ‒ C-357/07, TNT, Post UK Ltd, juris, Rn. 33, 34, 35) und vom 16.10.2019, ‒ C-4/18 und C-5/18, Winterhoff (EuGH,
    147

    Urteil vom 16.10.2019, ‒ C-4/18 und C-5/18, Winterhoff, juris, Rn. 49) mit dem in der PostDRL geregelten Begriff des Universaldienstes.
    148

    Demnach entspricht der mit den in Art. 132 MwStSystRL vorgesehenen Steuerbefreiungen verfolgte Zweck, bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten zu fördern, im Postbereich dem Zweck, die postalischen Dienstleistungen, die den Grundbedürfnissen der Bevölkerung entsprechen, zu ermäßigten Kosten anzubieten. Dem wiederum entspricht der Zweck des in der PostDRL 97/67/EG geregelten Universaldienstes. Hieraus schließt der erkennende Senat, dass zur richtlinienkonformen Bestimmung einer steuerfreien Universaldienstleistung im Sinne des § 4 Nr. 11b UStG neben der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung die PostDRL und die sie umsetzenden nationalen Bestimmungen in ihrer Gesamtheit und nicht entsprechend dem Wortlaut von § 4 Nr. 11b UStG lediglich Art. 3 Abs. 4 PostDRL 97/67/EG sowie § 19 PostG heranzuziehen sind. Diese Auffassung vertritt im Ergebnis auch der Beklagte, der z.B. §§ 2 ff. Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) heranzieht, um die Bedeutung des Begriffs „abweichende Qualitätsbedingungen“ in § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b 1. Alt. UStG (in seinem Sinn) bestimmen zu können und der zudem zur Begründung seiner hier vertretenen Rechtsauffassungen diverse Absätze aus Abschn. 4.11b.1. des Umsatzsteuer- Anwendungserlasses (‒ UStAE ‒) zitiert, die ihrerseits auf Interpretationen der PUDLV und des PostG und ihres Zusammenspiels zur Bestimmung dessen, was eine steuerbefreite Post-Universalleistung gemäß § 4 Nr. 11b UStG ausmacht, zurückgreifen (siehe auch Bundestag Drucksache 17/506, Seite 30 rechte Spalte, Seite 31 linke Spalte). Zielsetzung der insgesamt heranzuziehenden PostDRL ist gemäß Art. 1 PostDRL 97/67/EG u.a. die Bereitstellung und die Finanzierung eines Universalpostdienstes in der Gemeinschaft.
    149

    Entsprechend den Ausführungen des EuGH (EuGH, Urteil vom 16.10.2019 ‒ C-4/18 und 5/18, Winterhoff u.a., juris, Rn. 51) werden die Eckpunkte des Begriffs „Leistungen des Universaldiensts“ in Art. 3 Abs. 1 PostDRL 97/67/EG definiert. Den Post-Universaldienst charakterisiert demnach das ständige Angebot flächendeckender postalischer Dienstleistungen einer bestimmten Qualität zu tragbaren Preisen für alle Nutzer.
    150

    5.
    151

    Bezüglich der Nutzer des steuerbefreiten Post-Universaldienstes hat der EuGH (Urteil vom 16.10.2019 ‒ C-4/18 und 5/18, Winterhoff, juris, Rn. 60) klargestellt, dass nach Art. 2 Nr. 17 PostDRL 97/67/EG Nutzer alle natürlichen und juristischen Personen sind, die den Universaldienst als Absender oder Empfänger in Anspruch nehmen. Der so bestimmte Nutzerkreis des Post-Universaldienstes stimmt auch mit demjenigen in Art. 1.1 und Art. 3.1 des Weltpostvertrags, einem völkerrechtlichen Vertrag, abgeschlossen zwischen den dem Weltpostverein beigetretenen Staaten, u.a. auch Deutschland, überein. Ob der Absender oder der Empfänger der Universaldienstleistung ein Privatkunde/Privathaushalt oder ein Geschäftskunde/Unternehmer oder eine Behörde ist, ändert an seiner Qualifizierung als Nutzer des Universaldienstes gemäß Art. 3 Abs. 1 PostDRL 97/67/EG nichts. Dies wird dadurch verdeutlicht, dass nach dem 2. Erwägungsgrund der PostDRL 97/67/EG die Verwirklichung des Binnenmarktes im Postsektor für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der Gemeinschaft von großer Bedeutung ist, da die Postdienste ein wichtiges Instrument für Kommunikation und Handel sind. Im 8. Erwägungsgrund der PostDRL 2008/6/EG wird des Weiteren die Bedeutung effizienter Postdienste für eine wettbewerbsfähige und dynamische Wirtschaft herausgestellt. Die Zielsetzung der PostDRL, u.a. die Bereitstellung und die Finanzierung eines Universalpostdienstes in der Gemeinschaft (vgl. Art. 1 PostDRL 97/67/EG) für alle Nutzer, findet sich auch in dem 39. Erwägungsgrund der PostDRL 2008/6/EG, der Teilleistungen, die von Universaldienstanbietern für alle Nutzer, einschließlich Unternehmen, Massenversendern und Konsolidierern, erbracht werden, anspricht. In Art. 12 Spiegelstrich 5 PostDRL 2008/6/EG ist ebenfalls ausdrücklich von auch für Geschäftskunden zugänglichen Universaldienstleistungen die Rede.
    152

    Dementsprechend hat die Generalanwältin in dem EuGH-Verfahren TNT Post UK Ltd (Schlussanträge Generalanwältin vom 15.01.2009 - C-357/07, TNT Post UK Ltd., Celex-Nr. 62007CC0357, Rn. 85) festgestellt, dass es im Interesse des Gemeinwohls liegt, neben den Privatkunden/Privathaushalten den gewerblichen Kunden ein öffentliches Postnetz bereitzustellen.
    153

    Hieraus folgt, dass dann keine steuerfreie Universalleistung vorliegt, wenn der Universalpostdienstleister die Dienstleistung nicht allen potentiellen Nutzern zur Verfügung stellt, sondern einzelvertraglich mit einem Kunden unter Beachtung von dessen besonderen Bedürfnissen vereinbart hat (siehe § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. a UStG in Umsetzung von EuGH, Urteil vom 23.04.2009 ‒ C-357/07, TNT, Post UK Ltd, juris, Rn. 44, 46, 47; siehe auch 15. Erwägungsgrund der PostDRL 97/67/EG).
    154

    6.
    155

    Neben Art. 3 Abs. 1 PostDRL 97/67/EG zieht der EuGH (EuGH, Urteil vom 16.10.2019 ‒ C-4/18 und 5/18, Winterhoff, juris, Rn. 51 ff.) explizit Art. 3 Abs. 4 PostDRL 97/67/EG zur Bestimmung der Merkmale einer gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL steuerbefreiten Universaldienstleistung heran.
    156

    In Art. 3 Abs. 4 PostDRL 97/67/EG werden die steuerbefreiten Universaldienstleistungen beschrieben, die in jedem Mitgliedstaat mindestens anzubieten sind, nämlich die Abholung, das Sortieren, der Transport und die Zustellung von Postsendungen bis 2 kg und Postpaketen bis 10 kg sowie Dienste für Einschreib- und Wertsendungen.
    157

    Der in Art. 3 Abs. 4 PostDRL 97/67/EG enthaltene Begriff „mindestens“ verdeutlicht
    158

    nach Auffassung des EuGH (EuGH, Urteil vom 16.10.2019 ‒ C-4/18 und C-5/18, Winterhoff u.a., juris, Rn. 53), dass ein Mitgliedstaat sicherstellen muss, dass die dort genannten Leistungen gewährleistet sind (Mindestangebot). Daher kann ein Mitgliedstaat auch weitere Postdienstleistungen rechtlich als Universaldienstleistungen einordnen. Als Ergebnis können in den Mitgliedstaaten die zum Universaldienst rechnenden Postdienstleistungen differieren, sofern der jeweilige Mitgliedstaat das Mindestangebot an Universaldienstleistungen gewährleistet.
    159

    Die Einordnung von förmlichen Zustellungen (PZA-Leistungen) als steuerbefreite Universaldienstleistungen durch das EuGH-Urteil vom 16.10.2019 ‒ C-4/18 und C-5/18, Winterhoff (EuGH, Urteil vom 16.10.2019 ‒ C-4/18 und C-5/18, Winterhoff u.a, juris, Rn. 53, 62) führt vor Augen, wie, in diesem Fall durch die Rechtsprechung des EuGH, das aus der Verknüpfung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL mit Art. 3 Abs. 4 PostDRL 97/67/EG in nationalen Gesetzen umgesetzte Mindestangebot an Universaldienstleistungen richtlinienkonform um die von der Klägerin erbrachten PZA-Leistungen erweitert worden ist.
    160

    Dies ist insbesondere dann erforderlich, wenn es sich, wie bei den PZA-Leistungen, um dem Gemeinwohl dienende Leistungen handelt, die ein Grundbedürfnis der Bevölkerung als Nutzerin der Leistungen bedienen (EuGH, Urteil vom 16.10.2019 ‒ C-4/18 und C-5 -5/18, Winterhoff, Rn. 46, 49, 53, 63, juris) und dennoch nicht explizit in den nationalen Vorschriften als Post-Universaldienstleistung aufgeführt sind (siehe §§ 4 Nr. 1 und 2, 11 Abs. 1, 33 PostG). Dabei ist von entscheidender Bedeutung, dass die PZA-Leistungen flächendeckend zu tragbaren Preisen bzw. ermäßigten Kosten erbracht werden (EuGH, Urteil vom 16.10.2019 ‒ C-4/18 und C-5 -5/18, Winterhoff, juris, Rn. 49, 64).
    161

    Der 39. Erwägungsgrund der PostDRL 2008/6/EG trifft eine Regelung für die Zulässigkeit von Sondertarifen wie sie z.B. bei den DV-freigemachten PZU-Leistungen der Klägerin gemäß ihren „AGB DV-Anlagen“ zur Anwendung kommen.
    162

    Demnach können für Dienstleistungen, die von Universaldiensteanbietern für alle Nutzer, einschließlich Unternehmen, Massenversendern und Konsolidierern von Postsendungen verschiedener Kunden erbracht werden, flexiblere Preise im Einklang mit dem Grundsatz der Kostenorientierung gelten. Die Tarife sollen den im Vergleich zum kompletten Standarddienst — einschließlich Einsammeln, Sortierung, Transport und Zustellung einzelner Sendungen — eingesparten Kosten Rechnung tragen.
    163

    Auch gemäß Art. 12 Spiegelstrich 5 PostDRL 2008/6/EG können Anbieter von Universaldienstleistungen Sondertarife anwenden, beispielsweise für Dienste für Geschäftskunden oder Massenversender. Derartige Tarife müssen nur dann allen anderen Nutzern gewährt werden, insbesondere Privatkunden und kleinen und mittleren Unternehmen, wenn die Sendungen unter vergleichbaren Bedingungen eingeliefert werden.
    164

    7.
    165

    National werden die in der PostDRL 97/67/EG beschriebenen Universaldienstleistungen im PostG und in der PUDLV ebenfalls beschrieben.
    166

    § 4 Nr. 1 PostG definiert den Begriff Postdienstleistungen u.a. als die Beförderung von Briefsendungen und Paketen.
    167

    § 11 Abs. 1 PostG wiederholt ‒ in Übereinstimmung mit Art. 3 ff. PostDRL im Zusammenspiel mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL ‒, dass Universaldienstleistungen ein Mindestangebot an Postdienstleistungen nach § 4 Nr. 1 PostG sind, die flächendeckend in einer bestimmten Qualität und zu einem erschwinglichen Preis erbracht werden und allgemein als unabdingbar angesehen werden (so in etwa auch § 2 Abs. 2 Nr. 3 PostG).
    168

    Gemäß § 33 PostG ist ein marktbeherrschender Lizenznehmer, der ‒ wie die Klägerin ‒ Briefzustelldienstleistungen erbringt, verpflichtet, Schriftstücke unabhängig von ihrem Gewicht nach den Vorschriften der Prozessordnungen und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln, förmlich zuzustellen.
    169

    Inhalt und Umfang des Universaldienstes sind gemäß § 11 Abs. 2 PostG in einer Rechtsverordnung festzulegen. Dies ist in Gestalt der PUDLV geschehen. Soweit hier relevant definiert § 1 PUDLV die Postdienstleistungen, die der nationale Gesetzgeber als Universaldienstleistungen einordnet.
    170

    Dies sind gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 PUDLV die Beförderung von Briefsendungen im Sinne des § 4 Nr. 2 PostG sowie die Beförderung von adressierten Paketen. Nachnahmesendungen (Briefsendungen, die erst nach Einziehung eines bestimmten Geldbetrages dem Empfänger ausgehändigt werden) werden gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 PUDLV als von der Briefbeförderung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 PUDLV umfasste Sendungsformen ebenfalls als Universaldienstleistungen eingeordnet. Qualitätsmerkmale der Briefbeförderung und der Paketbeförderung im Universaldienst werden in § 2 und § 3 PUDLV aufgezählt. Demnach muss eine gewisse Anzahl von stationären Einrichtungen vorhanden sein, in denen Beförderungsleistungen von Briefen oder Paketen abgewickelt werden können. Briefkästen müssen ausreichend überall zur Verfügung stehen und sind in einem bestimmten Rhythmus zu entleeren. Die Beförderungsdauer ist ebenso wie die Art und Weise der Zustellung der Brief- und Paketsendungen festgelegt.
    171

    8.
    172

    Unter Zugrundelegung der zitierten EuGH-Rechtsprechung im Zusammenspiel mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL, den angeführten Regelungen der PostDRL 97/67/EG und 2008/6/EG und den nationalen Vorschriften zu Universaldienstleistungen (PostG und PUDLV) ergibt sich für den erkennenden Senat, dass nicht nur die PZA-Leistungen der Klägerin, die pro Zustellung ... € kosten (PZA-Umsätze in Höhe von netto ... €, Anl. 27 Fach F Zeile 5 zum Schriftsatz vom 24.07.2023), sondern auch die rabattierten und DVA-freigemachten PZA-Leistungen der Klägerin gemäß § 4 Nr. 11b UStG (PZA-Umsätze in Höhe von netto ... €, Anl. 27 Fach F Zeile 32 zum Schriftsatz vom 24.07.2023) entgegen der Bewertung durch den Beklagten steuerbefreite Post-Universaldienstleistungen sind.
    173

    Die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 11b S. 3 UStG liegen nicht vor.
    174

    8.1
    175

    PZA-Leistungen sind entsprechend den obigen Ausführungen grundsätzlich eine gemäß § 4 Nr. 11b S. 1 UStG steuerbefreite Post-Universaldienstleistung.
    176

    8.2
    177

    Die Klägerin schließt mit den Auftraggebern von DV-freigemachten und rabattierten PZA-Leistungen und ePZA-Leistungen keine die Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 11b UStG ausschließenden Sondervereinbarungen gemäß § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. a UStG ab.
    178

    Der erkennende Senat kann in den von der Klägerin bei Vertragsschluss verwendeten „AGB Brief National“ im Zusammenhang mit den Rahmenverträgen PZA bzw. ePZA sowie den „AGB DV-Anlagen“ nicht die in der Bundestag-Drucksache 17/813, Seite 9, erwähnten, „verpackten“ Sonderkonditionen feststellen, die zu einer Verneinung der Steuerbefreiung der DV-freigemachten PZA-Leistungen gemäß § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. a UStG führen.
    179

    Gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB sind allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei, dem Kunden, bei Abschluss eines Vertrages „stellt“. Das Merkmal „Stellen der Vertragsbedingungen“ ist erfüllt, wenn eine Vertragspartei die vorformulierten Bedingungen in die Verhandlungen einbringt und deren Einbeziehung in den Vertrag verlangt. Das „Stellen“ entfällt nicht schon dadurch, dass der Kunde zwischen verschiedenen Regelungsalternativen wählen kann oder der Formulartext die Aufforderung zu Änderungen oder Streichungen enthält, sondern erst dann, wenn der Kunde in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen, so dass die Einbeziehung auf einer freien Entscheidung beruht (BGH, Urteil vom 17. Februar 2010 ‒ VIII ZR 67/09, juris; BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 ‒ VIII ZR 26/15, juris).
    180

    Eine Individualvereinbarung kennzeichnet gemäß § 305 Abs. 1 S. 3 BGB, dass der Verwender und der Kunde die Vertragsbedingungen im Einzelnen aushandeln. „Aushandeln“ ist das Gegenteil von „Stellen“.
    181

    Im Streitfall können die Kunden der Klägerin die Vertragsbedingungen für die DV-Freimachung nur so, wie von der Klägerin gestellt, akzeptieren.
    182

    Die Rahmenverträge PZA bzw. ePZA sind kein besonderes Rechtsgeschäft im Sinne einer Sondervereinbarung gemäß § 4 Nr. 11b Satz 3 Buchst. a UStG, sondern Teil der jeweiligen PZA-Auftragsverhältnisse, die in ihrer Gesamtheit nicht wie eine Sondervereinbarung gemäß § 4 Nr. 11b Satz 3 Buchst. a UStG den besonderen Bedürfnissen eines einzelnen Wirtschaftsteilnehmers entspricht, sondern den Grundbedürfnissen der Bevölkerung dient (EuGH, Urteil vom 16.10.2019 ‒ C-4/18 und C-5/18, Winterhoff u.a. juris, Rn. 49, 64; siehe zu Rahmenverträgen Grüneberg/Grüneberg, BGB, § 305 BGB Rn. 24 ff., 44 ff.; BGH, Urteil vom 09.04.2014 ‒ VIII ZR 404/12, juris, Rn. 46).
    183

    8.3
    184

    Dass die DV-freigemachten und rabattierten PZA-Leistungen vom Kunden fortlaufend zu nummerieren, in den vereinbarten Einlieferungsstellen der Klägerin abzugeben, die zu den Sendungen gehörigen Einlieferungsbelege und Protokolle sowie Versandpläne vorzulegen und bestimmte Mindestmengen an Briefen einzureichen sind, führt auch nicht gemäß § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b 1. Alt. UStG zu einer Verneinung der Steuerbefreiung.
    185

    Danach scheidet die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 11b UStG aus, wenn der Unternehmer Postdienstleistungen „aufgrund allgemeiner Geschäftsbedingungen zu abweichenden Qualitätsbedingungen“ erbringt.
    186

    Welche Qualitätsbedingungen Universaldienstleistungen auszeichnen, lässt sich nicht aus § 4 Nr. 11b UStG entnehmen, sondern nur unter Zugrundelegung der bereits zitierten EuGH-Rechtsprechung zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL, den angeführten Regelungen der PostDRL 97/67/EG und 2008/6/EG, dem PostG und der PUDLV ableiten.
    187

    Als Qualitätsmerkmale der Briefbeförderung sind in § 2 PUDLV im Wesentlichen das Vorhandensein einer gewissen Anzahl von stationären Einrichtungen, in denen Beförderungsleistungen von Briefen abgewickelt werden können, die Beförderungsdauer und die Art und Weise der Zustellung der Briefsendungen festgelegt.
    188

    Der erkennende Senat vermag nicht zu erkennen, inwiefern die beschriebene freiwillige Mitwirkung der Auftraggeber von PZA-Leistungen im Rahmen einer vereinbarten DV-Freimachung bis zur Ablieferung der Briefsendungen in der vereinbarten Einlieferungsstelle an diesen Qualitätsmerkmalen des Universaldienstes etwas ändert. Auch bei anderen Sendungsformen, z.B. den Einschreibesendungen, die aufgrund ihrer Erwähnung in Art. 3 Abs. 4 PostDRL 97/67/EG unstreitig zum Universaldienst gehören, hat der Kunde Mitwirkungspflichten. Er muss einen Rückschein ausfüllen und diesen an der Sendung befestigen. Die für die DV-Freimachung erforderliche durchschnittliche Mindestmenge je Einlieferung kombiniert mit einem Rabatt ist auch kein dem Universaldienst fremdes Qualitätsmerkmal gemäß § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b 1. Alt. UStG. So sieht Art. 12 Spiegelstrich 5 PostDRL 2008/6/EG für Universaldienstleistungen an Geschäftskunden und Massenversender, die per se nicht aus der Beförderung eines einzigen Standardbriefes bestehen, ausdrücklich Sondertarife vor. Im Erwägungsgrund 39 der PostDRL 2008/6/EG werden Sondertarife wegen eines nicht kompletten Standarddienstes gebilligt, sofern sie den eingesparten Kosten Rechnung tragen.
    189

    8.4
    190

    Die Steuerbefreiung entfällt auch nicht wegen des 1%igen Rabattes, den die Klägerin den Kunden bei PZA-Leistungen mit DV-Freimachung gewährt. Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b 2. Alt. Fall 1 UStG, nach der keine steuerfreie Universaldienstleistung vorliegt, wenn eine Postdienstleistung „aufgrund allgemeiner Geschäftsbedingungen zu günstigeren Preisen“ als den nach den allgemein für jedermann zugänglichen Tarifen erbracht wird, sind wegen des 1%igen Rabattes nicht gegeben. Die Rabattierung in Zusammenhang mit DV-freigemachten PZA-Leistungen kann von allen Kunden, die nach der Zivilprozessordnung förmliche Zustellungen in Auftrag geben können, in Anspruch genommen werden. Dieser Bewertung entspricht Art. 12 Spiegelstrich 5 PostDRL 2008/6/EG, der Universaldienstleistungen wie die Beförderung von Briefsendungen mit DV-Freimachung durch Geschäftskunden, Massenversender oder Konsolidierer zu Sondertarifen zwar ausdrücklich an die Bedingung knüpft, dass diese Tarife auch allen anderen Nutzern gewährt werden, insbesondere Privatkunden und kleinen und mittleren Unternehmen, allerdings nur, wenn die Sendungen unter vergleichbaren Bedingungen eingeliefert werden. Auch Art. 5 Spiegelstrich 2 PostDRL 97/67/EG bestimmt, dass die Steuerbefreiung einer Postdienstleistung nur dann davon abhängig ist, dass gleiche Leistungen für die Nutzer erbracht werden, soweit vergleichbare Voraussetzungen gegeben sind.
    191

    Weder Privatkunden noch Unternehmen haben laut dem glaubhaften Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung förmliche Zustellungen gemäß § 176 Abs. 1 ZPO idF bis 31.12.2021 mit DV-Freimachung im Streitjahr bewirken können.
    192

    Für das vom Beklagten angeführte fehlende Qualitätsmerkmal zur Bejahung einer Universaldienstleistung bei DV-freigemachten und rabattierten Briefsendungen ‒ die Erschwinglichkeit des für diese Sendungen geltenden Entgelts für die durchschnittliche Nachfrage eines Privathaushalts ‒, findet sich zudem keine Rechtsgrundlage. Ausschließlich die Nachfrage eines Privathaushalts zur Bestimmung heranzuziehen, ob eine Universaldienstleistung im Postbereich vorliegt, verbietet sich nach Auffassung des erkennenden Senats schon deshalb, weil nach der zitierten EuGH-Rechtsprechung Nutzer des Universalpostdienstes Privathaushalte ebenso wie Geschäftskunden sind. Im Übrigen ist der Maßstab für das Entgelt von PZA-Leistungen in § 34 S. 3 i.V.m. § 20 Abs. 1 und 3 PostG benannt.
    193

    Demnach orientiert sich ein von der Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde gemäß § 34 Satz 3 i.V.m. § 44 PostG zu genehmigendes Entgelt an den Kosten einer effizienten Leistungsbereitstellung, die wiederum in § 20 Abs. 2 PostG definiert ist.
    194

    Die „durchschnittliche Nachfrage eines Privathaushalts“ als Entgeltmaßstab für PZA-Leistungen, auf die sich der Beklagte unter Berufung auf UStAE Abschnitt 4.11 b.1 Abs. 3 S. 2 bezieht, sucht man im Postgesetz vergeblich.
    195

    8.5
    196

    Nicht einschlägig ist auch § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b 2. Alt. Fall 2 UStG.
    197

    Danach gilt die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 11b UStG nicht für Leistungen, die der Unternehmer aufgrund „allgemeiner Geschäftsbedingungen zu günstigeren Preisen als den nach § 19 PostG genehmigten Entgelten“ erbringt. Wie bereits oben unter Tz. 8.4 dargestellt ist nicht § 19 PostG, sondern § 34 S. 3 i.V.m. § 20 Abs. 1 und 3 PostG als Maßstab für die Bestimmung des zutreffenden Entgelts von PZA-Leistungen, das die Bundesnetzagentur genehmigt, einschlägig. Die Klägerin hat unbestritten vorgetragen, dass ihre sämtlichen PZA-Entgelte, einschließlich derjenigen für rabattierte bzw. DV-freigemachte PZA, von der Bundesnetzagentur genehmigt worden sind.
    198

    9.
    199

    Soweit die Klägerin in Rechnungen für gemäß § 4 Nr. 11b UStG steuerfreie nicht rabattierte PZA-Leistungen unrichtigerweise Umsatzsteuer ausgewiesen hat, ist die gemäß § 14c Abs. 1 UStG auf Umsätze in Höhe von netto ... € festgesetzte Umsatzsteuer i.H.v. ... € (siehe Anl. 27 zum Schriftsatz vom 24.07.2023, Fach A, B, K und L, Zeile 3 und 4) rechtswidrig und zu berichtigen.
    200

    Die von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 19.07.2023, Seite 2 (Bl. 814 Prozessakte) hilfsweise beantragte Besteuerung von PZA-Umsätzen in Höhe von netto ... € aus rabattierten bzw. DV-freigemachten PZA-Leistungen, die die Klägerin gegenüber ihren Kunden unter Ausweis von Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt ... € steuerpflichtig abgerechnet hat (siehe Anl. 27 zum Schriftsatz vom 24.07.2023, Fach A, B, Q, R und S, Zeile 20 bis 30) und die entsprechend Tz. 8 der Entscheidungsgründe gemäß § 4 Nr. 11b UStG steuerfrei sind, gemäß § 14c Abs. 1 UStG ist ebenfalls rechtswidrig und würde die Klägerin in ihren Rechten verletzen.
    201

    Hierbei ist zu unterscheiden zwischen den PZA-Leistungen der Klägerin mit Umsatzsteuerausweis gegenüber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Kunden (Tz. 9.1) und gegenüber vorsteuerabzugsberechtigten Kunden (Tz. 9.2).
    202

    9.1
    203

    Sofern die Klägerin gegenüber nicht vorsteuerabzugsberechtigten Kunden gemäß Tz. 8 der Entscheidungsgründe steuerbefreite Post-Universaldienstleistungen in Gestalt von PZA-Leistungen erbracht hat, für die sie gegenüber ihren Kunden unrichtigerweise steuerpflichtig abgerechnet hat, kann sie sich auf die Nichtanwendbarkeit von § 14c Abs. 1 UStG, der richtlinienkonform auszulegen ist, bzw. hilfsweise auf Art. 203 Mehrwertsteuersystemrichtlinie (‒ MwStSystRL‒) berufen, denn das Umsatzsteueraufkommen ist durch den unrichtigen Umsatzsteuerausweis in den ihren nicht vorsteuerabzugsberechtigten PZA-Kunden erteilten Rechnungen nicht gefährdet worden.
    204

    Dies betrifft PZA-Umsätze der Klägerin in Höhe von insgesamt netto ... € (nicht rabattierte und nicht DV-freigemachte PZA-Umsätze in Höhe von netto ... € minus nicht rabattierte und nicht DV-freigemachte PZA-Umsätze in Höhe von netto ... € sowie rabattierte und DV-freigemachte PZA-Umsätze in Höhe von netto ... €).
    205

    Wegen der Kürzung der nicht rabattierten und nicht DV-freigemachten PZA-Umsätze in Höhe von netto ... € um nicht rabattierte und nicht DV-freigemachte PZA-Umsätze in Höhe von netto ... € wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
    206

    Dort hat die Klägerin für den Zeitraum 9 - 12/2016 bezüglich der Gruppe „Alle Kunden“ entsprechend Anl. 27 zum Schriftsatz vom 24.07.2023 Fach B und C, Zeile 4 (Nettoumsatz von ... €) nicht hinreichend sicher ausschließen können, dass in ihren Niederlassungen, wenn auch zu einem sehr geringen Prozentsatz, PZA-Leistungen à ... € netto (brutto ... €) an vorsteuerabzugsberechtigte Personen unter Umsatzsteuerausweis verkauft worden sind. Die Beteiligten haben sich sodann darauf geeinigt, dass für diese PZA-Leistungen in Höhe von 0,1 % der Nettoumsätze von ... €, d.h. für PZA-Nettoumsätze i.H.v. ... € unter unrichtigem Umsatzsteuerausweis i.H.v. insgesamt ... € Rechnungen an vorsteuerabzugsberechtigte Kunden im Streitjahr erteilt worden sind.
    207

    9.1.1
    208

    Zu Art. 203 MwStSystRL, den § 14c Abs. 1 UStG im nationalen Recht umsetzen sollte, hat der EuGH mit Urteil vom 08.12.2022 ‒ C-378/21 P GmbH zunächst bestätigt, dass grundsätzlich jede Person, die Umsatzsteuer in einer Rechnung ausweist, diese Steuer schuldet, auch wenn es an einem tatsächlichen steuerpflichtigen Umsatz fehlt (EuGH, Urteil vom 08.12.2022 ‒ C-378/21, P GmbH, juris, Rn. 19). Sodann wird in dem EuGH-Urteil betont, dass Art. 203 MwStSystRL den Zweck habe, der Gefährdung des Steueraufkommens entgegenzuwirken, die sich aus dem Recht des Leistungsempfängers ergibt, aus der ihm überlassenen Rechnung mit Umsatzsteuerausweis den Vorsteuerabzug geltend zu machen (EuGH, Urteil vom 08.12.2022 ‒ C-378/21, P GmbH, juris, Rn. 20). Folgerichtig hat der EuGH in dem zitierten Urteil klargestellt, dass durch den unrichtigen Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnungen gegenüber (nicht vorsteuerabzugsberechtigten) Endverbrauchern keine Steuergefährdung vorliegt und deshalb keine Steuerschuld gemäß Art. 203 MwStSystRL entsteht (EuGH, Urteil vom 08.12.2022 ‒ C-378/21, P GmbH, juris, Rn. 24, 25). Hieraus folgend hat der EuGH auch keine Notwendigkeit gesehen, die zweite Vorlagefrage des vorlegenden österreichischen Bundesfinanzgerichts zu beantworten. Diese betraf die Pflicht des Ausstellers von Rechnungen mit unrichtigem Umsatzsteuerausweis zur Berichtigung der Rechnungen sowie zur Rückzahlung der an ihn gezahlten Umsatzsteuer an die jeweiligen Leistungsempfänger als Bedingung dafür, dass die Finanzverwaltung die gegenüber dem Rechnungsaussteller festgesetzte Umsatzsteuer berichtigt und erstattet (EuGH, Urteil vom 08.12.2022 ‒ C-378/21, P GmbH, juris, Rn. 26).
    209

    9.1.2
    210

    Dementsprechend hat das österreichische Bundesfinanzgericht in dem Urteil, das dem EuGH-Urteil „P GmbH“ nachfolgte (Bundesfinanzgericht, Urteil vom 27.01.2023 ‒ GZ.RV/7100930/2021 unter Ziff. II.3.2., Seite 5, Bl. 727 Prozessakte), entschieden, dass die nationale, Art. 203 MwStSystRL umsetzende Regelung in § 11 öUStG 1994 dahingehend eingeschränkt richtlinienkonform auszulegen ist, dass § 11 Abs. 12 öUStG 1994, der § 14c Abs. 1 UStG entspricht, nur bei Gefährdung des Steueraufkommens anwendbar ist. Die Notwendigkeit einer Berichtigung der unrichtigen Umsatzsteuer gemäß §§ 11 Abs. 12 ,16 Abs. 1 öUStG 1994, um eine Umsatzbesteuerung mit der in den streitgegenständlichen Rechnungen unrichtig ausgewiesenen Umsatzsteuer zu vermeiden, hat das österreichische Bundesfinanzgericht nicht gesehen. Auch hat es sich nicht zu der Frage einer ungerechtfertigten Bereicherung des Rechnungsausstellers durch die von den Leistungsempfängern unrichtigerweise eingenommene Umsatzsteuer geäußert, obwohl hierfür § 239a öBAO einschlägig gewesen wäre.
    211

    Für den Fall, dass § 11 Abs. 12 öUStG 1994 nicht richtlinienkonform auslegbar sein sollte, hat das Bundesfinanzgericht auf die unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 203 MwStSystRL hingewiesen, sofern der Steuerpflichtige dies wie im zu entscheidenden Fall beantragt habe, und ausgeführt, nach der Rechtsprechung des EuGH (z.B. EuGH, Urteil vom 11.04.2013 ‒ C-138/12, Rusedespred, juris, Rn. 40) könne der Steuerpflichtige den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer in seiner durch die Rechtsprechung zu Art. 203 MwStSystRL konkretisierten Form, der den Mitgliedstaaten eine unbedingte und hinreichend genaue Verpflichtung auferlege, gegen eine diesen Grundsatz verletzende Bestimmung des nationalen Rechts geltend machen.
    212

    9.1.3
    213

    Nach Auffassung des erkennenden Senats ist § 14c Abs. 1 UStG ebenso wie § 11 Abs. 12 öUStG 1994 infolge des EuGH- Urteils vom 08.12.2022 P GmbH unter richtlinienkonformer Auslegung dann nicht anwendbar, wenn der unrichtige Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnungen zu keiner Gefährdung des Steueraufkommens geführt hat. Gemäß dem Wortlaut des § 14c Abs. 1 S. 2 UStG kann der Rechnungsaussteller die Abführung des in der Rechnung ausgewiesenen unrichtigen Umsatzsteuerbetrages nach § 14c Abs. 1 UStG abwenden, wenn er die zu hoch ausgewiesene Steuer gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigt (§ 14c Abs. 1 S. 2 UStG). Der Rechnungsaussteller muss den Steuerbetrag, der Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug zudem gegenüber dem Finanzamt berichtigen. Nach dem Wortlaut des § 14c Abs. 1 S. 3 UStG ist dies zwar nur in den Fällen der Geschäftsveräußerung im Ganzen (§ 1 Abs. 1a UStG) und der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung (§ 9 UStG) vorzunehmen. Der BFH hat allerdings entschieden, dass bei richtlinienkonformer Auslegung des § 14c Abs. 1 UStG in allen Fällen des unrichtigen Steuerausweises so verfahren werden muss (BFH, Urteil vom 22.03.2001 ‒ V R 11/98, juris).
    214

    Die wirksame Berichtigung eines Steuerbetrages nach § 14c Abs. 1 S. 2 UStG setzt des Weiteren voraus, dass die in den Rechnungen zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer vom Rechnungsaussteller an den Leistungsempfänger zurückgezahlt worden ist, wenn sich der Rechnungsbetrag in der berichtigten Rechnung verändert (BFH, Urteil vom 16.05.2018 ‒ XI R 28/16, juris; BFH, Urteil vom 18.09.2008 ‒ V R 56/06, juris).
    215

    § 14c Abs. 1 UStG ist damit nach seinem Wortlaut und in der Auslegung, die er durch den BFH erfahren hat, in den Fällen, in denen der Empfänger der Rechnung nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und deswegen keine Gefährdung des Steueraufkommens durch den unzutreffenden Steuerausweis besteht, strenger als das Unionsrecht gemäß Art. 203 MwStSystRL in seiner Ausprägung durch das EuGH-Urteil vom 08.12.2022 P GmbH (EuGH, Urteil vom 08.12.2022 ‒ C-378/21, P GmbH, juris).
    216

    Diesen Widerspruch löst der erkennende Senat ebenso wie das österreichische Bundesfinanzgericht durch eine richtlinienkonforme Auslegung des § 14c Abs. 1 UStG in dem Sinn, dass sich keine Steuerschuld gemäß § 14c Abs.1 UStG ergibt, wenn feststeht, dass eine Steuergefährdung nicht eintreten kann.
    217

    Dies hat zur Folge, dass der Rechnungsaussteller dann, wenn der durch ihn erfolgte unrichtige Steuerausweis in den Rechnungen mangels Vorsteuerabzugsberechtigung der jeweiligen Leistungsempfänger nicht zu einer Gefährdung des Steueraufkommens führt, keine Korrekturhandlungen vornehmen muss.
    218

    Er muss also weder die Rechnungen berichtigen noch den zu viel vereinnahmten Steuerbetrag an den Rechnungsempfänger zurückzahlen. Denn nach dem bisherigen nationalen Verständnis des § 14c Abs. 1 UStG wird die Rückzahlung nur als eine Korrekturvoraussetzung des § 14c Abs. 1 UStG angesehen, die allerdings bei richtlinienkonformer Auslegung des § 14c Abs. 1 UStG hinfällig ist. Denn wenn bei einer Nichtgefährdung des Steueraufkommens die Rechnungen mit dem unrichtigen Steuerausweis nicht korrigiert werden müssen, fehlt für eine Pflicht zur Rückzahlung an den Leistungsempfänger die rechtliche Grundlage.
    219

    Diese kann nicht, wie der Beklagte meint, durch den Grundsatz der Neutralität der Umsatzbesteuerung ersetzt werden. Der unionsrechtliche Grundsatz der Neutralität ist keine Regel des Primärrechts, sondern lediglich ein Auslegungsgrundsatz (EuGH, Urteil vom 13.03.2014 ‒ C-366/12, Klinikum Dortmund, juris, Rn. 40; EuGH, Urteil vom 19.07.2012 ‒ C-44/11, Deutsche Bank, juris, Rn. 45).
    220

    Dass keine Berichtigung der unrichtigen Rechnung erforderlich ist, führt auch dazu, dass die Erstattung der an die Finanzverwaltung abgeführten Umsatzsteuer im Besteuerungszeitraum der Ausstellung der unrichtigen Rechnungen zu erfolgen hat.
    221

    § 14c Abs. 1 S. 2 UStG in Verbindung mit § 17 Abs. 1 UStG, der eine Rechnungsberichtigung erst für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung ohne Rückwirkung auf den Besteuerungszeitraum der Rechnungserteilung festlegt, läuft mangels Berichtigungspflicht ins Leere (so auch Sterzinger, UStB 2023, 3; Heinrichshofen, UVR 2023, 142).
    222

    9.1.4
    223

    Die Grundsätze des EuGH-Urteils vom 08.12.2022 P GmbH sind auf den Streitfall anwendbar, auch wenn der EuGH über einen Sachverhalt zu entscheiden hatte, in dem Rechnungen mit unrichtigem Umsatzsteuerausweis gegenüber Endverbrauchern erstellt worden sind (EuGH, Urteil vom 08.12.2022 ‒ C-378/21, P GmbH, juris, Rn. 24). Denn die regulären PZA-Kunden der Klägerin ‒ Gerichte und Verwaltungsbehörden, Gerichtsvollzieher und Schiedsmänner/-frauen ‒ sind im Streitjahr unstreitig, gleich Endverbrauchern, nicht vorsteuerabzugsberechtigt gewesen (vgl. auch Heinrichshofen, UVR 2023, 142, 145; Prätzler, jurisPR-SteuerR 11/2023, Anm. 5; Streit, MwStR 2023, 229, 230).
    224

    Da bei einer Nichtgefährdung des Steueraufkommens durch unrichtigen Umsatzsteuerausweis in Rechnungen keine Steuerschuld gemäß § 14c Abs. 1 UStG bei richtlinienkonformer Auslegung entsteht, entfällt für die Klägerin als Rechnungsausstellerin die Notwendigkeit einer Rechnungskorrektur gegenüber ihren PZA-Kunden, um eine Berichtigung der Umsatzsteuer 2016 in Höhe der auf ihre Umsätze von netto ... € entfallenden Umsatzsteuer durch den Beklagten zu erreichen.
    225

    Die Frage nach einer unrechtmäßigen Bereicherung der Klägerin stellt sich wie dargelegt ebenfalls nicht.
    226

    Der Beklagte hat gegenüber der Klägerin wegen des unrichtigen Ausweises der Umsatzsteuer in ihren Rechnungen auch keinen Anspruch aus einem zwischen ihm und der Klägerin bestehenden öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis, da § 14c Abs. 1 UStG bei unionskonformer Auslegung keinen Steueranspruch des Beklagten gegenüber der Klägerin begründen kann. Nach Auffassung des erkennenden Senats würde der Beklagte, wenn eine öffentlich-rechtliche Rückzahlungspflicht der Klägerin in Höhe der von ihren PZA-Kunden vereinnahmten Umsatzsteuer aufgrund der unrichtig ausgewiesenen Umsatzsteuer in ihren Rechnungen bejaht würde, ohne Rechtsgrundlage in das zwischen der Klägerin und ihren Kunden bestehende rein zivilrechtliche Rechtsverhältnis eingreifen (siehe auch EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin vom 08.09.2022, C-378/21, juris, Rn. 63-75; Heinrichshofen, UVR 2023, 142,145).
    227

    9.1.5
    228

    Sollte § 14c Abs. 1 UStG nicht richtlinienkonform interpretierbar sein, teilt der erkennende Senat die Auffassung des österreichischen Bundesfinanzgerichts, dass der Steuerpflichtige sich auf die unmittelbare Anwendung des Art. 203 MwStSystRL berufen kann, sofern er dies beantragt hat (Bundesfinanzgericht, Urteil vom 27.01.2023 ‒ GZ.RV/7100930/2021 unter Ziff. II.3.2.).
    229

    Die Klägerin hat sich mit Schriftsatz vom 26.04.2023, Tz. 1 am Ende, Seite 3 (Bl. 711 Prozessakte) und Tz. 4.3.5 am Ende, Seite 12 (Bl. 720 Prozessakte) hilfsweise auf die unmittelbare Anwendung des Art. 203 MwStSystRL berufen.
    230

    9.2
    231

    Sofern die Klägerin gegenüber vorsteuerabzugsberechtigten Kunden gemäß Tz. 8 der Entscheidungsgründe unstreitig steuerbefreite Post-Universaldienstleistungen in Gestalt von PZA-Leistungen à ... € netto in Höhe von insgesamt netto ... € erbracht hat (vergleiche Protokoll der mündlichen Verhandlung), für die sie gegenüber ihren Kunden unrichtigerweise insgesamt ... € Umsatzsteuer ausgewiesen hat, ist der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer zu beachten. Dieser schließt eine nationale Regelung wie § 14c Abs. 1 UStG aus, die die Berichtigung der Steuerschuld eines nachweislich gutgläubigen Rechnungsausstellers von der Korrektur seiner unrichtigen Rechnungen abhängig macht (EuGH, Urteil vom 13.12.1989 ‒ C-342/87, Genius, juris, Rn. 18; EuGH, Urteil vom 19.09.2000 ‒ C-454/98, Schmeink & Cofreth, juris, Rn. 61; EuGH, Urteil vom 18.06.2009 ‒ C-566/07, Stadeco, juris, Rn. 36; EuGH, Urteil vom 31.01.2013 ‒ C -652/11, Stroy trans, juris, Rn. 33; EuGH, Urteil vom 11.04.2013, C-138/12, Rusedespred, juris, Rn. 34; EuGH, Urteil vom 02.06.2020 ‒ C-835,18, Terracult, juris, Rn. 27; EuGH, Urteil vom 18.03.2021 ‒ C-48/20, P (Tankkarten), juris, Rn. 31), insbesondere, wenn die Korrektur faktisch nicht möglich ist, weil dem Rechnungsaussteller die Rechnungsadressaten namentlich nicht bekannt sind (EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin vom 08.09.2022 ‒ C-378/21, P GmbH, juris, Rn. 47 m.w.N).
    232

    Der betroffene Rechnungsaussteller muss sich in diesem Fall auf den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer berufen.
    233

    9.2.1
    234

    Die Klägerin hat ihren Kunden in gutem Glauben an die Bindungswirkung der ihr vom Beklagten erteilten verbindlichen Auskunft gemäß § 89 Abs. 2 AO vom 07.06.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.06.2012 Rechnungen mit unrichtigem Ausweis der Umsatzsteuer für ihre PZA-Leistungen erteilt.
    235

    Zwar hatte die rechtswidrige, gegen Unionsrecht verstoßende und zuungunsten der Klägerin wirkende verbindliche Auskunft vom 07.06.2010 nach Auffassung des erkennenden Senats bereits bei ihrem Erlass gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Steuer-Auskunftsverordnung keine Bindungswirkung.
    236

    Allerdings musste die Klägerin im Streitjahr 2016 noch nicht von der Unionsrechtswidrigkeit und damit der fehlenden Bindungswirkung der ihr erteilten verbindlichen Auskunft vom 07.06.2010 ausgehen. Denn die maßgeblichen Entscheidungen des BFH über die EuGH-Vorlagen zu der Frage der Steuerfreiheit von PZA-Leistungen (BFH, EuGH-Vorlagen vom 31.05.2017 ‒ V R 30/15 und V R 8/16, juris) datieren erst vom 31.05.2017 und waren damit noch nicht geeignet, die Gutgläubigkeit der Klägerin in die Bindungswirkung der zu ihren Lasten rechtswidrigen verbindlichen Auskunft im Streitjahr zu zerstören, zumal die vorangegangenen finanzgerichtlichen Entscheidungen (vgl. FG Köln, Urteil vom 11.03.2015 ‒ 2 K 1707/11, juris; FG Köln, Urteil vom 09.12.2015 ‒ 2 K 1715/11, juris; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.08.2015 ‒ 9 K 403/12, juris) den Inhalt der verbindlichen Auskunft gerade bestätigt und die Klägerin neben den von ihr vorgetragenen Gründen dazu veranlasst hatten, die PZA-Leistungen ab September 2016 nunmehr steuerpflichtig abzurechnen.
    237

    9.2.2
    238

    Eine Korrektur der die PZA-Leistungen in Höhe von netto ... € betreffenden ca. ... Rechnungen à ... € netto ist faktisch nicht möglich und unverhältnismäßig.
    239

    Hierzu müssten bundesweit ca. ... Rechnungen für nicht rabattierte oder nicht DV-frankierte PZA-Leistungen à ... € netto, erteilt im Zeitraum 9-12/2016 ausgehend von einem diesbezüglichen Nettoumsatz in Höhe von... €, überprüft werden.
    240

    9.2.3
    241

    Die Klägerin hat sich mit Schriftsatz vom 25.02.2022 unter Tz. 3.2.3.1.4, Tz. 3.2.3.1.5 und Tz. 3.2.3.2.3, mit Schriftsatz vom 11.07.2022 unter Tz. 1.2.2 und mit Schriftsatz vom 26.04.2023 unter Tz. 4.2 auf den gemäß dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer durch den EuGH auszulegenden Art. 203 MwStSystRL zur Berichtigung der Umsatzsteuer bei einem gutgläubigen Rechnungsaussteller hilfsweise berufen, falls eine richtlinienkonforme Auslegung des § 14c Abs. 1 UStG für den Fall eines gutgläubigen Rechnungsausstellers nicht möglich sein sollte.
    242

    Für eine richtlinienkonforme Auslegung des § 14c Abs. 1 UStG im Fall eines gutgläubigen Rechnungsausstellers, wie der Klägerin im Streitfall, sieht der erkennende Senat bei Rechnungen mit unrichtigem Steuerausweis gegenüber vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfängern keinen Raum. Denn die Berichtigung der Steuerschuld durch die Finanzverwaltung gemäß § 14c Abs. 1 UStG setzt stets die Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens, bei vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfängern, also eine Rechnungskorrektur, voraus, auch wenn der Rechnungsaussteller bei Ausstellung der Rechnung gutgläubig war (Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, Lfg.193, 04/ 2021, § 14c Rz. 9 f., 36 f., 207, 293 f.).
    243

    10.
    244

    Die Umsatzsteuer 2016 laut Urteil berechnet sich wie folgt:
    245

    ‒ Umsatzsteuer laut Umsatzsteuerbescheid 2016 vom 25.07.2023
        

    ... €

    ‒ minus unzutreffend festgesetzte Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG
        

    ... €

    ‒ minus unzutreffend festgesetzte Umsatzsteuer trotz Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 11b UStG
        

    ... €

    ‒ plus Korrektur Vorsteuerabzug
        

    ... €
        

    ‒> Umsatzsteuer laut Urteil
        

    ... €
    246

    11.
    247

    Die Kostenfestsetzung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
    248

    12.
    249

    Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.