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  • 25.11.2024 · IWW-Abrufnummer 245028

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 15.04.2024 – 6 K 2425/21 AO

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Düsseldorf


    Tenor:

    Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2018 vom 15.01.2021, die Bescheide zum 31.12.2013, 31.12.2014, 31.12.2015, 31.12.2016, 31.12.2017 und 31.12.2018 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG, jeweils vom 15.01.2021, die Bescheide für 2013 bis 2018 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag, jeweils vom 15.01.2021, die Bescheide für 2013 bis 2015 über Umsatzsteuer, jeweils vom 15.01.2021, die Bescheide für 2013 bis 2017 über den Gewerbesteuermessbetrag, jeweils vom 28.01.2021,der Bescheid auf den 31.12.2018 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes vom 08.02.2021,

    jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.10.2021, werden aufgehoben.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten wird für notwendig erklärt.

    1
    T a t b e s t a n d :

    2
    Die Beteiligten streiten sich darüber, ob der Klägerin, einer gemeinnützigen GmbH, für die Jahre 2013 bis 2018 wegen einer Mittelfehlverwendung der Status der Gemeinnützigkeit abzuerkennen ist.

    3
    Gesellschafter der Klägerin, ..., sind zu 50 % die Z. und zu jeweils 25 % der X. e.V. und der F. e.V. Die Klägerin verfügte im Jahr 2018 über N01 Mitarbeiter in insgesamt N02 Betriebsstellen.

    4
    In § 7 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin ist ein Aufsichtsrat als Organ der Gesellschaft vorgesehen. Gemäß § 13 Nr. 1 b des Gesellschaftsvertrages beschließt dieser insbesondere auch über die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer, während gemäß § 11 Nr. 1 b die Gesellschafterversammlung für die Entlastung des Aufsichtsrates und der Geschäftsführung zuständig ist.

    5
    Der Beklagte stellte zuletzt mit Bescheid gemäß § 60a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) vom 18.02.2014 die Erfüllung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51 ff. AO durch die Klägerin fest und wies darauf hin, dass die Klägerin nach ihrer Satzung mildtätige und gemeinnützige Zwecke nach § 52 ... AO fördere.

    6
    Vom 00.00.2009 bis zum 00.00.2018 war J. B. Geschäftsführerin der Klägerin; Vorsitzender des Aufsichtsrates war zunächst bis ... 2009 und dann wieder ab ... 2012 bis zum ... 2017 I. A..

    7
    Der erste Geschäftsführervertrag mit B. zum 00.00.2009 sah als Grundvergütung ein Jahresgehalt i.H.v. … Euro brutto zzgl. einiger Sonderleistungen, wie Dienstwagen und Altersversorgung, vor. Der Aufsichtsrat beabsichtigte im Jahr 2011, die Vergütung angemessen zu erhöhen und holte dazu ein Gutachten der Firma P. GmbH (P.) ein, welches vom 02.03.2011 datiert. Ausweislich des Gutachtens wurde eine Jahresbruttogrundvergütung von … bis … Euro für gerechtfertigt und angemessen erachtet. Zusätzlich wurde die Möglichkeit eines leistungsabhängigen Vergütungsbestandteils i.H.v. 15-25 % bezogen auf die Gesamtvergütung entwickelt. Auf dieser Grundlage beschloss der Aufsichtsrat am 17.03.2011 eine Änderungsvereinbarung. Danach wurde an die Geschäftsführerin ein Jahresgehalt i.H.v. … Euro brutto zuzüglich der Beiträge zur Sozialversicherung, ab dem 01.01.2011 eine Tantieme i.H.v. 15 % des Jahresgehalts bei Erfüllung einer definierten Zielvereinbarung sowie … Euro pro Monat für eine nachzuweisende private Altersvorsorge gezahlt. Die Tantieme war vom Erreichen im Vorjahr definierter Ziele abhängig. Verfahrensmäßig war der Weg so, dass B. jeweils drei Ziele vorschlug und im Folgejahr darüber berichten musste. Diese wurden soweit ersichtlich stets als erreicht angesehen. Die Gesamtvergütung belief sich daher im Jahr 2012 auf … Euro (zzgl. Sachbezügen).

    8
    Am 10.07.2013 beschloss der Aufsichtsrat in einer Sondersitzung eine Vertragsverlängerung mit der Geschäftsführerin um weitere 5 Jahre bis zum 00.00.2019. Der Aufsichtsratsvorsitzende wurde beauftragt, den Anstellungsvertrag entsprechend zu verlängern. A. und B. unterzeichneten noch am 10.07.2013 eine „Neufassung des § 3 (1) des Geschäftsführervertrages vom 25. Mai 2009 sowie deren Ergänzungen vom 03. Juli 2009 und 6. Oktober 2009 sowie 17. März 2011“ mit dem Inhalt: „Aufgrund des einstimmigen Aufsichtsratsbeschlusses vom 10. Juli 2013 wird der § 3 (1) wie folgt geändert: Dieser Vertrag wird ab dem 00.00.2014 um weitere 5 Jahre verlängert.“

    9
    Ebenfalls am 10.07.2013 unterzeichneten A. als Aufsichtsratsvorsitzender und B. eine „Neufassung der §§ 4 (1) sowie (2) und 6 (2) des Geschäftsführervertrages vom 25. Mai 2009 sowie deren Ergänzungen vom 03. Juli 2009 und 06. Oktober 2009 sowie 17. März 2011“, wonach B. als Vergütung für die erbrachte Leistung ab dem 01.07.2013 ein Jahresgehalt i.H.v. … Euro brutto und bei Erfüllung der Zielvereinbarung zusätzlich eine Vergütung von 15 % des Jahresgehalts erhalten sollte. Für die private Altersversorgung sollten nunmehr … Euro p.a. ohne Nachweis gezahlt werden. Die Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit wurde von 6 auf 12 Monate verlängert. Eine Bezugnahme auf einen Aufsichtsratsbeschluss enthielt diese Vereinbarung nicht. B. wies nachfolgend den zuständigen Mitarbeiter der Klägerin an, die Auszahlungen an ihre Person der Höhe nach entsprechend anzupassen.

    10
    Am 06.06.2016 fand eine weitere Aufsichtsratssitzung statt. Vergütungsfragen wurden dabei ausweislich des Protokolls nicht diskutiert. Dennoch unterzeichneten nur 14 Tage später am 20.06.2016 A. und B. eine weitere Anpassung des Geschäftsführervertrages, wonach B. nunmehr ab dem 01.01.2016 ein Jahresgehalt i.H.v. … Euro brutto und bei Erfüllung der Zielvereinbarung zusätzlich eine Vergütung von 15 % des Jahresgehalts erhalten sollte. Für die private Altersversorgung sollten nunmehr … Euro p.a. ohne Nachweis gezahlt werden.

    11
    Die tatsächlich ausgezahlten Jahresgesamtbezüge der Geschäftsführerin inklusive Sachleistungen stellten sich in den Jahren 2009 bis 2018 wie folgt dar:

    12
    2009 … Euro
    2010 ... Euro
    2011 … Euro
    2012 … Euro
    2013 … Euro
    2014 … Euro
    2015 … Euro
    2016 … Euro
    2017 … Euro
    2018 … Euro

    13
    Von 2013 bis 2016 war zunächst die P., ab 2017 die N. -GmbH (N.) mit der Prüfung des Jahresabschlusses und Lageberichts unter Einbeziehung der Buchführung beauftragt worden. Dabei sollte jeweils die Ordnungsgemäßheit der Leistungen und Zahlungsflüsse zwischen der Klägerin und ihrer Geschäftsführung Gegenstand der Prüfung sein. In keinem der Prüfungs- bzw. Lageberichte wurde dabei die konkrete Vergütungshöhe von B. moniert oder das Fehlen eines Aufsichtsratsbeschlusses bemängelt.

    14
    Am 00.00.0000 veröffentlichte ... „V.“ einen Artikel unter der Überschrift „...?“

    15
    Ebenfalls im ... 2017 wurde R. neuer Aufsichtsratsvorsitzender der Klägerin. Im Zuge der Beratungen um eine weitere Vertragsverlängerung von B. erlangte er Kenntnis von den Änderungsvereinbarungen, die zwischen B. und A. geschlossen worden waren. Am 00.00.2018 fand eine Aufsichtsratssitzung statt, in der auch die Verlängerung des Anstellungsvertrages der Geschäftsführung diskutiert wurde, wobei B. während der entsprechenden Diskussion den Sitzungssaal zu verlassen hatte. R. machte laut Protokoll deutlich, dass die erfolgten Änderungen bzgl. der Geschäftsführervergütung vom 10.07.2013 und vom 20.06.2016 bisher vom Aufsichtsrat nicht genehmigt worden und daher schwebend unwirksam seien. Die Mitglieder des Aufsichtsrats erklärten laut Protokoll, dass sie in der Zeit nach 2011 mit dem Thema einer Gehaltsanpassung nie befasst worden seien. Daraufhin sprach sich der Aufsichtsrat für eine Verlängerung der Anstellung der Geschäftsführerin aus, vor einer dafür zwingend notwendigen Beschlussfassung im Aufsichtsrat sei aber das Ergebnis einer Überprüfung der Angemessenheit der Vergütung durch eine zu beauftragende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft abzuwarten.

    16
    Das auf der Grundlage des Beschlusses in der Sitzung vom 00.00.2018 eingeholte Gutachten von H. (H.) erachtete eine Gesamtgeschäftsführervergütung i.H.v. … bis … Euro als angemessen. Ein zeitgleich vermutlich von B. eingeholtes Gutachten der M. AG (M.) kam hingegen zu dem Ergebnis, dass die ab dem Jahr 2016 gezahlte Vergütung i.H.v. rund … Euro nicht unverhältnismäßig hoch sei.

    17
    Das Gutachten von H. war Gegenstand der Beratung in der Aufsichtsratssitzung vom 00.00.2018. In dieser Sitzung berief der Aufsichtsrat B. mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführerin ab und beschloss ihr mit sofortiger Wirkung den Geschäftsführervertrag außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen. Noch in der Sitzung wurde B. das Kündigungsschreiben übergeben. In einer weiteren Aufsichtsratssitzung vom 00.00.2018 wurde vom Aufsichtsrat beschlossen, Ansprüche gegen B. und A. geltend zu machen.

    18
    Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung (GKBP) U. führte zu dieser Zeit eine steuerliche Außenprüfung bei der Klägerin für den Zeitraum 2012 bis 2015 durch. Mit Prüfungsanfrage vom 00.00.2018 wurde die Klägerin zur Vorlage aller Gutachten aus den Jahren 2011 und 2018 zur Frage der Angemessenheit des Geschäftsführergehalts und zum Vorliegen einer diesbezüglichen Mittelfehlverwendung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO aufgefordert. Am 00.00.2018 fand eine Besprechung zwischen Vertretern der GKBP U., der OFD NRW sowie Vertretern der Klägerin in den Räumlichkeiten der Klägerin in Z. statt.

    19
    Die GKBP kam im Betriebsprüfungsbericht vom 00.00.2018 zu dem Ergebnis, dass in den Jahren 2013 bis 2015 eine Mittelfehlverwendung i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 3 AO vorgelegen habe. Bezüglich der drei vorgelegten Gutachten von P. aus dem Jahr 2011, dem Gutachten von H. und dem Gutachten von M., beide jeweils aus dem Jahr 2018, folge man den Einschätzungen von P. und H.. Die Vergütung sei unangemessen hoch. Gründe für die jeweils sehr hohen Gehaltssteigerungen seien nicht erkennbar.

    20
    Mit Schreiben vom 00.00.2019 forderte der Beklagte die Klägerin zur Stellungnahme zum BP-Bericht vom 00.00.2018 auf.

    21
    Der Beklagte erklärte mit Schreiben vom 00.00.2020 gegenüber der Klägerin, dass beabsichtigt sei, wegen überhöhter Gehaltszahlungen an die Geschäftsführerin ab dem Jahr 2013 die Gemeinnützigkeit für die Jahre 2013 bis 2018 abzuerkennen und forderte die Klägerin zur Übersendung der Steuererklärungen zur Körperschaftsteuer 2013 bis 2018, Gewerbesteuer 2013 bis 2018 und Umsatzsteuer 2013 bis 2018 auf. Sie wies darauf hin, dass die Besteuerungsgrundlagen andernfalls im Schätzwege ermittelt würden. Nach mehreren gewährten Fristverlängerungen teilte die Klägerin mit, dass sie sich zur Übersendung der Erklärungen nicht verpflichtet sähe. Der Beklagte erließ daraufhin am 15.01.2021, am 28.01.2021 und am 08.02.2021 die streitgegenständlichen Bescheide. Hiergegen legte die Klägerin am 04.02.2021, am 22.02.2021 sowie am 26.02.2021 Einsprüche ein, welche mit Einspruchsentscheidung vom 22.10.2021 als unbegründet zurückgewiesen wurden. Der Beklagte führte aus, dass anhand der vorliegenden Gutachten von einem krassen Missverhältnis und einer unverhältnismäßigen Gesamtvergütung der Geschäftsführerin der Klägerin in den Jahren 2013 bis 2018 ausgegangen werde. Dabei sei der Verstoß gegen das Selbstlosigkeitsgebot über die Feststellungen der Betriebsprüfung für den Prüfungszeitraum 2012 bis 2015 hinaus auch für den Zeitraum bis 2018 anzunehmen sei.

    22
    Hiergegen richtet sich die von der Klägerin am 28.10.2021 fristgerecht erhobene Klage.

    23
    Die Klägerin ist der Auffassung, dass es entgegen der Ansicht des Beklagten auf die Frage der Unverhältnismäßigkeit der Geschäftsführervergütung nicht ankomme, weil es jedenfalls an der Zurechenbarkeit fehle. Sie ist der Auffassung, dass ihr die eigenmächtige Veranlassung der Auszahlungen der ab dem 01.07.2013 und ab dem 01.01.2018 erhöhten Vergütungsbestandteile durch die Geschäftsführerin an sich selbst sowie die dies ermöglichenden eigenmächtig und heimlich unter gezielter Umgehung des Aufsichtsrates von B. und A. vereinbarten Nachträge vom 10.07.2013 und vom 20.06.2016 nicht zuzurechnen seien. Als Vertreter ohne Vertretungsmacht habe A. nicht für die Klägerin, sondern für sich selbst gehandelt.

    24
    B. und A. hätten umgangssprachlich zu ihren Gunsten in die Kasse der Klägerin gegriffen. Folgerichtig habe das Landgericht Z. B. und A. dazu verurteilt, gesamtschuldnerisch Schadensersatz in Höhe von … Euro zzgl. Zinsen zu leisten. Dabei handele es sich um den gesamten Bruttoaufwand (einschließlich Sozialversicherungsanteile) der Überzahlungen Die Staatsanwaltschaft Z. habe darüber hinaus Anklage wegen gemeinschaftlicher Untreue erhoben. Ohne einen vorherigen Beschluss des Aufsichtsrats sei A. nicht befugt gewesen, als Aufsichtsratsvorsitzender rechtsgeschäftliche Erklärungen des Aufsichtsrats für die Klägerin abzugeben.

    25
    Sämtliche Aufsichtsratsmitglieder seien ehrenamtlich für die Klägerin tätig. Aus ex ante Sicht sei es für jeden verständigen Dritten nicht vorstellbar gewesen, dass die Geschäftsführerin arbeitsteilig mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden heimlich Vergütungserhöhungen unterzeichne und anschließend weitere Verdeckungsmaßnahmen unternommen würden.

    26
    Die Prüfungsgesellschaften seien damit beauftragt gewesen, auch die Ordnungsmäßigkeit der Leistungsbeziehungen und Zahlungsflüsse zwischen der Gesellschaft und der Geschäftsführung zu prüfen und das Ergebnis in jeden Bericht über die Jahresabschlussprüfungen aufzunehmen. Die Berichte hätten in allen streitrelevanten Jahren die Erklärung beinhaltet, dass eine entsprechende Prüfung stattgefunden habe, dass die den Zahlungen zugrundeliegenden Vertragsgrundlagen anerkannten Grundsätzen entsprächen und dass die Leistungen dem Grundsatz und der Höhe nach den vertraglichen Grundlagen entsprechend abgewickelt worden seien. In jedem der von B. erstellten und von den Wirtschaftsprüfern geprüften Anhängen zu den Jahresabschlüssen für 2009 bis 2017 sei von dem Wahlrecht des § 286 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs (HGB) Gebrauch gemacht worden, d.h. es seien nur die Gesamtbezüge der Aufsichtsratsmitglieder, nicht aber der Geschäftsführung angegeben. Sämtliche Berichte hätten die Aussage enthalten, dass dies „zulässigerweise“ erfolgt sei. Die abgegebenen Erklärungen zum Public Corporate Governance Kodex (PCGK) der Z. hätten die Angabe enthalten, dass den Vorgaben des PCGK entsprochen worden sei, „soweit bestehende Verträge […] sowie andere geltende Regelungen dem nicht entgegengestanden“ hätten. Soweit Tz. 3.3.3 des PCGK der Z. auf eine Offenlegung der Bezüge abstelle, sei der Aufsichtsrat also nachvollziehbar davon ausgegangen, dass eine andere geltende Regelung dem entgegengestanden habe. Dass die Aufsichtsratsmitglieder jedenfalls keinen Anlass hätten haben müssen, an der Anwendung von § 286 Abs. 4 HGB zu zweifeln, ergebe sich auch aus einer Stellungnahme des Rechtsamtes der Z. vom 00.00.0000 gegenüber dem Haupt- und Finanzausschuss zu einer Eingabe nach § 24 der Gemeindeordnung NRW (GO NRW). Dort habe der Amtsleiter sogar noch ex post ausführlich und unter ausdrücklicher Einbeziehung von Tz. 3.3.3 PCGK sowie § 108 Abs. 1 Nr. 9 GO NRW begründet, dass die Gesellschaft von § 286 Abs. 4 HGB Gebrauch machen dürfe. Jedenfalls erscheine es lebensfremd, dass die Aufsichtsratsmitglieder auch nur hätten auf die Idee kommen können, dass entgegen der Auffassung der Geschäftsführerin, zweier Abschlussprüfungsgesellschaften und der Gesellschafter § 286 Abs. 4 HGB nicht anwendbar sei. Ob den Abschlussprüfern Fahrlässigkeit oder sogar grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne, werde möglicherweise demnächst in einem Zivilprozess gegen P. und seinen Haftpflichtversicherer zu klären sein, den die Klägerin gerade vorbereite. Die Pflichtverletzung könne in dieser Konstellation ‒ anders als bei der Anfertigung von Steuererklärungen ‒ aber nicht der Klägerin zugerechnet werden.

    27
    Darüber hinaus sei die Entwicklung der in den Jahresabschlussprüfungs-Berichten aufgeführten Personalkosten vollkommen unauffällig gewesen. Die Erhöhungen des Personalaufwands von … TEUR in 2009 bis hin zu … TEUR in 2016 seien nach dem Erläuterungsteil „im wesentlichen auf den Anstieg der Mitarbeiterzahl zurückzuführen“ gewesen. Die Jahresabschlussprüfungs-Berichte seien den Mitgliedern des Aufsichtsrats jeweils in einer Aufsichtsratssitzung durch ein oder zwei Wirtschaftsprüfer ausführlich vorgestellt und anhand von zusätzlichen Power-Point-Vorlagen erläutert worden. Die Aufsichtsratsmitglieder hätten von ihrem Fragerecht dabei ausführlich Gebrauch gemacht.

    28
    Aus der ex-ante Sicht habe es für die Mitglieder des Aufsichtsrats damit nicht auch nur den kleinsten Hinweis gegeben, dass sich B. aufgrund der heimlich geschlossenen Nachträge zusätzliche Beträge auszahlen ließ. Dies habe sich erst durch den Wechsel im Aufsichtsratsvorsitz nach und nach herausgestellt. In der weiteren Zeitfolge habe sich zudem herausgestellt, dass B. seit 2013 und bis einschließlich 00.2018 diverse gezielte Maßnahmen ergriffen hatte, um zu verhindern, dass der Sachverhalt durch den Aufsichtsrat, die Gesellschafter, die Beteiligungsverwaltung der Z. oder durch sonst jemanden entdeckt wird. So sei am 00.00.2018 eine Anweisung von ihr an alle Mitarbeiter ergangen, nach allem zu suchen „worin mein Name „B.“ vorkommt und gleichzeitig eine Zahl beinhaltet, die in irgendeiner Form mit meiner Vergütung zu tun hat.“ Diese Dokumente hätten „entsorgt (Häcksler)“ werden sollen, wobei sie den Mitarbeitern Ausgleich für etwaige Mehrarbeitszeit angeboten habe. Diese Anweisung sei einen Tag vor einer Aufsichtsratssitzung am 00.00.2018 erfolgt.

    29
    Über die eigenmächtig unterzeichneten Nachträge sei von B. und A. gezielt getäuscht worden. Beispielsweise hätten sie hinsichtlich der vom Aufsichtsrat am 10.07.2013 beschlossenen Vergütungserhöhung gemeinsam, insbesondere aber B., sehr genau alle Förmlichkeiten und Informationspflichten eingehalten und seien sogar darüber hinaus gegangen. Die Nachträge seien hingegen konsequent geheim gehalten worden. Ein Hinweis finde sich auf keiner Tagesordnung und in keinem Sitzungsprotokoll. Im Rahmen der Übersendung der Unterlagen zur Aufsichtsratssitzung an die Beteiligungsverwaltung habe B. den Verlängerungsvertrag beigelegt, den Vergütungserhöhungsvertrag aber weggelassen. Den Nachtrag habe sie selbst in ihren Privatsachen unter Verschluss genommen. An die Lohnbuchhaltung habe sie nur einen handschriftlichen Notizzettel weitergegeben.

    30
    Bezüglich der früheren Geschäftsführung könne entgegen der Behauptung des Beklagten den vorliegenden Berichten nicht entnommen werden, dass dem früheren Geschäftsführer eine überhöhte Vergütung gezahlt worden sei. Unregelmäßigkeiten hätten sich allein aus Handwerkerleistungen ergeben. Schon gar nicht habe eine Konstellation vorgelegen, in der sich der Geschäftsführer eigenmächtig eine ggf. zu hohe Vergütung ausgezahlt hätte.

    31
    Hilfsweise sei die Entziehung der Gemeinnützigkeit jedenfalls unverhältnismäßig. Es liege schon kein Wiederholungssachverhalt vor, sondern es handele sich um einen Zustand, der einmal herbeigeführt worden sei und fortwirke. Der Aufsichtsrat habe in seiner Sitzung vom 11.03.2011 die freiwillige sofortige Anwendung des PCGK beschlossen. Nach Auffassung des Beklagten hätte er ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung dafür sorgen müssen, dass die Bezüge von B. veröffentlicht würden. Unterstellt, § 286 Abs. 4 HGB wäre nicht anwendbar gewesen, so hätte sich der Aufsichtsrat darüber einmal im Jahr 2011 geirrt. Dieser Irrtum wäre dann lediglich im Rahmen der Jahresabschlüsse 2012 bis 2017 aufrechterhalten worden.

    32
    Unabhängig vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Rahmen von § 63 AO sei bei unvorsätzlichen Verstößen der tatsächlichen Geschäftsführung gegen die Satzung, soweit tauglich, eine Heilungsmöglichkeit einzuräumen (z. B. Unger in Gosch, AO/FGO, § 63 AO Rz. 57; ähnlich Hüttemann, Handbuch Gemeinnützigkeit, 5. Aufl. 4.229 jeweils unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ‒ BFH ‒ zur nachträglichen Wiederzuführung von Mitteln, die aus dem ideellen Bereich zum Ausgleich von Verlusten im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb verwendet worden sind). Die Klägerin habe alles unternommen, um den Sachverhalt möglichst zügig aufzuklären und die für eine Anspruchsverfolgung notwendigen Nachweise zusammenzustellen. Sofern der BFH im Urteil V R 5/17 auf die Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung abstelle, könne den Ausführungen entgegen der Auffassung des Beklagten aber nicht entnommen werden, dass eine Heilungsmöglichkeit ausgeschlossen sein solle.

    33
    Hilfsweise sei aber auch nicht von einer unverhältnismäßig hohen Vergütung auszugehen. Nach der Rechtsprechung sei eine Bandbreitenbetrachtung anzustellen. Unverhältnismäßig seien nur diejenigen Bezüge, die den oberen Bereich der Bandbreite übersteigen würden. Ein solches Überschreiten der Bandbreite sei aber unter Zugrundelegung der BBE Studien nicht anzunehmen.

    34
    Die Klägerin beantragt,

    35
    den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2018 vom 15.01.2021,

    36
    die Bescheide zum 31.12.2013, 31.12.2014, 31.12.2015, 31.12.2016, 31.12.2017 und 31.12.2018 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG, jeweils vom 15.01.2021,

    37
    die Bescheide für 2013 bis 2018 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag, jeweils vom 15.01.2021,

    38
    die Bescheide für 2013 bis 2015 über Umsatzsteuer, jeweils vom 15.01.2021,

    39
    die Bescheide für 2013 bis 2017 über den Gewerbesteuermessbetrag, jeweils vom 28.01.2021,

    40
    den Bescheid auf den 31.12.2018 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes vom 08.02.2021,

    41
    jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.10.2021 aufzuheben;

    42
    der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen;

    43
    sowie die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.

    44
    Der Beklagte beantragt,

    45
    die Klage abzuweisen.

    46
    Der Beklagte trägt vor, dass das eigenmächtige Zusammenwirken des Aufsichtsratsvorsitzenden mit der Geschäftsführerin dem Aufsichtsrat und damit der Klägerin zuzurechnen sei. Die wichtigste Aufgabe des Aufsichtsrates sei die Überwachung der Geschäftsführung, der dieser unter mindestens grober Vernachlässigung der Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Überwachers nicht nachgekommen sei.

    47
    Nach einem Aufsichtsratsbeschluss vom 17.03.2011 wende die Klägerin den PCGK der Z. an. Unter Tz. 3.3. PCGK fänden sich Vorgaben zur Vergütung der Geschäftsführung. Gemäß Tz 3.3.3 PCGK seien die den Mitgliedern der Geschäftsführung gewährten Gesamtbezüge nach Maßgabe von § 108 Abs. 1 Nr. 9 GO NRW individualisiert im Anhang des Jahresabschlusses auszuweisen. Gemäß Tz. 3.3.4 PCGK sei die korrekte Abwicklung der Vergütung der Geschäftsführung durch den Wirtschaftsprüfer zu überprüfen und schriftlich zu bestätigen.

    48
    Über den formalen Aufsichtsratsbeschluss vom 17.03.2011 zur Anwendung des PCGK hinaus habe der Aufsichtsrat aber keine erkennbaren Maßnahmen für eine effektive Anwendung des PCGK in der Praxis ergriffen. Insbesondere die nach Tz. 3.3.3 PCGK erforderlichen individualisiert auszuweisenden Gesamtbezüge der Geschäftsführung tauchten in keinem der Jahresabschlussberichte auf. Ebenso wenig seien in den Berichten die nach Tz. 3.3.4 PCGK erforderlichen Leistungsbeziehungen und Zahlungsflüsse zwischen der Gesellschaft und der Geschäftsführung enthalten. Der Hinweis der Klägerin auf eine dem Aufsichtsrat verheimlichte Vergütungserhöhung sei damit widersprüchlich, weil sich der Aufsichtsrat auf einen von ihm maßgeblich pflichtwidrig selbst (mit-)verursachten Informationsmangel berufe, der gerade durch seine Überwachung sowie die praktische Implementierung des PCGK hätte verhindert werden sollen. Die Klägerin habe den PCGK lediglich wie ein „Papierprogramm“ behandelt.

    49
    Bereits durch das Verhalten des vorherigen Geschäftsführers, E., und seiner Tochter, die als Prokuristin fungierte, hätten sich für die Klägerin Probleme mit der Einhaltung gemeinnützigkeitsrechtlicher Vorschriften ergeben. Ihm sei u.a. vorgeworfen worden, dass er mit Handwerkern Vereinbarungen auf Kosten der Klägerin zu seinen eigenen Gunsten getroffen und ebenfalls eine deutlich überhöhte Geschäftsführervergütung erhalten hätte. Aus einem Gutachten der P. GmbH vom 02.03.2011 habe sich, so die Auffassung des Beklagten, außerdem ergeben, dass E. eine zu hohe Geschäftsführervergütung erhalten habe. Schadensersatzansprüche hätten aber nicht geltend gemacht werden können, da die Unregelmäßigkeiten erst nach seinem Tod aufgedeckt worden seien. Aufgrund dieser Vorgeschichte seien an die Überwachung der Geschäftsführerin B. erhöhte Anforderungen zu stellen. Es sei grob fahrlässig, dass der Aufsichtsrat nach der Aufdeckung der Probleme mit dem Geschäftsführer E. keinerlei Kontrollmaßnahmen eingeführt habe.

    50
    Eine fehlende Überwachung durch den Aufsichtsrat dürfte sich Presseberichten zufolge auch aus einem Sonderbericht des Rechnungsprüfungsamts (RPA) Z. aus dem Jahr 0000 ergeben. Die Klägerin habe sich pflichtwidrig geweigert, diesen vorzulegen. Dies sei beweiswirksam zu berücksichtigen.

    51
    Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die Veranlagungszeiträume 2013 bis 2018 sei auch verhältnismäßig. Es handele sich vorliegend um einen wirtschaftlich gravierenden Wiederholungssachverhalt. Der Verstoß sei wirtschaftlich gravierend, denn die durch Urteil des Landgerichts Z. festgestellten Schadensersatzansprüche beliefen sich auf … Euro. Der Wiederholungsaspekt des Pflichtverstoßes liege in der unterbliebenen Kontrolle der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat über mindestens sechs Veranlagungszeiträume und den damit zusammenhängenden rechtsgrundlosen Zahlungen an die Geschäftsführerin.  Eine Heilungsmöglichkeit scheide aus. Die Geltendmachung von bestehenden Schadensersatzansprüchen sei eine Selbstverständlichkeit. Nach dem Urteil des BFH V R 5/17 seien auch die Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung zu berücksichtigen. Eine solche könne aber auch nicht durch Rückgewähr rückgängig gemacht werden

    52
    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die hinzugezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

    53
    E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

    54
    Die zulässige Klage ist begründet.

    55
    I. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ‒ FGO ‒). Der Beklagte ist unzutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin in den Streitjahren nicht die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 AO erfüllte. Der Umstand, dass sich die Geschäftsführerin der Klägerin im Zusammenwirken mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden vom insofern zuständigen Aufsichtsrat nicht gebilligte Gehaltserhöhungen hat auszahlen lassen, führt im Streitfall nicht zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit.

    56
    1. Die Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG setzt voraus, das die Körperschaft nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient. Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet ‒ hier i.S.v. § 52 ... AO ... ‒ zu fördern. Dies ist nach Auffassung der Beteiligten - soweit unstreitig - der Fall.

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    2. Die Förderung erfolgte auch selbstlos i.S.v. § 52 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 55 AO. Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt nach Auffassung des Senats keine Mittelfehlverwendung i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 3 AO vor.

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    a) Ein Verstoß gegen § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO, wonach die Körperschaft keine Person durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigen darf, liegt aus Sicht des Senats schon deshalb nicht vor, da der Wortlaut der Norm ein aktives Begünstigen voraussetzt. Das Landgericht Z. hat in seinem Urteil vom 21.12.2021, auf das der erkennende Senat Bezug nimmt, hingegen überzeugend dargelegt, dass die Klägerin von B. und A. geschädigt worden ist, weshalb ihr gegenüber diesen beiden Personen Schadensersatz zusteht, wofür beide gesamtschuldnerisch haften. Gezieltes Begünstigen und geschädigt werden schließt sich nach Auffassung des Senats jedoch aus. Doch auch wenn die Vorschrift im Streitfall grundsätzlich anwendbar wäre, könnten die Mittelfehlverwendungen der Klägerin nicht zugerechnet werden (s. nachfolgend unter I.2.b).

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    b) Auch eine Mittelfehlverwendung i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 AO liegt nicht vor. Danach dürfen die Mittel der Körperschaft nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Dieses Verwendungsgebot hat die tatsächliche Geschäftsführung der gemeinnützigen Körperschaft zu beachten, vgl. § 63 Abs. 1 AO.

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    aa) Zwar hat eine Mittelverwendung für nicht satzungsmäßige Zwecke objektiv stattgefunden, zunächst unabhängig davon, ob die Vergütung überhöht oder gerade noch angemessen gewesen ist. Denn die Auszahlung der Vergütungen an die Geschäftsführerin ist rechtsgrundlos erfolgt. Eine Vergütungserhöhung hätte nach dem Gesellschaftsvertrag rechtswirksam nur vom Aufsichtsrat als Gesamtgremium beschlossen werden können, was vorliegend gerade nicht der Fall war. Jedoch führt die objektive Mittelfehlverwendung nicht unmittelbar zur Versagung der Gemeinnützigkeit, sondern es bedarf dazu zusätzlich einer der Körperschaft zuzurechnenden Handlung.

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    bb) Das Handeln des Aufsichtsratsvorsitzenden A. kann der Körperschaft nicht ohne weiteres zugerechnet werden, da er zum Abschluss der Vereinbarungen über die Vergütungserhöhungen nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen nicht berechtigt gewesen ist und insofern eigenmächtig gehandelt hat. Ein eigenmächtiges Handeln eines Organs kann der Körperschaft grundsätzlich nur dann zugerechnet werden, wenn der Sachverhalt den anderen Organen infolge grober Vernachlässigung der ihnen obliegenden Überwachungspflichten verborgen geblieben ist (so zum eigenmächtigen Handeln eines nicht (einzel-)vertretungsberechtigten Geschäftsführers bzw. einer anderen in maßgeblicher Position für einen Verein tätigen Person BFH-Urteil vom 27.09.2011 V R 17/99, Bundessteuerblatt ‒ BStBl. ‒ II 2002, 169 unter Verweis auf BFH-Urteil vom 31.07.1963 I 319/60, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‒ HFR ‒ 1963, 407).

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    cc) Eine solche grobe Vernachlässigung der Überwachungspflichten des Gesamtgremiums Aufsichtsrat liegt nach Auffassung des Senats nicht vor. Eine grobe Pflichtverletzung würde ‒ in Abgrenzung zur einfachen Pflichtverletzung ‒ voraussetzen, dass die Aufsichtsratsmitglieder die Sorgfalt, zu der sie nach ihren persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und imstande gewesen wären, in ungewöhnlich hohem Maße und nicht entschuldbarer Weise verletzt hätten.

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    Zwar liegt nach Auffassung des Senats eine Verletzung der Sorgfaltspflichten bzgl. der Überwachung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat vor. Der Aufsichtsrat hätte die Vergütung regelmäßig kontrollieren und insbesondere erkennen können, dass die Vorgaben des PCGK entgegen der eigenen Beschlussfassung nicht vollständig umgesetzt worden waren. Bei einer Gesamtwürdigung der Umstände ist aber keine ungewöhnlich hohe und unentschuldbare Sorgfaltsverletzung anzunehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Geschäftsführerin und der Aufsichtsratsvorsitzende erhebliche kriminelle Energie aufgewandt haben, um Aufsichtsrat und Anteilseigner zu täuschen. Insofern liegt hier kein Gewährenlassen bzw. einfaches Nichtkümmern des Aufsichtsrates vor. Die Geschäftsführerin war sich über den Unrechtsgehalt ihres Tuns völlig bewusst und hat durchgängig versucht, den Sachverhalt zu verschleiern, was u.a. ihre Anweisung an die Mitarbeiter vom 00.00.2018 zur Löschung von Unterlagen demonstriert. Der Umstand, dass die Vertragsverlängerung vom 10.07.2013 dem Aufsichtsrat und den Anteilseignern zugänglich gemacht worden ist, eine am gleichen Tag vorgenommene Vergütungserhöhung jedoch nicht, zeigt ebenfalls, dass seitens B. und A. eine massive und bewusste Täuschung des Aufsichtsrats erfolgte. Der Aufsichtsrat musste davon ausgehen, dass der bestehende Vertrag unter den bestehenden Konditionen verlängert worden war. Andernfalls hätte man genau in diesem vorgelegten Dokument Ausführungen dazu erwarten müssen. Ebenso wenig war die im Jahr 2016 vorgenommene weitere Vergütungserhöhung für die Aufsichtsratsmitglieder erkennbar. In der nur 14 Tage zuvor stattfindenden Aufsichtsratssitzung ist diese nicht thematisiert worden. Es erscheint auch eher fernliegend, dass die Mitglieder des Aufsichtsrates ein derartiges kollusives Zusammenwirken von Geschäftsführerin und Aufsichtsratsvorsitzenden zur Umgehung des Aufsichtsrats für denkbar halten mussten. Nach den Unterlagen, die den Aufsichtsratsmitgliedern vorlagen, mussten diese vielmehr davon ausgehen, dass aufgrund der vom Aufsichtsrat vorgenommenen Beschlüsse das Gehalt der Geschäftsführerin letztmalig im Jahr 2011 erhöht und ihr Vertrag im Jahr 2013 um fünf Jahre verlängert worden war. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die dem Aufsichtsrat berichteten, auch damit beauftragt waren, die Ordnungsmäßigkeit der Leistungsbeziehungen und Zahlungsflüsse zwischen Gesellschaft und Geschäftsführung zu untersuchen. Ausweislich der Jahresabschlussprüfungs-Berichte erkannten diese keine Auffälligkeiten, so dass der Aufsichtsrat vom Grundsatz her davon ausgehen musste, dass die an die Geschäftsführerin vorgenommenen Zahlungen auf der Grundlage der vom Aufsichtsrat getroffenen Beschlüsse erfolgt war.

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    Zwar ist dem Aufsichtsrat vorzuwerfen, dass auf den Einzelausweis des Geschäftsführergehalts verzichtet worden ist, obwohl dies vom PCGK der Z., dem man sich zuvor freiwillig unterworfen hatte, gefordert gewesen wäre. Hier ist aber zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder zu berücksichtigen, dass der von der Geschäftsführerin erstellte Anhang eine Einzelaufstellung nicht vorsah und dies damit begründet wurde, dass „zulässigerweise“ von § 268 Abs. 4 HGB Gebrauch gemacht worden sei, was von den beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nicht weiter thematisiert worden ist. Auch diese haben, obwohl sie erklärtermaßen auch die Ordnungsmäßigkeit der Leistungsbeziehungen und Zahlungsflüsse zwischen Gesellschaft und Geschäftsführung geprüft hatten, niemals Beanstandungen oder etwaige Zweifel geäußert.

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    Darüber hinaus ist nach Auffassung des Senats bei ehrenamtlich tätigen Organen im Hinblick auf ein Überwachungsverschulden ein anderer Maßstab an die Kontrollpflichten zu stellen, als bei großen Einrichtungen mit hauptamtlichen Organen (so auch Hüttemann, Handbuch Gemeinnützigkeit, 5. Aufl., Rz. 4.224 unter Verweis auf Jansen, Finanz-Rundschau 2002, 996; jeweils bezogen auf Vorstände). Zwar handelt es sich im Streitfall um ein wirtschaftlich relevantes Unternehmen, die Aufwandsentschädigung der Aufsichtsräte ist aber derart gering, dass die Tätigkeit als ehrenamtlich anzusehen ist.

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    Die Aufsichtsratsmitglieder müssen sich entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht vorhalten lassen, dass an sie höhere Anforderungen als im Regelfall zu stellen wären: Die diesbezüglichen Ausführungen der Beteiligten zu früherem vermeintlichen oder tatsächlichen Fehlverhalten der Geschäftsführung bis 2008 sind aus Sicht des Senats unbeachtlich. Zum einen handelt es sich schon nicht um vergleichbare Sachverhalte. So wurde dem früheren Geschäftsführer insbesondere vorgeworfen, Handwerkerleistungen vergünstigt bezogen zu haben. Ob die von ihm bezogene Gesamtvergütung zum Zeitpunkt seines Todes im ... 2008 darüber hinaus überhöht gewesen ist, kann dahinstehen. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, konnten alle Komponenten auf entsprechende Aufsichtsratsbeschlüsse zurückgeführt werden. Ein eigenmächtiges Handeln lag insofern ‒ anders als im vorliegenden Fall ‒ jedenfalls nicht vor. Darüber hinaus können den Aufsichtsratsmitgliedern in den Jahren ab 2013 nicht höhere Sorgfaltspflichten auferlegt werden, weil es ‒ mutmaßlich ‒  in den Jahren bis 2008 zu Fehlverhalten gekommen ist. Es ist schon gar nicht davon auszugehen, dass die ehrenamtlich tätigen Aufsichtsratsmitglieder personell identisch mit denen der Vorjahre waren.

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    c) Schließlich liegt auch nicht etwa deshalb eine schädliche Mittelfehlverwendung vor, weil die Klägerin im Nachhinein sachgrundlos auf eine Geltendmachung von möglichen Ersatzansprüchen gegen den bzw. die Schädiger verzichtet hätte (vgl. hierzu Hüttemann, Handbuch Gemeinnützigkeit, 5. Aufl., Rz. 4.228.). Der Aufsichtsrat hat nach Bekanntwerden des Sachverhalts in den Jahren 2017/2018 angemessen zeitnah gehandelt und der Geschäftsführerin am 00.00.2018 außerordentlich fristlos gekündigt. Unmittelbar auf der nachfolgenden Aufsichtsratssitzung am 00.00.2018 wurde beschlossen, gegen B. und A. Ansprüche geltend zu machen. Diese wurden bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch konsequent verfolgt, so dass zumindest bis zu diesem Zeitpunkt diesbezüglich kein Anknüpfungspunkt für ein gemeinnützigkeitsschädliches Verhalten gegeben ist.

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    II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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    III. Der Beschluss über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren folgt aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Rechtssache war nicht so einfach, dass sich die Klägerin im Vorverfahren ohne Mitwirkung eines Mitglieds der steuerberatenden Berufe vertreten konnte.