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  • 02.03.2016 · IWW-Abrufnummer 146524

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 10.04.2014 – 6 K 1796/13

    Pflegeleistungen sind unabhängig davon, ob sie in mindestens 40% der Fälle überwiegend von der Pflegeversicherung oder vom Sozialhilfeträger getragen wurden, steuerfrei, soweit sie aufgrund von Verträgen mit den Pflegekassen erbracht werden.


    Finanzgericht Rheinland-Pfalz

    Urt. v. 10.04.2014

    Az.: 6 K 1796/13

    In dem Finanzrechtsstreit
    des Herrn
    - Kläger -
    prozessbevollmächtigt: Rechtsanwälte
    gegen
    Finanzamt
    - Beklagter -
    wegen Umsatzsteuer 2005 und 2006
    hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 6. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 10. April 2014 durch
    den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht
    die Richterin am Finanzgericht
    die Richterin am Finanzgericht
    die ehrenamtliche Richterin
    den ehrenamtlichen Richter
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    I.

    Der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2005 vom 17. August 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Januar 2009 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer anderweitig auf Null festgesetzt wird.

    Der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 24. März 2011 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer anderweitig auf 12.848,87 EUR festgesetzt wird.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    II.

    Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
    III.

    Das Urteil ist hinsichtlich der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der noch festzusetzenden Kosten abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
    IV.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob der Kläger als Organträger die Umsatzsteuer für Umsätze der A GmbH schuldet und ob Umsätze eines ambulanten Pflegedienstes nach Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. g der 6. EG-Richtlinie steuerbefreit sind.

    Der Kläger ist Krankenpfleger. Seit 1995 betrieb er als Einzelunternehmer einen ambulanten Pflegedienst. Er hatte Verträge mit Krankenkassen, Pflegekassen und Sozialämtern, wobei er zunächst mit ca. fünf angestellten Pflegekräften sich der klassischen Krankenpflege widmete.

    Seit Ende der 90er Jahre kam schwerpunktmäßig die 24-Stunden-Pflege hinzu.

    Im Jahr 2003 gründete der Kläger die A GmbH mit Sitz in M, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftführer er war. Sodann übernahm die GmbH den Geschäftsbereich der 24-Stunden-Pflege, die durch in Schlesien beheimatete Polinnen ausgeführt wurde. Für den einzelnen Pflegefall stellte sie 2.750 EUR mtl. in Rechnung.

    Am 29.07.2004 schloss die GmbH mit verschiedenen Pflegekassen, Verbänden von Krankenkassen, der Bundesknappschaft, sowie der Stadt M als Sozialhilfeträger einen Versorgungsvertrag gemäß § 72 SGB XI (Bl. 98 - 102 Prüfer-HA). Bereits am 12.08.2003 im Vorgriff auf diesen Versorgungsvertrag und am 21.06.2005 auf der Basis des Vertrages hatte die GmbH Vergütungsvereinbarungen mit den Vertragspartnern getroffen (Bl. 103/104 Prüfer-HA).

    Die A GmbH schloss mit Frau E.W. einen "Pachtvertrag" mit Wirkung ab dem 01.02.2006, mit dem die im Vertrag festgelegte Zahl an Pflegeverträgen gegen Zahlung einer monatlichen Pacht von 12.000 EUR incl. MwSt auf Frau W übertragen wurde; die Rückübertragung der Verträge im Falle der Kündigung des Pachtvertrages war ausgeschlossen (Bl. 204/205 PA).

    Mit Beschluss des Amtsgerichts M vom 09.11.2006 - 4 IN .../06 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet und Rechtsanwalt E zum Insolvenzverwalter bestellt. Bereits am 04.09.2006 war Rechtsanwalt E zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden; Verfügungen des Schuldners waren nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam (Bl. 148/149 PA).

    Der Beklagte führte ab Mitte 2006 bei der GmbH eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch, deren Ergebnis im Bericht vom 05.02.2007 dargestellt ist. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass der Kläger Organträger der GmbH sei. Er war des weiteren der Auffassung, dass die Umsätze der GmbH nicht nach § 4 Nr. 16 Buchst. e) UStG steuerfrei seien, da die Schwellenwerte für 2004 nicht erreicht seien. Gemäß Ziffer 14.2 des Prüfungsberichtes hatte im Jahr 2004 der Sozialversicherungsträger bzw. die Sozialhilfe in 287 von insgesamt 998 von der GmbH abgerechneten Fällen mehr als 50% der Pflegekosten übernommen; daraus errechnete sich in einem Anteil von 28,75% eine Kostenübernahme von mehr als 50%.

    Für 2005 rechnete der Kläger insgesamt 1.852.774,65 EUR ab; der von den Selbstzahlern gezahlte Anteil betrug 1.497.711,55 EUR (Bl. 142 Prüfer-HA).

    Der Kläger reichte im Verlauf der Prüfung Voranmeldungen für die Monate Januar bis Dezember 2005 ein, in denen er die Umsätze der GmbH erklärte. Er erklärte jedoch, dass mit der Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen keine Option für die Organschaft erklärt werde (Schreiben vom 05.06.2005, Bl. 59/60 Fg-Akte).

    Der Beklagte erließ am 26.02.2007 einen Bescheid über die Festsetzung einer Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 4. Quartal 2005 entsprechend den Prüfungsfeststellungen.

    Am 06.03.2007 reichte der Kläger Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate Januar bis Oktober 2006 ein, mit denen er als Organträger steuerpflichtige Umsätze der GmbH aus der 24-Stunden-Pflege erklärte.

    Der Kläger legte am 13.03.2007 gegen den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid IV 2005, sowie gegen die Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate Januar bis Oktober 2006 Einspruch ein. Seine Einsprüche begründete er zum einen damit, dass die zwingende Annahme einer Organschaft gegen den Grundsatz der Rechtsform-Neutralität verstoße. Zum anderen könne er sich für die Steuerfreiheit der Umsätze direkt auf Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. g der 6. EG-Richtlinie berufen.

    Am 17.08.2007 erließ der Beklagte einen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2005 und am 04.12.2008 einen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2006.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 07.01.2009 wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen.

    Am 24.03.2011 änderte der Beklagte den Umsatzsteuerbescheid für 2006 und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf (Bl. 90/91 PA). Die Änderung erfolgte aufgrund einer Betriebsprüfung (Prüfungsbericht vom 14.01.2011, Bl. 104 - 110 PA).

    Zur Begründung seiner am 15.01.2009 erhobenen Klage hatte der Kläger zunächst - im voran gegangenen Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung, Az. 6 V 2395/07 - vorgetragen, die Annahme der Organschaft sei rechtswidrig. Zudem seien die Umsätze der GmbH nach Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. g) der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 132 Abs. 1 lit. g) MwStSystRL) steuerfrei.

    1.

    Der Kläger sei nicht Organträger der GmbH. Folglich hätte der Antragsgegner Steuerbescheide gegenüber der GmbH erlassen und die Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden müssen.

    Das Organschaftsverhältnis folge nicht aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Zwar spreche der Wortlaut der Vorschrift für die Rechtsfolge der Organschaft, wenn die Eingliederungsmerkmale vorlägen. Bei dieser Auslegung würden jedoch die von der Ermächtigung gemäß Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie gezogenen Grenzen des Umsetzungsermessens überschritten. Durch die unterschiedlichen Rechtsfolgen je nachdem, ob die eingegliederte Gesellschaft eine Kapitalgesellschaft oder eine GmbH & Co KG sei, werde der Grundsatz der Rechtsformneutralität verletzt.

    Soweit der BFH in früheren Entscheidungen die zwingende Rechtsfolge der Organschaft angenommen habe, sei diese Rechtsprechung überholt. Europarechtlich ergebe sich vielmehr bei Vorliegen der Eingliederungsmerkmale ein Optionsrecht.

    Für die Annahme eines Optionsrechts spreche im Streitfall auch, dass bei zwingender Annahme von Organschaft die "schädlichen Fälle" im Sinne des § 4 Nr. 16 e UStG bei der Organgesellschaft auf die Verhältnisse des Organträgers durchschlügen; dies wiederum verstoße gegen Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. G der 6. EG-Richtlinie und sei mit dem Grundsatz der Neutralität nicht vereinbar. Systemgerecht sei daher nur ein Wahlrecht.

    Der Kläger habe mit der Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen kein Wahlrecht für die Organschaft ausgeübt, da er diese nur unter dem Druck der Sonderprüfung eingereicht habe. Vorsorglich werde jedoch eine etwaige Option widerrufen.

    2.

    Zur Begründung der Steuerfreiheit der Umsätze der GmbH könne der Kläger sich unmittelbar auf Art. 13 A Abs. 1 lit. g) der 6. EG-Richtlinie berufen. Auf das Erfordernis des Erreichens der Schwellenwerte des § 4 Nr. 16 lit. e) UStG komme es daher nicht an.

    Der Gesetzgeber habe § 4 Nr. 16 lit. e) UStG eingeführt in Folge der Gesundheitsreform und sich dabei an den bereits bestehenden Befreiungstatbeständen orientiert. Sein Anliegen sei dahin gegangen, die Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer zu entlasten. Die 40%-Klausel habe dazu dienen sollen, das Merkmal der "eng mit der Sozialfürsorge verbundenen Tätigkeiten" zu definieren.

    Erstmals mit Urteil vom 10.09.2002 Rs. C-141/00 "ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH" habe der EuGH entschieden, dass der Steuerpflichtige sich unmittelbar auf die Richtlinie berufen könne. Mittelbar habe der EuGH dies mit dem Urteil vom 06.11.2003 Rs. C-45/01 "Christoph-Dornier-Stiftung" bestätigt.

    In seinem zu § 4 Nr. 16 c UStG ergangenen Urteil vom 08.06.2006 Rs. C-106/05 "L+P GmbH" habe der EuGH auf den begünstigten Personenkreis und damit die Herkunft der Mittel abgestellt. Zwar sei die Bedingung der 40%-Grenze vom EuGH für zulässig erachtet worden. Die nationalen Gerichte müssten jedoch beurteilen, ob die Bedingungen dem Grundsatz der Neutralität gerecht würden. Der BFH habe in der Nachfolgeentscheidung vom 15.03.2007 - V R 55/03 maßgeblich auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität abgestellt und klar gestellt, dass die Differenzierung nicht davon abhängen könne, ob die Bezahlung bei gleichem Leistungsspektrum von den Krankenkassen erfolge oder nicht.

    Zweck der 40%-Klausel sei die Gewährleistung, dass die Preise der Leistungsanbieter nicht höher seien als die behördlich genehmigten. Vor diesem Hintergrund sei die EuGH-Entscheidung zu interpretieren. Es müsse also geprüft werden, ob die 40%-Klausel ein geeignetes Instrument dafür sei. Dies sei jedoch nicht der Fall. Soweit die 40%-Klausel gegen die Neutralität verstoße, dürfe sie nicht angewendet werden. Sie sei gemeinschaftsrechtskonform als eine hinreichende aber nicht notwendige Bedingung für die Steuerbefreiung zu verstehen.

    Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 26.05.2005 Rs. C-498/03 "Kingscrest", Rz. 43 - 47 und Antwort Nr. 2) schließe der Begriff der von dem betreffenden Mitgliedsstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannten Einrichtung die privaten Einrichtungen mit Gewinnerzielungsabsicht nicht aus. Demnach sei Gemeinnützigkeit entgegen der Auffassung des Beklagten keine Voraussetzung der Steuerbefreiung.

    Der BFH habe mit Urteil vom 15.03.2007 - V R 55/03 Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Nr. 16 UStG geäußert. Da das BVerfG keine eigene Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vornehme, wenn eine Materie europarechtlich geregelt sei, komme es auf die Maßstäbe des EuGH an. Der EuGH stelle ausschließlich darauf ab, ob aus der Sicht des Leistungsempfängers gleichartige Leistungen vorlägen. Sei dies der Fall, dann sei jede steuerliche Ungleichbehandlung zugleich eine unzulässige Wettbewerbsverzerrung (Urteil vom 28.06.2007 Rs. C-363/05 "J.P. Morgan Fleming Claverhouse). Die Entwicklung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität sei in den Schlussanträgen in dem Verfahren Marks & Spencer vom 13.12.2007 Rs. C-309/06 (Rz. 56 ff.) dargestellt.

    Die gemeinschaftsrechtliche Befreiungsvorschrift des Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. g der 6. EG-Richtlinie stelle nicht auf das Fehlen von Gewinnstreben ab. Soweit der Bürger sich direkt auf diese Vorschrift berufen könne, dürfe ihm nicht entgegen gehalten werden, dass nach dem nationalen Recht nur gemeinnützige Einrichtungen unter die Steuerbefreiung fielen (BFH Urteil vom 08.11.2007 - V R 2/06).

    Zur weiteren Begründung wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen (§ 105 Abs. 3 Satz 2 FGO).

    Der Kläger beantragt,

    den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2005 vom 17. August 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Januar 2009 und den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 24. März 2011 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf Null EUR festgesetzt wird,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Er trug zunächst ergänzend zur Begründung der Einspruchsentscheidung vor:

    1.

    Die GmbH sei finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich in das Einzelunternehmen des Klägers eingegliedert; damit lägen die Voraussetzungen der Organschaft vor. Die Rechtsfolge sei gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zwingend; die Vorschrift sei mit diesem Inhalt gemeinschaftsrechtskonform. Das BFH-Urteil vom 17.01.2002 - V R 37/00 sei nicht überholt. Der Grundsatz der Neutralität werde durch die Organschaft nicht verletzt, auch nicht durch deren Rechtsfolgen im Fall der Insolvenz der Organgesellschaft.

    2.

    Der Kläger habe in 2004 die 40%-Grenze des § 4 Nr. 16 lit. e UStG nicht erreicht. Seine Umsätze seien deshalb der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Die Ermittlung des genauen Prozentsatzes für 2005 habe sich erübrigt, da der Kläger für 2006 seine Umsätze als steuerpflichtig erklärt habe.

    EuGH und BFH hätten bestätigt, dass die 40%-Grenze nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoße.

    Der Kläger könne sich nicht unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. g der 6. EG-Richtlinie berufen, weil er keine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter sei. Als privater Anbieter von Pflegeleistungen handele er vielmehr mit Gewinnerzielungsabsicht. Es sei Sache der nationalen Behörden, zu bestimmen, welche Einrichtungen anerkannt würden. Die Richtlinienbestimmung sei zutreffend und vollständig mit § 4 Nr. 16 UStG mit der Koppelung an die Herkunft der Entgelte umgesetzt worden. Dort sei bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der Kläger als soziale Einrichtung angesehen werde; diese Voraussetzungen erfülle der Kläger nicht. Die vom Kläger mit den Kostenträgern geschlossenen Rahmenverträge könnten der 40%-Grenze nicht gleichgesetzt werden. Dies verstoße nicht gegen den Grundsatz der Neutralität, da die 40%-Grenze für alle gleichermaßen gelte.

    Ergänzend wird auf den Schriftsatz vom 11.12.2007 (Bl. 71 - 78 Fg-Akte) Bezug genommen.

    Das Verfahren ruhte mit Einverständnis der Beteiligten im Hinblick auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren XI R 47/07. Nachdem der BFH mit Urteil vom 19.03.2013 im Verfahren XI R 47/07 entschieden hatte, wurde das ruhende Verfahren fortgesetzt.

    Nach Wiederaufnahme des Verfahrens tragen die Beteiligten wie folgt vor:

    Der Kläger trägt vor, die Umsatzsteuerbescheide hätten nicht an den Kläger adressiert werden dürfen, da der Geschäftsbetrieb der A GmbH an Frau E. W. veräußert worden sei.

    Die A GmbH mit Sitz in M sei vom Kläger deshalb gegründet worden, weil die Pflegekassen in Baden-Württemberg im Gegensatz zu den Pflegekassen in Rheinland-Pfalz nicht verlangt hätten, dass für die 24-Stunden-Pflege ausschließlich examiniertes Personal eingesetzt werden dürfe. Mit den Pflegekassen habe die A GmbH Verträge abgeschlossen; die Sozialhilfeträger seien dem beigetreten. Die A GmbH habe drei ausgebildete Krankenpfleger sowie zwischen 60 und 90 weitere Pflegekräfte beschäftigt. Mit Vertrag vom 31.01.2006 sei ein Teil der Verträge mit Pflegebedürftigen auf Frau E. W. übertragen worden. Der Vertrag sei zwar als kündbarer Pachtvertrag ausgestaltet, jedoch sei die Rückübertragung der übertragenen Verträge ausgeschlossen worden. Damit handele es sich um eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG. Hintergrund der Übertragung sei gewesen, dass man das Problem mit der 40%-Grenze des § 4 Nr. 16 lit. e UStG erkannt habe. Übertragen worden seien diejenigen Verträge, bei denen die Einhaltung der Anforderungen an die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 16 e UStG unproblematisch gewesen sei. Der monatliche Pachtzins habe 12.000 EUR incl. MwSt betragen.

    Das für die Erfüllung der auf Frau W übergegangenen Verträge eingesetzte Personal sei an Frau W überlassen worden. Hierfür seien in 2006 Entgelte in Höhe von insgesamt 23.240,26 EUR bezahlt worden.

    Der Grund für die Nichteinhaltung der Quote in Bezug auf sämtliche Verträge der A GmbH habe nur darin gelegen, dass die Leistungen der Pflegekassen in den Pflegestufen so gering seien, dass die Quote insgesamt nicht habe erreicht werden können. Fast alle Pflegebedürftigen seien pflegeversichert gewesen; nur einige wenige seien Beamte. Die Leistungen der Pflegeversicherung seien aber in keinem Fall ausreichend, um die vereinbarte Vergütung abzudecken. Die Mehrzahl der Pflegebedürftigen sei so gut situiert, dass sie den übersteigenden Betrag habe selbst zahlen können; nur in einem geringen Teil der Fälle habe die Differenz vom Sozialhilfeträger übernommen werden müssen. Dies gelte insbesondere für die in Pflegestufe I eingestuften Fälle leichter oder mittlerer Demenz.

    Die in den Verträgen mit den Pflegebedürftigen abrechenbaren sog. Investitionskosten würden von den Pflegekassen in keinem Fall übernommen; diese müssten stets von den Betroffenen selbst, bzw. dem Sozialamt gezahlt werden.

    Darin, dass die Vertragspartner der A GmbH überwiegend so gut situiert waren, dass sie die Differenz zur Leistung der Pflegekasse selbst hätten zahlen können, liege eine Ungleichbehandlung zu vergleichbaren Dienstleistern in anderen Regionen, in denen die Sozialversicherungsträger überwiegend für die Differenz aufkämen, da letztere in den Genuss der Steuerbefreiung kämen.

    Soweit es um die Pachtentgelte gehe, sei beim EuGH ein Verfahren anhängig zu der Frage, ob Entgelte für die Personalüberlassung an einen Pflegedienstleister als "eng mit der Sozialfürsorge verbundene Umsätze" gemäß Art. 132 Abs. 1 lit. g MwStSystRL steuerfrei seien.

    Die steuerpflichtigen Erlöse des Jahres 2005 erreichten die Kleinunternehmergrenze nicht.

    Die Umsätze aus den Pflegeleistungen seien unter unmittelbarer Berufung auf Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. g der 6. EGRL steuerfrei. Die 40%-Quote sei im Rahmen der unmittelbaren Anwendung der Richtlinie nicht anzuwenden. Es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Neutralität vor, wenn die Umsätze des Klägers besteuert würden, gleichartige Umsätze an Pflegebedürftige in einer höheren Pflegestufe oder an Pflegebedürftige, bei denen der Sozialhilfeträger den von der Pflegekasse nicht übernommenen Teil der Kosten tragen müsse, hingegen steuerfrei seien, wenn sie zur Einhaltung der 40%-Grenze führten. Bei den vom Kläger ausgeführten Umsätzen handele es sich um "eng mit der Sozialfürsorge verbundene Dienstleistungen" im Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. g der 6. EGRL. Hinsichtlich der Anerkennung des Klägers als "Einrichtung mit sozialem Charakter" nach nationalem Recht könne es nur darauf ankommen, dass aufgrund der vom Kläger mit den Pflegekassen abgeschlossenen Verträge die Kosten dem Grunde nach übernommen würden.

    Ergänzend wird auf die eingereichten Schriftsätze vom 04.04.2014 und vom 09.04.2014 Bezug genommen.

    Der Beklagte trägt vor, der Streitfall sei nicht identisch mit dem Fall Zimmermann. Während es im Fall Zimmermann um die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 lit. e UStG im Hinblick auf die Vorjahresbetrachtung bei der 40%-Grenze gegangen sei, erfülle der Kläger diese Grenze weder im Vorjahr, noch in den Streitjahren.

    Im Streitfall gehe es um die Frage, ob der Steuerpflichtige sich auch bei einer rein veranlagungszeitraumbezogenen Betrachtung unmittelbar auf das EU-Recht berufen könne. Der BFH habe mit Urteilen vom 19.03.2013 - XI R 45/10 und vom 25.04.2013 - V R 7/11 festgelegt:

    Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 UStG dürfe keine sachlich unterschiedlichen Bedingungen für Einrichtungen mit Gewinnerzielungsabsicht und solchen, die unter § 4 Nr. 18 UStG fallen, vorsehen. Die Befreiungsvorschrift dürfe also nicht bei im Wesentlichen gleichen Leistungen nur auf bestimmte unter das Privatrecht fallende Einrichtungen angewendet werden, auf andere aber nicht (Rz. 57 des BFH-Urteils XI R 45/10). Für vergleichbare Fälle bedeute dies, dass - sofern Wohlfahrtsverbände gleichartige Leistungen nach § 4 Nr. 18 UStG steuerfrei erbringen - sich auch andere Einrichtungen auf die Nichtanwendung des 40%-Kriteriums berufen könnten. U.a. müsse aber hinsichtlich der Vergleichbarkeit der fraglichen Leistungen auch eine Identität des Rechtsrahmens und der Vergütungsregeln bestehen (Rz. 26 des BFH-Urteils V R 7/11).

    Falls demnach die 40%-Grenze nicht anwendbar sei, folge daraus nur dann eine Umsatzsteuerfreiheit der in Rede stehenden Leistungen, wenn es sich hierbei dem Grunde nach um Leistungen der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit, bzw. mit diesen eng verbundene Dienstleistungen handele (Rz. 60 des BFH-Urteils XI R 45/10).

    Schließlich sei zu prüfen, ob der Unternehmer als soziale Einrichtung anerkannt sei. Falle hierfür die 40%-Grenze weg, so sei dieses Tatbestandsmerkmal anhand anderer Kriterien zu prüfen (Rz. 61 und 62 des BFH-Urteils XI R 45/10).

    Letztlich kämen auch Leistungen in Betracht, die von der Steuerbefreiung ausgeschlossen seien (Rz. 63 und 64 des BFH-Urteils XI R 45/10).

    Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen liege nicht vor. Es sei nur eine Betriebsgrundlage verpachtet worden, die in einem Teil der Verträge mit den Pflegebedürftigen bestanden habe. Weitere wesentliche Betriebsgrundlagen, wie Personal, Geschäftslokal, Fahrzeuge etc. seien zurückbehalten worden.

    Die bei der GmbH verbliebenen Umsätze seien nicht bei Frau W zu erfassen.

    Ergänzend wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

    Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung folgende tatsächlichen Verständigungen getroffen:

    Die Umsätze und Vorsteuern der Monate August bis September 2006 ergeben sich aus den Voranmeldungen (Ausdruck in der USt-Akte Trennblatt 2006, nicht paginiert).

    In den Positionen "sonstige betriebliche Erträge" (2005: 55.613,58 EUR und 2006: 55.291,67 EUR) sind Innenumsätze aus Kfz-Gestellung in Höhe von 16.200 EUR und 31.200 EUR enthalten; die übrigen Positionen können als steuerpflichtige Umsätze angesehen werden.

    Die gesamten Umsatzerlöse des Jahres 2006 betragen 590.616,81 EUR; in diesem Betrag sind die Pachtzahlungen enthalten.
    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist überwiegend begründet.

    1.

    Die Umsätze der GmbH für den Zeitraum bis einschließlich August 2006 sind aufgrund Organschaft beim Kläger steuerlich zu erfassen.

    1.1.

    Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG liegt - umsatzsteuerliche - Organschaft vor, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftliche und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Folge dieser Regelung ist, dass die Organgesellschaft nicht selbst Unternehmer ist, sondern dass ihre Umsätze dem Organträger zugerechnet werden.

    Gemeinschaftsrechtliche Grundlage des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist Art. 4 Abs. 4 2. Unterabsatz der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 11 MwStSystRL). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

    Das Merkmal der finanziellen Eingliederung liegt beim Alleingesellschafter als Organträger unzweifelhaft vor, auch unter Berücksichtigung der Änderung der Rechtsprechung durch die BFH-Urteile vom 22. April 2010 - V R 9/09 - (BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597 [BFH 22.04.2010 - V R 9/09]) und vom 10.06.2010 - V R 62/09 - ([...]) bezüglich der mittelbaren finanziellen Eingliederung bei Gesellschafteridentität von Personen- und Kapitalgesellschaft.

    Die wirtschaftliche Eingliederung bedeutet, dass die Organgesellschaft die von dem Organträger ausgeübte Tätigkeit sinnvoll ergänzt (Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, § 2 UStG, Rz. 112). Zwischen den von der Organgesellschaft getätigten Umsätzen und denen des Organträgers muss zumindest ein Zusammenhang bestehen (Langer in Reiß/Kraeusel/ Langer Art. 4 6. EGRL, Rz. 15).

    Das Merkmal der wirtschaftlichen Eingliederung ist bei finanzieller Eingliederung regelmäßig gegeben (BFH Urteil vom 03.04.2003 - V R 63/01 -, BStBl II 2004, 434). Dies gilt insbesondere für den Alleingesellschafter, der die wirtschaftliche Tätigkeit der Organgesellschaft bestimmt. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Organgesellschaft vom Organträger ist nicht Voraussetzung. Wirtschaftliche Eingliederung setzt voraus, dass zwischen den Unternehmen des Organträgers und der Organgesellschaft ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung vorhanden ist; ein solcher Zusammenhang liegt vor, wenn die Tätigkeiten sich fördern und/oder ergänzen (Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange § 2 UStG, Rz. 76 m.w.N.).

    Im Streitfall liegt das Merkmal der wirtschaftlichen Eingliederung vor. Die Hinzunahme der 24-Stunden-Pflege sollte das Angebot des Klägers ergänzen; dass er dieses Angebot durch die GmbH als Organgesellschaft ausführen ließ, hatte nach seinem eigenen Vortrag insbesondere den Grund, dass das die 24-Stunden-Pflege anbietende Unternehmen seinen Sitz in Baden-Württemberg haben sollte. Die wirtschaftliche Verflechtung mit dem Einzelunternehmen liegt auf der Hand. Sie wurde auch nicht durch die Übertragung eines Teils der Verträge mit den Pflegebedürftigen auf Frau W beendet. In diesem Zusammenhang ist es irrelevant, ob in der Übertragung eines Teils der Verträge eine Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. des § 1 Abs. 1a UStG gesehen werden könnte. Denn die GmbH hatte zumindest einen Teil der Verträge behalten und ihre Tätigkeit insoweit fortgeführt. Dass es sich bei dem zurückbehaltenen Teil der Verträge um die Verträge gehandelt hatte, bei denen die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach nationalem Recht nicht erfüllt waren und somit eine für den Kläger unklare Rechtslage bestand, war zwar Motivation für die Gestaltung, die GmbH als eine Art "Bad Bank" fortzuführen. Gleichwohl hat die GmbH bis zur Stellung des Insolvenzantrages mit den als problematisch angesehenen Verträgen die Geschäftstätigkeit unverändert fortgeführt; damit blieb die wirtschaftliche Verflechtung erhalten.

    Die organisatorische Eingliederung liegt vor, wenn sicher gestellt ist, dass der Wille des beherrschenden Gesellschafters in der beherrschten Gesellschaft durchgesetzt werden kann. Dies ist bei einem Alleingesellschafter unzweifelhaft.

    Damit liegen im Streitfall die Voraussetzungen für die Annahme einer Organschaft vor.

    1.2.

    Mit Urteil vom 08.08.2013 - V R 18/13 - (BFHE 242, 433; [...]) hat der BFH zur Frage der Beendigung einer Organschaft bei vorläufiger Insolvenzverwaltung entschieden, dass, wenn das Insolvenzgericht für die Organgesellschaft einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und es zugleich gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO anordnet, dass Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, die organisatorische Eingliederung endet.

    Im Streitfall wurde mit Beschluss vom 04.09.2006 ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und zugleich gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO angeordnet, dass Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Damit endete die vom Beklagten angenommene Organschaft jedenfalls mit dem 04.09.2006.

    Folge ist, dass die im Anschluss an die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters ausgeführten Umsätze nicht mehr vom Kläger zu versteuern sind (BFH Urteil vom 08.08.2013 - V R 18/13 -, Rz. 38).

    Die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate September und Oktober 2006 sind nach diesen Grundsätzen vom Kläger nicht zu versteuern. Aufgrund der diesbezüglich von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung getroffenen tatsächlichen Verständigung sind die steuerpflichtigen Umsätze gemäß dem in der USt-Akte Trennblatt 2006 befindlichen Ausdruck (ohne Paginierung) um 125.057 EUR zu reduzieren; die Vorsteuern reduzieren sind um 1.743,18 EUR.

    Hinsichtlich der sich daraus ergebenden Reduzierung der festzusetzenden Umsatzsteuer für 2006 in Höhe von 18.265,94 EUR ist die Klage bereits aufgrund des BFH-Urteils vom 08.08.2013 - V R 18/13 - begründet.

    2.

    Die Umsätze des Klägers aus den Pflegeverträgen sind steuerfrei.

    2.1.

    Gemäß § 4 Nr. 16 lit. e UStG in der für die Streitjahre 2005 und 2006 gültigen Fassung waren Umsätze von Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen steuerfrei, wenn im voran gegangenen Kalenderjahr in mindestens 40% der Fälle die Pflegekosten von den gesetzlichen Sozialversicherungsträgern oder der Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden waren.

    Die in § 4 Nr. 16 lit. e UStG aufgestellte 40%-Grenze wurde sowohl als gemeinschaftsrechtskonform (EuGH-Urteil vom 08.06.2006 Rs. C-106/05 L.u.P. Slg 2006, I-5123, [...]), als auch als verfassungskonform (Beschluss des BVerfG vom 31.05.2007 Az. 1 BvR 1316/04, BFH/NV 2007, Beilage 4, 449, UR 2007, 737) erachtet.

    Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 lit. e UStG in der für die Streitjahre 2005 und 2006 gültigen Fassung erfüllte der Kläger unstreitig nicht.

    2.2.

    Der Kläger kann sich für die Steuerfreiheit der Umsätze unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. g der 6. EG-Richtlinie berufen.

    Gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. g der 6. EG-Richtlinie (ab 2007: Art. 132 Abs. 1 lit. g MwStSystRL) befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen

    die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen.

    2.2.1.

    Bei den Umsätzen des Klägers aus der 24-Stunden-Pflege gegenüber den pflegebedürftigen Vertragspartnern handelt es sich ebenso wie im Fall Zimmermann unzweifelhaft um eng mit der Sozialfürsorge verbundene Dienstleistungen (Urteil des EuGH vom 15.11.2012 Rs. C-174/11 Zimmermann, UR 2013, 35, [EuGH 15.11.2012 - Rs. C-174/11] Tz. 24; BFH, Urteil vom 19. März 2013 - XI R 47/07 -, BFHE 240, 439, Tz. 29).

    Soweit der Kläger sog. "Investitionskosten" abgerechnet hat (siehe Aufstellung Bl. 285 PA), handelt es sich um Nebenleistungen zur Hauptleistung der Grundpflege, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Dass insoweit Nebenleistungen vorliegen, ergibt sich auch aus den vergleichweise geringen Beträgen, die auf die sog. "Investitionskosten" entfallen.

    2.2.2.

    Beim Kläger handelt es sich auch um eine "anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter".

    Bei der Beurteilung der Anerkennung ist die Schwelle der überwiegenden Übernahme der Kosten durch Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträger in mindestens 40% der Fälle nicht maßgeblich.

    Zwar hat der EuGH die 40%-Schwelle im Urteil vom 08.06.2006 Rs. C-106/05 L.u.P. (a.a.O.) für grundsätzlich gemeinschaftsrechtskonform erklärt und dies vom rechtlichen Ausgangspunkt her im Urteil vom 15.11.2012 Rs. C-174/11 Zimmermann bestätigt (dort Tz. 37). Im Urteil vom 15.11.2012 Rs. C-174/11 Zimmermann hat er die Anwendung jedoch in der Weise eingeschränkt, dass diese nur dann nicht gegen den Neutralitätsgrundsatz verstößt, wenn sie geeignet ist, für Zwecke der Anerkennung des sozialen Charakters der Einrichtung die Gleichbehandlung zu gewährleisten. Der Grundsatz der Neutralität besagt, dass gleichartige und deshalb miteinander im Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen (EuGH, Urteil vom 15.11.2012 Rs. C-174/11 Zimmermann, Tz. 48). In Bezug auf die unter Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. g der 6. EGRL fallenden Dienstleistungen gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung im Hinblick auf alle nicht öffentlich-rechtlichen Einrichtungen (EuGH, Urteil vom 15.11.2012 Rs. C-174/11 Zimmermann, Tz. 53). Eine Schwelle, die für bestimmte nicht öffentlich-rechtliche Einrichtungen gilt, für andere hingegen nicht, ist damit nicht gemeinschaftsrechtskonform (EuGH, Urteil vom 15.11.2012 Rs. C-174/11 Zimmermann, Tz. 59).

    In der Literatur (z.B. Anmerkung zum EuGH-Urteil vom 15.11.2012 Rs. C-174/11 Zimmermann in UVR 2013, 5; Weber in UVR 2013, 240) wurde im Anschluss an das Ergehen des EuGH-Urteils Zimmermann die Auffassung geäußert, dass aufgrund der nicht gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung des § 4 Nr. 18 UStG nicht unter diese Vorschrift fallende Unternehmer mit unter § 4 Nr. 16 lit. e UStG fallenden Umsätzen sich darauf berufen könnten, dass aufgrund der Ungleichbehandlung die 40%-Grenze für sie nicht mehr gelte. Dies folge aus den Ausführungen des EuGH, wonach alle nicht öffentlich-rechtlichen Einrichtungen in Bezug auf ihre Anerkennung bei der Erbringung vergleichbarer Leistungen gleich zu behandeln sind (EuGH, Urteil vom 15.11.2012 Rs. C-174/11 Zimmermann, Tz. 58). Der Neutralitätsgrundsatz stehe der Anwendung eines Mindest-Prozentsatzes für die Kostenübernahme dann entgegen, wenn diese Grenze bei vergleichbaren Leistungen der unter § 23 UStDV fallenden Einrichtungen nicht angewendet werde.

    Der Kläger erbrachte mit der 24-Stunden-Pflege in den Streitjahren die gleichen Leistungen wie unter §§ 4 Nr. 18 UStG, 23 UStDV fallende Einrichtungen (z.B. die Diakonie, http://www.diakonie.de/faircare-eine-alternative-zur-illegalen-beschaeftigung-von-14010.html).

    Mit Urteil vom 08.08.2013 - V R 13/12 - (BFHE 242, 557) hat der BFH jedoch entschieden, dass die Vorschriften des § 4 Nr. 16 UStG als lex specialis der Anwendung des § 4 Nr. 18 UStG vorgehen. Dies bedeutet, dass - wenn ein unter § 4 Nr. 18 UStG fallender Unternehmer Umsätze ausführt, die unter § 4 Nr. 16 UStG zu subsumieren sind - die Steuerfreiheit nur unter den dort genannten Voraussetzungen zu gewähren ist. Nur für nicht unter § 4 Nr. 16 UStG fallende Umsätze greift die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 18 UStG.

    Durch die Anwendung des § 4 Nr. 16 UStG auch auf die unter § 4 Nr. 18 UStG fallenden Unternehmer ist die Gleichbehandlung gewährleistet, so dass das Argument der Ungleichbehandlung für die generelle Nichtanwendung der 40%-Grenze nicht mehr greift.

    Gleichwohl ist die Schwelle von 40% nicht als Kriterium für die Anerkennung des Klägers als Einrichtung mit sozialem Charakter heran zu ziehen.

    Der Kläger hat Verträge mit den Pflegekassen abgeschlossen, aufgrund derer er seine Leistungen mit den Pflegekassen abgerechnet hat. Die Pflegekassen haben ihre Leistungen entsprechend der Einstufung des Pflegebedürftigen in die jeweilige Pflegestufe erbracht. Soweit die Pflegebedürftigen nicht in der Lage waren, die verbleibenden Kosten selbst zu erbringen, wurden die Leistungen vom Sozialhilfeträger erbracht.

    Die auf den Konten 4000 bis 4022 gebuchten Beträge (Bl. 142 Prüfer-HA), die die jeweiligen von den Pflegekassen gezahlten Beträge nach Pflegestufen getrennt ausweisen, zeigen, dass in allen Fällen die Leistungen mit den Pflegekassen abgerechnet wurden. Dass die Kosten in diesen Fällen von den Pflegekassen nicht überwiegend getragen wurden, liegt an den Einstufungen in die jeweilige Pflegestufe und an den an die Pflegestufe gekoppelten Höchstsätzen für die Leistungen. Auf die Einstufung in die Pflegestufe hatte der Kläger keinen Einfluss; diese hängt von dem festgestellten Pflegebedarf und der Zeitdauer dieses Pflegebedarfs ab. Die Höhe der Leistungen ist abhängig von der Pflegestufe. Die Kriterien für die Höhe der Leistungen haben somit mit der Art der vom Kläger erbrachten Dienstleistung nichts zu tun. Die Dienstleistung ist bei der 24-Stunden-Pflege grundsätzlich identisch, unabhängig von der Pflegestufe; auf die tatsächlich zu verrichtenden einzelnen Pflegehandlungen kommt es für die Abrechnung nicht an, da Gegenstand der Verträge die Pflege rund um die Uhr ist.

    Die Nichterfüllung der Anforderungen an die Steuerbefreiung hat also ihre Ursache darin, dass die Pflegekassen nur weit hinter den tatsächlich anfallenden Kosten zurückbleibende Leistungen erbringen.

    Ist der Pflegebedürftige selbst nicht leistungsfähig, so wird der von den Pflegekassen nicht erstattete Betrag vom Sozialhilfeträger - ganz oder teilweise - übernommen. Die Übernahme durch den Sozialhilfeträger kann dazu führen, dass für diesen Fall das Kriterium der überwiegenden Kostentragung erfüllt wird.

    Ist der Pflegebedürftige hingegen leistungsfähig, so hat er den Betrag selbst zu zahlen. Das Kriterium der überwiegenden Kostentragung wird in diesem Fall also nicht erfüllt.

    Dies führt dazu, dass bei identischer Leistung je nachdem, wie viele der betreuten Pflegebedürftigen selbst leistungsfähig sind oder nicht, die 40%-Schwelle erreicht oder nicht erreicht wird.

    Die Anwendung der 40%-Schwelle würde also zu dem Ergebnis führen, dass gleichartige Umsätze, je nachdem in welchem Umfang die Vertragspartner vermögend genug sind, um die von den Pflegekassen nicht übernommenen Leistungen selbst bezahlen zu können, steuerlich unterschiedlich behandelt würden.

    In seinem Urteil vom 19.03.2013 - XI R 47/07 - (BFHE 240, 439) führt der BFH aus, dass - wenn ein Steuerpflichtiger die Nichtanerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter i.S. von Art. 13 Teil A Ab.s 1 lit. g der 6. EGRL anficht - die nationalen Gerichte die Entscheidung über die Anerkennung unter Berücksichtigung des Neutralitätsgrundsatzes zu prüfen haben; die Kriterien für die Anerkennung sind also unter diesem Gesichtspunkt zu würdigen.

    Eine Differenzierung nach der Solvenz des Pflegebedürftigen würde zur unterschiedlichen Besteuerung gleichartiger Leistungen führen und damit dem Neutralitätsgrundsatz nicht gerecht werden.

    Der Senat schließt sich der Auffassung des FG Münster (Urteil vom 14.01.2014 - 15 K 4674/10 U -, [...]) an, dass es für die Anerkennung des Klägers als Einrichtung mit sozialem Charakter ausreicht, dass dieser Verträge mit den Pflegekassen abgeschlossen hat und dass aufgrund dieser Verträge die abgerechneten Pflegekosten dem Grunde nach übernehmbar sind.

    Das FG Münster begründet seine Entscheidung damit, dass nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (z.B. Urteil vom 15.11.2012 Rs. C-174/11 Zimmermann) ein gewichtiger Gesichtspunkt für die Anerkennung die Kostenübernahme durch eine Einrichtung der sozialen Sicherheit ist.

    Dabei kommt es nicht auf die tatsächliche Kostenübernahme an, sondern auf die Übernehmbarkeit der Kosten. Dies hat der BFH mit Urteil vom 08.06.2011 - XI R 22/09 - (BFHE 234, 448) für den Fall einer Bündelung von Leistungen im Rahmen des "betreuten Wohnens" entschieden. Der Senat folgt dem FG Münster in der Beurteilung, dass diese Grundsätze auch auf die Leistungen der Grundpflege zu übertragen sind.

    Ebenso wie im Fall des FG Münster beruht auch im Streitfall die Übernehmbarkeit der Kosten auf sozialgesetzlichen Regelungen.

    Auch in seinem Urteil vom 25.04.2013 - V R 7/11 - (BFHE 241, 475; BStBl II 2013, 976 [BFH 25.04.2013 - V R 7/11]) hat der BFH für den Fall eines Berufsbetreuers allein darauf abgestellt, dass dieser gerichtlich zur Erbringung von Betreuungsleistungen bestellt worden war; nicht entscheidend war hingegen, dass die betreuten Personen die Kosten selbst getragen hatten. Entscheidend für den BFH war unter Beachtung des Neutralitätsgrundsatzes die Identität des Rechtsrahmens.

    Ebenso hat das Schleswig-Holsteinische FG mit Urteil vom 17.07.2013 - 4 K 104/12 - (EFG 2013, 1884; Az. des Revisionsverfahrens XI R 38/13) für den Fall einer Privatklinik entschieden, dass diese aufgrund des gleichen Leistungsangebots wie öffentliche Kliniken als Einrichtung anzuerkennen sei, da die Behandlung der gesetzlich versicherten Patienten auf der Grundlage des mit den Krankenkassen abgeschlossenen Vertrages erfolge.

    2.3.

    Die nach Art. 13 Teil A Abs. 2 lit. a der 6. EGRL vorgesehenen Beschränkungen entfalten mangels Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber keine Wirkung.

    Die Steuerbefreiung ist nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 2 lit. b der 6. EGRL ausgeschlossen.

    Es wurden keine Dienstleistungen vom Kläger erbracht, die zur Ausübung der von der Steuer befreiten Tätigkeiten nicht unerlässlich sind.

    Die Steuerbefreiung ist auch nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. b zweiter Gedankenstrich der 6. EGRL ausgeschlossen.

    Die Umsätze des Klägers sind nicht im Wesentlichen dazu bestimmt, ihm zusätzliche Einnahmen zu verschaffen durch Tätigkeiten, die in unmittelbarem Wettbewerb zu steuerpflichtigen Tätigkeiten anderer Unternehmer stehen. Unter den gleichen Voraussetzungen - Verträge mit Pflegekassen - wären entsprechende Umsätze anderer Unternehmer ebenfalls steuerfrei.

    2.4.

    Für das Jahr 2005 führt die Steuerfreiheit der Pflegeumsätze zur Stattgabe in vollem Umfang, da die verbleibenden steuerpflichtigen Umsätze die Kleinunternehmergrenze des § 19 Abs. 1 UStG nicht überschreiten.

    Für das Jahr 2006 sind die Umsätze aus den Pflegeverträgen steuerfrei.

    3.

    Die Umsätze aus dem Pachtvertrag in Höhe von 93.103,47 EUR im Jahr 2006 sind steuerbar und steuerpflichtig.

    3.1.

    Der Pachtvertrag stellt keine Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1a UStG dar.

    Der EuGH hat im Urteil vom 27.11.2003 Rs C-497/01 Zita Modes (UR 2005, 375 [BFH 18.01.2005 - V R 53/02]) darauf hingewiesen, dass der Grundsatz der Nicht-Lieferung nach Art. 5 Abs. 8 der 6. EGRL (ab 2007: Art. 19 MwStSystRL) ein autonomer gemeinschaftlicher Begriff ist. Nach dem Urteil des EuGH vom 27.11.2003 Zita Modes "ist der Begriff Übertragung des Gesamtvermögens oder Teilvermögens ... nach dem Zwecke der Bestimmung dahin auszulegen, dass er die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbständigen Unternehmensanteils erfasst, die jeweils materielle und ggf. immaterielle Bestandteile umfassen, die zusammen genommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann; er schließt jedoch nicht die bloße Übertragung von Gegenständen wie den Verkauf eines Warenbestandes ein"(Ziff. 40). Wesentlich ist, dass die übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes Ganzes bilden, um die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen, und der Übernehmer beabsichtigt, diese Tätigkeit auszuüben. Der Annahme der Übertragung von Vermögensgegenständen als hinreichendes Ganzes zur Ermöglichung der Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit steht es nicht entgegen, wenn im Rahmen der Übertragung eines Ladenlokals nur die beweglichen Gegenstände übertragen werden, das Ladenlokal jedoch an den Erwerber vermietet wird (EuGH Urteil vom 10.11.2011 Rs. C-444/10 Schriever, UR 2011, 937 [EuGH 10.11.2011 - Rs. C-444/10]).

    Im Streitfall wurde lediglich ein Teil der Verträge mit pflegebedürftigen Personen übertragen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger selbst ausgeführt, dass die wesentliche Grundlage für seinen Betrieb die Mitarbeiter sind. Um eine 24-Stunden-Pflege anbieten zu können, bedarf es vor allem eines Stamms an Personen, die die Pflege im Wechsel ausführen; auf diese Personen muss der Betrieb bei Bedarf zurückgreifen können. Die Mitarbeiterinnen, die die vom Vertragsübergang betroffenen Personen pflegten, waren weiterhin bei der GmbH angestellt, wurden jedoch an Frau W ausgeliehen.

    Die Grundsätze des EuGH Urteils vom 10.11.2011 Rs. C-444/10 Schriever sind auf die im Streitfall gegebene Arbeitnehmer-Überlassung nicht übertragbar. Der EuGH hat im Urteil vom 10.11.2011 Rs. C-444/10 Schriever darauf abgestellt, dass - wenn man nicht die Vermietung des Ladenlokals ausreichen ließe - eine willkürliche Differenzierung danach vorliege, ob der Veräußerer Eigentümer des Geschäftslokals oder lediglich Mieter sei. Die Begründung der willkürlichen Differenzierung nach den Eigentumsverhältnissen an einem Ladenlokal ist auf die Personalgestellung durch den Veräußerer nicht zu übertragen, da am Personal kein Eigentum bestehen kann. Es handelt sich vielmehr um Arbeitsverträge, die ohne weiteres übertragbar sind.

    Der Senat ist nach dem Gesamtbild des Vorgangs davon überzeugt, dass lediglich einzelne Verträge übertragen wurden. Diese hat Frau W im Rahmen ihres bereits bestehenden Unternehmens fortgeführt. Darin liegt keine Geschäftsveräußerung im Ganzen.

    3.2.

    Die Umsätze aus dem "Pachtvertrag" sind nicht steuerfrei.

    Eine Befreiungsvorschrift nach nationalem Recht besteht nicht.

    Die Steuerfreiheit ergibt sich nicht aus der unmittelbaren Berufung auf Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. g der 6. EGRL.

    Bei den Umsätzen aus dem "Pachtvertrag" handelt es sich nicht um "eng mit der Sozialfürsorge verbundene Umsätze".

    Anders als die Überlassung von Personal zur Erfüllung solcher Verträge (s.u. 3.3.) ist die Überlassung der Verträge selbst an einen anderen Dienstleister nicht erforderlich zur Erbringung der Leistung an den Endverbraucher, wenn der Überlassende auch selbst in der Lage war, die Verträge zu erfüllen.

    3.3.

    Die Entgelte für Personalüberlassung in Höhe von 23.240,26 EUR sind gem. Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. g der 6. EGRL steuerfrei.

    Eng mit der Sozialfürsorge verbundene Umsätze können auch bei der Gestellung von Personal für die Erbringung der steuerfreien Hauptleistung durch den Entleiher vorliegen (Beschluss des BFH vom 21.08.2013 - V R 20/12, BFHE 242, 565, BStBl II 2014, 90 [BFH 21.08.2013 - V R 20/12] zur Vorlage an den EuGH; dortiges Az. C-594/13). Erforderlich ist, dass die Personalgestellung das Mittel ist, um unter den bestmöglichen Bedingungen die Hauptleistung erbringen zu können. Davon ist bei der Gestellung des Personals, das die Pflegeleistungen gegenüber dem Endkunden erbringt, ohne weiteres auszugehen.

    Im Streitfall ist auch das entleihende Unternehmen der Frau E. W. eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter; das Unternehmen der Frau W hatte mit seinen Umsätzen stets die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 lit. e UStG erfüllt.

    3.4.

    Von den sonstigen Entgelten in Höhe von 55.291,67 EUR entfallen Teilbeträge von 16.200 EUR auf Kfz-Gestellung und von 31.200 EUR auf Bürodienstleistungen; hierbei handelt es sich um steuerlich nicht relevante Innenumsätze der Organschaft.

    Es verbleiben steuerpflichtige Umsätze von 7.891,67 EUR.

    3.5.

    Die unentgeltliche Wertabgabe ist nicht gem. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG steuerpflichtig, da der Kläger das Fahrzeug nicht für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze verwendet hatte. Nach seinen unwidersprochenen Angaben in der mündlichen Verhandlung wurden die Fahrzeuge für Fahrten zu den pflegebedürftigen Personen verwendet. Die Verwendung eines Fahrzeugs zur Erzielung der steuerpflichtigen "Pachteinnahmen" erscheint auch nicht erforderlich.

    4.

    Es ergibt sich folgende Berechnung der Umsatzsteuer für das Jahr 2006:
    Steuerpflichtige Umsätze aus "Pacht" netto (brutto 84.000 EUR) 72.413,79 EUR
    Steuerpflichtige sonstige Umsätze 7.891,67 EUR
    Summe 80.305,46 EUR
    16% USt auf 80.305,46 EUR 12.848,87 EUR

    5.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    6.

    Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts, sowie zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zuzulassen.

    Die Voraussetzungen für die Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter durch den Mitgliedsstaat im Falle der unmittelbaren Berufung auf das Gemeinschaftsrecht aufgrund unzureichender Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht sind höchstrichterlich noch nicht vollständig geklärt.

    Mit Urteil vom 13.03.2013 - 3 K 235/10 (EFG 2013, 1434) hat das FG München die Rechtsformneutralität insofern als nicht gegeben erachtet, als nach nationalem Recht die Bildung einer Organschaft auf juristische Personen als Organgesellschaften beschränkt ist. Im Streitfall könnte die Rechtsformneutralität in umgekehrter Weise tangiert sein, da im Falle der Gründung einer Personengesellschaft eine Organschaft mit der gravierenden Folge der Steuerschuldnerschaft des Klägers nicht begründet worden wäre.

    Zudem ist die Revisionszulassung auch im Hinblick auf die steuerliche Behandlung von Umsätzen aus Personalgestellung geboten.

    RechtsgebietUStGVorschriften§ 1 Abs. 1a UStG; § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG