06.06.2019 · IWW-Abrufnummer 209234
Finanzgericht Münster: Urteil vom 28.02.2019 – 3 K 2547/18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster
Tenor:
Der Einkommensteuerbescheid 2016 vom 15.03.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.07.2018 wird nach Maßgabe der Entscheidungsgründe geändert. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leisten.
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Tatbestand:
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Streitig ist, ob Zinsen aus Forderungen gegenüber einer GmbH & Co. KG dem Abgeltungsteuersatz unterliegen, wenn die verheirateten Forderungsinhaber ihre Beteiligungen an der GmbH & Co. KG sowie ihre Geschäftsanteile an der Komplementärgesellschaft auf eine von ihnen errichtete Familienstiftung übertragen haben.
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Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2016 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
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Sie waren zunächst Kommanditisten der O GmbH & Co. KG mit einer Beteiligung von jeweils 50 %. Einzige Komplementärin ohne Kapitalanteil war die O Verwaltungs-GmbH. Zur Vertretung und Geschäftsführung der O GmbH & Co. KG war nach dem Gesellschaftsvertrag vom 18.09.1996 allein die O Verwaltungs-GmbH berechtigt und verpflichtet (§ 5 Abs. 1). Geschäfte und Rechtshandlungen, die über den üblichen und gewöhnlichen Rahmen des Geschäftsbetriebes hinausgehen, bedurften vor ihrer Durchführung eines Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafter mit einfacher Mehrheit (§ 5 Abs. 3). Die Anzahl der Stimmrechte war an die Höhe des Kapitalkontos geknüpft (§ 8 Abs. 4). Wegen der Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag vom 18.09.1996 Bezug genommen.
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Die Kläger waren jeweils einzelvertretungsberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführer der O Verwaltungs-GmbH. Gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer waren Herr W. T. und Herr N. F.; sie konnten die Gesellschaft zusammen mit einem anderen Geschäftsführer oder einem Prokuristen vertreten. Herr T. und Herr F. hatten ihre Geschäftsführeranstellungsverträge unmittelbar mit der O GmbH & Co. KG geschlossen.
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Die Kläger hielten zudem Kommanditbeteiligungen an der O Grundstücksverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG von jeweils 50 %. Komplementärin war die BHE O GmbH, an der die Kläger ebenfalls zu jeweils 50 % beteiligt waren. Zudem waren sie jeweils einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der BHE O GmbH. Die O Grundstücksverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG überließ der O GmbH & Co. KG ein Betriebsgrundstück.
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Mit Wirkung zum 01.07.2014 übertrugen die Kläger ihre Kommanditbeteiligungen an der O GmbH & Co. KG sowie ihre Anteile an der O Verwaltungs-GmbH auf die von ihnen als Stifter errichtete O Familienstiftung (im Folgenden: Familienstiftung). Die bei der O GmbH & Co. KG für die Kläger geführten Darlehenskonten wurden als sonstige Verbindlichkeiten gegenüber den Klägern fortgeführt und entsprechend den Regelungen im Gesellschaftsvertrag zu fremdüblichen Bedingungen verzinst.
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Bei der Familienstiftung handelt es sich um eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts, deren Zweck darin besteht, dem Wohle der Familie der Stifter zu dienen. Alleiniges Stiftungsorgan ist der aus drei Personen bestehende Vorstand. Die Kläger sind von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Vorstandsmitglieder auf Lebenszeit. Nach § 5 Abs. 3 der Stiftungssatzung benennen die Kläger einvernehmlich das weitere Mitglied des Vorstands und können es jederzeit abberufen. Zum weiteren Vorstandsmitglied wurde Herr Dr. N. E. berufen.
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Für die Familienstiftung vertretungsberechtigt ist gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 bis 3 der Stiftungssatzung der Vorsitzende des Vorstands bzw. im Vertretungsfall sein Stellvertreter, jeweils gemeinsam mit einem weiteren Mitglied. Solange ein Stifter Mitglied des Vorstands ist, kann er die Stiftung auch allein vertreten. Nach § 6 Abs. 1 S. 4 werden die Gesellschafterrechte der Stiftung allein durch den Vorstandsvorsitzenden bzw. im Vertretungsfall durch seinen Stellvertreter wahrgenommen; er vertritt die Stiftung insbesondere in den Gesellschafterversammlungen.
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Vorstandsbeschlüsse werden nach § 7 Abs. 3 der Stiftungssatzung mit einfacher Mehrheit gefasst. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden, im Falle seiner Abwesenheit die des Stellvertreters. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stiftungssatzung Bezug genommen.
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Im Jahr 2015 wurde Frau I. C. als weitere Komplementärin in die O GmbH & Co. KG aufgenommen. Mit notarieller Urkunde vom 10.09.2015 bevollmächtigte Frau C. die Kläger jeweils einzeln, sie in allen sich aus ihrer Stellung als persönlich haftende Gesellschafterin und Vertretungsorgan der O GmbH & Co. KG ergebenden Rechtsangelegenheiten zu vertreten. Die Kläger wurden von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
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Nach dem am 15.03.2016 neu gefassten Gesellschaftsvertrag der O GmbH & Co. KG sind weder die O Verwaltungs-GmbH noch Frau C. am Haftkapital beteiligt. Alleinige Kommanditistin ist die Familienstiftung. Nach § 6 Abs. 1 ist allein die O Verwaltungs-GmbH zur Geschäftsführung und Vertretung der O GmbH & Co. KG berechtigt und verpflichtet. Frau C. kann die Gesellschaft dagegen nur gemeinschaftlich mit der O Verwaltungs-GmbH vertreten. Gemäß § 6 Abs. 3 bedürfen die dort genannten Geschäfte der Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss. Dabei haben nur die am Kapital beteiligten Gesellschafter ein Stimmrecht (§ 7 Abs. 2). Wegen der Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag vom 15.03.2016 Bezug genommen.
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Nach § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der O Verwaltungs-GmbH hatten ihre Geschäftsführer die im Gesellschaftsvertrag der O GmbH & Co. KG vorgeschriebenen Zustimmungsvorbehalte für Maßnahmen und Handlungen in ihrer Eigenschaft als persönlich haftende Gesellschafterin der O GmbH & Co. KG zu beachten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag Bezug genommen.
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Im Streitjahr flossen den Klägern aus ihren Forderungen gegenüber der O GmbH & Co. KG Zinsen in Höhe von 249.592,28 EUR (Kläger) und 81.414,21 EUR (Klägerin) zu.
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Der Beklagte unterwarf diese Zinseinkünfte zunächst erklärungsgemäß dem Abgeltungsteuersatz in Höhe von 25 %. Die Steuerfestsetzung erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
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Nach Rücksprache mit dem Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung I-Stadt sowie der Oberfinanzdirektion änderte der Beklagte nach Anhörung der Kläger die Steuerfestsetzung und unterwarf die Zinseinkünfte unter Verweis auf § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) dem tariflichen Einkommensteuersatz (Einkommensteuerbescheid vom 15.03.2018). Daneben berücksichtigte er bei dem Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 103.693 EUR, aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 388.402 EUR und aus Kapitalvermögen in Höhe von 349.492 EUR. Bei der Klägerin wurden ferner Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 114.042 EUR, aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 18.555 EUR und aus Kapitalvermögen in Höhe von 100.849 EUR angesetzt.
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Im Einspruchsverfahren machten die Kläger geltend, ein Näheverhältnis im Sinne des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG setze ein Beherrschungsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner voraus, das jeglichen eigenen Entscheidungsspielraum der beherrschten Person ausschließe. Bei einer Personengesellschaft sei grundsätzlich die Stimmrechtsmehrheit erforderlich. Die Stimmrechte in der O GmbH & Co. KG oblägen zu 100 % der Familienstiftung. Sie, die Kläger, seien lediglich Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft. Aus dieser Stellung ergebe sich kein Beherrschungsverhältnis, da sie jeweils einzelvertretungsberechtigt und damit zu eigenständigen Entscheidungen fähig seien. Auch könnten Herr T. und Herr F. als gesamtvertretungsbefugte Geschäftsführer unabhängig von ihnen handeln. Die durch Frau C. erteilte Vertretungsvollmacht sei nicht maßgeblich, da lediglich die O Verwaltungs-GmbH zur Geschäftsführung und Vertretung der O GmbH & Co. KG berechtigt und verpflichtet sei.
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Ein Beherrschungsverhältnis könne auch nicht aus der Stellung als Vorstand der Familienstiftung abgeleitet werden. Der Umstand, dass allein der Vorstandvorsitzende bzw. im Vertretungsfall allein sein Stellvertreter die Gesellschafterrechte auf Ebene der O GmbH & Co. KG wahrnehme, schließe nicht aus, dass der mit drei Personen besetzte Vorstand durch einfache Mehrheit eine Ausübung der Gesellschafterrechte beschließe, die nicht von ihrem, der Kläger, Willen getragen sei. Dabei könnten sie nicht als Einheit angesehen werden. Eine Einheitsbetrachtung sei nicht möglich, da die „Personengruppentheorie“ nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) außerhalb des Rechtsinstituts der Betriebsaufspaltung nicht anerkannt sei (BFH-Urteil vom 01.12.2015 VII R 34/14, BStBl. II 2016, 375) und der BFH bloße familiäre Verbindungen im Rahmen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht ausreichen lasse.
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Der Beklagte führte in der abschlägigen Einspruchsentscheidung vom 16.07.2018 an, die Kläger könnten die O GmbH & Co. KG als jeweils einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der O Verwaltungs-GmbH beherrschen. Zudem liege ein beherrschender Einfluss auf Grund ihrer Stellung im Vorstand der Familienstiftung vor. Da die einfache Stimmenmehrheit zur Beschlussfassung durch den Vorstand genüge, könnten die Kläger beherrschenden Einfluss auf die Familienstiftung ausüben. Eine Ungleichbehandlung der Kläger gegenüber einer nicht aus Ehegatten bestehenden „Personengruppe“ sei nicht feststellbar, da auf Grund durchgängiger in gleicher Beteiligungshöhe vorliegender Beherrschung aller Gesellschaften von einer Wirtschaftsgemeinschaft der Kläger ausgegangen werden könne. Die fehlende Transparenz einer Personengesellschaft auf Stiftungsebene spiele für das Tatbestandsmerkmal der „nahe stehenden Person“ keine Rolle; gleiches gelte für die „Abschirmwirkung“ einer Familienstiftung. Wie eine Kapitalgesellschaft handele auch eine Stiftung durch ihre Organe, im konkreten Fall also durch den Stiftungsvorstand. Eine etwaige Beteiligungshöhe sei unmaßgeblich; entscheidend sei stets die Stimmrechtsmehrheit. Die Stimmrechtsmehrheit stehe vorliegend nur den Klägern zu. Eine unmittelbare Beherrschung werde durch eine mittelbare Beherrschung umgangen.
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Mit der dagegen gerichteten Klage machen die Kläger ergänzend geltend, eine GmbH & Co. KG werde allein durch ihre Gesellschafter – hier durch die Familienstiftung – beherrscht. Soweit der Beklagte auf die Vertretungsregelungen in der O Verwaltungs-GmbH abstelle, verkenne er den Unterschied zwischen der Vertretung im Außenverhältnis und den Gesellschafterrechten im Innenverhältnis. Selbst wenn man auf die Vertretungsberechtigung abstelle, verbleibe der O GmbH & Co. KG ein eigener Entscheidungsspielraum, da sie, die Kläger, jeweils einzelvertretungsberechtigt seien und so abweichend voneinander Entscheidungen für die O GmbH & Co. KG treffen könnten.
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Sofern der Beklagte aus ihrer Stellung als Vorstandsmitglied der Familienstiftung auf ein entsprechendes Beherrschungsverhältnis schließen wolle, verkenne er das zivilrechtliche Grundkonstrukt der Stiftung. Die Stiftung verselbstständige sich mit ihrer Konstituierung vom Stifter und es bestünden in Abgrenzung zu Personen- und Kapitalgesellschaften keine Abhängigkeiten zu Mitgliedern oder Gesellschaftern. Auf Ebene der Stiftung fehlten mitgliedschaftliche Elemente und demnach gesellschaftsrechtsähnliche Einflussmöglichkeiten in Gestalt von Stimm-, Kontroll- und Informationsrechten. Dies gelte auch für Familienstiftungen.
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Die Ausübung der Gesellschafterrechte der Stiftung auf Ebene der O GmbH & Co. KG, die gemäß der Stiftungssatzung von ihnen, den Klägern, wahrgenommen werde, betreffe nur den Vollzug entsprechender Vorstandsentscheidungen; die eigentliche Entscheidung über die Ausübung der Gesellschafterrechte werde im Vorstand mehrheitlich getroffen, wodurch keiner allein entsprechende Entscheidungen treffen könne.
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Die von dem Beklagten angedeutete „Wirtschaftsgemeinschaft“ sei nicht erkennbar. Eine solche Betrachtung lasse außer Acht, dass die Familie als solche keine Vermögensgemeinschaft begründe. Eine unterschiedliche Interessenlage werde auf Grund der in großem Umfang unterschiedlichen Darlehensbeiträge deutlich.
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Die Kläger beantragen,
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den Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 15.03.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.07.2018 dahingehend zu ändern, dass weitere Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 249.592,28 Euro (Kläger) und 81.414,21 Euro (Klägerin) nicht nach dem persönlichen Steuersatz, sondern nach § 32d Abs. 1 EStG versteuert werden,
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hilfsweise, für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
29
hilfsweise, für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
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Er verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
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Der Senat hat die Sache am 28.02.2019 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Die von der O GmbH & Co. KG gezahlten Zinsen in Höhe von 249.592,28 Euro (Kläger) und 81.414,21 Euro (Klägerin) unterfallen dem gesonderten Steuertarif nach § 32d Abs. 1 EStG. Der Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Kläger und die O GmbH & Co. KG einander nahe stehende Personen im Sinne des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG sind.
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I. Die Voraussetzungen des § 32d Abs. 1 EStG liegen vor. Die von den Klägern im Privatvermögen vereinnahmten Zinsen sind Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und fallen nicht unter § 20 Abs. 8 EStG.
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II. Die Anwendung des § 32d Abs. 1 EStG ist auch nicht nach § 32d Abs. 2 EStG ausgeschlossen. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht erfüllt.
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Nach dieser Vorschrift findet § 32d Abs. 1 EStG für Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 4 und 7 sowie Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und 7 EStG keine Anwendung, wenn Gläubiger und Schuldner einander nahe stehende Personen sind, soweit die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen und § 20 Absatz 9 Satz 1 zweiter Halbsatz keine Anwendung findet.
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1. Der BFH orientiert sich bei der Auslegung des Tatbestandsmarkmals der nahe stehenden Person an der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/4841, S. 61). Danach liegt ein Näheverhältnis nur dann vor, wenn die Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat (BFH-Urteil vom 29.04.2014 VIII R 44/13, BStBl. II 2014, 992; so auch BMF-Schreiben vom 18.01.2016, BStBl. I 2016, 85, Rn. 136). Ein derartiges Beherrschungsverhältnis ist anzunehmen, wenn der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt. Ein lediglich aus der Familienangehörigkeit oder Ehe abgeleitetes persönliches Interesse reicht dagegen nicht aus, da ein derartiges Verständnis zu einer mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbare Diskriminierung der Familie führen würde (BFH-Urteil vom 29.04.2014 VIII R 44/13, BStBl. II 2014, 992). Liegen unabhängig von der ehelichen Lebensgemeinschaft Beweisanzeichen vor, die für die Annahme gleichgerichteter wirtschaftlicher Interessen sprechen, so kann ein Näheverhältnis zu bejahen sein (BFH-Urteil vom 28.01.2015 VIII R 8/14, BStBl. II 2015, 397).
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Ein Näheverhältnis zu einer Kapitalgesellschaft ist zu bejahen, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine Beteiligung innehat, die es ihm ermöglicht, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Kapitalgesellschaft durchzusetzen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er aufgrund seiner Beteiligung über die Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung verfügt. Darüber hinaus hält es der BFH nicht für ausgeschlossen, dass aufgrund einer faktischen Beherrschung ein Näheverhältnis zu bejahen sein kann (BFH-Urteil vom 20.10.2016 VIII R 27/15, BStBl. II 2017, 441 zu § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG).
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2. Nach diesen Grundsätzen sind die Kläger und die O GmbH & Co. KG keine einander nahe stehenden Personen.
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Nach Auffassung des erkennenden Senats sind die vom BFH für Kapitalgesellschaften aufgestellten Grundsätze auf Personengesellschaften entsprechend anzuwenden. Demnach ist vorrangig darauf abzustellen, ob der Gläubiger der Kapitalerträge aufgrund seiner Beteiligung über die Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft verfügt. Hat der Gläubiger nicht die Mehrheit der Stimmrechte, kann ein Näheverhältnis nur dann vorliegen, wenn anderweitige besondere Umstände gegeben sind, die auf eine faktische Beherrschung der Personengesellschaft schließen lassen.
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Vorliegend scheidet eine Beherrschung kraft Anteilsbesitz aus, da die Kläger im Streitjahr nicht mehr an der O GmbH & Co. KG beteiligt waren. Auch liegen keine besonderen Umstände vor, die auf eine faktische Beherrschung schließen lassen.
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a) Die Kläger beherrschen die O GmbH & Co. KG nicht mittelbar über die Familienstiftung, da keiner der beiden Kläger für sich gesehen eine beherrschende Stellung in der Familienstiftung hat. Weder der Kläger noch die Klägerin ist aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Stiftungsvorstand in der Lage, eigenständig – d. h. ohne die Mitwirkung eines anderen Vorstandsmitglieds – Beschlüsse der Stiftung herbeizuführen.
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aa) Nach § 7 Abs. 3 der Stiftungssatzung werden Vorstandsbeschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst. Bei einem dreiköpfigen Vorstand hat dies zur Folge, dass weder der Kläger noch die Klägerin Beschlüsse alleine herbeiführen kann. Der Stichentscheid des Vorsitzenden bzw. seines Stellvertreters setzt Stimmengleichheit voraus und kann daher nur zum Tragen kommen, wenn lediglich zwei Vorstandsmitglieder anwesend sind. Da die anderen beiden Mitglieder durch ihre Anwesenheit einen Stichentscheid ohne weiteres verhindern können, ergibt sich auch hieraus keine beherrschende Stellung.
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Nichts anderes ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Satz 4 der Stiftungssatzung, wonach die Gesellschafterrechte der Stiftung allein durch den Vorstandsvorsitzenden bzw. im Vertretungsfall durch seinen Stellvertreter wahrgenommen werden und er die Stiftung insbesondere in den Gesellschafterversammlungen vertritt. Diese Regelung betrifft – wie auch die anderen Sätze des § 6 Abs. 1 – lediglich die Vertretungsbefugnis und nicht die für eine Beherrschung maßgebliche Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis.
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bb) Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich eine beherrschende Stellung der Kläger auch nicht daraus, dass ihnen gemeinschaftlich die Stimmrechtsmehrheit im Stiftungsvorstand zusteht. Da nach der Rechtsprechung des BFH ein Näheverhältnis nicht allein aufgrund einer familienrechtlichen Verbindung angenommen werden kann, können allein aufgrund eines Eheverhältnisses auch keine Stimmrechte zur Bestimmung eines Näheverhältnisses zugerechnet werden.
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Im Streitfall liegen auch keine Beweisanzeichen vor, die – unabhängig von der ehelichen Lebensgemeinschaft – für die Annahme gleichgerichteter wirtschaftlicher Interessen der Kläger sprechen würden. Insbesondere kann der Senat kein absolutes Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Klägern feststellen. Gegen ein solches Abhängigkeitsverhältnis spricht vielmehr, dass beide Kläger nicht unwesentliche Einkünfte erzielen und damit wirtschaftlich voneinander unabhängig sind.
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Gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen lassen sich auch nicht daraus ableiten, dass die Kläger zu jeweils 50 % an der O Grundstücksverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG beteiligt sind und diese Gesellschaft der O GmbH & Co. KG ein Betriebsgrundstück überlässt. Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, ob durch diese Gestaltung die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung zwischen der Grundstücksverwaltungsgesellschaft als Besitz- und der O GmbH & Co. KG als Betriebsgesellschaft erfüllt sind (vgl. BFH-Urteil vom 16.06.1982 I R 118/80, BStBl. II 1982, 662 zur Möglichkeit einer personellen Verflechtung über eine zwischengeschaltete Stiftung).
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Denn das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung beurteilt sich nach anderen Kriterien als der Begriff der nahe stehenden Person im Sinne des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG. Während für die Anwendung des gesonderten Steuertarifs ein absolutes Abhängigkeitsverhältnis erforderlich ist, liegt eine personelle Verflechtung im Sinne der Betriebsaufspaltung bereits dann vor, wenn im Besitz- und Betriebsunternehmen ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille durchgesetzt werden kann. Dabei werden die an beiden Unternehmen beteiligten Gesellschafter nur deshalb als Einheit angesehen, weil während des Bestehens der Doppelgesellschaft eine wirtschaftliche Notwendigkeit für ein gemeinsames Handeln besteht (sog. Personengruppentheorie, vgl. BFH-Urteil vom 02.08.1972 IV 87/65, BStBl. II 1972, 796). Diese wirtschaftliche Notwendigkeit rechtfertigt die Umqualifizierung einer an sich vermögensverwaltenden Tätigkeit in einen Gewerbebetrieb. Da § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht an das Bestehen einer Doppelgesellschaft anknüpft, besteht bei der Beurteilung eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses im Sinne dieser Vorschrift keine Rechtfertigung zur Anwendung der Personengruppentheorie.
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b) Eine beherrschende Stellung der Kläger ergibt sich auch nicht aus ihrer Stellung als jeweils einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der O Verwaltungs-GmbH. Da nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich die Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung maßgeblich ist, wäre eine Beherrschung der O GmbH & Co. KG über die O Verwaltungs-GmbH grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn die Kläger die Stimmrechtsmehrheit auf Ebene der O Verwaltungs-GmbH und die O Verwaltungs-GmbH die Stimmrechtsmehrheit auf Ebene der O GmbH & Co. KG hätten. Beides ist vorliegend nicht der Fall.
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Auch liegen insoweit keine Anhaltspunkte für eine faktische Beherrschung vor. Die Kläger können ihre Rechte als Geschäftsführer nicht losgelöst von den Vorgaben der Familienstiftung – der Alleingesellschafterin der O Verwaltungs-GmbH sowie der O GmbH & Co. KG – machen. Vielmehr ist – wie die gesellschaftsvertraglichen Zustimmungsvorbehalte (§ 6 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages der O GmbH & Co. KG bzw. § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der O Verwaltungs-GmbH) zeigen – sichergestellt, dass gegen den Willen der Familienstiftung keine bedeutsamen Entscheidungen in der O GmbH & Co. KG getroffen werden können.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 FGO zur Fortbildung des Rechts – auch mit Blick auf das bereits anhängige Revisionsverfahren VIII R 8/18 – zuzulassen.
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RechtsgebietEStGVorschriften§ 32d EStG