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  • 29.08.2007

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 28.10.2005 – 11 K 2505/05 E

    1. Steuerpflichtige dürfen Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher und der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke in bestimmtem Umfang als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen. Dies gilt auch für die Zuwendung von Wirtschaftsgütern, also Sachspenden.

    2. Empfänger der Zuwendung muss eine inländische Person des öffentlichen Rechts oder inländische Dienststelle sein. Spenden, die unmittelbar an ausländische gemeinnützige Einrichtungen erfolgen, sind nach deutschem Recht nicht abziehbar.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 11. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 28. Oktober 2005, an der teilgenommen haben:

    Vorsitzender Richter am Finanzgericht …

    Richterin am Finanzgericht …

    Richterin …

    Ehrenamtlicher Richter …

    Ehrenamtliche Richterin …

    im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

    Tatbestand

    I.

    Die Beteiligten streiten über die Abzugsfähigkeit einer sog. Auslandsspende.

    Der Kläger ist Steuerberater und wird zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt.

    Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2003 begehrte der Kläger unter anderem den Sonderausgabenabzug für eine an das Centro Popular de Lagoa in Portugal geleistete Sachspende in Höhe von … Euro. In der – auch in deutscher Übersetzung – vorliegenden sog. Spendenbescheinigung bestätigt das Centro Popular de Lagoa, am … 2003 vom Kläger – im Einzelnen näher bezeichnete – Sachspenden im Wert von … Euro erhalten zu haben. Die des Weiteren vorliegende Erklärung des Direktors des Bezirkszentrums für Solidarität und Sozialversicherung Faro weist aus, dass das Centro Popular de Lagoa bei der Generaldirektion der Sozialaktion als Privateinrichtung der Sozialen Solidarität registriert ist und damit Anspruch auf alle Steuerbefreiungen und Vergünstigungen hat, die durch das Gesetz für Personengesellschaften mit Gemeinnützigkeit und Verwaltungsgemeinnützigkeit gewährt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Bescheinigungen Bezug genommen.

    Der Beklagte versagte den Sonderausgabenabzug für die streitige Auslandsspende (Einkommensteuerbescheid 2003 vom 5. April 2004). Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 2005) erhobene Klage begründet der Kläger damit, dass die Versagung der Anerkennung der Spende gemeinschaftsrechtswidrig sei. Für das begünstigte Centro Popular de Lagoa gebe es zudem im Inland keinen Zahlungsempfänger. Außerdem entspreche die vorgelegte sog. Spendenbescheinigung den Anforderungen eines Zuwendungsnachweises im Sinne des § 50 EStDV.

    Der Kläger beantragt sinngemäß,

    den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 5. April 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 2005 zu ändern und die Steuer unter Berücksichtigung weiterer Spenden in Höhe von … Euro herabzusetzen,

    hilfsweise,

    die Zulassung der Revision.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er ist der Auffassung, die Abzugsfähigkeit der Auslandsspende scheitere bereits daran, dass nach § 10b Abs. 1 EStG, § 49 EStDV Zuwendungsempfänger eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts, eine inländische öffentliche Dienststelle oder eine der in § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG genannten Einrichtungen sein müsse.

    Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 FGO).

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Steuerakten Bezug genommen.

    Gründe

    II.

    Die zulässige Klage ist unbegründet.

    Der Beklagte hat die Anerkennung der streitigen Auslandsspende zu Recht versagt.

    Gemäß § 10b Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) dürfen Steuerpflichtige Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser, wissenschaftlicher und der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke in bestimmtem Umfang als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen. Dies gilt auch für die Zuwendung von Wirtschaftsgütern, sprich Sachspenden (vgl. § 10b Abs. 3 EStG). Nach § 49 EStDV muss der Empfänger der Zuwendungen eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts, eine inländische öffentliche Dienststelle (Ziff. 1) oder eine in § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz (KStG) bezeichnete Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse sein (Ziff. 2).

    Hieran fehlt es im Streitfall. Das Centro Popular de Lagoa ist weder eine der in § 49 Ziff. 1 EStDV genannten inländischen Einrichtungen noch eine von § 5 Abs. 1 Nr. 9, § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG erfasste inländische Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse. Spenden, die unmittelbar an ausländische gemeinnützige Einrichtungen erfolgen, sind nach deutschem Recht nicht abziehbar (so i.E. auch BFH-Beschluss vom 9. Oktober 2001 XI B 43/01, BFH/NV 2002, 191; BFH-Urteil vom 11. November 1966 VI R 45/66, BStBl III 1967, 116; FG München, Urteil vom 26. Februar 2002, 6 K 306/02, Juris; FG Berlin, Urteil vom 4. August 1995 III 318/94, EFG 1995, 1066; Hofmeister in Blümich EStG § 10b Rz 29f.; Brandt in Hermann/Heuer/Raupach EStG § 10b Rz 60; Gradel, IStR 2002, 222).

    Dieses Ergebnis entspricht auch dem Zweck des Gesetzes, denn es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund der deutsche Steuergesetzgeber Spenden an ausländische Einrichtungen durch einen Steuerverzicht begünstigen sollte. Zudem sprechen auch praktische Erwägungen gegen die Anerkennung von Auslandsspenden, da das Finanzamt bei ausländischen Spendenempfängern nicht prüfen kann, ob diese die Spenden auch tatsächlich zu dem in der Spendenbescheinigung angegebenen Zweck verwenden (so bereits BFH-Urteil vom 11. November 1966 VI R 45/66, BStBl III 1967, 116).

    Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt die ausschließliche Abziehbarkeit von Spenden an inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder inländische öffentliche Dienststellen iSd § 49 Ziff. 1 EStDV bzw. an steuerbefreite Körperschaften iSd § 49 Ziff. 2 EStDV iVm § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG nicht gegen Gemeinschaftsrecht.

    Die Möglichkeit der Abzugsfähigkeit von Spenden ist für die Finanzierung gemeinnütziger Organisationen von erheblicher Bedeutung. Die von § 10b EStG iVm § 49 EStDV vorgesehene Abzugsmöglichkeit von Spenden an die genannten inländischen Einrichtungen begünstigt damit nicht nur den Spender, sondern auch die inländische Einrichtung, und zwar unabhängig davon, ob ihr Wirkungskreis auf das Inland beschränkt ist oder nicht. Demgegenüber können gemeinnützige ausländische Einrichtungen, obwohl sie möglicherweise in gleicher Weise tätig werden wie inländische gemeinnützige Einrichtungen, von den Vorteilen des Spendenabzuges nicht profitieren.

    In dieser Ungleichbehandlung liegt nach Auffassung des Senates jedoch kein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht (iE ebenso Heger FR 2004, 1154; FG Berlin, Urteil vom 4. August 1995 III 318/94, EFG 1995, 1066).

    Aus der Sicht des Senates ist es bereits mehr als zweifelhaft, ob es sich beim Gemeinnützigkeitsrecht überhaupt um eine Gemeinschaftsmaterie handelt (vgl. Heger FR 2004, 1154, zweifelnd Helios/Müller BB 2004, 2332). Doch selbst wenn eine Gemeinschaftsmaterie vorläge, sieht der Senat keinen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht.

    Da Spenden und damit auch die Frage ihrer Abzugsfähigkeit den ideellen Bereich und nicht die wirtschaftliche Betätigung gemeinnütziger Organisationen betrifft, ist zumindest zweifelhaft, ob durch die Beschränkungen des § 10b EStG iVm § 49 EStDV die Grundfreiheiten der Niederlassungsfreiheit (Art. 52 i.V.m. Art. 58 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ?EGV?, jetzt Art. 43 i.V.m. Art. 48 nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ?EG?, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ?ABlEG? 1997 Nr. C-340/173), der Dienstleistungsfreiheit (Art. 59 i.V.m. Art. 66 und 58 EGV, jetzt Art. 49 i.V.m. Art. 55 und 48 EG) und/oder der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 73b EGV, jetzt Art. 56 EG) berührt (vgl. hierzu z.B. BFH, EuGH Vorlage vom 14. Juli 2004 I R 94/02, BFH/NV 2004, 1575 zum Ausschluss steuerausländischer gemeinnütziger Einrichtungen von der Körperschaftsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG; auch Heger FR 2004, 1154 ff. jeweils mwN) oder aber allein das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV betroffen ist (vgl. Heger FR 2004, 1154).

    Eine abschließende Entscheidung dieser Frage kann letztlich dahinstehen, denn der Senat kann weder einen Verstoß gegen eine der genannten Grundfreiheiten noch gegen das allgemeine Diskriminierungsgebot erkennen (vgl. auch FG Berlin, Urteil vom 4. August 1995 III 318/94, EFG 1995, 1066, Heger FR 2004, 1154).

    Im Bereich des Gemeinnützigkeitsrechts und der direkten Steuern fehlt es bislang an einer gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierung. Zuständig für diese Rechtsbereiche sind allein die Mitgliedstaaten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verlangt in ständiger Rechtsprechung, dass die Mitgliedstaaten ihre Befugnisse gleichwohl unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben und sich deshalb jeder offensichtlichen oder versteckten Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit enthalten müssen (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 14. Februar 1995 C-279/93 „Schumacker”, Slg. 1995, I-225 Tz. 21 und 26; vom 14. September 1999 C-391/97 „Gschwind”, Slg. 1999, I-5451 Tz. 20).

    Diesem Gebot werden die Regelungen der § 10b EStG, § 49 EStDV nach Auffassung des Senates durchaus gerecht, denn die dort festgeschriebene Ungleichbehandlung in- und ausländischer gemeinnütziger Einrichtungen ist jedenfalls durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, konkret die Notwendigkeit der Steuerkontrolle und Steueraufsicht gerechtfertigt (so iE Heger FR 2004, 1154; vgl. hierzu auch grds. EuGH-Urteil vom 15. Mai 1997 C-250/95 Futura Participations SA und Singer gegen Administration des constribution, Slg 1997, I-2471 mwN).

    Aus Sicht des Senates ist es nicht zu beanstanden, dass das deutsche Einkommensteuerrecht die Abzugsfähigkeit von Spenden nur bei Zuwendungen an inländische Spendenempfänger gewährt. Das Merkmal eines inländischen Spendenempfängers sichert dem die Vergünstigung gewährenden deutschen Fiskus schließlich die Möglichkeit einer ausreichenden Aufsicht und Kontrolle. Nur bei inländischen Einrichtungen kann er überprüfen, dass die infolge des Spendenabzuges begünstigten Einrichtungen auch tatsächlich gemeinnützige Zwecke verfolgen und Spenden zweckentsprechend verwenden. In Bezug auf ausländische Spendenempfänger fehlt es dem deutschen Fiskus demgegenüber an hinreichenden Aufsichts- und Kontrollmöglichkeiten.

    Die Gewährleistung von Aufsichts- und Kontrollmöglichkeiten für den Fiskus ist nicht nur sachgerecht, sondern auch notwendig. Dies ergibt sich nach Auffassung des Senates nicht allein aus dem Umstand, dass der deutsche Fiskus durch die Abzugsfähigkeit von Spenden an gemeinnützige Einrichtungen auf Steuern verzichtet. Vielmehr folgt die Notwendigkeit von Aufsichts- und Kontrollmöglichkeiten auch aus der Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Spenders in die Integrität der von ihm unterstützten Einrichtung sowie der Gefahr ansonsten drohender Wettbewerbsbeeinträchtigungen (vgl auch Heger FR 2004, 1154).

    Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenEStDV § 49, EStG § 10 b Abs. 3