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  • 16.02.2022 · IWW-Abrufnummer 227557

    Landessozialgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 09.12.2020 – L 5 KR 2614/17

    Aus der derzeitigen Erlasslage der Finanzverwaltung ergibt sich nicht, dass auf die ambulante Abgabe von Fertigarzneimitteln im Krankenhaus der ermäßigte Steuersatz von 7 % anzuwenden ist. Voraussetzung eines Rückzahlungsanspruchs der Krankenkasse hinsichtlich der Differenz zwischen Regelsteuersatz und ermäßigtem Steuersatz ist, dass die Steuerverwaltung die Anwendbarkeit des Regelsteuersatzes mit Wirkung für die streitbefangenen Jahre (hier 2010-2012) klar verneint, so dass der Krankenhausträger ohne Prozess etwaige Rückzahlungsansprüche einfach und risikolos durchsetzen kann.


    Landessozialgericht Baden-Württemberg

    Urteil vom 09.12.2020


    Tenor:

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.03.2017 wird zurückgewiesen.

    Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

    Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 6.715,98 € festgesetzt.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die Rückzahlung der Umsatzsteuer für von der Krankenhausapotheke abgegebene Fertigarzneimittel.

    Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse. Die Beklagte ist Trägerin eines in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts geführten, zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassenen, psychiatrischen Fachkrankenhauses und einer psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) gemäß § 118 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Es werden an ihrem Krankenhaus zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigte Krankenhausärzte (§ 116 SGB V) tätig. Sie betreibt eine Krankenhausapotheke und ist hierfür im Besitz einer apothekenrechtlichen Betriebserlaubnis nach § 14 Abs. 1 Apothekengesetz (ApoG).

    Zwischen den Beteiligten besteht ein unter dem 26.05.2004 geschlossener Vertrag nach § 129a SGB V über die Abgabe von Arzneimitteln von der Krankenhausapotheke an Versicherte im Rahmen von § 14 Abs. 4 ApoG. In § 5 Abs. 3 des Vertrages ist vereinbart, dass sich die vereinbarten Beträge um den jeweils geltenden Mehrwertsteuersatz erhöhen. In Anlage 4 des Vertrages nach § 129a SGB V (Preisvereinbarung; in der Folgefassung Fußnote zu § 5 Abs. 3) ist vereinbart, dass bei fehlender Möglichkeit des Vorsteuerabzugs die Umsatzsteuer fiktiv aufzuschlagen ist, wenn die Abgabe durch die Krankenhausapotheke nicht umsatzsteuerpflichtig ist. In § 7 des Vertrages nach § 129a SGB V ist vereinbart, dass rechnerische und sachliche Beanstandungen von beiden Seiten nur innerhalb einer Frist von 12 Monaten nach Ende des Kalendermonats, in dem die Rechnungsstellung erfolgte, geltend gemacht werden können.

    Die Krankenhausapotheke der Beklagten gab durch Ärzte der PIA und ermächtigte Krankenhausärzte an Versicherte der Klägerin in den Jahren 2010, 2011 und 2012 Fertigarzneimittel (Ampullen und Fertigspritzen) zur ambulanten Behandlung ab. Die Beklagte rechnete die Kosten gegenüber der Klägerin auf Grundlage des zwischen den Beteiligten bestehenden Vertrages nach § 129a SGB V ab. Die Klägerin beglich die Rechnungen unter Ansatz eines Umsatzsteuersatzes in Höhe von 19 %.

    Am 30.12.2014 hat die Klägerin beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und die Rückzahlung der Umsatzsteuer geltend gemacht. Zur Begründung hat sie vorgetragen, Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie eng mit diesen Behandlungen verbundene Umsätze seien nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Umsatzsteuergesetz (UStG) grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Das Finanzgericht Münster habe bereits am 12.05.2012 entschieden, dass die Abgabe von Zytostatika durch eine Krankenhausapotheke auch im Rahmen einer ambulanten Heilbehandlung umsatzsteuerfrei sei. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt, der mit Urteil vom 13.03.2014 (C-366/12) entschieden habe, dass die Abgabe von Zytostatika nur dann umsatzsteuerfrei sein könne, wenn sie "in tatsächlicher und wirtschaftlicher Hinsicht von der Hauptleistung der ärztlichen Heilbehandlung untrennbar" sei. Der BFH habe daraufhin mit Urteil vom 24.09.2014 (V R 19/11) entschieden, dass nicht nur Zytostatika von der Umsatzsteuerpflicht befreit seien, sondern jedes im Krankenhaus abgegebene Arzneimittel, das nach § 129a SGB V abgerechnet worden sei, soweit es für den verfolgten therapeutischen Zweck unentbehrlich sei. Der BFH habe weiter ausgeführt, dass hierzu "auch" die Verabreichung von für den Patienten individuell hergestellten Arzneimittel zur Durchführung einer Heilbehandlung im Krankenhaus gehöre. Aus der Rechtsprechung ergebe sich also, dass nicht nur Zytostatika von der Umsatzsteuer befreit seien, sondern jedes im Krankenhaus abgegebene Arzneimittel, welches nach § 129a SGB V abgerechnet werde, sofern es für den verfolgten therapeutischen Zweck unentbehrlich sei. Da jedes im Krankenhaus während ambulanter Behandlung verabreichte Arzneimittel integraler Bestandteil der ärztlichen Heilbehandlung sei, seien diese als steuerbefreiter Umsatz gemäß § 4 Nr. 14b UStG zu qualifizieren. Krankenhausapotheken dürften gemäß § 14 Abs. 7 Satz 2 ApoG nur Arzneimittel abgeben, wenn sie zur unmittelbaren Anwendung bestimmt seien. Die Verabreichung des Medikaments sei deshalb untrennbar mit der Heilbehandlung verbunden. Dies sei auch bei den von der Beklagten abgegebenen, intramuskulär verabreichten Spritzen der Fall. Zudem handele es sich vorliegend ausschließlich um Fälle der patientenbezogenen Gebrauchsfertigmachung durch einen Arzt. Aus den von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen der Finanzverwaltung zu dem Urteil des BFH ergebe sich nicht, dass das Urteil nicht auf andere Sachverhalte übertragbar sei. Damit stünde fest, dass die Beklagte die Umsatzsteuer zu Unrecht angefordert habe. In den Verträgen nach § 129a SGB V sei vereinbart, dass eine Berechnung der Umsatzsteuer nur erfolgen könne, wenn das Krankenhaus für die betreffende Lieferung zur Abführung von Umsatzsteuer verpflichtet sei. Dies sei nicht der Fall, weshalb ihr ein Rückforderungsanspruch zustehe. Die von ihr - der Klägerin - an die Beklagte gezahlten Beträge für die Umsatzsteuer beliefen sich im Jahr 2010 auf 2.396,58 €, im Jahr 2011 auf 2.010,28 € und im Jahr 2012 auf 2.308,75 €. Soweit die Beklagte auf die Fristen des § 7 des Vertrages nach § 129a SGB V hinweise, werde auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verwiesen, wonach Fristen in Prüfvereinbarungen nur der Verfahrensbeschleunigung dienten und ihr Verstreichen kein Hindernis für eine Sachentscheidung sei. Entsprechendes müsse vorliegend gelten. Zudem handele es sich vorliegend nicht um eine sachliche oder rechnerische Beanstandung. Soweit die Beklagte auf die nach Anlage 4 des Vertrages nach § 129a SGB V fiktiv anzusetzende Umsatzsteuer hinweise, werde die Auffassung vertreten, dass diese Regelung - sofern sie unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots gültig zustande gekommen sei - teleologisch zu reduzieren sei. Es könne lediglich die Umsatzsteuer in Höhe des Vorsteuerabzugs für den Wareneinkauf, zu dem das Krankenhaus sonst berechtigt sei, gemeint sein. Soweit die Beklagte darauf verweise, dass die Arzneimittel im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung abgegeben worden seien, ändere dies nichts daran, dass die Krankenhausapotheke der Beklagten nur dann zur Medikamentenabgabe berechtigt sei, wenn die Medikamente zur unmittelbaren Anwendung erforderlich seien. Es sei deshalb unerheblich, ob es sich um eine Krankenhausbehandlung oder eine Behandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung handele. Unerheblich sei auch, ob ein Bezug über eine öffentliche Apotheke theoretisch möglich gewesen sei. Der Unterschied zu niedergelassenen Ärzten liege darin, dass sie nicht über eigene Apotheken verfügten. Vorsorglich mache die Klägerin einen Anspruch auf Rechnungskorrektur aus § 241 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. §§ 14, 14c, 17 UStG geltend.

    Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, die Klägerin habe nicht im Ansatz dargelegt, wie sich die Klagesumme zusammensetze. Es sei außerdem die 12-Monatsfrist des § 7 Abs. 1 des Vertrages nach § 129a SGB V nicht gewahrt. Die Klägerin übersehe ferner, dass nach Anlage 4 des Vertrages nach § 129a SGB V jedenfalls die Umsatzsteuer fiktiv aufzuschlagen gewesen sei. Des Weiteren beträfen die von der Klägerin angeführten Urteile Zytostatika-Zubereitungen. Die Beklagte habe vorliegend nur Fertigarzneimittel abgegeben. Aus den Stellungnahmen der Finanzverwaltung zu den Urteilen ergebe sich, dass die Ausführungen des BFH im Urteil vom 24.09.2014 auf die Abgabe von individuell für Patienten hergestellte Arzneimittel beschränkt seien. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) habe dies im Schreiben vom 28.09.2016 klargestellt. Fertigarzneimittel würden fertig hergestellt vom pharmazeutischen Unternehmer bezogen. Die enge Verbundenheit mit einer Krankenhausbehandlung im Sinne von § 4 Nr. 14b UStG solle nach dem BFH bei Zytostatikazubereitungen bestehen, weil diese individuell für den Patienten zubereitet würden. Bei Fertigarzneimitteln sei dies gerade nicht der Fall. Zudem handele es sich vorliegend um vertragsärztliche Behandlungen, weil die Arzneimittelverordnungen von der PIA und ermächtigten Krankenhausärzten ausgestellt worden seien. Die Beklagte dürfe hinsichtlich der Umsatzsteuerfreiheit nicht anders behandelt werden als niedergelassene Ärzte.

    Mit Urteil vom 21.03.2017 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe auf die geltend gemachte Forderung keinen Anspruch. Die Klage sei bereits nicht hinreichend substantiiert und damit unzulässig. Zur Prüfung, ob die Leistungen entsprechend der Rechtsprechung des BFH umsatzsteuerfrei seien, müssten die tatsächlichen Umstände der einzelnen Verordnung des Arzneimittels bekannt sein. Eine pauschale Prüfung könne nicht erfolgen. Mangels Angaben, um welche Patienten es sich handele, welche Verordnungen erfolgten, welche Einzelrechnungen bezahlt worden seien und wie sich der Gesamtbetrag insgesamt aufschlüssele, könne die geltend gemachte Forderung nicht überprüft werden. Im Übrigen seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht erfüllt. Im Vertrag nach § 129a SGB V sei vereinbart, dass bei fehlender Umsatzsteuerpflicht Umsätze fiktiv als umsatzsteuerpflichtig zu behandeln seien. Die Zahlung von Umsatzsteuer sei deshalb nicht ohne rechtlichem Grund erfolgt. Außerdem könne sich die Beklagte auf Entreicherung berufen, weil sie die vereinnahmte Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt habe. Die Klägerin könne allenfalls verlangen, dass ihr ein Anspruch gegen die Finanzverwaltung auf Rückzahlung abgetreten werde. Ein solcher Anspruch sei aber derzeit nicht realisierbar. Überdies mache die Klägerin einen derartigen Anspruch ohnehin nicht geltend, so dass dieser Aspekt nicht weiter vertieft werden müsse. Schließlich stünde auch § 10 Abs. 1 der Vereinbarung nach § 129a SGB V der Erstattungsforderung entgegen, weil die materielle Ausschlussfrist von 12 Monaten für die Rechnungsbeanstandung für Leistungen, die das Jahr 2011 beträfen, abgelaufen sei.

    Gegen das ihr am 07.06.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.07.2017 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung wiederholt sie ihren bisherigen Vortrag. Ergänzend macht sie geltend, die Umsatzsteuerfreiheit der abgerechneten Leistungen ergebe sich aus dem Wortlaut des § 4 Nr. 14b UStG und darüber hinaus aus Art. 132 Abs. 1b der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie (Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem) bzw. Art. 13 Teil A Abs. 1b der Sechsten EG-Richtlinie RL 77/388/EWG vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem, wonach die Mitgliedstaaten die Umsätze von Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze von der Steuer zu befreien hätten. Nach der Rechtsprechung des EuGH beträfe diese Regelung Umsätze, die unmittelbar mit Gesundheitsleistungen zusammenhingen oder einen therapeutischen Zweck hätten. Auch der deutsche Gesetzgeber des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) gehe laut Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1525 zu Nr. 11) davon aus, dass die Medikamentenabgabe durch Krankenhausapotheken im Rahmen einer ambulanten Behandlung von der Umsatzsteuer befreit sei. Entsprechend habe der BFH festgestellt, dass zum Kernbereich der europäischen Regelungen zum Mehrwertsteuersystem die Verabreichung von Arzneimitteln gehöre. Die von der Krankenhausapotheke der Beklagten erfolgte Abgabe von Arzneimitteln unterfiele den Krankenhausbehandlungen, wie sie in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie genannt würden. Dies ergebe sich auch unter Heranziehung der Regelung des § 14 Abs. 7 Satz 2 ApoG. Aus dieser Regelung sei zu schließen, dass Arzneimittel nur abgegeben werden dürften, wenn die Verabreichung untrennbar mit der Heilbehandlung verbunden sei. Entsprechend sei auch der Vertrag nach § 129a SGB V formuliert. Zulässig sei nur die Abgabe von Arzneimitteln, die zur Verabreichung im Krankenhaus und nicht zur Selbstmedikation bestimmt seien. Bei den streitigen Fertigarzneimitteln dürfe es sich ausschließlich um solche Arzneimittel handeln, welche entweder bereits wegen der Art der Verabreichung und/oder der noch zu tätigenden Vorbereitung der Injektion von medizinischem Fachpersonal gespritzt werden müssten. Das Verbringen in den Blutkreislauf, egal ob individuell hergestellt oder nicht, stelle einen unselbständigen zwingenden Bestandteil der ambulanten Krankenhausbehandlung dar. Dies sei auch bei der Verabreichung von Arzneimitteln in der psychiatrischen Behandlung der Fall. Aus der Fußnote zu § 5 Abs. 3 (bzw. des Anhangs 4) des Vertrages nach § 129a SGB V könne kein Rechtsgrund für die Zahlung von Umsatzsteuer abgeleitet werden. Die Beteiligten hätten eine Nettopreisabrede getroffen. Die Fiktivregel in der Fußnote des Vertrages nach § 129a SGB V sei unwirksam. Sie sei nicht verständlich und verstoße gegen das Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgebot, das u.a. in § 70 SGB V verankert sei. Es liege auch keine Entreicherung vor. Die Beklagte habe bereits nicht nachgewiesen, dass sie den angesetzten Umsatzsteuerbetrag an das Finanzamt abgeführt habe. Dies werde ausdrücklich bestritten. Zudem habe die Beklagte bei erfolgter Zahlung einen Rückzahlungsanspruch. Dass etwaige Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2010, 2011 und 2012 bestandskräftig seien, werde ebenfalls bestritten. Im Übrigen gelte der Entreicherungseinwand nicht im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Darüber hinaus stünde der Klägerin die geltend gemachte Forderung auch aufgrund eines Schadensersatzanspruchs gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zu. Die Beklagte habe eine vertragliche Nebenpflicht verletzt, indem sie Umsatzsteuer verlangt habe, obwohl sie zur Zahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt tatsächlich nicht verpflichtet gewesen sei. Indem die Beklagte die Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt habe, habe sie gegen ihre Pflicht der Klägerin gegenüber, das Vermögen der Klägerin nicht über das vertraglich gebotene Maß zu belasten, verstoßen. Das Verschulden der Beklagten werde nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Höchst vorsorglich mache die Klägerin geltend, dass die Beklagte spätestens seit der Veröffentlichung des Urteils des Finanzgerichts Münster (5 K 435/09) schuldhaft gehandelt habe, weil sich daraus Zweifel an der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Medikamenten ergeben hätten und sie deshalb Rechtsrat hätte einholen müssen. Eine weitere Schutzpflichtverletzung der Beklagten liege darin, dass sie die Rückforderung gegenüber dem Finanzamt bzw. die Einlegung von Rechtsmitteln nicht geltend mache. Auch insoweit handele sie fahrlässig. Die Beanstandungsfrist des § 7 des Vertrages nach § 129 SGB V stünde der geltend gemachten Forderung nicht entgegen, weil es sich nicht um eine sachliche oder rechnerische, sondern eine rechtliche Beanstandung handele. Hilfsweise werde eingewandt, dass die Beklagte gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG jedenfalls nur Umsatzsteuer in Höhe von 7 % hätte abführen dürfen. Die Klägerin habe deshalb einen Anspruch auf Erstattung der Differenz. Die Abgabe von Medikamenten sei dem gemeinnützigen Zweckbetrieb des Krankenhauses zuzuordnen. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des BFH (u.a. Urteil vom 18.10.2017 - V R 46/16). Die Finanzverwaltung habe sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (unter Verweis auf Schreiben des BMF vom 14.01.2015, 14.12.2018 und 31.01.2019 und den Umsatzsteueranwendungserlass zu § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG).

    Die Klägerin beantragt,

    das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.03.2017 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 6.715,98 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen,

    hilfsweise,

    die Beklagte zu verpflichten, ihren Anspruch auf Rückzahlung der im Verhältnis zur Klägerin überzahlten Umsatzsteuer aus den Jahren 2010, 2011 und 2012 gegenüber dem zuständigen Finanzamt geltend zu machen und die so erhaltenen Beträge an die Klägerin auszukehren,

    höchsthilfsweise,

    die Beklagte zu verpflichten, ihren Anspruch auf Steuerrückzahlung gegen den Fiskus, der sich für die Jahre 2010, 2011 und 2012 bzgl. des der Klageforderung zugrundeliegenden Sachverhalts der fehlenden Umsatzsteuerpflicht bei Arzneimittelabgabe durch die Beklagte ergibt, an die Klägerin abzutreten,

    weiter höchsthilfsweise,

    die Beklagte zu verpflichten, eine auf den Klageantrag entsprechende Rechnungskorrektur sowie Zahlung eines Betrages in Höhe von sich aufgrund dessen errechnenden Rückzahlungsanspruchs der Beklagten gegenüber dem Finanzamt geltend zu machen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch stünde der Klägerin nicht zu. Die Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2010 und 2011 seien bestandskräftig. Weder nach der zitierten Entscheidung des BFH noch nach den Rundschreiben des BMF seien Fertigarzneimittel von der Umsatzsteuerfreiheit erfasst. Die Klägerin sei nach den Kenntnissen des Prozessbevollmächtigten auch die einzige Krankenkasse, die die Anwendbarkeit der Entscheidung des BFH auf Fertigarzneimittel übertrage. Bei Fertigarzneimitteln werde das Arzneimittel schlicht bezogen, ohne dass die Apotheke zuvor ein individuell auf Auftrag des behandelnden Arztes hin zusammengestelltes Arzneimittel fertige. Es bedürfe also bei Fertigarzneimitteln keiner "Zusammenarbeit" zwischen Arzt und Krankenhausapotheke. Es bestünde also kein enger Zusammenhang zwischen der ärztlichen Heilbehandlung und der Arzneimittelherstellung und -abgabe. Die Regelung in der Fußnote des Anhangs 4 bzw. § 5 Abs. 3 des Vertrages nach § 129a SGB V sei keineswegs unverständlich und verstoße auch nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Klägerin habe sich nach der Regelung vertraglich verpflichtet, Umsatzsteuer zu bezahlen, unabhängig davon, ob Umsatzsteuerfreiheit herrsche oder nicht. Jedenfalls scheitere der Erstattungsanspruch an der Beanstandungsfrist von 12 Monaten. Vorsorglich mache die Beklagte Entreicherung geltend, weil sie auch bei unterstellter Richtigkeit der Argumentation der Klägerin keine entrichtete Umsatzsteuer vom Finanzamt wieder zurückerhalte. Der Klägerin stünde auch kein Schadensersatzanspruch zu. Da weder der BFH noch die Finanzverwaltung davon ausgingen, dass Fertigarzneimittel umsatzsteuerfrei seien, gebe es keinen Anlass für die Beklagte gegen die Umsatzsteuerbescheide vorzugehen. Sie sei auch nicht verpflichtet auf eigene Kosten, insoweit eine Klärung im Interesse der Klägerin herbeizuführen. Die Frage des ermäßigten Steuersatzes sei von der Finanzverwaltung Baden-Württemberg dem BMF vorgelegt worden. Eine Stellungnahme des BMF stehe noch aus (Stand: Juni 2020). Die Beklagte habe den Regelsteuersatz von 19 % an das Finanzamt Heilbronn abgeführt. Zum Nachweis hat die Beklagte ein Schreiben ihrer Finanzdirektorin sowie eine schriftliche Bestätigung ihrer Steuerberater vorgelegt.

    Mit Beschluss vom 26.07.2017 hat das SG das Urteil wegen offensichtlicher Unrichtigkeiten korrigiert, weil es versehentlich die Klageerweiterung der Klägerin in Bezug auf Forderungen aus dem Jahr 2012 im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen unerwähnt ließ.

    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten geführte Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    1. Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft, da der nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 € überschritten wird. Sie ist auch im Übrigen zulässig.

    2. Die Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

    a) Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat mit der erhobenen echten Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG die richtige Klage gewählt; denn es handelt sich bei der auf Rückzahlung der Umsatzsteuer auf Abrechnungen der Krankenhausapotheke der Beklagten gerichteten Klage um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2019 - B 1 KR 5/19 R -, in juris, Rn. 12). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG, Urteil vom 13.11.2013 - B 3 KR 33/12 R -, in juris, Rn. 9). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert. Dies gilt gleichermaßen für den geltend gemachten Zinsanspruch. Insoweit reicht die Bezugnahme auf den Basiszinssatz (vgl. Becker-Eberhard in: Münchner Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 253 Rn. 132). Ein ggf. unsubstantiierter Vortrag der Klägerin führt entgegen der Rechtsauffassung des SG nicht zur Unzulässigkeit der Klage, sondern wäre im Rahmen der Begründetheit zu berücksichtigen.

    b) Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf volle oder teilweise Rückerstattung der an die Beklagte gezahlten Umsatzsteuer auf Abrechnungen der Krankenhausapotheke der Beklagten für Fertigarzneimittel in den Jahren 2010, 2011 und 2012. Auch mit den Hilfsanträgen dringt die Klägerin nicht durch.

    aa) Ein entsprechender Rückerstattungsanspruch ergibt sich nicht aus dem Vertrag nach § 129a SGB V, auch nicht unter ergänzender Auslegung gem. § 157 BGB i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V. Auch ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch scheidet aus, weil die Zahlungen nicht ohne Rechtsgrund erfolgten.

    Der zwischen den Beteiligten wirksam nach § 129a SGB V abgeschlossene Vertrag sieht vor, dass die Krankenhausapotheke der Beklagten, für die sie im Besitz einer apothekenrechtlichen Betriebserlaubnis nach § 14 Abs. 1 ApoG ist, zu Lasten der Krankenkassen unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 SGB V (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages) und nach ärztlicher Verordnung (§ 3 Abs. 1 des Vertrages) Arzneimittel zur unmittelbaren Anwendung in Ambulanzen des Krankenhauses und an ermächtigte Krankenhausärzte (§ 1 Abs. 1 des Vertrages) abgeben darf. Hierfür erhält das Krankenhaus nach Maßgabe der Preisvereinbarung (§ 5 des Vertrages) und des Abrechenmodus (§ 4 des Vertrages) eine Vergütung. § 5 Abs. 3 des Vertrages nach § 129a SGB V regelt, dass sich die gem. Abs. 2 ermittelten Beträge (bei Fertigarzneimitteln der Lauer-Einkaufspreis - 4 %, wobei der abgerechnete Preis den Apothekenabgabepreis einer öffentlichen Apotheke nicht überschreiten darf) um "den jeweils geltenden Mehrwertsteuersatz" erhöhen. Nach Fußnote 3 zu § 5 Abs. 3 bzw. Anlage 4 des Vertrages gilt: "Ist die Abgabe durch die Krankenhausapotheke nicht umsatzsteuerpflichtig, so ist wegen der fehlenden Möglichkeit des Vorsteuerabzugs die Umsatzsteuer fiktiv aufzuschlagen. Dies gilt nicht hinsichtlich der Herstellungspauschale".

    § 5 Abs. 3 des Vertrages nach § 129a SGB V mit Fußnote 3 (bzw. der Anlage 4) regelt Preisbestandteile bei künftigen Änderungen der Umsatzsteuerpflicht auf die betroffenen Arzneimittelzubereitungen: Die gemäß § 5 Abs. 2 des Vertrages nach § 129a SGB V ermittelten Beträge erhöhen sich um den jeweils geltenden Mehrwertsteuersatz. Besteht keine Umsatzsteuerpflicht, ist die Umsatzsteuer grundsätzlich, abgesehen von der Herstellungspauschale, fiktiv aufzuschlagen. Nach dem klaren, unmissverständlichen Willen der Vertragsparteien gilt demnach für die vorliegend allein betroffenen Fertigarzneimittel, dass auch bei fehlender Umsatzsteuerpflicht die Umsatzsteuer grundsätzlich fiktiv aufzuschlagen ist (anders bzgl. der Herstellungspauschale, vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2019 - B 1 KR 5/19 R -, in juris). Diese Vertragsklausel ist unzweideutig und verstößt auch nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Sie berücksichtigt die fehlende Möglichkeit des Krankenhauses beim Einkauf der Fertigarzneimittel einen Vorsteuerabzug vorzunehmen. Ohne entsprechende Vertragsklausel könnte das Krankenhaus die von ihm beim Einkauf der Fertigarzneimittel entrichtete Umsatzsteuer nicht an den Endverbraucher (Krankenkasse) weitergeben.

    Abgesehen davon unterliegen die von Krankenhausapotheken abgegebenen Fertigarzneimittel an ambulante Patienten der Umsatzsteuerpflicht. Hinsichtlich der in den Jahren 2010, 2011 und 2012 geltenden Erlasslage hat sich bis zuletzt nichts geändert. Nach der Umsatzsteuerrichtlinie 2005 (R Abschn. 100 UStR 2005) zu § 4 Nr. 16 UStG sind mit dem Betrieb der in § 4 Nr. 16 UStG (seit 01.01.2009 § 4 Nr. 14 UStG) bezeichneten Einrichtungen (u.a. Krankenhäuser) solche Umsätze eng verbunden (und damit steuerfrei), die für diese Einrichtungen nach der Verkehrsauffassung typisch und unerlässlich sind, regelmäßig und allgemein beim laufenden Betrieb vorkommen und damit unmittelbar oder mittelbar zusammenhängen. Nicht dazu gehört gem. Abs. 3 Nr. 4 die Abgabe von Medikamenten zur unmittelbaren Anwendung durch ermächtigte Krankenhausambulanzen an Patienten während der ambulanten Behandlung sowie die Abgabe von Medikamenten durch Krankenhausapotheken an Patienten im Rahmen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus. Die Umsatzsteuerrichtlinie 2008 (Abschn. 100 UStR 2008) sah dieselbe Regelung vor. Auch der Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 01.10.2010 (BStBl. I S. 846) sah unter 4.14.6. ("Eng mit Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen verbundene Umsätze") vor, dass die Abgabe von Medikamenten zur unmittelbaren Anwendung durch ermächtigte Krankenhausambulanzen an Patienten während der ambulanten Behandlung sowie die Abgabe von Medikamenten durch Krankenhausapotheken an Patienten im Rahmen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus nicht zu den eng verbundenen Umsätzen gehören.

    Die Erlasslage änderte sich in der Folge nur hinsichtlich der individuell für den einzelnen Patienten in der Krankenhausapotheke hergestellten Medikamente. Der BFH entschied mit Urteil vom 24.09.2014 (- V R 19/11 - in juris) für die Jahre 2005 und 2006 zu § 4 Nr. 16b UStG, dass die Verabreichung von Zytostatika im Rahmen einer ambulant in einem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung, die dort individuell für den einzelnen Patienten in einer Apotheke dieses Krankenhauses hergestellt werden, als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz - abweichend von Abschn. 100 Abs. 3 Nr. 4 Umsatzsteuerrichtlinie 2005 und Abschn. 4.14.6 Abs. 3 Nr. 4 Umsatzsteuer-Anwendungserlass - steuerfrei ist. Das BMF-Schreiben vom 28.09.2016 änderte daraufhin den Abschn. 4.14.6 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (BStBl. I 2016, Nr. 18 vom 20.10.2016, S. 1043) und fügte in den dortigen Abs. 2 eine neue Nr. 3 ein: "(2) (...) können zu den eng verbundenen Umsätzen gehören: (...) 3. die Abgabe von individuell für den einzelnen Patienten in einer Apotheke des Krankenhauses hergestellten Arzneimitteln, wenn diese im Rahmen einer ambulant in den Räumen dieses Krankenhauses durchgeführten Heilbehandlung verwendet werden; auf die sozialrechtliche Ermächtigungsform für die ambulante Heilbehandlung kommt es nicht an (...)". Für Umsätze, die vor dem 01.04.2017 ausgeführt worden sind, sieht das BMF-Schreiben vor, dass der Unternehmer seine Leistungen abweichend von Abschn. 4.14.6 Abs. 2 Nr. 3 Umsatzsteuer-Anwendungserlass dem allgemeinen Steuersatz unterwerfen und insoweit aus den damit zusammenhängenden Eingangsleistungen unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG den Vorsteuerabzug geltend machen kann, wenn die Fälle noch "offen" sind (zum Ganzen BSG, Urteil vom 09.04.2019 - B 1 KR 5/19 R -, in juris, Rn. 23).

    Hinsichtlich der nicht individuell hergestellten Medikamente verblieb es bei der bisherigen Erlasslage. Auch in der zuletzt zum 31.12.2019 geänderten Fassung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses vom 01.10.2010 ist lediglich die Abgabe von individuell für den einzelnen Patienten in einer Krankenhausapotheke hergestellten Arzneimittel den "eng verbundenen Umsätzen" zugeordnet. In Abs. 4.14.6. Abs. 3 Nr. 4 Umsatzsteuer-Anwendungserlass heißt es ausdrücklich, dass die Abgabe von nicht patientenindividuell hergestellten Medikamenten zur unmittelbaren Anwendung durch ermächtigte Krankenhausambulanzen an Patienten während der ambulanten Behandlung sowie die Abgabe von Medikamenten durch Krankenhausapotheken an Patienten im Rahmen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus nicht zu den eng verbundenen Umsätzen gehören.

    Vorliegend sind lediglich nicht patientenindividuell hergestellte Medikamente zur unmittelbaren Anwendung durch ermächtigte Krankenhausambulanzen an Patienten während der ambulanten Behandlung sowie Medikamente, die durch die Krankenhausapotheke der Beklagten an Patienten im Rahmen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus abgegeben wurden, betroffen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Anhaltpunkte dafür, dass auch andere Medikamente betroffen sein könnten, liegen nicht vor.

    Damit unterlagen (und unterliegen nach wie vor) die streitgegenständlichen Medikamentenabgaben der Umsatzsteuerpflicht. Die Prüfung, ob diese umsatzsteuerrechtliche Erlasslage mit höherrangigem, insbes. europäischem Recht vereinbar ist, obliegt nicht der Sozial-, sondern der Finanzgerichtsbarkeit. Entscheidungen der Gerichte anderer Gerichtsbarkeiten - hier der Sozialgerichtsbarkeit - im Verhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse entfalten in der öffentlich-rechtlichen Beziehung zwischen Unternehmer und Steuerfiskus keine Bindungswirkung (zum Ganzen BSG, Urteil vom 09.04.2019 - B 1 KR 5/19 R -, in juris, Rn. 21).

    Auch für die Frage, welcher Umsatzsteuersatz (19 % oder 7 %) gilt, darf der Unternehmer - hier die Beklagte - bei einer wie hier geltenden Nettopreisvereinbarung die Rechtsauffassung der Steuerverwaltung zugrunde legen, soweit der Vertrag nicht etwas Abweichendes regelt. Das gilt sowohl für die durch bindende Umsatzsteuerverwaltungsakte festgesetzte, von dem Unternehmer abzuführende Umsatzsteuer als auch, wenn zwar eine Regelung des Finanzamtes gegenüber dem Steuerschuldner im Einzelfall nicht ergangen ist, der Steuerschuldner aber auch ohne eine solche formell bescheidmäßige Umsetzung einer unmissverständlichen Rechtsauffassung der Steuerverwaltung folgt. Denn das Entscheidungsrecht über die Besteuerung liegt nach dem System der Abgabenordnung ausschließlich bei der Steuerverwaltung. Nur diese trifft verbindliche Entscheidungen über die Steuerpflicht. Grundsätzlich ist dementsprechend die vom Finanzamt gegenüber dem Unternehmer bindend getroffene Festsetzung der Umsatzsteuer im Verhältnis zwischen Unternehmer und Abnehmer ebenfalls als verbindlich anzusehen (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2019 - B 1 KR 5/19 R -, in juris, Rn. 21 m.w.N.).

    Die Beklagte hat die Umsatzsteuer in den streitgegenständlichen Abrechnungsfällen in Höhe von 19 % an das Finanzamt abgeführt. Der Senat sieht keine Veranlassung an den Angaben der Beklagten zu zweifeln, zumal sie von den Steuerberatern der Beklagten schriftlich bestätigt wurden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 09.12.2020 hat die Klägerin dies zudem unstreitig gestellt. Das Finanzamt hat auch entsprechende Umsatzsteuerbescheide gegenüber der Beklagten erlassen, die nach dem Vortrag der Beklagten jedenfalls für die Jahre 2010 und 2011 bereits bindend geworden sind. Auch insoweit besteht für den Senat keine Veranlassung an den Angaben der Beklagten zu zweifeln.

    Ob auf die ambulante Abgabe von Fertigarzneimitteln im Krankenhaus der Regelsteuersatz von 19 % oder nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG wegen eines etwaigen gemeinnützigen Zwecks der ermäßigte Steuersatz von 7 % anzuwenden ist, ist allerdings noch nicht geklärt. Die finanzgerichtliche Rechtsprechung hat sich bislang weder erstinstanzlich noch höchstrichterlich dazu geäußert (vgl. Lisson, das Krankenhaus 2020, Heft 3, S. 264, 266). Auch offizielle Verlautbarungen der Finanzverwaltung hierzu fehlen bislang (vgl. Lisson, a.a.O.). Auf die Anfrage der Finanzverwaltung Baden-Württemberg an das BMF liegt noch keine Stellungnahme vor. Soweit der BFH im Rahmen von Streitigkeiten über die Körperschaftssteuer die Abgabe von Zytostatika durch die Krankenhausapotheke an ambulant behandelte Patienten des Krankenhauses zur unmittelbaren Verabreichung im Krankenhaus (Urteil vom 31.07.2013 - I R 82/12 -, in juris; Urteil vom 06.06.2019 - V R 39/17 -, in juris) und die Abgabe von Medikamenten zur Blutgerinnung (sog. Faktorpräparate) an Hämophiliepatienten (Urteil vom 18.10.2017 - V R 46/16 -, in juris) dem Zweckbetrieb des Krankenhauses im Sinne von § 67 AO zugeordnet hat, das mit Wirkung zum 14.01.2015 zu einer entsprechenden Erlasslage geführt hat (vgl. Schreiben des BMF vom 14.01.2015 zur Änderung des Anwendungserlasses zu § 67 Abgabenordnung, BStBl. 2015 I S. 76), wonach Einnahmen und Ausgaben, die im Zusammenhang mit der Abgabe von Medikamenten durch Krankenhausärzte an ambulant behandelte Patienten des Krankenhauses zur unmittelbaren Verabreichung im Krankenhaus stehen, zum Zweckbetrieb des Krankenhauses gehören (geändert allerdings mit Schreiben des BMF vom 31.01.2019, BStBl. 2019 I S. 71, wonach nunmehr zum Zweckbetrieb "typischerweise von einem Krankenhaus gegenüber seinen Patienten erbrachte Leistungen, soweit das Krankenhaus zur Sicherstellung seines Versorgungsauftrags von Gesetzes wegen zu diesen Leistungen befugt ist und der Sozialversicherungsträger die insoweit entstehenden Kosten trägt" gehören), kann daraus nicht ohne Weiteres auf die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Fertigarzneimittel geschlossen werden. Jedenfalls aber hat die Finanzverwaltung keine Rückwirkung dieser seit 2015 neuen Erlasslage verfügt. Anders als im Schreiben des BMF vom 28.09.2016 zu den Zytostatika ist keine Anwendung auf "alle offenen Fälle" verfügt. Voraussetzung eines Rückzahlungsanspruchs hinsichtlich der Differenz von 12 % wäre aber nicht nur, dass die Steuerverwaltung die Anwendbarkeit des Regelsteuersatzes klar verneint; hinzukommen müsste hinsichtlich der streitbefangenen Jahre (2010-2012), dass dies mit Wirkung für die Vergangenheit geschieht, so dass die Beklagte ohne Prozess etwaige Rückzahlungsansprüche einfach und risikolos durchsetzen könnte (so zu den patientenindividuell hergestellten Medikamenten wegen rückwirkend geänderter Erlasslage BSG, Urteil vom 09.04.2019 - B 1 KR 5/19 R -, in juris, Rn. 25). Ein Rückzahlungsanspruch würde somit erst mit Beginn der für die Beklagte ungefährdeten Durchsetzungsmöglichkeit eines Erstattungsanspruchs gegenüber dem Finanzamt entstehen, dem Tag der Veröffentlichung einer entsprechenden Verwaltungsvorschrift (so zu den patientenindividuell hergestellten Medikamenten wegen rückwirkend geänderter Erlasslage BSG, Urteil vom 09.04.2019 - B 1 KR 5/19 R -, in juris, Rn. 26). Da eine solche Verwaltungsvorschrift mit Wirkung für die Vergangenheit nicht existiert, besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der Differenz von 12 % gegenüber der Beklagten.

    bb) Zur Begründung eines Rückzahlungsanspruchs kann sich die Klägerin auch nicht auf einen Schadensersatzanspruch nach § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB berufen, weil der Beklagten bei der oben dargelegten Erlasslage keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Zudem würde ein Schadensersatzanspruch wiederum erst mit rückwirkender Änderung der Rechtsauffassung der Steuerverwaltung entstehen (BSG, Urteil vom 09.04.2019 - B 1 KR 5/19 R -, in juris, Rn. 34).

    cc) Auch die Hilfsanträge führen nicht zum Erfolg. Die Klägerin hat weder einen Anspruch darauf, dass die Beklagte einen Erstattungsanspruch gegenüber dem zuständigen Finanzamt geltend macht und die erhaltenen Beträge an die Klägerin auskehrt, noch einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr einen Erstattungsanspruch gegen die Finanzverwaltung abtritt. Beide Anträge scheitern bereits daran, dass ein Erstattungsanspruch gegenüber der Finanzverwaltung (derzeit) nicht besteht. Zudem besteht seitens des Unternehmers - hier der Beklagten - keine Prozessführungslast; der Beklagten kann ohne vertragliche Verpflichtung nicht angesonnen werden, einen fremdnützigen Rechtsstreit zu führen (BSG, Urteil vom 09.04.2019 - B 1 KR 5/19 R -, in juris, Rn. 21 m.w.N.).

    3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung.

    4. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

    5. Die Festsetzung des Streitwerts in Höhe von 6.715,98 € folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 3 sowie § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Die Zinsen wirken sich nicht streitwerterhöhend aus, da es sich insofern um Nebenforderungen handelt (§ 43 Abs. 1 GKG).

    RechtsgebieteSGB V, BGB, ApoG, UStGVorschriften§ 31 Abs. 1 SGB V, § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V, § 157 BGB, § 280 Abs. 1 BGB, § 14 Abs. 1 ApoG, § 4 Nr. 14 und Nr. 16 und Nr. 16b UStG