05.10.2022 · IWW-Abrufnummer 231604
Arbeitsgericht Köln: Urteil vom 21.07.2022 – 8 Ca 1779/22
1. Aus § 20a Abs. 1 IfSG ergibt sich auch ohne behördliche Entscheidung des Gesundheitsamts ein unmittelbares gesetzliches Tätigkeitsverbot für nicht immunisierte Pflegekräfte.
2. Jedenfalls ist ein arbeitgeberseitiges Hygienekonzept, nach dem 15.03.2022 in Anbetracht der gesetzlichen Wertung des § 20a IfSG keine nicht immunisierten Mitarbeiter mehr in einer Pflegeeinrichtung zu beschäftigen, im Rahmen der Interessenabwägung nicht zu beanstanden.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 5.184.- Euro.
4. Die Berufung wird auch gesondert zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Parteien streiten im wesentlichen über Vergütungsansprüche und tatsächliche Beschäftigung in ihrem bestehenden Arbeitsverhältnis nach Einführung der „einrichtungsbezogenen Impfpflicht“ in § 20a IfSG seit März 2022.
Die Beklagte betreibt ‒ im Verbund der „……………….“ - bundesweit mehrere Senioreneinrichtungen, darunter eine gemäß § 72 SGB XI zugelassene Pflege- und Senioreneinrichtung in …………….
In dieser ist der am ……………. geborene Kläger seit dem 01.02.2010 als Alltagsbegleiter und Betreuungskraft Sozialer Dienst beschäftigt. Er erzielt hierfür ein vom Pflegemindestlohn abhängiges Einkommen, das bis Ende März 2022 Euro 2.017,12 brutto pro Monat betrug und aufgrund der Erhöhung des Pflegemindestlohns zum 01.04.2022 seitdem 2.092.- Euro brutto pro Monat beträgt.
Nach Verabschiedung der gesetzlichen Neuregelung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht (§ 20a Infektionsschutzgesetz) schrieb die Beklagte ihre Mitarbeiter ‒ darunter auch den Kläger ‒ mit Schreiben vom 16.12.2021 (Anlage B1, Bl. 59 d. A.) an und forderte Ihre Mitarbeiter hierbei auf, sich gegen das SARS-CoV2-Virus impfen zu lassen, um künftig nicht auf sie verzichten zu müssen. Sie kündigte hierbei an, ungeimpfte Mitarbeiter nach dem 15.03.2022 nicht mehr zu beschäftigen.
Der Kläger ist nicht gegen das SARS-Cov2-Virus geimpft und hat infolgedessen der Beklagten bis zum 14.03.2022 auch keine Bescheinigung über eine erfolgte Impfung vorgelegt. Auf eine medizinisch begründete Kontraindikation gegen eine Impfung beruft sich der Kläger nicht.
Daraufhin erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 14.03.2022 (Anlage K1, Bl. 6 d. A.) die unbezahlte Freistellung des Klägers ab dem 16.03.2022 aufgrund der Nichtvorlage eines Impfnachweises.
Entsprechend verfuhr die Beklagte bzw. die …………… mit sämtlichen Mitarbeitern, die zu diesem Zeitpunkt keinen Impf- oder Genesenennachweis vorgelegt hatten, diese wurden sämtlich freigestellt.
Der Kläger war zum Zeitpunkt der Freistellung am 14.03.2022 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte bis 27.03.2022 an. Die Arbeitsunfähigkeit beruhte jedenfalls auch auf einer Erkrankung am SARS-Cov2-Virus. Ab dem 30.03.2022 war der Kläger wieder arbeitsfähig und bot der Beklagten seine Arbeitsleistung an. Die Beklagte lehnte das Arbeitsangebot in Anbetracht der erklärten Freistellung ab.
Für März 2022 rechnete die Beklagte einen Betrag in Höhe von 976,03 Euro brutto ab und brachte hieraus einen Nettobetrag in Höhe von 818,56 Euro an den Kläger zur Auszahlung.
Der Kläger legte aufgrund seiner Corona-Erkrankung aus März 2022 beim Gesundheitsamt des …………….. ein Genesenenzertifikat vor.
Daraufhin teilte das Gesundheitsamt des ……………… der Beklagten mit Schreiben vom 12.04.2022 (Bl. 64.C d. A.) mit:
„Ihr Mitarbeiter ……….. ist im Rahmen der Anforderung eines Nachweises der vollständigen Immunisierung gegen das Coronavirus im Sinne des § 22a Absatz 1 oder Absatz 2 IfSG bzw. eines ärztlichen Zeugnisses über das Bestehen einer medizinischen Kontraindikation seiner Vorlagepflicht nachgekommen
Der Vorgang hat vorerst seine Erledigung gefunden.
Das Genesenenzertifikat von ……….. läuft am 14.06.2022 ab.
Ich möchte Sie vorsorglich daran erinnern, dass ……… verpflichtet ist, innerhalb eines Monats nach Ablauf der Gültigkeit einen neuen Nachweis bei Ihnen vorzulegen, sofern die Freistellung wieder aufgehoben wird.“
In der Folgezeit wurde der Kläger wiederum für die Beklagte tätig und seit dem Zeitraum der tatsächlichen Beschäftigung auch durch die Beklagte vergütet, d. h. insofern für den Monat April 2022 anteilig.
Seit dem 15.06.2022 ist der Kläger wiederum aufgrund des Ablaufs des Genesenenzertifikats durch die Beklagte unbezahlt freigestellt.
Die Abrechnung für April 2022 (Bl. 73 d. A.) enthielt den Vermerk: „Umgeimpft gemäß gemeldeter Immunisierung durch Vorgesetzten“.
Einen entsprechenden Hinweis enthielt die Abrechnung für Mai 2022, in dem der Kläger vollständig gearbeitet hat und die Vergütung an den Kläger vollständig ausgezahlt wurde, nicht. Demgegenüber enthält die Abrechnung für Juni 2022, in dem die Vergütung an den Kläger wiederum aufgrund der fehlenden Immunisierung nur gekürzt ausgezahlt wurde, nicht.
Der Kläger hat am 08.04.2022 die vorliegende Klage erhoben. Mit dieser macht er tatsächliche Beschäftigung und einen Vergütungsrückstand in Höhe von 1.000.- Euro brutto für März 2022 geltend. Soweit der Kläger mit der ursprünglichen Klage darüber hinausgehend auch noch die Erteilung eines Zwischenzeugnisses begehrt hat, haben die Parteien insofern im Kammertermin einen Teilvergleich geschlossen, wonach die Beklagte dem Kläger das begehrte Zwischenzeugnis erteilt. Mit Klageerweiterung vom 08.06.2022 (Bl. 70 d. A.) hat der Kläger seine Klage um einen Unterlassungsantrag im Hinblick auf den Hinweis auf den Impfstatus auf der Verdienstabrechnung erweitert.
Der Kläger hält die arbeitgeberseitige unbezahlte Freistellung für rechtswidrig. Er legt die gesetzliche Neuregelung des § 20a Infektionsschutzgesetz dahingehend aus, dass lediglich das Gesundheitsamt zum Ausspruch eines Tätigkeits- und Betretungsverbotes berechtigt sei. Er legt das Gesetz dahingehend aus, dass aus der seiner Ansicht nach unterschiedlichen Regelung für Bestands-Arbeitsverhältnisse in § 20a Abs. 2 IfSG und für neubegründete Arbeitsverhältnisse in § 20a Abs. 3 IfSG folge, dass bei Bestands-Arbeitsverhältnissen der Arbeitgeber verpflichtet sei, zunächst die Entscheidung des Gesundheitsamtes abzuwarten und er den ungeimpften Arbeitnehmer bis dahin weiterbeschäftigen müsse. Eine vorzeitige Freistellung durch den Arbeitgeber sei durch die Gesetzessystematik ausgeschlossen.
Aufgrund der nach Ansicht des Klägers rechtswidrigen Freistellung sei die Beklagte zur Zahlung der vollständigen März-Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges verpflichtet. Jedenfalls bestehe für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit ein Vergütungsanspruch unter dem Gesichtspunkt der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Der Kläger hält darüber hinaus den Vermerk des Impfstatus auf der Verdienstabrechnung für datenschutzrechtlich rechtswidrig. Es handele sich insofern um sensible Gesundheitsdaten, die vertraulich zu behandeln seien, und im übrigen um eine unzulässige Stigmatisierung „ungeimpfter“ Mitarbeiter.
Der Kläger beantragt zuletzt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die noch offene März-Vergütung in Höhe von 1.000,00 € brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über den Basiszinssatz aus dem Nettobetrag seit dem 01.04.2022 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Pflegekraft in ihrer Einrichtung in ………. zu den arbeitsvertraglichen Bedingungen zu beschäftigen,
3. die Beklagte hat es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren zu unterlassen, den Impfstatus des Klägers mit der Bemerkung „ungeimpft gemäß gemeldeter Immunisierung durch Vorgesetzte" auf Verdienstbescheinigungen des Klägers zu vermerken.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Freistellungsanordnung für rechtmäßig. Sie entnimmt der gesetzlichen Regelung in § 20a Abs. 1 Infektionsschutzgesetz ein zwingendes gesetzliches Tätigkeitsverbot, wonach in einer Senioreneinrichtung nach dem 15.03.2022 ohne Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises niemand mehr tätig werden dürfe. Zum Schutze der besonders vulnerablen Personengruppen in einem Seniorenzentrum hält sie es auch zum Zwecke des Gesundheitsschutzes für geboten, keine Mitarbeiter ohne Impf- oder Genesenennachweis mehr tätig werden zu lassen. Sie verweist insofern auf ihr diesbezügliches Hygienekonzept.
Da der Kläger aufgrund des fehlenden Immunisierungsnachweises in einer Senioreneinrichtung der Beklagten nicht einsatzfähig gewesen sei, fehle es an der zur Begründung eines Annahmeverzugs erforderlichen Leistungsfähigkeit des Klägers. Aufgrund des Grundsatzes der Monokausalität bestehe insofern auch kein Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall. Der Kläger dürfe aufgrund der Erkrankung nicht besser gestellt werden als ohne Erkrankung.
Die Aufnahme des Impfstatus auf der Verdienstabrechnung sei zu Abrechnungszwecken erforderlich. Eine „Stigmatisierung“ sei damit nicht beabsichtigt. Dies zeige sich auch daran, dass in der Abrechnung für Mai, für die der Impfstatus des Klägers keine Relevanz gehabt hätte, auch kein Hinweis auf den Impfstatus des Klägers enthalten war.
Den Antrag der Klageerweiterung hält die Beklagte im übrigen bereits für unzulässig.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und deren Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage war unbegründet.
I.
Der zulässige Beschäftigungsantrag war unbegründet.
1.)
Der Antrag auf tatsächliche Beschäftigung war zulässig.
Als Ausfluss des verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz) kann ein Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis regelmäßig neben der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung auch tatsächliche Beschäftigung verlangen (grundlegend: Großer Senat des BAG, Beschluss vom 27.02.198, GS 1/84).
Insofern sind auf tatsächliche Beschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis gerichtete Klagen grundsätzlich zulässig.
2.)
Der Antrag auf tatsächliche Beschäftigung war jedoch unbegründet.
Dies ergibt sich zum einen aus dem seit dem 16.03.2022 für den Kläger aus § 20a Abs. 1 IfSG bestehenden gesetzlichen Tätigkeitsverbot als auch darüber hinausgehend aus dem Ergebnis der hilfsweise vorzunehmenden Interessenabwägung hinsichtlich der arbeitgeberseitigen Freistellungsentscheidung.
Zwar hat ein Arbeitnehmer im bestehenden, ungekündigten Arbeitsverhältnis regelmäßig Anspruch auf tatsächliche vertragsgemäße Beschäftigung. Dieser Anspruch besteht jedoch ausnahmsweise nicht, wenn hinsichtlich der geschuldeten Tätigkeit ein gesetzliches Verbot besteht oder wenn sich ein Arbeitgeber bei der vorzunehmenden Interessenabwägung auf ein überwiegendes Interesse an einer Nichtbeschäftigung berufen kann.
Beide Ausnahmekonstellationen waren vorliegend gegeben. Für den streitgegenständlichen Zeitraum bestand ein gesetzliches Verbot aus § 20a Abs. 1 IfSG hinsichtlich der geschuldeten Tätigkeit, darüber hinausgehend überwog auch jedenfalls das Nichtbeschäftigungsinteresse der Beklagten in Anbetracht der gesetzlichen Wertung des § 20a IfSG.
Insofern kam es letztlich gar nicht mehr allein entscheidungserheblich auf die zwischen den Parteien streitige Auslegung der gesetzlichen Neuregelung des § 20a IfSG an, ob sich hieraus ein zwingendes gesetzliches Tätigkeitsverbot für nicht immunisierte Pflegekräfte seit dem 15.03.2022 ergibt. Selbst wenn man mit dem Kläger § 20a IfSG dahingehend auslegt, dass sich hieraus noch kein zwingendes sofortiges Tätigkeitsverbot kraft Gesetzes ergibt, steht § 20a IfSG jedenfalls nicht ‒ anders als der Kläger meint ‒ einer arbeitgeberseitigen Freistellung entgegen. Im Gegenteil ergibt sich jedenfalls aus der gesetzlichen Wertung des § 20a IfSG, dass sich der Arbeitgeber, der bereits unmittelbar nach dem 15.03.2022 keine Mitarbeiter mehr in einer Senioreneinrichtung tätig werden lässt, die keinen Immunitätsnachweis vorgelegt haben, hierfür regelmäßig auf ein gegenüber dem Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegende Gründe für eine Nichtbeschäftigung berufen kann.
Im einzelnen:
a)
Nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) müssen u. a. Personen, die in Krankenhäusern sowie stationären Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen tätig sind, ab dem 15.03.2022 über einen Impf- oder Genesenennachweis nach § 22a Absatz 1 oder Absatz 2 IfSG verfügen. Nach § 20a Abs. 1 Satz 2 IfSG gilt die Verpflichtung aus Satz 1 lediglich nicht „für Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV2 geimpft werden können“.
Die nachfolgenden Absätze des § 20a IfSG regeln insofern ein Verfahren zur Vorlage des Nachweises.
Nach § 20a Abs. 2 IfSG haben Personen, die in den genannten Einrichtungen tätig sind, bis Ablauf des 15.03.2022 der Einrichtungsleitung einen Impf- oder Genesenennachweis bzw. ein ärztliches Zeugnis einer medizinischen Kontraindikation vorzulegen. Bei fehlendem Nachweis oder Zweifeln an der inhaltlichen Richtigkeit hat die Einrichtungsleitung unverzüglich das Gesundheitsamt zu benachrichtigen (§ 20a Abs. 2 Satz 2 IfSG).
Nach § 20a Abs. 3 Satz 1 IfSG haben Personen, die in den genannten Einrichtungen „ab dem 16.03.2022 tätig werden sollen“, „vor Beginn ihrer Tätigkeit“ einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. § 20a Abs. 3 Satz 2 IfSG bestimmt, dass bei Zweifeln an der inhaltlichen Richtigkeit die Einrichtungsleitung das Gesundheitsamt zu benachrichtigen hat. Alsdann bestimmt § 20a Abs. 3 Satz 4 IfSG ausdrücklich: „Eine Person nach Satz 1, die keinen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorlegt, darf nicht in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen beschäftigt tätig werden“. Alsdann sieht § 20a Abs. 3 Satz 5 vor, dass die zuständige Behörde Ausnahmen zulassen kann.
§ 20a Abs. 5 IfSG regelt alsdann das Verfahren vor den Gesundheitsämtern. Satz 1 verpflichtet die in Abs. 1 Satz 1 genannten Personen zur Vorlage des Nachweises gegenüber dem Gesundheitsamt. Satz 2 berechtigt das Gesundheitsamt zur Vorlage einer ärztlichen Untersuchung, u. a. zur Frage der medizinischen Kontraindikation.§ 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG bestimmt alsdann: „Das Gesundheitsamt kann einer Person, die trotz Anforderung nach Satz 1 keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt oder der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nach Satz 2 nicht Folge leistet, untersagen, dass sie die dem Betrieb einer in Abs. 1 Satz 1 genannten Einrichtung (…) betritt oder in einer solchen Einrichtung oder einem solchen Unternehmen tätig wird“. Ein Verstoß gegen ein ausgesprochenes Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbot nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG ist bußgeldbewährt.
b)
Die arbeitsrechtlichen Auswirkungen der gesetzlichen Neuregelung zu § 20a IfSG sind in den ersten hierzu veröffentlichten Stellungnahmen im Schrifttum sowie der ersten hierzu veröffentlichten Rechtsprechung umstritten.
Teilweise wird ‒ entsprechend der Rechtsauffassung des hiesigen Klägers ‒ vertreten, dass sich aus § 20a Abs. 3 IfSG nur für ab dem 16.03.2022 neu eingestellte Mitarbeiter ein unmittelbares gesetzliches Tätigkeitsverbot ergebe und für die bereits vor diesem Zeitpunkt eingestellten unimmunisierten Mitarbeiter der Arbeitgeber den Ausspruch eines behördlichen Tätigkeits- und Betretungsverbots nach § 20a Abs. 5 IfSG abzuwarten habe (z. B. Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 18.05.2022, 2 Ca 2082/21; Chama/Noll, MDR 2022, S. 406 ff.; Yannik Beden, NZA 2022, S. 611 ff.).
Andererseits wird teilweise ‒ insbesondere unter Bezugnahme auf den Wortlaut des§ 20a Abs. 1 IfSG - ein unmittelbares gesetzliches Tätigkeitsverbot für nicht immunisierte Pflegekräfte auch hinsichtlich bereits vor dem 16.03.2022 beschäftigter Arbeitnehmer ab diesem Zeitpunkt angenommen (so u. a. das Sächsische Landesarbeitsgericht im beklagtenseitig zitierten Urteil vom 10.05.2022, 3 SaGa 3/22; ebenso Oberthür, ArbRB 2022, S. 80 ff.; Weigert, NZA 2022, S. 166 ff.; Bonitz/Schleiff, NZA 2022, S. 237 f.).
c)
Zutreffend besteht nach der von der erkennenden Kammer vorgenommenen Auslegung der gesetzlichen Neuregelung des § 20a IfSG für den Kläger seit dem 16.03.2022 bereits unmittelbar aus § 20a Abs. 1 IfSG ein gesetzliches Tätigkeitsverbot für seine vertraglich geschuldete Tätigkeit bei der Beklagten.
aa)
Der Wortlaut des § 20a Abs. 1 IfSG ist insofern eindeutig (Personen, die in einer genannten Einrichtung „tätig sind“, „müssen“ über einen Nachweis verfügen; einzige gesetzlich vorgesehene Ausnahme ist nach § 20a Abs. 1 Satz 2 IfSG die medizinische Kontraindikation). Eine dem Wortlaut entgegenstehende Auslegung erscheint kaum möglich, jedenfalls in den Fällen, in denen sich ein Arbeitnehmer ‒ wie vorliegend ‒ unstreitig nicht auf eine medizinische Kontraindikation i. S. § 20a Abs. 1 Satz 2 IfSG beruft. Bei einer Problematik einer medizinischen Kontraindikation mag eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein. Hier dürfte es im Regelfall dem Arbeitgeber kaum möglich sein, medizinische ‒ ggf. komplexe ‒ Sachverhalte in eigener Zuständigkeit und Verantwortung aufzuklären. Nur das Gesundheitsamt und nicht der Arbeitgeber kann eine diesbezügliche medizinische Untersuchung anordnen. Bei einer derartigen Problematik einer medizinischen Kontraindikation macht es Sinn, zunächst das Ergebnis der durch das Gesundheitsamt vorzunehmenden medizinischen Prüfung abzuwarten.
In einem einfach gelagerten Sachverhalt, wie dem vorliegenden, in dem unzweifelhaft keine medizinische Kontraindikation gegen eine Impfung besteht und der Arbeitnehmer unzweifelhaft über keinen gültigen Immunisierungsnachweis verfügt, ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb ein Arbeitgeber entgegen dem Wortlaut des § 20a Abs. 1 IfSG verpflichtet sein sollte, die nicht immunisierte Pflegekraft dennoch weiterhin in einer Einrichtung zu beschäftigen, in der jedenfalls seit dem 16.03.2022 eine einrichtungsbezogene gesetzliche Impfpflicht besteht.
bb)
Zu einer derartigen anderweitigen Auslegung besteht weder aus der Entstehungsgeschichte noch aus der Systematik noch aus dem Zweck der gesetzlichen Regelung des § 20a IfSG Anlass.
In der Entstehungsgeschichte war stets von einer „einrichtungsbezogenen Impfpflicht ab dem 15.03.2022“ die Rede. Dieser ausdrücklich betonte Stichtag „15.03.2022“ hätte jedoch praktisch keine nennenswerte Relevanz, wenn man der gegenteiligen Rechtsansicht folgen würde. Denn müsste erst ein behördliches Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbot nach § 20a Abs. 5 IfSG abgewartet wäre, wäre gerade in Anbetracht der allgemeinkundigen erheblichen Belastung der Gesundheitsämter in der aktuellen Pandemiesituation der Erlass eines solchen regelmäßig nicht zeitnah zu erwarten. Eine praktisch relevante „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ würde sich mithin nicht bereits ab dem 15.03.2022, sondern regelmäßig erst Monate später ergeben.
In der beklagtenseitig zitierten Gesetzesbegründung (BT-Drs. 20/188, S. 40) wird auch ausdrücklich benannt, dass aus § 20a IfSG eine „gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung und damit eine rechtliche Pflicht aus dem Arbeitsrecht“ folgen soll.
Auch die systematische Auslegung der Vorschrift spricht nicht für ein anderweitiges Ergebnis. Dass zwischen zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Rechtsfolgen regelmäßig zu unterscheiden ist, entspricht einem anerkannten Verständnis der geltenden Rechtsordnung. Insofern erscheint naheliegend, die Regelung § 20a Abs. 5 IfSG dahingehend zu verstehen, dass es sich hierbei um eine öffentlich-rechtliche Norm handelt, welche das Verhältnis zwischen der Behörde (Gesundheitsamt) und dem Bürger (dem der einrichtungsbezogenen Impfpflicht unterfallenden Mitarbeiter) regelt. Dem behördlichen Ausspruch eines Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbots nach § 20aAbs. 5 Satz 4 IfSG kommen insofern öffentlich-rechtliche Konsequenzen zu. Das Betreten einer Einrichtung entgegen einem behördlichen Betretungsverbot ist ‒ erst ‒ ab Ausspruch des behördlichen Betretungsverbots bußgeldbewährt. Dass sich aus dem gesetzlich in Abs. 5 vorgesehenen öffentlich-rechtlichen Prüfungsprozess jedoch im Umkehrschluss eine „Sperrwirkung“ für ein früheres arbeitgeberseitiges Tätigkeits- bzw. Betretungsverbot ergeben soll, wäre systemwidrig.
Auch in anderen Bereichen ist ein Auseinanderfallen zwischen öffentlich-rechtlichen Konsequenzen und zivilrechtlichen / arbeitsrechtlichen Konsequenzen üblich. Wenn beispielsweise ein Speditionsunternehmer auf seinem Betriebshof einen bei ihm beschäftigten Fahrer sieht, der in einem erkennbar fahruntüchtigen Zustand das Führerhaus eines Lkw betritt und versucht loszufahren, ist der Speditionsunternehmer selbstverständlich zivilrechtlich und arbeitsrechtlich berechtigt, dies dem Fahrer zu untersagen, ohne dass ihn der Fahrer darauf verweisen könnte, dass zunächst der Ausspruch eines öffentlich-rechtlichen Fahrverbots auszusprechen sei.
Auch in der Systematik des § 20a IfSG ist kein Ansatzpunkt ersichtlich, warum ein Arbeitgeber verpflichtet sein sollte, einen nach § 20a Abs. 1 IfSG erkennbar rechtswidrigen Zustand noch für einen Übergangszeitraum hinnehmen zu müssen, bis eine behördliche Entscheidung getroffen wurde.
Insofern ergibt sich entgegen der Rechtsansicht des Klägers auch kein systematischer Ansatz aus einer Gegenüberstellung der Regelungen in Absatz 2 und Absatz 3 des§ 20a IfSG. Dass eine der ausdrücklichen Regelung in § 20a Abs. 3 Satz 4 IfSG entsprechende Regelung in Absatz 2 nicht enthalten ist, lässt nicht den Umkehrschluss zu, dass es für zum 15.03.2022 bereits beschäftigte Mitarbeiter kein gesetzliches Tätigkeitsverbot gebe. Das Gesetz mag zu diesem Punkt unklar formuliert sein. In Anbetracht des eindeutigen Wortlauts des § 20 Abs. 1 Satz 1 IfSG als allgemeiner Regelung, wonach ‒ generell ‒ Personen, die in Einrichtungen mit Kontakt zu vulnerablen Personengruppen, „tätig sind“, über einen Immunisierungsnachweis „verfügen müssen“, erscheint ohnehin bereits ein Verständnis auch des § 20a Abs. 3 Satz 1 IfSG dahingehend naheliegend, dass zu den Personen, die „ab dem 16.03.2022 tätig werden sollen“, nicht nur Neueinstellungen zählen, sondern auch bereits zuvor in einer entsprechenden Einrichtung beschäftigte Personen, die ebenso „ab dem 16.03.2022 tätig werden sollen“. Schließlich geht es bei der Regelung in § 20a IfSG um die Frage der tatsächlichen „Tätigkeit“ und nicht die Frage der rechtlichen Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Nur die tatsächliche Tätigkeit in Kontakt zu vulnerablen Personengruppen kann sich ggf. gesundheitlich nachteilig auf vulnerable Personen auswirken, aber nicht die rechtliche Begründung eines Arbeitsverhältnisses.
Auch aus der teleologischen (zweckbezogenen) Auslegung des § 20a IfSG ergibt sich nichts anderes. Ziel des Gesetzes war die Förderung von zeitnahen Impfungen und damit die zeitnahe Erhöhung der Impfquote im Bereich des Pflegepersonals, das mit vulnerablen Personen in Kontakt tritt, um so diese möglichst zeitnah besser zu schützen vor einer SARS-Cov2-Infektion (vgl. z. B. BT-Drs. 20/188, S. 4). Der gesetzliche Stichtag „15.03.2022“ ist insofern bewusst gewählt worden als das Datum, bis zu dem es nach Verabschiedung des Gesetzes den betroffenen bislang ungeimpften Personen unter Berücksichtigung der vorhandenen Impfkapazitäten zumutbar möglich sein würde, die gesetzlich geforderte Immunisierung zu verlangen. Wenn man nunmehr ‒ der klägerischen Rechtsauffassung folgend ‒ eine praktische Relevanz der einrichtungsbezogenen Impfpflicht erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt annehmen würde, nämlich dem vom Gesetzgeber gar nicht steuerbaren, sondern von der Belastungssituation der Gesundheitsämter abhängigen Zeitpunkt des behördlichen Erlasses eines Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbots nach § 20a Abs. 5 IfSG, könnte nicht mehr ernsthaft von einer „einrichtungsbezogenen Impfpflicht“ bereits ab dem „15.03.2022“ gesprochen werden. Der Zweck des Gesetzes würde verfehlt.
d)
Darüber hinausgehend ergäbe sich vorliegend selbst dann, wenn man der klägerseitig vertretenen abweichenden Auslegung des § 20a IfSG folgen würde, vorliegend kein Beschäftigungsanspruch des Klägers.
Denn dann wäre immer noch eine Interessenabwägung vorzunehmen zwischen dem Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers und dem Nichtbeschäftigungsinteresse des Arbeitgebers.
Auch wenn im bestehenden und ungekündigten Arbeitsverhältnis dem Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers regelmäßig hohes Gewicht zukommt, kann sich die Beklagte ‒ wenn man entsprechend der Rechtsansicht des Klägers kein unmittelbares gesetzliches Tätigkeitsverbot aus § 20a Abs. 1 IfSG annimmt ‒ hinsichtlich seines Nichtbeschäftigungsinteresses einer nicht immunisierten Pflegekraft ab dem 16.03.2022 jedenfalls auf die gesetzliche Wertung des § 20a IfSG berufen. Hieraus ergibt sich zweifelsfrei, dass nicht immunisierte Mitarbeiter, die sich auch nicht auf eine medizinische Kontraindikation berufen können, in Einrichtungen mit Kontakt zu vulnerablen Personen nach dem 15.03.2022 nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht mehr tätig werden sollen.
Die Beklagte hat dies jedenfalls vorliegend ihr eigenes „Hygienekonzept“ dahingehend umgesetzt, dass sie nicht nur individuell dem hiesigen Kläger, sondern sämtlichen nicht immunisierten Mitarbeitern im Unternehmensverbund eine Tätigkeit nach dem 15.03.2022 untersagt.
Eine derartige, auf der gesetzlichen Wertung des § 20a IfSG beruhende arbeitgeberseitige unternehmenseinheitliche Regelung ist jedenfalls nicht sachwidrig und konnte rechtmäßig getroffen werden.
Es steht einem Arbeitgeber grundsätzlich frei, im Rahmen der Pandemiebekämpfung auch über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende eigene Regelung zu treffen, soweit sich diese bei der vorzunehmenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligter als verhältnismäßig und interessengerecht erweisen (LAG München, Urteil vom 26.10.2021, 9 Sa 312/21, inzwischen bestätigt durch BAG, Urteil vom 01.06.2022, 5 AZR 28/22).
Hiervon ausgehend stellt sich vorliegend die unternehmenseinheitliche Regelung der Beklagten, in ihren - § 20a IfSG unterfallenden ‒ Einrichtungen ab dem 16.03.2022 nur noch immunisiertes Personal tätig werden zu lassen, als verhältnismäßig und interessengerecht dar. Denn sie entspricht gerade der Wertung des Gesetzgebers mit der gesetzlichen Neuregelung zu § 20a IfSG. Auch das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass die der gesetzlichen Bewertung des § 20a IfSG zugrunde liegenden Abwägungen des Gesetzgebers verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind (BVerfG, Beschluss vom 27.04.2022, 1 BvR 2649/21; zuvor bereits im Eilverfahren BVerfG, Beschluss vom 10.02.2022, 1 BvR 2649/21).
Auch die Interessen der in den Einrichtungen der Beklagten zu betreuenden vulnerablen Personengruppen sprechen unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes für ein Tätigkeitsverbot gegenüber nicht immunisiertem Personal, jedenfalls sofern hierdurch keine Personalengpässe hinsichtlich der Versorgung der Bewohner entstehen, was im vorliegenden Sachverhalt jedoch mangels diesbezüglichem Vortrag der Parteien hierzu jedoch offenbar nicht der Fall ist.
Entgegenstehende überwiegende Interessen des beschäftigungswilligen Arbeitnehmers bestehen nicht. Dieser hat es alleinig selbst in der Hand, durch Vornahme der gesetzlich und vorliegend auch arbeitgeberseitig geforderten Impfung selbst wiederum die erforderlichen Voraussetzungen für seine Beschäftigung zu schaffen.
II.
Auch der zulässige Zahlungsantrag zu 2) war unbegründet.
Der Kläger hat für den Zeitraum, für den er vorliegend Vergütungsansprüche geltend macht, keine Arbeitsleistung erbracht. Ein Vergütungsanspruch aus § 611a BGB für geleistete Arbeit scheidet mithin ersichtlich aus.
Auch ein Tatbestand, aufgrund dessen, die Beklagte vorliegend „Lohn ohne Arbeit“ schulden sollte, ist vorliegend nicht ersichtlich.
1.)
Soweit der Kläger vorliegend nicht mehr arbeitsunfähig war, liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch aus Annahmeverzug gemäß § 615 BGB nicht vor.
Annahmeverzug setzt u.a. Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit des Arbeitnehmers für die konkret arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit voraus. Hieran fehlt es vorliegend. Aufgrund der fehlenden Immunisierung war der Kläger vorliegend ‒ auch nach Beendigung der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ‒ nicht leistungsfähigi. S. des § 615 BGB für die geschuldete Tätigkeit.
Arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit des Klägers ist unzweifelhaft ausschließlich eine solche in einer Senioreneinrichtung. Diese konnte der Klägers aufgrund seines fehlenden Immunisierungsstatus nach vorstehenden Ausführungen aufgrund eines gesetzlichen Tätigkeitsverbots und jedenfalls aufgrund des nicht zu beanstandenden Konzepts der Beklagten, nach dem 15.03.2022 entsprechend der gesetzlichen Wertung des § 20a IfSG in ihren Einrichtungen keine ungeimpften Mitarbeiter mehr zu beschäftigen, nicht mehr verrichten.
Insofern schlägt sich die Berechtigung der Freistellung auch auf den Vergütungsanspruch durch. Es würde der Intention des Gesetzgebers vollkommen widersprechen, in der vorliegenden Konstellation einen Vergütungsanspruch zuzusprechen. Mit Schaffung des § 20a IfSG wollte der Gesetzgeber unzweifelhaft einen Anreiz setzen, sich impfen zu lassen. Wenn nun aber eine ungeimpfte Pflegekraft zwar einerseits die Arbeit in einer Pflege- bzw. Senioreneinrichtung nicht mehr verrichten kann, andererseits jedoch auch ohne Arbeitsleistung weiterhin das gleiche Entgelt erhalten würde, würde gerade der gegenteilige Anreiz gesetzt. Gerade der Umstand, nicht geimpft zu sein, würde dann einen auch ansonsten bei geleisteter Arbeit entsprechenden Vergütungsanspruch begründen. Damit wäre ein Anreiz gesetzt, sich gerade nicht impfen zu lassen, was die gesetzliche Wertung des § 20a IfSG vollkommen konterkarieren würde.
2.)
Auch für den Zeitraum, in dem der Kläger ‒ unstreitig ‒ nach dem 15.03.2022 noch arbeitsunfähig erkrankt war, besteht kein Vergütungsanspruch.
Zwar hat ein Arbeitnehmer, der arbeitsunfähig erkrankt ist, grundsätzlich für den Zeitraum bis zu sechs Wochen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gegen den Arbeitgeber aus § 3 EFZG.
Ein derartiger Anspruch setzt jedoch voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit die einzige Ursache des Arbeitsausfalls war (sogenannter „Grundsatz der Monokausalität“, ständige Rechtsprechung, z. B. BAG, Urteil vom 28.01.2004, 5 AZR 58/03). Nur der kausal auf die Arbeitsunfähigkeit zurückzuführende Lohnausfall ist nach dem im Entgeltfortzahlungsrecht geltenden Lohnausfallprinzip zu ersetzen.
Nach vorstehenden Ausführungen konnte der Kläger nach dem 15.03.2022 bereits keinen Vergütungsanspruch haben, weil er aufgrund seines fehlenden Impfstatus durch die Beklagte berechtigt unbezahlt freigestellt war.
Dass der Kläger zusätzlich zunächst auch noch arbeitsunfähig war, kann keinen Vergütungsanspruch begründen. Denn die Arbeitsunfähigkeit war gerade nicht die einzige Ursache des Lohnausfalls. Es fehlt an der erforderlichen Monokausalität. Der Kläger kann aufgrund des zusätzlichen Aspektes der Arbeitsunfähigkeit nicht besser gestellt werden als in der Situation ohne die Arbeitsunfähigkeit, in der er ebenfalls keine Vergütung erhalten hätte.
III.
Der Unterlassungsantrag zu 3) aus der Klageerweiterung war zulässig, aber unbegründet.
1.)
Der Unterlassungsantrag war entgegen der Rechtsansicht der Beklagten zulässig.
Soweit die Beklagte den Antrag für unzulässig hält und hierbei darauf verweist, dass der Festsetzung eines Ordnungsgeldes eine vorherige Androhung des Ordnungsgeldes vorzugehen habe, übersieht die Beklagte, dass die die Klägerseite mit der gewünschten Titulierung im Erkenntnisverfahren gerade diese Androhung erreichen möchte und eben noch nicht die ‒ zutreffend erst einem etwaigen späteren Zwangsvollstreckungsverfahren vorbehaltene ‒ Festsetzung eines Ordnungsgeldes bzw. sonstiger Ordnungs- bzw. Zwangsmittel.
2.)
Der Unterlassungsantrag ist jedoch unbegründet.
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Unterlassungsanspruch dahingehend, dass die Beklagte generell und ausnahmslos verpflichtet wäre, einen Vermerk des Impfstatus des Klägers auf einer Verdienstabrechnung zu unterlassen.
Jedenfalls dann, wenn der Impfstatus des Klägers abrechnungsrelevant ist, ist die Beklagte auch berechtigt, diesen Impfstatus auf einer Verdienstabrechnung betreffend den Kläger zu vermerken. Entgegenstehende überwiegende schützenswerte Interesse des Klägers können nicht festgestellt werden.
Nach § 26 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies u. a. für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Insofern bestimmt § 26 Abs. 3 BDSG, dass abweichend von Artikel 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 („EU-Datenschutzgrundverordnung“) die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses zulässig ist, wenn sie u. a. zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt.
Hiervon ausgehend kann dahinstehen, ob es sich in Anbetracht der ausdrücklichen gesetzlichen Wertung in § 20a IfSG, nach der im Bereich besonders gefährdeter Einrichtungen wie Senioreneinrichtungen tätige Personen zur Offenlegung ihres Impfstatus zwingend gesetzlich verpflichtet sind, bei dem „Impfstatus“ einer in diesem Bereich tätigen Person überhaupt noch um besonders sensible und besonders vertrauliche Gesundheitsdaten handelt.
Denn selbst wenn man mit dem Kläger davon ausgeht, dass es sich insofern beim Impfstatus um besonders schützenswerte Gesundheitsdaten handelt, liegen jedenfalls die erweiterten Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 BDSG vor. Die Beklagte kann sich insofern darauf berufen, dass die Datenverarbeitung zur Ausübung von Rechten als auch vorliegend sogar kummulativ zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis erforderlich ist; es besteht auch darüber hinausgehend kein Grund zur Annahme, dass ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an dem Ausschluss der Datenverarbeitung überwiegt.
a)
Die Beklagte durfte die Erwähnung des Impfstatus des Klägers jedenfalls auf den Verdienstabrechnungen für diejenigen Monate, in denen sich der Impfstatus auf den Vergütungsanspruch des Klägers auswirkt, als zur Ausübung von Rechten aus dem Arbeitsrecht erforderlich ansehen.
Denn nach vorstehenden Auswirkungen entfällt aufgrund der fehlenden Immunisierung des Klägers dessen Vergütungsanspruch für die Zeiten der Nichtbeschäftigung, in denen er keine Immunisierung nachweisen kann. Die Frage der Immunisierung ist mithin unmittelbar vergütungsrelevant. Vergütungsrelevante Aspekte dürfen auch auf einer Entgeltabrechnung aufgeführt werden.
Auch soweit die Entgeltabrechnung bei der Beklagten über einen externen Dienstleister durchgeführt wird, stellt es insofern für die Beklagte kein milderes zumutbares Mittel dar, den Impfstatus nicht auf der Verdienstbescheinigung, sondern lediglichz. B. in der Personalakte zu verzeichnen. Denn gerade wenn insofern eine Personentrennung besteht, zwischen Personalabteilung und Abrechnungsstelle, besteht für die Beklagte das Risiko einer versehentlichen Gehaltsüberzahlung, wenn die Abrechnungsstelle nicht über sämtliche für die Abrechnung relevanten Informationen verfügt.
Soweit die Klägerseite die Rechtsauffassung vertritt, aus dem Infektionsschutzgesetz ergebe sich lediglich ein Fragerecht hinsichtlich des Impfstatus, jedoch keine Befugnis zur Datenverarbeitung, erscheint dies fernliegend. Aus dem Fragerecht ‒ und vorliegend sogar der gesetzlichen Fragepflicht ‒ hinsichtlich des Impfstatus folgt denklogisch auch eine Befugnis, das Ergebnis dieser Frage aufzuzeichnen und insofern Daten zu verarbeiten. Gerade bei größeren Unternehmen wie dem Unternehmensverbund der Beklagten, in dem nach den Erörterungen im Kammertermin über 20.000 Arbeitnehmer in Senioreneinrichtungen beschäftigt werden, ist es dem einzelnen Mitarbeiter der Personalabteilung kaum zuzumuten, dass Ergebnis der jeweiligen Fragen nach dem Impfstatus „auswendig im Kopf zu merken“, ohne diesbezüglich Aufzeichnungen zu machen, von etwaigen Vertretungsfällen aufgrund Ausfalls des konkret fragenden Mitarbeiters der Personalabteilung ganz abgesehen. Der Ansatz, es bestünde zwar eine gesetzliche Fragepflicht, aber keine rechtliche Möglichkeit, das Ergebnis der Frage aufzuzeichnen, ist mithin ersichtlich unzutreffend.
b)
Es besteht auch kein Grund zur Annahme, dass ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an dem Ausschluss der Datenverarbeitung überwiegt.
Insofern ist zunächst festzuhalten, dass aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Wertung des § 20a IfSG es sich für einen in einer Senioreneinrichtung beschäftigten Mitarbeiter bei seinem Impfstatus gerade nicht um einen besonders vertraulichen, sondern im Gegenteil um einen offenbarungspflichtigen Umstand handelt.
Besonders schützenswerte Interessen des Klägers an einer Geheimhaltung sind bei der Interessenabwägung nicht ersichtlich. Es handelt sich bei einem Impfstatus auch im Kern nicht um einen gesundheitlichen Aspekt. Es ist nicht einerseits „krank“, wer ungeimpft ist und andererseits „gesund“, wer geimpft ist, sondern die Impfung dient lediglich der Vorbeugung vor einer etwaigen späteren eigenen Erkrankung bzw. einer in diesem Zusammenhang möglichen Ansteckung weiterer Personen. Erst wenn es später ‒ trotz oder infolge fehlender Impfung ‒ zum Ausbruch einer Erkrankung kommt, handelt es sich hierbei um einen gesundheitlichen Aspekt, der ggf. einer verstärkten Vertraulichkeit bedarf.
Hinzu kommt, dass eine Verdienstabrechnung grds. kein besonders „öffentlichkeitswirksames“ Kommunikationsmittel ist, sondern der Kreis derjenigen, die Kenntnis von einer solchen Verdienstabrechnung erhalten, im Regelfall auf Arbeitgeber (unter Einschluss der Abrechnungsstelle) und Arbeitnehmer begrenzt bleibt, sofern nicht der Arbeitnehmer von sich aus Dritten die Abrechnung vorlegt. Eine Verdienstabrechnung ist keine „Litfaß-Säule“ o. ä. Wenn der Arbeitgeber „öffentlichkeitswirksamere“ Mittel zur Bekanntgabe des Impfstatus gewählt hätte, etwa einem Aushang am „Schwarzen Brett“ hinsichtlich der Namen der ungeimpften Mitarbeiter, wäre insofern sicherlich die Frage der Erforderlichkeit einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Die bloße Aufnahme des Impfstatus auf einer Verdienstabrechnung ‒ vorliegend auch lediglich auf den Abrechnungen für April und Juni, für die der Impfstatus abrechnungsrelevant war und gerade nicht auf der Abrechnung für Mai, für die der Impfstatus des Klägers aus Sicht der Beklagten nicht relevant war ‒ überschreitet die Schwelle des Erforderlichen i. S. des § 26 BDSG noch nicht. Die klägerseitig behauptete Gefahr einer „Stigmatisierung“ kann durch das Gericht nicht gesehen werden.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Hiernach hatte der Kläger als unterlegene Partei des Rechtsstreits die Kosten zu tragen.
Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Streitwert wurde auf den bezifferten Wert des Zahlungsantrags sowie darüber hinausgehend jeweils ein Bruttomonatsgehalt für den Beschäftigungsantrag und für den Unterlassungsantrag festgesetzt.
Die ‒ aufgrund der Beschwerdesumme ohnehin zulässige - Berufung wurde gemäߧ 64 Abs. 3 Ziffer 1 ArbGG i. V. m. § 64 Abs. 3 a ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung auch gesondert zugelassen.