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  • 24.07.2023 · IWW-Abrufnummer 236418

    Landessozialgericht Hamburg: Urteil vom 23.03.2023 – L 1 BA 11/22

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landessozialgericht Hamburg

    Urteil vom 23.03.2023


    Tenor:

    1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Mai 2022 sowie der Bescheid der Beklagten vom 9. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 2016 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Beigeladene zu 1 aufgrund ihrer Tätigkeit für den Kläger im Bereich hauswirtschaftliche Versorgung/Kinderbetreuung in den Zeiträumen vom 28. Juli bis zum 7. August 2015, vom 17. bis zum 28. August 2015 sowie vom 31. August bis zum 30. September 2015 nicht aufgrund abhängiger Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
    2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten jeweils selbst tragen.
    3. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand
     
    Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV), ob die Beigeladene zu 1 aufgrund ihrer Tätigkeit für den Kläger im Bereich hauswirtschaftliche Versorgung/Kinderbetreuung in den Zeiträumen vom 28. Juli bis zum 7. August 2015, vom 17. bis zum 28. August 2015 sowie vom 31. August bis zum 30. September 2015 aufgrund abhängiger Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

    1
     
    Der Kläger ist ein eingetragener, als gemeinnützig anerkannter Verein, der u.a. im Auftrag von Krankenkassen „Notmütter“, d.h. hauswirtschaftliche Familienbetreuerinnen und-betreuer vermittelt. Dabei treten die zu Betreuenden oder für diese tätige Organisationen bzw. Behörden wie z.B. Jugendämter oder auch Krankenhäuser mit einem Betreuungswunsch an den Kläger heran. Während die zu Betreuenden mit dem Leistungsträger die Frage der Kostenübernahme klären, stellt der Kläger die Anfrage bereits per E-Mail in einen Pool von ihm in einer Kartei geführter „Notmütter“, mit denen ein Rahmenvertrag besteht, die, falls sie an dem Auftrag interessiert sind ‒ eine Verpflichtung zur Annahme besteht nicht ‒, bereits im Vorfeld einer möglichen konkreten Beauftragung mit Kostenzusage entscheiden können, an die zu Betreuenden heranzutreten, um Kontakt aufzunehmen und Details des Auftrags zu klären und, soweit von beiden Seiten gewünscht, im Einzelfall auch schon vor der Kostenzusage des Kostenträgers Leistungen zu erbringen, dann allerdings auf das Kostenrisiko der „Notmutter“. Nach Klärung der Kostenfrage wird die Betreuungsperson, falls Einvernehmen mit der zu betreuenden Familie besteht, vom Kläger als „Selbstständige“ beauftragt. Die Durchführung des Auftrags erfolgt entsprechend den in der jeweils konkret abgeschlossenen Einsatzvereinbarung („Betreuungsauftrag“) beschriebenen Vorgaben. Der Stundensatz wird dabei vorab vereinbart, ist allerdings in der Regel einheitlich, wobei es im Einzelfall, bei besonderen Anforderungen, davon Abweichungen geben kann. Die Betreuungsperson stellt ihren Einsatz dem Kläger in Rechnung, dieser rechnet dann mit dem Leistungsträger ab.

    2
     
    Die Beigeladene zu 1, die unter dem Datum 28. Juli 2015 ein Gewerbe für die Tätigkeit „Haushaltswirtschaft“ angemeldet hatte, war auf die geschilderte Weise in den streitgegenständlichen Zeiträumen im Auftrag des Klägers in vier verschiedenen Haushalten im Bereich hauswirtschaftlicher Versorgung/Kinderbetreuung tätig (28. Juli bis 7. August 2015: S., 17. bis 28. August 2015: H., 31. August bis 30. September 2015: R., 1. bis 29. September 2015: W.), rechnete jeweils stundenweise bei einem Satz von 12,50 Euro ab und erhielt dafür von dem Kläger insgesamt 2956,25 Euro (S.: 562,50 Euro, H.: 1000,00 Euro, R.: 625,00 Euro, W.: 768,75).

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    Grundlage hierfür war ein zwischen ihr und dem Kläger unter dem 23./27. Juli 2015 geschlossener „Rahmenvertrag über freiberufliche/selbständige Betreuungstätigkeiten“. In diesem hieß es u.a.:

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    „§ 1 Grundlagen

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    Der Auftraggeber führt satzungsgemäß eine Datei freiberuflicher/selbstständiger Notmütter und Betreuungspersonen, hier: BP. Die Betreuungsperson ist mit ihrer Aufnahme in diese Datei einverstanden.

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    Im Bedarfsfall schlägt der Auftraggeber der Betreuungsperson einen Einsatz bei einer hilfsbedürftigen Person oder Familie zur Überbrückung einer Notlage oder zur Entlastung der pflegenden Angehörigen vor. Im Falle der Annahme erfolgt der Einsatz auf der Grundlage einer gesonderten schriftlich abzuschließenden Einsatzvereinbarung (§ 3). Für die jeweilige Einsatzvereinbarung gelten die Bedingungen dieses Rahmenvertrages.

    7
     
    Die Parteien dieses Vertrages sind sich darüber einig, dass der Auftraggeber keinen Anspruch auf Übernahme von Einsätzen durch die Betreuungsperson hat; umgekehrt hat auch die Betreuungsperson keinen Anspruch auf die Übertragung von Einsätzen.

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    Die Betreuungsperson ist in ihrer beruflichen Tätigkeit auch im Übrigen frei. Sie kann ebenso für andere Auftraggeber auch im gleichen Tätigkeitsbereich in beliebigem Umfange tätig werden.

    9
     
    § 2 Tätigkeit

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    die Tätigkeit umfasst alle nach den Bedürfnissen des Klienten oder der hilfsbedürftigen Familie anfallenden Betreuungs- und Versorgungstätigkeiten. Dies kann im Einzelfall umfassen: Hauswirtschaftliche Versorgung (Wäschepflege, Essenszubereitung, Kleidung, Einkäufe usw.), die Grundpflege (allgemeine Körperpflege, Hilfe beim Aufstehen, Gehen, Begleitung zum WC usw.) und auch soziale Betreuung (Spaziergänge, Begleitung bei Arztbesuchen oder Behördengängen, Vorlesen usw.).

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    Es ist Aufgabe der Betreuungsperson, den genauen Betreuungsbedarf in Absprache mit dem Klienten seiner Familie im Einzelnen zu klären. Sie legt selbst die Arbeitszeiten, Arbeitseinteilung und sonstigen Abläufe fest und stimmt diese ‒ soweit möglich ‒ mit dem Klienten oder seiner Familie ab.

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    (…)

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    § 5 Kündbarkeit der Einsatzvereinbarung

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    Die Einsatzvereinbarung kann, da sie höchstpersönliche Dienstleistungen im Privatbereich betrifft, von beiden Seiten jederzeit, ohne Angabe von Gründen und ohne Einhaltung einer Frist, mit sofortiger Wirkung gekündigt werden. Die Kündigung bedarf der Schriftform.

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    Der Einsatz kann von beiden Seiten schon vor Zugang der Kündigung abgebrochen werden; hierzu bedarf es lediglich einer formlosen Mitteilung an den Vertragspartner, die auch mündlich oder fernmündlich erfolgen kann.

    16
     
    § 6 Fort- und Weiterbildung

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    Die Aufnahme der BP gemäß § 1 setzt aktuelle Fachkenntnisse in den jeweiligen Bereichen der angestrebten Tätigkeit voraus. Die BP weist auf Anforderung auch künftig ihren aktuellen Kenntnisstand durch Vorlage geeigneter Unterlagen (Fortbildungsbescheinigungen) oder in sonstiger Weise nach.

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    § 7 Vergütung

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    Die konkrete Vergütung wird in der Einsatzvereinbarung festgelegt. Im Falle einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung wird in der Regel eine Tagespauschale ab EUR 105,- vereinbart. (…) Hinzu treten freie Unterkunft und Verpflegung. Bei lediglich stundenweisen Tätigkeiten gilt in der Regel ein Stundensatz von ab EUR 12,-.

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    Es folgt kein zusätzlicher Spesenersatz; insbesondere werden keine Fahrtkosten erstattet.

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    Sämtliche Vergütungen werden als brutto = netto behandelt, da der Auftraggeber nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist. Sollte also eine BP aufgrund der Vorgaben des Finanzamtes Mehrwertsteuer in Rechnung stellen müssen, so sind die vereinbarten Sätze inclusive Mehrwertsteuer zu verstehen!

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    Die Entgegennahme weitergehender Vergütung oder von Geschenken seitens des Klienten oder seiner Familie ist untersagt.

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    Die Einsatzzeiten sind zu dokumentieren und vom Klienten abzeichnen zu lassen.

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    § 8 Abrechnung

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    Die Betreuungspersonen stellt unverzüglich im Anschluss an den Einsatz eine schriftliche Rechnung.

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    Die Einnahmen aus dieser freiberuflichen Betreuungstätigkeit unterliegen der Einkommensteuerpflicht. Der Auftraggeber meldet jährlich dem Finanzamt die geleisteten Honorar-Auszahlungen. Eine Kopie dieser Meldung geht der Betreuungsperson zu.

    27
     
    (…)

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    § 10 Wettbewerbsverbot

    29
     
    Der Betreuungsperson ist es untersagt, bis mindestens zwei Jahre nach Beendigung der Einsatzvereinbarung aufgrund eines gesetzlichen Wettbewerbsverbotes die von ihr betreuten Klienten privat selbst ‒ oder auch durch Verwandte/Bekannte ‒ anschließend weiter zu betreuen. Jede Zuwiderhandlung wird mit einer Vertragsstrafe belegt und strafrechtlich verfolgt.“

    30
     
    Den Einsätzen der Beigeladenen zu 1 in den Haushalten lagen jeweils Betreuungsaufträge des Klägers zugrunde, in denen der Name der jeweiligen Klientin, die Betreuungsart (Kinderbetreuung/hauswirtschaftliche Versorgung), das Datum des Betreuungsbeginns, der Stundenumfang unter Angabe der Wochentage, z.B. „Mo 4 Std. 10:00 - 14:00 Uhr, Mi 6 Std. 10:00 - 16:00 Uhr“ oder auch „Mo - Fr 8:30 - 16:30 Uhr, max. 8 Std. täglich“ sowie die Vergütung, nämlich 12,50 Euro/Stunde inklusive Mehrwertsteuer, angegeben waren. Das Betreuungsende war in einem Fall mit einem konkreten Datum benannt, in einem Fall mit dem Zusatz „oder längerfristig nach Absprache“, einmal wurde „Entlassung aus dem Krankenhaus“ angegeben, und einmal hieß es „b.a.w.“ (bis auf weiteres). Dem Betreuungsauftrag beigefügt war jeweils eine „Einsatzdokumentation“, die von der Beigeladenen zu 1 ausgefüllt und von der Klientin gegengezeichnet werden sollte (Formular mit Tabelle, in der das Datum, die „Stunden von - bis“ und die jeweilige Tätigkeit <hier stets „Kinderbetreuung/hauswirtschaftliche Versorgung“> einzutragen waren).

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    Die Klientinnen des Klägers erhielten von diesem eine Bestätigung des Betreuungsauftrags. Auch dort waren Betreuungsbeginn und ggf. Ende, Stundenumfang und zeitliche Lage pro Wochentag sowie der Name der Beigeladenen zu 1 als Betreuerin angegeben.

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    Den Betreuungsaufträgen lag jeweils eine Bewilligung von Haushaltshilfe durch die Krankenversicherung der jeweiligen Klientin zugrunde, die dem Kläger per „Ausfertigung für die Vertragsorganisation“ mitgeteilt wurde. In dieser Mitteilung wurde der Umfang des Einsatzes ‒ etwa Montag bis Freitag für 5 Stunden täglich ‒ genannt, ebenso die Rechnungsadresse, an die der Kläger die Rechnung mit Angabe der täglichen Einsatzdauer, Stundensatz und Summe je Tag bzw. Tagespauschale senden sollte. Diese Angaben, so hieß es in den Ausfertigungen, würden gebraucht, damit die Zuzahlung für die Versicherte ermittelt werden könne.

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    Am 30. November 2015 stellte die Beigeladene zu 1 bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Dabei gab sie unter Vorlage ihrer Rechnungen und des mit dem Kläger geschlossenen Rahmenvertrags u.a. an, keine eigenen Arbeitnehmer zu beschäftigen, nicht für mehrere Auftraggeber tätig zu sein und keine abhängige Beschäftigung auszuüben.

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    Als ausgeübte Tätigkeit gab sie hauswirtschaftliche Versorgung und Kinderbetreuung an, nämlich Reinigung der Haushalte, Kochen, Kinderbetreuung, Tiere betreuen. Die Tätigkeit werde vor Ort in den Familien ausgeübt. Dauer, Beginn und Ende der Arbeitszeit seien so geregelt, wie die Krankenkasse die Einsätze genehmigt habe. Als Arbeitsmittel bzw. -geräte benötige sie nur das Auto. Bei Abwesenheit/Verhinderung unterrichte sie die Klägerin. Ihr obliege nicht die freie Wahl einer Ersatzkraft. Bei Verhinderung übernehme eine andere Kollegin, die beim Kläger angestellt sei, die Arbeit. Sie arbeite nicht mit anderen Mitarbeitern zusammen, nehme nicht an Teambesprechungen/Supervisionen teil, sei nicht an telefonischen Bereitschaftsdiensten/Notdiensten beteiligt. Die Frage, ob sie als Mitarbeiterin des Auftraggebers auftrete, beantwortete die Beigeladene mit „ja“.

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    Nachdem die Beklagte mit Anhörungsschreiben vom 16. Februar 2016 dem Kläger mitgeteilt hatte, sie beabsichtige die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1 in der streitbefangenen Tätigkeit, erklärte er, seine Betreuerinnen seien grundsätzlich frei in der Wahl ihrer Einsätze. Der Rahmen, in dem sich die Leistungserbringung abspiele, werde vom Bedarf der Klienten des Klägers vorgegeben. Diesen ermittele der Kläger im Vorfeld und gebe die Daten dann an seinen Betreuerinnenpool. Die Betreuerinnen könnten frei wählen, ob ihnen ein Einsatz zusage oder nicht. Insofern seien Einsatzart, Art und Umfang der Tätigkeit von der Beigeladenen zu 1 frei gewählt worden. Sollte der Bedarf des Klienten sich im laufenden Einsatz ändern, werde dies zwischen Klient und Betreuerin abgesprochen. Der Zustimmung des Klägers bedürfe es nicht. Solange sich die Leistungserbringung im Rahmen der Kostenbewilligung des Kostenträgers abspiele, benötige der Kläger lediglich die Information über die Anpassung. Sollten sich die Bedarfe des Klienten bezüglich Ort, Art und Umfang der Leistungen ändern, stehe es der Betreuerin frei, den Einsatz zu beenden. Die Dokumentation der Leistungserbringung sei Forderung der Kostenträger und diene ausschließlich der Abrechnung mit diesen. Der Stundensatz werde durch die Entgeltregelungen des Klägers mit den Kostenträgern bestimmt. Dieser sei pauschal geregelt. Als gemeinnützige Organisation arbeite der Kläger nicht gewinnorientiert. Die Leistungserbringung sei personenunabhängig. Hätte die Beigeladene zu 1 beispielsweise eine ihrer Mitarbeiterinnen zur Leistungserbringung vorgeschlagen, so wäre dies eine denkbare Alternative zur Beigeladenen zu 1 gewesen.

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    Da eine soziale Dienstleistung erbracht würde, müsse üblicherweise kein Material o.Ä. eingesetzt werden. Hieraus lasse sich kein Kriterium gegen eine selbstständige Arbeit ableiten. Als unternehmerisches Risiko der Beigeladenen zu 1 sei aber zu erwähnen, dass die Vergabe von Einsätzen davon abhängig sei, ob überhaupt Nachfrage bestehe. Das Risiko mangelnder Nachfrage liege ausschließlich bei der Beigeladenen zu 1.

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    Mit Bescheid vom 9. März 2016 stellte die Beklagte gegenüber Kläger und Beigeladener zu 1 fest, die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 im Bereich hauswirtschaftliche Betreuung und Versorgung beim Kläger vom 28. Juli bis zum 30. September 2015 sei im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden. Im genannten Zeitraum habe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden. Sie bezog sich auf § 7 Abs. 1 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) und nannte als Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis:

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    „Der Einsatzort wurde vom Auftraggeber bestimmt.

    39
     
    Die Einsatzzeiten waren genau zu dokumentieren.

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    Sie erhielt einen festen, gewinnunabhängigen, pauschalen Stundensatz.

    41
     
    Die persönliche Leistungserbringung war die Regel.

    42
     
    Sie setzte kein eigenes Kapital ein, welches ein unternehmerisches Risiko erkennen lässt.“

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    Wesentliche Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit lägen nicht vor. Hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort als auch Art und Weise der Tätigkeit seien maßgebliche eigene Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne einer selbstständigen Tätigkeit nicht vorhanden gewesen. Es habe eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation und betrieblichen Abläufe beim Auftraggeber bzw. deren Kunden/Klienten vorgelegen. Die Beigeladene zu 1 habe durch die Zahlung einer erfolgsunabhängigen Stundenpauschale eine Vergütung erhalten, welche kein Gewinn- oder Verlustrisiko erkennen lasse. Es stelle kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit dar, wenn zwar die Annahme bestimmter Aufträge abgelehnt werden könne, bei Annahme jedoch eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolge. Auch Arbeitnehmer hätten vor Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis anzunehmen bzw. abzulehnen. Dass die Beigeladene zu 1 sich auch anderer Personen habe bedienen können, d. h. die formale Berechtigung, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen, schließe ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht aus, wenn die persönliche Leistungserbringung die Regel gewesen sei. Die Beigeladene zu 1 habe keine eigenen Mitarbeiter eingesetzt.

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    Mit seinem am 30. März 2016 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch gab der Kläger an, es habe kein Weisungsrecht bestanden. Die Durchführung der Arbeit in den Familien sei allein von der Auftragnehmerin organisiert worden. Insbesondere habe sie darüber entschieden, welche Tätigkeiten mit welchen Schwerpunkten in welcher Ausprägung sie dort erbracht habe. Sie habe alleine entschieden, ob sie geputzt, gekocht, Wäsche gewaschen oder aufgeräumt habe. Sollten im Einzelfall bestimmte Uhrzeiten vorgegeben worden sein, so seien dies ausschließlich Vorgaben der Klienten, die über die Kostenträger bereits an die Auftraggeberin kommuniziert worden seien. Es habe keine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Klägers stattgefunden. Die Auftragnehmerin habe nicht mit anderen Auftragnehmern oder Arbeitnehmern des Klägers zusammengearbeitet. Absprachen sei nicht erfolgt, die Auftragnehmerin sei auch keinen Vorgesetzten Rechenschaft über einzelne Tätigkeiten schuldig gewesen. Die Arbeit sei nicht in der Betriebsstätte des Klägers, sondern an einem dritten Ort, in der Regel einem Haushalt, erfolgt. Dieser Ort werde ausschließlich durch die Krankenversicherung (Anm.: in Fällen, in denen Kostenträger eine Krankenkasse ist) festgelegt, die dem Kläger den entsprechenden Betreuungsbedarf melde. Die Arbeitspflicht sei auch nicht räumlich auf diesen Haushalt beschränkt, sondern könne sehr wohl auch darüber hinausgehen, zum Beispiel durch Einkäufe, Besuche mit Kindern auf Spielplätzen oder auch das Abholen und/oder Bringen der Kinder in Schule oder Betreuungseinrichtung. Die Ausgestaltung der Tätigkeit obliege demnach der Auftragnehmerin, gegebenenfalls in Absprache mit dem Klienten. Lediglich das Stundenvolumen sei durch die Bewilligung des Krankenversicherers vorgegeben. Die genaue Uhrzeit bestimme die Auftragnehmerin bzw. stimme diese mit den Klienten ab. Die Uhrzeiten würden grundsätzlich weder vom Kostenträger noch in dem Einzelauftrag des Klägers festgelegt. Sollten dort Angaben vorhanden sein, beruhten diese auf Wünschen des Klienten. Es bestehe auf Seiten der Auftragnehmerin ein Unternehmerrisiko, welches zunächst darin liege, dass überhaupt ein Auftrag erteilt werde. Auch die Höhe des Verdienstes stehe nicht fest. Die Auftragnehmerin müsse auch alleine die Fahrkosten tragen. Zudem liege ein Unternehmerrisiko darin, dass die Einsätze nach § 5 des Rahmenvertrages jederzeit und ohne Begründung abgebrochen werden könnten. Dies ergebe sich aus der Tatsache, dass die Auftragnehmerin in den Haushalten im persönlichen Bereich der Klienten tätig sei. Wenn dort eine gegenseitige Akzeptanz nicht möglich sei, könne der Einsatz nicht weitergeführt, sondern müsse unverzüglich abgebrochen werden. Dies könne auf Veranlassung sowohl der Auftragnehmerin als auch der Klienten erfolgen. Eine Vergütung für die weggefallenen Stunden gebe es nicht. Auch Ausfälle, z.B. wegen Krankheit, würden nicht vergütet. Die Vergütung reduziere sich auch, wenn sich herausstelle, dass der Hilfebedarf in der Familie niedriger sei. Umgekehrt erhalte die Auftragnehmerin keine zusätzliche Vergütung über den bewilligten Stundenumfang hinaus, wenn sie Mehrstunden erbringe oder den Einsatz nicht pünktlich beenden könne. Schließlich seien in der Rahmenvereinbarung keine festen Stundensätze vorgegeben. Es bestehe für die einzelnen Einsätze die Möglichkeit, individuelle Stundensätze zu verhandeln. Der Auftraggeber habe in den Fällen, in denen der Kostenträger höhere Vergütungen entrichte, auch faktisch die Möglichkeit, höhere Stundensätze an die Auftragnehmerin zu zahlen. Die Tatsache, dass Zahlungsausfälle kaum zu befürchten seien, sei ausschließlich auf die Tatsache zurückzuführen, dass es sich bei den Kostenträgern um solvente Auftraggeber, insbesondere der öffentlichen Hand, handele. Im Übrigen habe es keine höchstpersönliche Leistungspflicht gegeben. In einem Arbeitsverhältnis sei kein Fall denkbar, in dem ein Arbeitnehmer eine andere Person schicke, um die Leistung zu erbringen. Insbesondere in der Außenstelle in Koblenz werde das auch regelmäßig praktiziert. Es handle sich also nicht nur um eine theoretische Möglichkeit. Weitere Indizien für eine selbstständige Tätigkeit seien, dass keine Betriebsmittel des Auftraggebers genutzt würden und der Auftragnehmer auch für andere Auftraggeber arbeiten könne. Lediglich bezüglich der Klienten bestehe ein Abwerbeverbot, was ein weiteres Indiz für eine selbstständige Tätigkeit sei. Der Kläger beschäftige auch keine Arbeitnehmer in gleicher Funktion. Die Auftragnehmerin habe ein eigenes Gewerbe angemeldet. Sie führe eigene Steuern ab und trage selbst die notwendigen Versicherungsleistungen. Bei diversen Sozialversicherungsprüfungen sei der Status der Selbstständigkeit für die Notmütter zu keinem Zeitpunkt beanstandet worden.

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    Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2016 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Hinweis darauf zurück, dass die Beurteilung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 auf der Grundlage des Vertrags über freie Mitarbeit in Verbindung mit den einzelnen Betreuungsaufträgen erfolge. Ergänzend zu ihren Ausführungen im Ausgangsbescheid trug sie vor, die Beigeladene zu 1 sei vom Kläger dazu eingesetzt worden, Arbeiten zu erfüllen, zu deren Verrichtung dieser sich seinen Kunden gegenüber verpflichtet habe. Die Beauftragung der Beigeladenen zu 1 sei allgemein gehalten, daher bedürfe es zur Präzisierung entsprechender Einzelvorgaben durch den Kläger bzw. durch die Familien. Diese Präzisierung stelle nichts anderes als ein Weisungsrecht dar. Dass das Weisungsrecht von den Kunden ausgeübt worden sei, sei nicht von Belang, da das Weisungsrecht auch auf Kunden des Klägers delegiert werden könne. Selbstverständlich könne jeder Arbeitgeber sein Direktionsrecht, auch teilweise, auf seine Kunden übertragen, nach dessen Anweisungen der Beschäftigte arbeiten solle. Dass der Beigeladenen zu 1 fachlich keine Weisungen erteilt worden seien, spreche für eine selbstständige Tätigkeit. Allerdings könne unterstellt werden, dass die fachliche Befähigung der Beigeladenen zu 1 vorab geprüft worden sei, sodass fachliche Weisungen nicht nötig erschienen. Als Betreuungskraft habe die Beigeladene zu 1 sich nach den Bedürfnissen der Familien zu richten gehabt. Mit der Übernahme eines Auftrags sei sie in der Gestaltung von Arbeitsort und -zeit nicht mehr frei gewesen. Kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit liege vor, wenn zwar die Annahme bestimmter Aufträge abgelehnt werden könne, bei Annahme jedoch eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolge. Im Rahmen der Statusfeststellungsverfahren werde erst eine Tätigkeit beurteilt, wenn ein Vertrag zustande gekommen sei. Ein typisches Unternehmerrisiko bestehe nicht. Die Beigeladene zu 1 habe kein eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt. Dass die Beigeladene zu 1 Kosten für die Fahrt zur Arbeit und für geeignete Kleidung aufgewandt habe, sei kein Indiz für einen Kapitaleinsatz, auch eine typische Arbeitnehmerin müsse dafür Sorge tragen, ihren Arbeitsplatz zu erreichen und passend gekleidet zu sein. Die Beigeladene zu 1 sei im Namen und auf Rechnung des Klägers tätig geworden. Sie rechne nicht selbst mit den Kranken- und Pflegekassen oder den Familien ab und habe keinen Einfluss auf die Preisgestaltung für Betreuungsleistungen. Sie habe eine feste Vergütung in Höhe von 12,50 Euro für nachgewiesene Arbeitsstunden erhalten.

    46
     
    Am 13. Januar 2017 hat der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und die Feststellung fehlender Sozialversicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung begehrt. Er hat sich auf die Entscheidung des  Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. September 2011 (B 12 R 17/09 R) bezogen, wonach die Tätigkeit einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin sowohl als Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als auch als freiberufliche Tätigkeit im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden könne. Vorliegend sei ein Vertragsverhältnis auf Basis einer selbstständigen Tätigkeit vereinbart worden. Diese von den Parteien getroffene Wahl sei grundsätzlich zu respektieren, wenn eine selbstständige Tätigkeit in zulässiger und zutreffender Weise vereinbart sei. Der Rahmenvertrag enthalte keine typischen Elemente, wie sie in Verträgen über abhängige Beschäftigungen enthalten seien. In der praktischen Durchführung des Vertrages sei keine vom Rahmenvertrag abweichende Handhabung erfolgt. Die Beigeladene zu 1 sei gegenüber dem Kläger keine Rechenschaft darüber schuldig gewesen, was sie im Einzelnen für Arbeiten erbracht hat. Es sei lediglich eine Einsatzdokumentation gefertigt worden. Allein eine Stundendokumentation sei kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Die Beigeladene zu 1 hätte, wenn sie einen Einsatz nicht selbst hätte erbringen können oder wollen, vorschlagen können, dass eine ihrer Mitarbeiterinnen den Einsatz übernehme. Eine Eingliederung der Beigeladenen, z.B. die Arbeit innerhalb von Dienstplänen, und das Recht des Arbeitgebers, einseitig andere Einsätze anzuordnen, liege ebenfalls nicht vor. Im Zusammenhang mit der Vergütung habe die Beigeladene zu 1 ein finanzielles Risiko getragen, zum Teil auch deshalb, weil die Laufzeit der Einsätze zum Teil offen und unbestimmt gewesen sei. So könne ein Einsatz befristet sein, bis die eigentliche Betreuungsperson aus dem Krankenhaus entlassen werde.

    47
     
    Die Beklagte ist dem unter Bezugnahme auf ihren Widerspruchsbescheid entgegengetreten und hat ergänzend angemerkt, dass der Wille der Vertragsparteien nicht bestimme, ob eine Tätigkeit als Beschäftigung oder Selbstständigkeit definiert werde. Für die Abgrenzung seien in erster Linie die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend.

    48
     
    Die Beigeladene zu 1 hat ‒ ohne einen Antrag zu stellen ‒ vorgetragen, sie habe als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern nach einem geeigneten Job gesucht. Bei einem Vorstellungstermin sei ihr gesagt worden, sie würde zwar für den Kläger arbeiten, müsse sich aber einen Gewerbeschein holen, um auf selbstständiger Basis zu arbeiten. Ihr sei nahegelegt worden, dass es sich um eine Scheinselbstständigkeit handeln würde. Für sie sei das in Ordnung gewesen, da sie einen Stundenlohn von 12,50 Euro bekommen habe, was für sie zum damaligen Zeitpunkt reizvoll gewesen sei. Sie habe gar nicht verstanden, dass sie sich auf etwas eingelassen habe, was nicht ganz korrekt gewesen sei. Nachdem sie Führungszeugnis und Gewerbeanmeldung abgegeben habe, seien Aufträge per Mail verschickt worden, bei denen man habe entscheiden können, ob sie für einen infrage kämen, ansonsten habe man auf einen neuen Auftrag gewartet. Eigene Mitarbeiterinnen habe sie zu keinem Zeitpunkt gehabt.

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    Hierzu hat der Kläger erklärt, es sei unzutreffend, dass Beschäftigte des Klägers zu irgendeinem Zeitpunkt behauptet hätten, es handele sich um eine Scheinselbstständigkeit. Vielmehr sei die Beigeladene zu 1 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass es sich um eine Zusammenarbeit im Rahmen einer freien Mitarbeit auf Honorarbasis handle. Auf die Frage, ob die Beigeladene zu 1 hieran Interesse habe, habe sie dies ausdrücklich bestätigt. Es sei dann im Gespräch darauf hingewiesen und angeraten worden, dass die Beigeladene zu 1 bei anderen Anbietern ihre Dienstleistungen anbiete und Einsätze übernehme, da ansonsten früher oder später möglicherweise der Eindruck einer Scheinselbstständigkeit entstehen könne.

    50
     
    Das SG hat über die Klage am 19. Mai 2022 mündlich verhandelt, sie mit Urteil vom selben Tag als unbegründet abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 auferlegt, die mit ihrem Anliegen obsiegt und das Verfahren wesentlich gefördert habe.

    51
     
    Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig. Die Beigeladene zu 1 sei in den streitbefangenen Zeiträumen als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte des Klägers tätig gewesen.

    52
     
    Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt seien, hätten im streitgegenständlichen Zeitraum grundsätzlich der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch <SGB V>, § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch <SGB XI>, § 1 S. 1 Nr. 1 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch <SGB VI>, § 25 Abs. 1 S. 1 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch <SGB III>).

    53
     
    Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sei § 7 Abs. 1 SGB IV, wonach eine Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, sei. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung seien eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

    54
     
    Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setze eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege (vgl. etwa  BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 ‒ B 2 U 3/08 R).

    55
     
    Für eine selbstständige Tätigkeit spreche insbesondere das Vorliegen eines eigenen Unternehmerrisikos, d.h. ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr eines Verlustes eingesetzt werde, der Erfolg des Einsatzes sächlicher oder persönlicher Mittel also ungewiss sei. Dabei müssten einem unternehmerischen Risiko auch unternehmerische Chancen gegenüberstehen.

    56
     
    Maßgeblich für die Beurteilung sei, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägten und welche Merkmale überwögen. Dabei sei vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen und festzustellen, ob die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung der Vertragsverhältnisse dem Vereinbarten entspreche. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen sei eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen. Diese wertende Zuordnung könne aufgrund des besonderen Schutzzwecks der Sozialversicherung nicht mit bindender Wirkung durch die Vertragsparteien vorgegeben werden, indem sie zum Beispiel vereinbarten, eine selbstständige Tätigkeit zu wollen. Über zwingende Normen könne nämlich nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden. Vielmehr komme es entscheidend auf die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung der Vertragsverhältnisse an. Wenn Divergenzen zwischen der Vertragsdurchführung und der Vereinbarung bestünden, gehe die gelebte Praxis der formellen Vereinbarung grundsätzlich vor (ständige Rechtsprechung des BSG, etwa  Urteile vom 19. Oktober 2021 ‒ B 12 R 17/19 R,  4. Juni 2019 ‒ B 12 R 11/18 R, 30. Januar 2007 ‒ B 2 U 6/06).

    57
     
    Das Gericht lege seiner Entscheidung den Sachverhalt zu Grunde, wie er sich aus den vorliegenden schriftlichen Unterlagen sowie den Angaben des Klägers und der Beigeladenen zu 1 im Statusfeststellungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren ergebe.

    58
     
    Auch wenn in dem zwischen Kläger und Beigeladener zu 1 vereinbarten Rahmenvertrag von freiberuflichen Betreuungspersonen, die in ihrer beruflichen Tätigkeit frei seien, die Rede sei, zeige die tatsächliche Leistungserbringung, wie sie auf der Grundlage der Betreuungsaufträge erfolgt sei, dass die Beigeladene zu 1 in die betrieblichen Abläufe des Klägers eingegliedert gewesen sei und ‒ rechtlich betrachtet ‒ dessen Weisungen hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit unterlegen habe.

    59
     
    Dabei stelle das Gericht im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG allein auf die Verhältnisse ab, die während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge bestanden hätten, denn bei Vertragsgestaltungen, in denen „die Übernahme einzelner Dienste individuell vereinbart wird und insbesondere kein Dauerschuldverhältnis mit Leistungen auf Abruf vorliegt“, komme es für die Frage der Versicherungspflicht allein auf diese an. Außerhalb der Einzeleinsätze liege in einem solchen Fall keine die Versicherungspflicht begründende „entgeltliche“ Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV vor, weil keine latente Verpflichtung bestehe, Tätigkeiten für den Arbeit-/Auftraggeber auszuüben, und dieser umgekehrt auch kein Entgelt zu leisten habe ( BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 ‒ B 12 R 6/20 R).

    60
     
    Unter Berücksichtigung dessen sei die Beigeladene zu 1 bereits hinsichtlich ihrer Arbeitszeiten weisungsgebunden gewesen. Denn entgegen § 2 des Rahmenvertrages habe sie die Arbeitszeiten nicht festlegen können, vielmehr seien ihr diese mit dem jeweiligen Betreuungsauftrag nach Wochentagen und Uhrzeiten vorgegeben worden. Sie habe keine Flexibilität dahingehend gehabt, dass ihr innerhalb eines größeren Zeitraums freigestellt gewesen sei, wann sie die Betreuungsstunden ableiste (so im Fall des als selbstständig beurteilten Erziehungsbeistandes, der der Entscheidung des BSG vom 31. März 2017 ‒ B 12 R 7/15, zu Grunde gelegen habe) oder sonst für eine Arbeitnehmerin uncharakteristische Handlungsspielräume (so die hauswirtschaftliche Familienbetreuerin, über deren Status das BSG in dem von dem Kläger genannten  Urteil des BSG vom 28 September 2011 ‒ B 12 R 17/09 R, entschieden habe).

    61
     
    Soweit von Seiten des Klägers eingewandt worden sei, abweichende Arbeitszeiten hätten mit den Klienten des Klägers vereinbart werden können, ändere dies an der Bewertung nichts, denn auch insoweit sei die Beigeladene zu 1 vom Einverständnis der jeweiligen Klientin des Klägers abhängig gewesen.

    62
     
    Das gleiche gelte für die Ausführung der beauftragten Tätigkeit. Auch insoweit habe die Beigeladene zu 1 ‒ wie sich bereits aus § 2 des Rahmenvertrages ergebe ‒ ihre Tätigkeit an den Bedürfnissen der Klientinnen auszurichten gehabt. Die Kammer halte es für unrealistisch, dass die Beigeladene zu 1 selbst habe entscheiden können, ob sie koche, Wäsche wasche oder Kinder abhole. Wenn hungrige Familienmitglieder zu versorgen oder Kinder von der Schule abzuholen seien, werde die Betreuerin sich wohl nicht dafür entscheiden können, zuerst Wäsche zu bügeln oder Fenster zu putzen.

    63
     
    Weisungen habe die Beigeladene zu 1 auch hinsichtlich des Einsatzortes zu befolgen gehabt, denn sie habe die Tätigkeit im Haushalt der Klientinnen des Klägers auszuüben gehabt. Soweit gerade bei der Betreuung von Kindern Arbeiten auch außerhalb des Haushalts angefallen seien, sei auch dies durch die Klientinnen bzw. durch die faktischen Notwendigkeiten vorgegeben worden. Zu Recht habe die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber sein Weisungsrecht auf seine Kunden delegieren könne.

    64
     
    Die Beigeladene zu 1 sei auch in die Arbeitsorganisation des Klägers eingebunden gewesen.

    65
     
    In seiner  Entscheidung vom 24. März 2016 (B 12 KR 20/14 R) habe das BSG darauf hingewiesen, dass es für die Bejahung von Beschäftigung nicht darauf ankomme, dass der Betroffene die Tätigkeit in einer Betriebsstätte des Arbeitgebers ausübe, solange die zu beurteilenden Tätigkeit insgesamt im Wesentlichen fremdbestimmt organisiert werde.

    66
     
    Genau dies sei aber vorliegend der Fall. Die Beigeladene zu 1 habe, wie die Beklagte zutreffend festgestellt habe, eine Verpflichtung, die der Kläger gegenüber seinen Klientinnen bzw. gegenüber dem Kostenträger eingegangen sei, erfüllt. Auf seiner Homepage werbe der Kläger damit, sich in den Alltag der hilfebedürftigen Familien zu integrieren und die Aufgaben, die die Familien nicht selber erledigen könnten, zu übernehmen. Von den Betreuungspersonen spreche er als „unsere erfahrenen Kinderbetreuer*innen“ (www.notmuetterdienst.de/hamburg/kinderbetreuung, recherchiert am 17. Mai 2022). Gegenüber den Klientinnen des Klägers sei die Beigeladene zu 1 dementsprechend wie eine Mitarbeiterin des Klägers, nicht wie eine freiberufliche Dienstleisterin aufgetreten.

    67
     
    Zudem sei nicht die Beigeladene zu 1, sondern der Kläger als Vertragsorganisation zur Erfüllung des Auftrags gegenüber der Krankenversicherung verpflichtet und seinen Klientinnen gegenüber zur ordnungsgemäßen Durchführung verantwortlich gewesen, wie sich aus dem Betreuungsauftrag im Dreiecksverhältnis zwischen Krankenversicherung, Versicherter und Kläger als Leistungserbringer ergebe.

    68
     
    Die Beigeladene zu 1 habe innerhalb dieses Verhältnisses den Betreuungsauftrag des Klägers gegenüber seinen Klientinnen zu erfüllen gehabt. Entsprechend habe sie ihre Aufträge ausschließlich über den Kläger erhalten, der den Kontakt zu den Klientinnen hergestellt habe, sei ihm gegenüber zur Dokumentation ihrer Einsätze verpflichtet gewesen, habe die Erbringung der Leistung durch die Klientinnen abzeichnen lassen müssen und habe dem Kläger ‒ wie sich aus dem Rechnungsvordruck ergebe ‒ besondere Vorkommnisse zu melden gehabt. Nicht die Beigeladene zu 1 habe gegenüber dem Kostenträger abgerechnet, sondern der Kläger.

    69
     
    Bei Problemen oder fehlender Akzeptanz habe der Einsatz ‒ auch gegen den Willen der Beigeladenen zu 1 ‒ jederzeit abgebrochen werden können, ein weiterer Unterschied zum Sachverhalt, der dem  Urteil des BSG vom 28. September 2011 (B 12 R 17/09 R), auf welches der Kläger sich bezogen habe, zugrunde gelegen habe.

    70
     
    Hinzu komme, dass die Beigeladene zu 1 kein erhebliches unternehmerisches Risiko getragen habe. Ein unternehmerisches Risiko liege dann vor, wenn eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt werde, der Erfolg des Einsatzes sächlicher oder persönlicher Mittel also ungewiss sei ( BSG, Urteil vom 18. November 2015 ‒ B 12 KR 16/13 R). Dabei müssten diesem Risiko auch unternehmerische Chancen bzw. größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen ( BSG, Urteil vom 28. September 2011 ‒ B 12 R 17/09 R).

    71
     
    Der Kläger habe zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass bei Dienstleistungen in der Hauswirtschaft in der Regel kein Kapital eingesetzt werde und es auf den Einsatz von Kapital daher nicht ankomme. Dies entspreche der Rechtsprechung, wonach bei reinen Dienstleistungen, die im Wesentlichen nur Know-how sowie Arbeitszeit und -aufwand voraussetzten, das Fehlen von Investitionen oder Betriebsmitteln kein ins Gewicht fallendes Indiz für eine abhängige Beschäftigung und gegen unternehmerisches Tätigwerden darstellten ( BSG, Urteil vom 31. März 2017 ‒ B 12 R7/15 R).

    72
     
    Die Beigeladene zu 1 sei aber deshalb keinem nennenswerten Unternehmerrisiko ausgesetzt gewesen, weil sie einen festen Lohn für geleistete Arbeitsstunden erhalten habe. Für sie habe ‒ wie in dem der  Entscheidung des BSG vom 19. Oktober 2021 (B 12 R 6/20 R) zugrunde liegenden Fall einer ambulanten Altenpflegerin ‒ auch nicht die Chance bestanden, durch unternehmerisches Geschick ihre Arbeit so effizient zu gestalten, dass sie das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu ihren Gunsten entscheidend hätte beeinflussen können.

    73
     
    Dass der jeweilige Einsatz durch den Kläger oder die Beigeladene zu 1 ohne finanziellen Ausgleich habe abgebrochen werden können oder die Beigeladene zu 1 z.B. bei Krankheit keine Vergütung erhalten habe, stelle kein unternehmerisches Risiko dar, denn das Abwälzen von Einkommensrisiken, wie zum Beispiel bei Krankheit, führe nicht zur Selbstständigkeit (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl.  Urteil vom 12. Dezember 1990 ‒11 RAr 73/90).

    74
     
    Das gleiche gelte für das Risiko, keine Folgeaufträge zu erhalten, welches für die Statusbeurteilung einer Tätigkeit in jeweils gesondert zu betrachtenden Einzelaufträgen irrelevant sei ( BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 ‒ B 12 R 6/20 R).

    75
     
    Schließlich liefere auch die Höhe des Honorars keinen Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, weil nicht zu erkennen sei, dass die Vergütung deutlich über dem Arbeitsentgelt einer vergleichbar eingesetzten Beschäftigten gelegen und dadurch Eigenvorsorge zugelassen habe (so aber im Fall „Erziehungsbeistand“,  BSG, Urteil vom 31. März 2017 ‒ B 12 R 7/15 R).

    76
     
    Im Übrigen sei kein Hinweis darauf zu erkennen, dass die Höhe der Vergütung das Ergebnis eigener Kalkulation der Beigeladenen zu 1 nach Umfang und Intensität ihres Einsatzes und Ergebnis von Verhandlungen zwischen Kläger und Beigeladener gewesen sei (so im Fall der hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin,  BSG, Urteil vom 28. September 2011 ‒ B 12 R 17/09 R).

    77
     
    Die Beigeladene zu 1 sei zudem auch nicht als selbstständige Betreuungsperson „am Markt“ aufgetreten, was ebenfalls gegen eine Freiberuflichkeit spreche.

    78
     
    Auch die Regelung in § 7 des Rahmenvertrages, mit der der Betreuungspersonen untersagt werde, eine weitergehende Vergütung oder Geschenke seitens des Klienten oder seiner Familie anzunehmen, stelle ein Indiz für ein Beschäftigungsverhältnis dar und sei für freiberufliche Tätigkeiten untypisch.

    79
     
    Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung träten die Indizien, die demgegenüber für eine selbstständige Tätigkeit sprächen, in Anbetracht der weit überwiegenden Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses zurück.

    80
     
    Die Freiheit, für andere Arbeit- oder Auftraggeber tätig zu werden, würde nur in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen eine Freiberuflichkeit begründen können. Eine Tätigkeit für andere Auftraggeber könne nur dann ein Indiz für eine erhebliche Dispositionsfreiheit in Bezug auf die zu beurteilenden Tätigkeit darstellen, wenn sie in relevantem Umfang oder sogar schwerpunktmäßig stattfinde, weil sie dann die zeitliche Verfügbarkeit des Auftragnehmers erheblich einschränke. Dies gelte nach der Rechtsprechung des BSG aber nicht wenn ‒ wie vorliegend ‒ „die Dispositionsfreiheit des Auftragnehmers schon insoweit berücksichtigt wird, als für die Beurteilung auf den jeweiligen Einzelauftrag abgestellt wird“ ( BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 ‒ B 12 R 17/19 R).

    81
     
    Die von Seiten des Klägers angeführte Möglichkeit der Delegation der Leistungserbringung an eigene Arbeitskräfte der Beigeladenen zu 1, spreche schon deshalb nicht für eine Selbstständigkeit, weil die Beigeladene zu 1 von einer solchen Möglichkeit habe keinen Gebrauch machen können (vgl.  BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 ‒ B 12 R 17/19 R). Nach den glaubhaften Angaben der Beigeladenen zu 1 in der mündlichen Verhandlung, die ihren Angaben im Statusfeststellungsverfahren entsprächen, habe sie niemals eigene Arbeitskräfte beschäftigt.

    82
     
    Dass keine Zusammenarbeit mit anderen Beschäftigten des Klägers stattgefunden und die Beigeladene zu 1 an keinen Dienstbesprechungen oder Supervisionen teilzunehmen gehabt habe, spreche zwar ‒ theoretisch betrachtet ‒ gegen eine Eingliederung in den Betrieb und für eine Selbstständigkeit. Im vorliegenden Fall beauftrage der Kläger Betreuungspersonen wie die Beigeladene zu 1 jedoch ausschließlich auf der Grundlage sogenannter Freiberuflichkeit, so dass dienstliche Besprechungen unter Kolleginnen oder Supervisionen ohnehin entfielen.

    83
     
    Schließlich vermögen auch das im Rahmenvertrag geregelte Abwerbeverbot und die Gewerbeanmeldung der Beigeladenen zu 1, die im Übrigen nur erfolgt sei, weil der Kläger dies zur Voraussetzung eines Auftrages gemacht habe, zu keiner anderen Beurteilung führen.

    84
     
    Nach alledem unterscheidet sich der vorliegende Fall in erheblichem Maße von dem Fall der hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin, der dem Urteil des BSG vom 28. September 2011 (B 12 R 17/09) zugrunde gelegen habe, und in dem ohnehin darauf hingewiesen worden sei, dass eine Tätigkeit im hauswirtschaftlichen und pflegenahen Bereich keineswegs stets als selbstständige Tätigkeit angesehen werden könne.

    85
     
    Auch der Hinweis des Klägers auf die in der Vergangenheit durchgeführten Betriebsprüfungen, bei denen der Status der für ihn tätigen Betreuungspersonen nicht beanstandet worden sei, führe zu keinem anderen Ergebnis. Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten aus vergangenen Betriebsprüfungen grundsätzlich keine Rechte herleiten, da es sich um Stichprobenprüfungen handle (vgl. Scheer in jurisPK-SGB IV 4. Aufl. 2021 zu § 28p Rn 190). Wenn ein Arbeit- oder Auftraggeber Sicherheit hinsichtlich der Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status seiner Arbeit-/Auftragnehmer haben möchte, stehe ihm hierzu das Anfrageverfahren nach§ 7a SGB IV offen.

    86
     
    Dass die Beigeladene zu 1 in ihrem Bescheid auf den Zeitraum 28. Juli bis 30. September 2015 statt auf die einzelnen Aufträge abgestellt habe, ändere an der Rechtmäßigkeit ihrer Feststellung nichts, denn erkennbar sei, dass sie sich auf die Durchführung der Einzelaufträge bezogen habe und nicht von einem Dauerschuldverhältnis ausgegangen sei (vgl.  BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 ‒ B 12 R 17/19 R).

    87
     
    Gegen dieses seinen damaligen Prozessbevollmächtigten am 3. Juni 2022 zugestellte Urteil richtet sich die am 1. Juli 2022 eingelegte Berufung des Klägers.

    88
     
    Bei rechtsfehlerfreier Einordnung überwögen die Indizien für eine selbstständige Leistungserbringung, weil es keine Tätigkeit nach Weisungen des Klägers und auch keine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Klägers gegeben habe. Das SG habe rechtsfehlerhaft zahlreiche für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Anknüpfungspunkte nicht oder nicht vollständig in seine Bewertung einbezogen und andererseits Kriterien ohne echte Indizwirkung zulasten des Klägers berücksichtigt.

    89
     
    So habe das SG rechtsfehlerhaft dem Wortlaut der Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1 nicht die notwendige Bedeutung als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit beigemessen. Die Formulierungen im Rahmenvertrag seien eindeutig und ließen den Willen der Vertragsparteien erkennen, auf Basis einer selbstständigen Tätigkeit zusammen zu arbeiten.

    90
     
    Des Weiteren habe das SG bei der Bewertung zu Unrecht die Regelung in § 2 des Rahmenvertrags, die durchaus ernst gemeint gewesen sei, nicht als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit gewertet, wonach es Aufgabe der Betreuungspersonen sei, den genauen Betreuungsbedarf in Absprache mit dem Klienten und seiner Familie im Einzelnen zu klären, sie selbst lege die Arbeitszeiten, Arbeitseinteilung und sonstigen Abläufe fest und stimme diese ‒ soweit möglich ‒ mit dem Klienten oder seiner Familie ab.

    91
     
    Auch sei nicht berücksichtigt worden, dass die Beigeladene zu 1 sehr wohl habe entscheiden können, ob sie in einem bestimmten Betreuungsfall für den Kläger tätig sein wolle. Sie habe ihr angebotene Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen ablehnen und sogar abbrechen können. Ausdrücklich sei ihr in den Einzelaufträgen zur Betreuung des Recht eingeräumt worden, den Einsatz ohne Angabe von Gründen und ohne Einhaltung einer Frist mit sofortiger Wirkung zu kündigen und den Einsatz schon vor Zugang der schriftlichen Kündigung abzubrechen.

    92
     
    Zu Unrecht habe das SG seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass der Kläger der Beigeladenen zu 1 die Arbeitszeit durch schriftliche Erwähnung in dem jeweiligen Betreuungsauftrag nach Wochentagen und Uhrzeit vorgegeben habe. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 2022 habe die Klägervertreterin erklärt, dass die Aufnahme der Betreuungstage und -uhrzeiten in den Einzelaufträgen keinesfalls verbindlich sei. Vielmehr obliege die zeitliche Festlegung des Betreuungsdienstes ausschließlich der Absprache zwischen dem Betreuer und der zu betreuenden Familie. Eine feste Vereinbarung oder Vorgabe von Arbeitszeiten sei schon deswegen nicht möglich, weil es in der Regel um Kinderbetreuung nach der Schule gehe, sodass ausfallende Schulstunden oder z.B. Arztbesuche des Kindes zu einem verzögerten oder vorgezogenen Beginn der Betreuungstätigkeit in der täglichen Praxis führten. Mit den Daten im Einzelbetreuungsauftrag wolle der Kläger lediglich den (von der Krankenkasse bezahlten) Gesamtumfang der Betreuungsstunden gegenüber dem Betreuer bekannt geben, damit der Betreuer im konkreten Fall kalkulieren könne, in welchem Umfang das Betreuungshonorar durch die Krankenkasse abgesichert sei. An diesen rechtlichen Rahmenbedingungen ändere sich auch nichts dadurch, dass sich die Beigeladene zu 1 in der Verhandlung rund sieben Jahre nach Übernahme der Tätigkeit nicht mehr konkret habe daran erinnern können, ob und in welchem Umfang sie abweichend von den formal festgestellten Daten aus der Einzelbeauftragung tätig geworden sei. Das SG habe insoweit verkannt, dass die Betreuer bei den Familien vor Ort eigenverantwortlich tätig seien und flexibel auf die Wünsche und Bedürfnisse der zu betreuenden Klientel hinsichtlich der zeitlichen Lage der Betreuungstätigkeit eingehen und reagieren könnten.

    93
     
    Des Weiteren habe das SG den Maßstab eigenverantwortlicher Entscheidungsmöglichkeiten verkannt. Die von der Beigeladenen zu 1 genannten Inhalte ihrer Tätigkeit stellten die Kernaufgaben der jeweiligen Einzelbetreuungen dar. Der Inhalt der Tätigkeit sei der Beigeladenen zu 1 dadurch aber nur grob vorgegeben. Wie die Betreuung im Einzelnen vorzunehmen sei, richte sich einerseits nach den individuellen Erfordernissen der zu betreuenden Familienklientel, aber andererseits auch gerade im Hinblick auf die zeitliche Dimension nach den Möglichkeiten und der Entscheidung des jeweiligen Betreuers. Die Übernahme eines Betreuungsauftrages in diesem Zusammenhang sei daher jederzeit aufgrund der geforderten Flexibilität mit einem für Arbeitnehmer uncharakteristischen Handlungsspielraum verbunden, zumal die Betreuungspersonen durchaus Einfluss auf die Betroffenen und damit auf die Art und zeitliche Lage der Leistungserbringung in der Betreuungssituation nehmen könnten.

    94
     
    Fehlerhaft habe das SG ein (angeblich) bestehendes Weisungsrecht des Klägers gegenüber der Beigeladenen zu 1 aufgrund der Vorgabe des Einsatzortes unterstellt. Da sich der Leistungsort aus der Natur der Sache ergeben habe, komme diesem für eine Statusfeststellung keine relevante Indizwirkung zu, zumal es sich bei dem Einsatzort nicht um den Betriebssitz oder eine Niederlassung des Auftraggebers gehandelt habe. Im Übrigen habe über den Ort der Tätigkeit die Familie in Absprache mit dem Betreuer entschieden. Das zwischen diesen eine Einigung über den Ort der Leistungserbringung erfolge, zeige sich deutlich, wenn z.B. eine Familie verlange, die Betreuung der Kinder an einem Zweitwohnsitz vorzunehmen.

    95
     
    Soweit das SG aus dem Umstand, dass nicht die Beigeladene zu 1 gegenüber dem Kostenträger abgerechnet habe, sondern der Kläger, die für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses erforderliche Eingliederung in die Arbeitsorganisation eines Weisungsgebers folgere, überzeuge dies nicht. Es liege vielmehr die klassische Situation der Einschaltung eines Subunternehmers in Gestalt der Beigeladenen zu 1 vor. Weder gesetzliche Vorschriften noch die Abreden mit den Krankenkassen verböten dem Kläger den Einsatz selbstständiger Dienstleister.

    96
     
    Schließlich weist der Kläger im Hinblick auf das vom SG angenommene fehlende Unternehmerrisiko erneut darauf hin, dass die Erbringung von Dienstleistungen in der Hauswirtschaft selten bis nie mit einem unternehmerischen Risiko für eingesetztes Kapital verbunden sein werde. Bei lebensnaher und vom Einzelauftrag losgelöster Betrachtung ergäben sich aber durchaus regelmäßig nicht unerhebliche wirtschaftliche Aufwendungen der Betreuer durch den Ankauf von Pkw, die zur Leistungserbringung sinnvoll seien, um die verschiedenen Orte der Einzeldienstleistungen zeitnah zu erreichen. Bei der Investition in ein Fahrzeug trage der jeweilige Dienstleister das Amortisationsrisiko in unternehmerischer Hinsicht. Die Nichtberücksichtigung dieser Kosten im Zusammenhang mit dem Abstellen auf den Einzelauftrag führe zu einer unzutreffenden Bewertung durch das SG.

    97
     
    Der Kläger beantragt,

    98
     
    das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Mai 2022 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 2016 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene zu 1 aufgrund ihrer Tätigkeit für den Kläger im Bereich hauswirtschaftliche Versorgung/Kinderbetreuung in den Zeiträumen vom 28. Juli bis zum 7. August 2015, vom 17. bis zum 28. August 2015 sowie vom 31. August bis zum 30. September 2015 nicht aufgrund abhängiger Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

    99
     
    Die Beklagte beantragt,

    100
     
    die Berufung zurückzuweisen.

    101
     
    Sie hält das erstinstanzliche Urteil für überzeugend und weist darauf hin, dass dem Willen der Vertragsparteien nach der BSG-Rechtsprechung generell nur dann indizielle Bedeutung zukomme, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspreche und er durch weitere Aspekte gestützt werde bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für Beschäftigung sprächen. Die Vertragsparteien hätten es nicht in der Hand, die kraft öffentlichen Rechts angeordnete Sozialversicherungspflicht durch bloße übereinstimmende Willenserklärungen auszuschließen.

    102
     
    Die Beigeladene zu 1 schließt sich inhaltlich dem Vortrag der Beklagten an, stellt jedoch keinen Antrag.

    103
     
    Die das Rentenkonto der Beigeladenen zu 1 führende Beigeladene zu 2 äußert sich inhaltlich nicht und stellt keinen Antrag.

    104
     
    Die ebenfalls betroffenen Träger der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung haben auf Anfrage keinen Antrag auf Beiladung gestellt.

    105
     
    Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschrift vom 23. März 2023 sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten.

    106
    Entscheidungsgründe
     
    Die Berufung der Beklagten ist unabhängig von dem Zeitraum, für den um eine Sozialversicherungspflicht gestritten wird, und unabhängig von der Höhe etwaiger nachzuentrichtender Beiträge statthaft, weil beim vorliegenden Streit über die Versicherungspflicht dem Grunde nach kein auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung gerichteter Verwaltungsakt betroffen ist (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 9. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in dessen Rechten. Die Beklagte hat zu Unrecht festgestellt, dass die Beigeladene zu 1 im Zeitraum vom 28. Juli 2015 bis zum 30. September 2015 in ihrer Tätigkeit für den Kläger im Bereich hauswirtschaftliche Versorgung/Kinderbetreuung der Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag, wobei die Beklagte die Feststellung mit dem Widerspruchsbescheid zutreffend auf die Zeiträume der für die Beurteilung allein maßgeblichen einzelnen Betreuungsaufträge beschränkte, von denen das SG offenbar versehentlich einen im Tatbestand nicht berücksichtigt hat (R.: 31. August bis 30. September 2015). Die Beigeladene zu 1 war insoweit selbstständig tätig.

    107
     
    Zwar hat das SG die rechtlichen Grundlagen einschließlich der im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat, zu berücksichtigenden für und gegen eine selbstständige Tätigkeit bzw. eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände zutreffend wiedergegeben. Insoweit kann auf das erstinstanzliche Urteil entsprechend § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen werden. Die Bewertung der Umstände und die Gesamtabwägung selbst hat das SG allerdings nach Überzeugung des erkennenden Senats im Ergebnis fehlerhaft vorgenommen. Die mit der Berufungsbegründung vorgebrachten Einwände gegen das angegriffene Urteil sind allesamt berechtigt, und der erkennende Senat macht sich diese uneingeschränkt zu Eigen.

    108
     
    Das SG hat dem in der vertraglichen Regelung zum Ausdruck kommenden Willen der Parteien des Rahmenvertrages „über freiberufliche/selbstständige Betreuungstätigkeiten“ (nebst Betreuungsaufträgen) zu wenig Bedeutung beigemessen, obwohl sich nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der sich der erkennende Senat nach eigener Überzeugungsbildung ebenfalls in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat, aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist, ergibt, ob eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung gerechtfertigt ist; Ausgangspunkt der weiteren Abwägung ist daher zunächst das Vertragsverhältnis, so wie es sich aus getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus den gelebten Beziehungen erschließen lässt (vergleiche  BSG, Urteil vom 30. April 2013 ‒ B 12 KR 19/11 R, Handbuch Soziale Pflegeversicherung ‒ Rechtsprechung SGB XI, § 20 SGB XI Nr. 2.12). Die Beteiligten haben nicht nur nach der Wortwahl (so insbesondere in der Überschrift sowie in §§ 1 <Grundlagen> und 8 <Abrechnung>), sondern auch nach der Zielrichtung eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 für den Kläger gewollt. Dies gilt auch für die Beigeladene zu 1, die zwar im Verlauf des vorgerichtlichen Verfahrens deutlich machte, dass sie sich in der streitgegenständlichen Tätigkeit eher als abhängig Beschäftigte denn als Selbstständige sehe; in ihrem das Verwaltungsverfahren einleitenden Antrag hatte sie jedoch noch nicht ausdrücklich eine solche Feststellung beantragt und im Übrigen das Vertragsverhältnis bzw. die Vertragsverhältnisse wie eine Selbstständige durch Gewerbeanmeldung und Rechnungsstellung abgewickelt. Überdies mögen die Motive für diese Vorgehensweise der Beigeladenen zu 1 auch nicht zwingend die tatsächlich gelebte Vertragslage zur Grundlage haben.

    109
     
    Da auch die tatsächlichen Umstände weit überwiegend für (eine) selbstständige Tätigkeit(en) sprechen, vermag diese Indizwirkung nicht widerlegt zu werden.

    110
     
    Insbesondere hat das SG zu Unrecht eine Weisungsabhängigkeit der Beigeladenen zu 1 angenommen. Während der Ausübung der Tätigkeit(en) unterlag diese keinerlei Kontrolle oder konkreten Weisungen des Klägers. Eine Kommunikation während der Betreuungszeit fand nicht statt. Alle Details des Auftrags wurden vorab durch die individuell ausgehandelte Einsatzvereinbarung geregelt, was für Dienstverträge mit abhängig Beschäftigten unüblich und wegen der Weisungsunterworfenheit während der Ausübung des Dienstes auch überflüssig ist. So war es zum Beispiel nach den vertraglichen Regelungen nicht möglich, dass der Kläger der Beigeladenen zu 1 einseitig eine andere Betreuung oder abweichende Vorgaben zuwies oder ihr gar andere Tätigkeiten auftrug.

    111
     
    Die Vorgaben in den Betreuungsaufträgen zu Leistungsort und -zeit ergaben sich aus der Natur der Sache und waren im Übrigen nicht starr bzw. ‒ insbesondere hinsichtlich des Leistungsinhalts ‒ allgemein gehalten. Es oblag nach § 2 des Rahmenvertrags der Beigeladenen zu 1, den genauen Betreuungsbedarf in Absprache mit den Klientinnen und deren Familien im Einzelnen zu klären, die Arbeitszeiten, Arbeitseinteilung und sonstigen Abläufe festzulegen und ‒ soweit möglich ‒ mit den Klientinnen und deren Familien abzustimmen. Dass die tatsächlichen Verhältnisse von diesen vertraglichen Regelungen abwichen, kann nicht festgestellt werden. Es erscheint vielmehr lebensnah, dass sich die Ausgestaltung der Betreuung im Einzelnen nach den individuellen Erfordernissen vor Ort richtete, die sowohl inhaltlich als auch in zeitlicher Hinsicht die zu erbringenden Leistungen bestimmten. Allein aus den (allgemeinen) Vorgaben und dem Erfordernis zur Einsatzdokumentation kann nicht auf eine Weisungsgebundenheit und damit eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1 von dem Kläger geschlossen werden (so auch  BSG, Urteil vom 28. September 2011 ‒ B 12 R 17/09 R, juris). Insoweit ist die Annahme des SG, die Klägerin habe ihre Weisungsbefugnis auf die Klientinnen übertragen, nicht überzeugend. Eine solche Übertragung ergibt sich weder aus den jeweiligen Verträgen noch ist sie sonst erkennbar.

    112
     
    Im Übrigen war es durch die gänzlich arbeitnehmeruntypische Möglichkeit zur jederzeitigen Kündigung ohne Angabe von Gründen und mit sofortiger Wirkung sowie sogar des sofortigen Einsatzabbruchs schon vor Zugang der Kündigung (§ 5 des Rahmenvertrags) ausgeschlossen, dass die Beigeladene zu 1 ihr nicht genehme Tätigkeiten hätte ausüben müssen, was ebenfalls im abhängigen Beschäftigungsverhältnis nicht möglich ist.

    113
     
    Eine Eingliederung in den Betrieb des Klägers erfolgte nicht. Die Tätigkeiten wurden ausschließlich im privaten Umfeld der Klientinnen und nicht einmal teilweise in den Betriebsräumen des Klägers ausgeübt. Es gab keine Zusammenarbeit mit Mitarbeitern des Klägers. Auch die Fort- und Weiterbildung war allein der Beigeladenen zu 1 überlassen (§ 6 des Rahmenvertrags). Allein die Angehörigkeit zu einem Pool von Einsatzkräften, die zur Erfüllung anderen Personen obliegender Verpflichtungen gegenüber Dritten bereitstehen, besagt über deren Eingliederung in den Betrieb der insoweit Verpflichteten ebenso wenig wie die mögliche Außenwahrnehmung der Einsatzkraft als Angestellte des Verpflichteten (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 23).

    114
     
    Die Tätigkeit für andere Auftraggeber oder Arbeitgeber war der Beigeladenen zu 1 vertraglich nicht nur nicht verboten, sondern ‒ gänzlich arbeitnehmeruntypisch ‒ ausdrücklich erlaubt und darüber hinaus ‒ zur Vermeidung des Eindrucks einer Scheinselbstständigkeit ‒ ausdrücklich erwünscht. Wenn die Beigeladene zu 1 dieses Recht tatsächlich in der kurzen Zeit, in der sie für den Kläger tätig war, nicht in Anspruch genommen hat, ist dies für die vorliegende Bewertung nicht maßgeblich.

    115
     
    Ebenfalls gegen eine abhängige Beschäftigung spricht, dass die Beigeladene zu 1 nicht zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet war, sondern eine Delegationsmöglichkeit bestand, von der nach den unwidersprochenen Angaben des Klägers jedenfalls im Bereich einer anderen Niederlassung auch tatsächlich Gebrauch gemacht wird und dies nicht nur bei Krankheit. Dass die Beigeladene zu 1 keine eigenen Mitarbeiter hatte, denen sie die Erledigung der Aufträge hätte übertragen können, ändert hieran nichts, zumal sie dadurch nicht gehindert war, einen weiteren Subunternehmer zu beauftragen.

    116
     
    Die Vergütung war Ergebnis einer individuellen Vereinbarung. § 7 des Rahmenvertrags gab lediglich eine Tagespauschale bzw. einen Mindeststundensatz bei stundenweisen Tätigkeiten vor, der vorliegend ‒ wenn auch knapp ‒ überschritten wurde.

    117
     
    Angesichts der Natur der Tätigkeit im Dienstleistungsbereich wurde zwar praktisch kein Kapital mit Verlustrisiko im Sinne eines klassischen Unternehmerrisikos eingesetzt, wenn man von den Vorhaltekosten für einen Pkw absieht. Der Beigeladenen zu 1 oblag jedoch insofern ein nicht unerhebliches Unternehmerrisiko, als sie sich für den Fall fehlender oder mangelhafter Vertragserfüllung Schadensersatz- oder Vertragsstrafenverpflichtungen gegenüber gesehen hätte (so auch ausdrücklich nach § 10 des Rahmenvertrags). Ein weiteres Risiko bestand, soweit im Ergebnis „unnütz“ Arbeitszeit aufgewandt wurde, weil der Auftrag trotz Vorarbeit, z.B. das Aufsuchen der anfragenden Familie, doch nicht erteilt oder von „jetzt auf gleich“ durch den Kläger bzw. die zu betreuende Familie beendet wurde, wobei nicht feststellbar ist, dass dies während der kurzen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 für den Kläger der Fall gewesen sein könnte. Andererseits war es der Auftragnehmerin möglich, durch individuelle Abreden den Leistungsumfang zu erhöhen und insoweit bilateral abzurechnen.

    118
     
    Hinter all diese für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände zurücktreten kann der Umstand, dass der Kläger ‒ und nicht die Beigeladene zu 1 ‒ die Aufträge akquirierte, weil er jene damit lediglich an die Beigeladene zu 1 vermittelte und in diesem Zusammenhang für diese den Kontakt zu den Betreuten herstellte (vgl. BSG, a.a.O.). Letztere war damit im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses als Subunternehmerin tätig, was bei einer Tätigkeit wie der einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin grundsätzlich ebenso möglich ist wie die Ausübung im Rahmen einer Beschäftigung (vgl. BSG, a.a.O.).

    119
     
    Da nach Abwägung aller Umstände vorliegend im streitgegenständlichen Zeitraum bzw. in den streitgegenständlichen Zeiträumen nicht von einer abhängigen Beschäftigung, sondern von einer selbstständigen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 für den Kläger auszugehen ist, fehlt es insoweit an einem Anknüpfungspunkt für die von der Beklagten festgestellte Sozialversicherungspflicht.

    120
     
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 2 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung

    121
     
    Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.