Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 19.12.2024 · IWW-Abrufnummer 245491

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 17.10.2024 – 4 K 1042/23

    1. Für den schenkungsteuerbaren erstmaligen Übergang von Vermögen des Stifters auf eine von ihm errichtete Familienstiftung wird die Steuerklasse gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG allein nach dem Verwandtschaftsverhältnis des Stifters zu den (potentiellen) Berechtigten laufender Bezüge aus der Stiftung (sog. Bezugsberechtigten) ermittelt.

    2. Welche Personen bei Auflösung der Stiftung als sog. Anfallsberechtigte das dann ggf. noch vorhandene Restvermögen erhalten würden, ist bei der Bestimmung des "entferntest Berechtigten" unbeachtlich.


    Finanzgericht Rheinland-Pfalz 4. Senat, Urt. vom 17.10.2024, Az. 4 K 1042/23

    Tenor

    1. Der Schenkungsteuerbescheid vom 31. Oktober 2022 für den Übergang von Vermögen des Herrn T. auf die Klägerin wird unter Aufhebung der hierauf ergangenen Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2023 dahin geändert, dass der steuerpflichtige Erwerb unter Anwendung eines Freibetrags von 100.000 Euro berechnet und die Schenkungsteuer auf 0 Euro herabgesetzt wird.

    2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

    3. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    1
    Strittig ist, ob für die schenkungsteuerliche Behandlung der Zahlung des Grundstockvermögens zu einer Familienstiftung bei der Bestimmung der Steuerklasse gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG hinsichtlich des Begriffs „Berechtigter“ allein auf das Verwandtschaftsverhältnis des Stifters zu dem/den Bezugsberechtigten der Klägerin abzustellen ist, wie die Klägerin dies fordert, oder ob auch das Verwandtschaftsverhältnis zu etwaigen Anfallsberechtigten zu berücksichtigen ist, wie der Beklagte dies vertritt. Dies wirkt sich im Streitfall auf die Höhe des anzuwendenden Freibetrags nach § 16 ErbStG und damit auf die Frage aus, ob für den Streitfall eine über den Betrag von 0 Euro hinausgehende Schenkungsteuer festgesetzt werden konnte.

    2
    Die Klägerin ist eine rechtsfähige Familienstiftung des privaten Rechts, die durch Herrn T. mit Satzung vom 22. März 2021 errichtet wurde. Die Klägerin sollte mit einem anfänglichen Grundstockvermögen in Höhe von 25.000 Euro ausgestattet werden. Die Satzung der Klägerin hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

    3        
    § 1. Name, Rechtsform und Sitz

                            (1)     Die Stiftung führt den Namen „S ‒ Stiftung“.

                            (2)     Sie ist eine rechtsfähige private Stiftung des bürgerlichen Rechts.

                            (3)     Sitz der Stiftung ist L. (…)

                                                          
    § 2. Stiftungszwecke

                            (1)     Zweck der Stiftung ist die ideelle und finanzielle Unterstützung folgender Personen:

                                        1.    des Stifters, T.;

                                        2.    der Ehefrau des Stifters (…)

                                        3.    der Tochter (…)

                            (2)     Nach ihrem Ableben treten an die Stelle der Tochter (…) deren leibliche Abkömmlinge.

                            (…)    

                            (4)     Die Stiftungszwecke werden insbesondere verwirklicht durch:

                                        1.    die finanzielle Förderung der Begünstigten,

                                        2.    die ideelle und finanzielle Förderung der Berufsausbildung, des Studiums, der und (sic!) beruflichen Existenzgründung der leiblichen Nachkommen der Tochter des Stifters,

                                        3.    Gemeinsame Erlebnisse, Feste, Veranstaltungen und Reisen sowie regelmäßige Familientreffen,

                                        4.    die Gewährung von Zuschüssen zu den Kosten für Gesundheit (…),

                                        5.    die Gewährung von Zuschüssen zu den Kosten für die Zahlung von Erbschaftsteuern sowie Beerdigungskosten und Grabpflege.

                
    § 3. Stiftungsvermögen

                            (1)     Das gesamte Vermögen der Stiftung besteht aus

                                        1.    dem anfänglichen Grundstockvermögen nach Maßgabe des Stiftungsgeschäfts,

                                        2.    Zustiftungen zum Grundstockvermögen,

                            (…)     

                                                
                
    § 4. Stiftungsmittel

                            (1)     Die Stiftung erfüllt ihre Aufgaben aus

                                        1.    den Erträgen des Stiftungsvermögens,

                                        2.    sonstigen Zuwendungen, soweit diese nicht ausdrücklich zur Erhöhung des unantastbaren Stiftungsvermögens bestimmt sind (= Spenden),

                                        3.    Umschichtungsgewinne[n], soweit sie zur Erfüllung der Stiftungszwecke bestimmt worden sind.

                            (2)     Ein Rechtsanspruch auf Leistungen der Stiftung besteht ‒ auch nach wiederholter Gewährung von Leistungen ‒ nicht.

                                                
                
    § 6. Stiftungsvorstand

                            (1)     Der Vorstand besteht aus 1 ‒ 3 Mitgliedern.

                            (2)     Erstes Mitglied des Vorstandes ist der Stifter, Herr T. (…)

                            (4)     Zu Lebzeiten des Stifters und nach Anerkennung der Stiftung werden die Mitglieder des Vorstandes durch den Stifter berufen. Soweit der Stifter verstirbt oder objektiv nicht mehr in der Lage oder willens sein sollte, von seinem Bestellungsrecht Gebrauch zu machen, geht dieses Recht auf Frau S. (…) alleine über.

                            (…)     

                
    § 9. Satzungsänderungen (…)

                            (1)     Der Stifter ist zu seinen Lebzeiten berechtigt, diese Satzung zu ändern. (…)

                
    § 10. Vermögensanfall

                            Bei Aufhebung oder Auflösung der Stiftung fällt das Stiftungsvermögen an den Stifter, sofern dieser dann noch leben sollte. Sofern bei Aufhebung oder Auflösung der Stiftung der Stifter nicht mehr leben sollte, fällt das Stiftungsvermögen zu gleichen Teilen an die Ehefrau des Stifters und die Tochter des Stifters.

                            Sofern bei Aufhebung oder Auflösung der Stiftung der Stifter und seine Ehefrau nicht mehr leben sollten, fällt das Stiftungsvermögen an die Tochter des Stifters.

                            Sofern bei Aufhebung oder Auflösung der Stiftung der Stifter und seine Ehefrau sowie die Tochter nicht mehr leben sollten, fällt das Stiftungsvermögen an die leiblichen Kinder der Tochter des Stifters, sofern vorhanden.

                            Sofern bei Aufhebung oder Auflösung der Stiftung der Stifter und seine Tochter nicht mehr leben sollten und sofern die Tochter bei ihrem Ableben keine leiblichen Kinder hatte, fällt das Stiftungsvermögen an die Ehefrau des Stifters und an Frau S. zu gleichen Teilen.

                            Sofern bei Aufhebung oder Auflösung der Stiftung der Stifter, seine Ehefrau, seine Tochter sowie Frau S. nicht mehr leben sollten und sofern die Tochter bei ihrem Ableben keine leiblichen Kinder haben sollte, fällt das Stiftungsvermögen an die …, eingetragen im Handelsregister (…).“

    4
    Die Klägerin wurde durch die zuständige Stiftungsbehörde am 7. April 2021 anerkannt.

    5
    Mit einem auf den 8. April 2021 datierten Schriftstück beschloss der Stifter gemäß § 9 der Satzung eine Satzungsänderung dahingehend, dass in § 10 der Satzung die Absätze 4 und 5 ersatzlos gestrichen werden.

    6
    Durch Übergabe der Anerkennungsurkunde vom 7. April 2021 an den Stifter entstand die Klägerin am 15. April 2021 als rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts, dies jedoch noch mit der zunächst beurkundeten und sodann durch die zuständige Stiftungsbehörde anerkannten Satzungsfassung vom 22. März 2021.

    7
    Am 20. Juni 2021 zahlte der Stifter zur Erfüllung des Stiftungsgeschäfts 25.000 Euro auf das Bankkonto der Klägerin.

    8
    Am 29. September 2021 gab Frau S. eine „Verzichtserklärung“ dahingehend ab, dass sie auf die Zuwendungen aus der Klägerin im Falle des Vermögensanfalls (§ 88 BGB) verzichte.

    9
    Mit einem auf den 8. Juni 2022 datierten Schriftstück beschloss der Stifter eine weitere Satzungsänderung dahingehend, dass in § 1 der Satzung der Sitz der Klägerin von L. nach I. (Hessen) verlegt werde.

    10
    In einem ersten, nicht verfahrensgegenständlichen Schenkungsteuerbescheid vom 20. Juli 2022 setzte der Beklagte zunächst Schenkungsteuer gegen die Klägerin für den Übergang von Vermögen des Stifters auf die Klägerin zum Stichtag 15. April 2021 fest. Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein und stellte hilfsweise einen Antrag nach § 29 ErbStG.

    11
    Mit einem auf den 19. August 2022 datierten Schriftstück beschloss der Stifter unter Bezugnahme auf die Verzichtserklärung der Frau S. vom 29. September 2021 eine Satzungsänderung dahingehend, dass anstelle der Frau S. das Tierheim H. (gemeinnützige Einrichtung i.S.d. § 52 Abs. 2 Nr. 14 AO) als Anfallsberechtigter gemäß § 88 BGB bestimmt werde. Am Folgetag, dem 20. August 2022, übersandte der Klägervertreter das Schreiben an den Beklagten mit der Erläuterung, dass damit die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erfüllt seien mit der Folge, dass die Steuer erlösche. Auch die dort genannte Frist von 24 Monaten sei eingehalten.

    12
    Mit Schreiben vom 19. Oktober 2022 teilte die zuständige Stiftungsbehörde dem Beklagten mit, dass der Stifter seinen Antrag auf Anerkennung der mit Schriftstück vom 8. April 2021 beabsichtigten Satzungsänderung (ersatzlose Streichung der Absätze 4 und 5 in § 10 der Satzung) zurückgenommen habe. Die Satzungsänderung vom 8. Juni 2022 betreffend die Sitzverlegung werde jedoch anerkannt und sei ab Bekanntgabe der Anerkennung an die Klägerin in Kraft getreten.

    13
    Mit Aufhebungsbescheid vom 31. Oktober 2022 hob der Beklagte zunächst den auf den Stichtag 15. April 2021 ergangenen Schenkungsteuerbescheid gegen die Klägerin auf und erließ gegen sie taggleich einen ‒ im Übrigen inhaltsgleichen ‒ Schenkungsteuerbescheid vom 31. Oktober 2022 auf den Vermögensübergang zum Stichtag 20. Juni 2021 als dem Tag der Einzahlung des Grundstockvermögens. Darin setzte der Beklagte für den Übergang von Vermögen des Stifters auf die Klägerin einen schenkungsteuerbaren Erwerb in Höhe von 25.000 Euro an. Auf den steuerpflichtigen Erwerb wandte der Beklagte die Steuerklasse III an, zog daher jeweils nur einen Freibetrag in Höhe von 20.000 Euro ab, wandte auf den verbleibenden steuerpflichtigen Erwerb von 5.000 Euro einen Steuersatz von 30% an und setzte schließlich die Schenkungsteuer für den Erwerb auf 1.500 Euro (30% von 5.000 Euro) fest. Dem Bescheid war als Anlage ein Hinweis auf den zugewandten Betrag „lt. Erklärung“ beigefügt.

    14
    Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein und rügte zunächst die örtliche Unzuständigkeit des Beklagten für den Erlass des angegriffenen Bescheids, weil die Klägerin vor Erlass des Bescheids bereits ihren Sitz von L. (Rheinland-Pfalz) nach I. (Hessen), also außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Beklagten verlegt habe. Zudem trug sie sinngemäß weiter vor, dass der Bescheid auch in der Sache rechtswidrig sei, weil der Beklagte zu Unrecht nur von einem Freibetrag in Höhe von 20.000 Euro ausgegangen sei. Die Anfallsberechtigung sei durch den Vorstandsbeschluss der Klägerin vom 8. April 2021 neu ‒ nämlich unter Streichung von § 10 Absätze 4 und 5 der ursprünglichen Satzung ‒ geregelt und auch in dieser Fassung durch die Stiftungsbehörde anerkannt worden. Die dort zunächst benannte (familienfremde) Frau S. sei daher keine Anfallsberechtigte mehr. Überdies habe sie bereits im Voraus auf alle Ansprüche als Anfallsberechtigte verzichtet, sodass sie auch insofern nicht zu berücksichtigen sei. Als Anfallsberechtigte würden daher nur der Stifter, seine Ehefrau, die Tochter und deren leibliche Abkömmlinge in Betracht kommen. Damit komme als letzter Anfallsberechtigter nach § 88 BGB (a.F.) allenfalls noch der Staat in Betracht; wenn es hierauf jedoch ankomme, so fänden immer nur die Steuerklasse III und der Freibetrag von nur 20.000 Euro Anwendung. Dies könne gerade nicht gewollt sein. Wenn die Anfallsberechtigung berücksichtigt werde, widerspreche dies den Grundsätzen des Schenkungs- und Bewertungsrechts, wonach aufschiebend bedingte Erwerbe zunächst unberücksichtigt blieben; folgerichtig müssten Anfallsberechtigte auch deshalb bei der Ermittlung der Steuerklasse unberücksichtigt bleiben, weil gar nicht klar sei, ob es jemals zu einem derartigen Vermögensanfall kommen werde. Hilfsweise werde ein Antrag nach § 29 ErbStG gestellt.

    15
    Mit Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2023 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Der Beklagte sei nach § 35 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG für den Erlass des angegriffenen Bescheids zuständig, weil es auf die örtliche Zuständigkeit nach den Verhältnissen des Erwerbers zur Zeit des Erwerbs, d.h. auf den Sitz der Stiftung im Zeitpunkt des Erwerbs am 20. Juni 2021 ankomme. Zu diesem Stichtag habe die Klägerin ihren Sitz jedoch noch in L. (Rheinland-Pfalz) und damit im Zuständigkeitsbezirk des Beklagten gehabt; die erst im Jahr 2022 beschlossene und anerkannte Sitzverlegung nach I. (Hessen) sei demgegenüber unbeachtlich.

    16
    Der Schenkungsteuerbescheid sei auch materiell rechtmäßig. Er stelle zu Recht auf den Zuwendungsstichtag 20. Juni 2021 ab, weil erst zu diesem Zeitpunkt eine Zuführung des Vermögensgrundstocks zum Vermögen der Klägerin erfolgt sei. Überdies sei zu Recht ein Freibetrag von nur 20.000 Euro zu gewähren gewesen, weil bei der Bestimmung der Steuerklasse nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nicht nur die Bezugs-, sondern auch die Anfallsberechtigten der Stiftung in den Blick zu nehmen seien. Anfallsberechtigte der Klägerin könne auch eine Person sein, die nicht mit dem Stifter verwandt sei. Bei der Feststellung, wer die nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten seien, komme es nicht auf das Vorhandensein einklagbarer Ansprüche an; vielmehr seien alle Personen zu berücksichtigen, die nach der Satzung Vermögensvorteile erhalten könnten. Der Begriff des „Berechtigten“ sei dabei weit zu verstehen, fungiere hier als Oberbegriff für jegliche Art von Berechtigung und erfasse daher sowohl die (späteren) Bezugs- als auch die (späteren) Anfallsberechtigten einer Stiftung. Es könne für die Bestimmung des „Berechtigten“ im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG keinen Unterschied machen, ob der Empfänger von Stiftungsvermögen dieses Vermögen als Bezugs- oder als Anfallsberechtigter erwerbe.

    17
    Der Grund für diese Gleichbehandlung liege in den weit gefassten Regelungen des ErbStG zu den Erwerbstatbeständen, die mit Tatbeständen in §§ 3 und 7 ErbStG an den unentgeltlichen Vermögenstransfer unabhängig davon anknüpften, zu welchem Zweck eine derartige Zuwendung getätigt werde. Wenn aber der Zweck einer Zuwendung für die Erfassung als besteuerungswürdige Bereicherung nach den §§ 3 und 7 ErbStG irrelevant sei, so sei es auch ohne Bedeutung, ob der (spätere) Transfer des vom Stifter herrührenden Stiftungsvermögens an den Empfänger zweckgebunden zur Erfüllung des Stiftungszwecks erfolgen werde (so in den Fällen der Bezugsberechtigung) oder nicht (so in den Fällen der Anfallsberechtigung). Beide Erwerbsformen seien somit in gleicher Weise zu berücksichtigen, sodass als „Berechtigte“ sowohl die Bezugs- als auch die Anfallsberechtigten anzusehen seien.

    18
    Im Streitfall sei über die ursprüngliche Fassung der Satzung vom 22. März 2021 zu entscheiden. Zu diesem Zeitpunkt sei insbesondere Frau S. noch als Anfallsberechtigte bezeichnet und insofern für die Ermittlung des „entferntest Berechtigten“ nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG maßgeblich gewesen. Die Satzungsänderung vom 8. April 2021 sei nie wirksam, sondern später wieder zurückgenommen worden und sei daher für den Zuwendungsstichtag 20. Juni 2021 unbeachtlich. Auch die spätere Verzichtserklärung der Frau S. sei aufgrund des Stichtagsprinzips unbeachtlich. Soweit die Klägerin sich darauf berufe, dass bedingte Ereignisse ‒ und damit auch ein möglicher Vermögensanfall an Anfallsberechtigte wie Frau S. ‒ bei der Bestimmung der Steuerklasse nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nicht beachtlich seien, vermenge dies die Auslegung des § 15 Abs. 2 ErbStG unzulässigerweise mit der des § 4 BewG. Ein entsprechendes Vorgehen sei auch unpraktikabel, da die Finanzverwaltung dann die Familienstiftung „über Jahrzehnte im Auge behalten“ müsste.

    19
    Die Voraussetzungen des § 29 ErbStG, insbesondere des § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, lägen bereits deshalb nicht vor, weil noch kein Vermögen an eine gemeinnützige Organisation weitergegeben worden sei.

    20
    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.

    21
    Mit ihrer Klage wiederholt und vertieft die Klägerin ihr vorgerichtliches Vorbringen. Hinsichtlich der örtlichen Unzuständigkeit des Beklagten trägt die Klägerin ergänzend vor, mit den „Verhältnissen des Erwerbers zur Zeit des Erwerbs“ im Sinne des § 35 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG seien nicht die örtlichen Verhältnisse gemeint, da diese vom Schenkungsvertrag unabhängig seien. Überdies sei § 35 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG schon deshalb nicht anwendbar, weil es mangels Bedingungseintritts keine steuerbare Zuwendung an Frau S. gegeben habe (dazu sogleich vertiefend). Die Voraussetzungen nach § 35 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG lägen bereits deshalb nicht vor, weil sowohl der Stifter als auch die Klägerin im Inland ansässig seien. Folglich sei bereits ab dem 8. Juni 2022 ‒ dem Tag der satzungsändernden Sitzverlegung, für die eine Genehmigung der Stiftungsbehörde nicht erforderlich sei ‒ nicht der Beklagte, sondern das Finanzamt I. für den Erlass etwaiger Schenkungsteuerbescheide zuständig gewesen. Der Zuständigkeitswechsel sei eingetreten, sobald eines der beiden Finanzämter (d.h. entweder der Beklagte oder das Finanzamt I.) von der Sitzverlegung erfahren habe ‒ dies sei jedoch schon vor Erlass des angegriffenen Schenkungsteuerbescheids der Fall gewesen.

    22
    Zur Begründung in der Sache führt die Klägerin weiter aus, dass Frau S. zu keinem Zeitpunkt Destinatärin, d.h. Bezugsberechtigte der Klägerin gewesen sei und keinen Anspruch auf Leistungen nach § 2 Abs. 4 der Satzung gehabt habe. Sie habe in der Klägerin auch keine Funktion gehabt und sei nach der Satzungsänderung sowie aufgrund ihrer Ausschlagung auch keine Anfallsberechtigte des Vermögens der Klägerin mehr. Daher könne zu keinem Zeitpunkt Vermögen auf sie übergehen. Überdies sei der Anfall bedingt und entstehe erst mit der Auflösung der Stiftung; diese Bedingung sei jedoch noch nicht eingetreten und dürfe daher nach § 9 Abs. 1a ErbStG nicht berücksichtigt werden. Es liege keine Schenkung an sie vor, die versteuert werden müsste. Dass der Beklagte auf Frau S. abgestellt habe, sei zudem ermessensfehlerhaft, weil diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Fall des Vermögensanfalls gar nicht berücksichtigt worden wäre, sondern voraussichtlich werde die deutlich jüngere Tochter des Stifters anfallsberechtigt sein, wenn es überhaupt zur Auflösung der Klägerin komme. Auch dass das Vermögen dann noch 25.000 Euro betrage, sei pure Spekulation.

    23
    Überdies sei der angegriffene Bescheid durch Verweis auf eine Anlage, die nicht beigefügt sei, und aufgrund fehlender Erläuterungen zum Stichtag 20. Juni 2021 unzureichend begründet.

    24
    Die Klägerin beantragt,
    „die Einspruchsentscheidung des FA K. vom 18.1.23, Az.: …, sowie den Schenkungsteuerbescheid aufzuheben“,
    hilfsweise: die Revision zuzulassen.

    25
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    26
    Zur Begründung wiederholt und vertieft der Beklagte sein vorgerichtliches Vorbringen. Der Bescheid sei umfassend begründet, die als fehlend gerügte Anlage (Bl. 59 Schenkungsteuerakten) sei dem Bescheid als Anlage beigefügt gewesen. Der Beklagte sei auch örtlich zuständig gewesen. Dass nach dem 20. Juni 2021 als dem Zeitpunkt der Steuerentstehung eine Sitzverlegung erfolgt sei, sei nicht mehr für die Zuständigkeit zur Bescheidung des schenkungsteuerbaren Vorgangs vom 20. Juni 2021, sondern erst für ab der Sitzverlegung verwirklichte Besteuerungstatbestände und insbesondere für die Folgebesteuerung etwaiger Ersatzerbschaften nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG relevant. Der Erwerb vom 20. Juni 2021 sei auch nicht von einer Bedingung oder einem künftigen Ereignis abhängig gewesen, sodass der gegenteilige Einwand der Klägerin zu § 4 BewG ins Leere gehe. Für die Steuerklassenbestimmung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG sei sowohl der Kreis der Bezugs- als auch der Anfallsberechtigten als „Berechtigte“ zu berücksichtigen.

    Entscheidungsgründe

    27
    Das Gericht legt den wörtlich gestellten Klageantrag ‒ der sprachlich das Klagebegehren einer Aufhebung der angegriffenen Bescheide nahelegt, aber in der inhaltlichen Begründung der Klage vorrangig die vorgenommene Steuerklassenbestimmung betrifft ‒ als Anfechtungsklage in Form der Abänderungsklage aus (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO), wodurch die schenkungsteuerbare und -pflichtige Erstausstattung der Klägerin in Höhe von 25.000 Euro dadurch einer effektiven Nichtbesteuerung unterfallen soll, dass auf sie statt des Freibetrags von 20.000 Euro der höhere Freibetrag von 100.000 Euro, der die Höhe der Zuwendung übersteigt, zur Anwendung gelangt und die Steuer mit 0 Euro festgesetzt wird.

    28
    Die derart verstandene Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten nach § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig und begründet. Der angegriffene Schenkungsteuerbescheid und die hierauf ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

    29
    I. Der angegriffene Bescheid und die hierauf ergangene Einspruchsentscheidung sind zwar entgegen der Auffassung der Klägerin formell rechtmäßig. Insbesondere war der Beklagte entgegen der Auffassung der Klägerin für den Erlass der angegriffenen Bescheide auch örtlich zuständig.

    30
    Das Gericht sieht insofern gemäß § 105 Abs. 5 FGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil es feststellt, dass es insoweit der Begründung der Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2023 folgt. Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass dem Grunde nach ein schenkungsteuerbarer und -steuerpflichtiger Vorgang am 20. Juni 2021 verwirklicht wurde, der durch die Zuführung von Grundstockvermögen vom Stifter an die Klägerin (und nicht etwa, wie die Klägerin den Beklagten versteht, durch eine bedingte Zuwendung der Klägerin an Frau S. an diesem Tag) verwirklicht wurde. Folglich sind die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG erfüllt und der Beklagte behält seine örtliche Zuständigkeit für den zu diesem Zeitpunkt verwirklichten Besteuerungstatbestand bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens. § 35 ErbStG enthält somit eine eigene Stichtagsregelung und es erfolgt kein Zuständigkeitswechsel im Sinne des § 26 AO (vgl. Hartmann in: Stenger/Loose, Bewertungsrecht - BewG/ErbStG/GrStG, 171. Lieferung August 2024, § 35 ErbStG Rn. 10). Der späteren Sitzverlegung der Klägerin kommt dabei keine Rückwirkung in dem Sinne zu, dass damit auch die vorher begründete örtliche Zuständigkeit des Beklagten hätte beseitigt werden können.

    31
    II. Allerdings sind der angegriffene Schenkungsteuerbescheid und die hierauf ergangene Einspruchsentscheidung materiell rechtswidrig.

    32
    Dies gilt ‒ entgegen der Auffassung der Klägerin ‒ jedoch nicht deshalb, weil die verfahrensgegenständlichen Regelungen in den Absätzen 4 und 5 des § 10 der ursprünglichen Satzung durch Satzungsänderung von 8. April 2021 aufgehoben worden wären oder dass durch Satzungsänderung vom 19. August 2022 anstatt der Frau S. das Tierheim H. (gemeinnützige Einrichtung i.S.d. § 52 Abs. 2 Nr. 14 AO) als Anfallsberechtigter bestimmt worden wäre. Es ist nämlich weder nach Aktenlage erkennbar noch durch die Beteiligten vorgetragen, dass die zuständige Stiftungsbehörde diese Satzungsänderungen genehmigt bzw. anerkannt hat, was zu deren Rechtswirksamkeit jedoch erforderlich gewesen wäre.

    33
    Allerdings hat der Beklagte bei der Bestimmung des „entferntest Berechtigten“ im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG bereits grundsätzlich zu Unrecht auch den Kreis der potentiell Anfallsberechtigten berücksichtigt, daher zu Unrecht nur die Steuerklasse III auf die verfahrensgegenständliche Grundstockzuwendung angewandt und auf die schenkungsteuerbare Zuwendungen in Höhe von 25.000 Euro einen zu geringen Freibetrag zur Anwendung gebracht. Inwiefern sich die nach dem Zuwendungsstichtag erfolgte Ausschlagung der Frau S. auf ihre Anfallsberechtigung auswirkte, konnte daher dahinstehen.

    34
    1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden der Übergang von Vermögen aufgrund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden. Aufgrund der im Streitfall erbrachten Leistungen in den Grundstock der Klägerin durch den Stifter, Herrn T., in Höhe von 25.000 Euro im Rahmen der Erstausstattung der Klägerin am 20. Juni 2021 ist der Beklagte im Streitfall dem Grunde und der Höhe nach zutreffend von einer grundsätzlich schenkungsteuerbaren und -pflichtigen Zuwendung an die Klägerin ausgegangen, für die nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG grundsätzlich auch die Klägerin die Steuerschuldnerin der Schenkungsteuer wäre.

    35
    2. Im Rahmen der Bestimmung der auf diese Zuwendung anzuwendenden Steuerklasse im Sinne des § 15 Abs. 1 ErbStG (die maßgeblich für den hierbei zu berücksichtigenden Freibetrag ist) ist der Besteuerung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG das Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zu dem Schenker zugrunde zu legen, sofern die Stiftung wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien im Inland errichtet ist. Hierbei sind jedoch ‒ entgegen der Auffassung des Beklagten ‒ aus Rechtsgründen nur mögliche Bezugsberechtigte, nicht aber auch mögliche Anfallsberechtigte im Auflösungsfall zu berücksichtigen.

    36
    a) Zu Recht behandelte der Beklagte die Klägerin als sog. Familienstiftung, weil sie in der Rechtsform einer Stiftung wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien im Inland errichtet war.

    37
    aa) Unter den „Interessen“ der begünstigten Familie sind Vermögensinteressen zu verstehen. Dazu gehören nicht nur Bezugsrechte und Anfallsrechte, sondern alle Vermögensvorteile, die die begünstigten Familien aus dem Stiftungsvermögen ziehen, wie etwa die unentgeltliche oder verbilligte Nutzung des Stiftungsvermögens (etwa der stiftungseigenen Immobilien zu Wohnzwecken), der Einsatz des Personals der Stiftungen für Arbeiten im Rahmen des eigenen Hausstandes und ‒ bei Stiftungen mit Kunstbesitz ‒ der Zustand, mit diesem zu leben und von ihm umgeben zu sein. Solange die Familie die gebundenen Kulturgüter nicht veräußern will, liegt deren Pflege und Erhaltung nicht nur im öffentlichen, sondern auch im Familieninteresse (vgl. BFH, Urteil vom 10. Dezember 1997 ‒ II R 25/94 ‒, BFHE 185, 58, BStBl II 1998, 114).

    38
    Das Familieninteresse ist dann „wesentlich“ im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG, wenn die Familie hinsichtlich der Ausschüttungen zu mehr als der Hälfte bezugs- oder anfallsberechtigt ist (vgl. R E 1.2 Abs. 2 Satz 1 ErbStR). Darüber hinaus nimmt die Finanzverwaltung ein wesentliches Familieninteresse bereits dann an, wenn der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge zu mehr als 25% hinsichtlich der Ausschüttungen bezugs- oder anfallsberechtigt sind und zusätzlich wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Stiftung entfalten können (vgl. R E 1.2 Abs. 2 Satz 2 und 3 ErbStR).

    39
    bb) Dies ist hier der Fall, da der Kreis der Bezugsberechtigten der Klägerin sich ausschließlich auf den Stifter, dessen Ehefrau, die Tochter und deren leibliche Abkömmlinge erstreckte und diesen Personen insbesondere eine (allgemeine) finanzielle Förderung, die ideelle und finanzielle Förderung der Berufsausbildung / des Studiums / der beruflichen Existenzgründung, gemeinsame Erlebnisse / Feste etc. sowie die Gewährung diverser Zuschüsse ermöglichen sollte, also ihnen den Bezug entsprechender Vermögensvorteile (zumindest in Form der Ersparnis eigener Aufwendungen) vermittelte.

    40
    b) Der „Berechtigte“ im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG entspricht dem nach der Stiftungssatzung „potentiell Begünstigten“, der durch den Erwerb von Vermögensvorteilen aus der Stiftung begünstigt sein kann. Eine Unterscheidung dahingehend, dass mit dem Begriff des „Berechtigten“ nur der sofort Anspruchsberechtigte gemeint ist und sich dieser vom „Begünstigten“, der erst später anspruchsberechtigt sein und dadurch zum (Anspruchs)Berechtigten werden soll, unterscheidet, ist der Norm nicht zu entnehmen. Bereits zu der mit § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nahezu wortgleichen Vorschrift des § 9 Abs. 2 des Erbschaftssteuergesetzes vom 20. Juli 1922 (RGBl. I 1922, 610) und der Neubekanntmachung vom 7. August 1922 (RGBl. I 1922, 695) entschied der Reichsfinanzhof (RFH), dass für die Bestimmung des „entferntest Berechtigten“ allein entscheidend sei, welche Personen nach der Satzung Vermögensvorteile (aller Art) aus der Stiftung erlangen können (RFH, Urteil vom 13.12.1926 - V e A 141/25, RFHE 20, 173). Eine Unterscheidung zwischen „sofort“ oder „später“ Berechtigtem/Begünstigtem wurde nicht getroffen. Diese Entscheidung ist auf die Auslegung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG übertragbar (BFH, Urteil vom 28. Februar 2024 ‒ II R 25/21 ‒, BFH/NV 2024, 993).

    41
    Bei der Bestimmung, wer „Berechtigter“ ist, ist nicht darauf abzustellen, ob die Person einen klagbaren Anspruch auf den Vermögensvorteil aus der Stiftung hat. Es kommt nicht darauf an, ob die nach der Stiftungssatzung „Berechtigten“ zum Zeitpunkt des Stiftungsgeschäfts schon geboren sind oder jemals geboren werden, denn eine solche Voraussetzung enthält der Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nicht. Der „Berechtigte“ muss im Zeitpunkt der Errichtung der Familienstiftung daher noch nicht unmittelbar bezugsberechtigt sein; ausreichend ist vielmehr, wenn er es erst in der Generationenfolge wird (BFH, Urteil vom 28. Februar 2024 ‒ II R 25/21 ‒, BFH/NV 2024, 993 mit weiteren Nachweisen).

    42
    Wer bei der einzelnen Familienstiftung als „Berechtigter“ und (erst Recht) als „entferntest Berechtigter“ anzusehen ist, ist der Formulierung in der jeweiligen Stiftungsurkunde zu entnehmen. Damit obliegt es dem Stifter, durch die Gestaltung der Stiftungsurkunde den Kreis der aus dem Stiftungsvermögen potentiell Begünstigten festzulegen. Dies ordnet bereits der Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG an, der von „nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten“ spricht (BFH, Urteil vom 28. Februar 2024 ‒ II R 25/21 ‒, BFH/NV 2024, 993). Mit „Stiftungsurkunde“ ist in diesem Zusammenhang nicht das von der Behörde ausgestellte Dokument über den Nachweis der rechtsfähigen Stiftung gemeint, sondern die Stiftungssatzung, in der der Stifter festlegt, wer als Destinatär anzusehen ist (Kugelmüller-Pugh, DStR 2024, 1296 (1299)).

    43
    c) Das Gericht geht davon aus, dass für die Auslegung von § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nur derjenige „Berechtigter“ und damit auch „entferntest Berechtigter“ sein kann, dem nach der Stiftungsurkunde eine Bezugsberechtigung eingeräumt wurde; wer hingegen im Fall der Auflösung oder Aufhebung der Familienstiftung der/die Anfallsberechtigte(n) sein soll(en), ist aus Rechtsgründen im Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG unbeachtlich (im Ergebnis wie hier: Högl in: Stenger/Loose, Bewertungsrecht ‒ BewG/ErbStG/GrStG, 171. Ergänzungslieferung Stand August 2024, § 15 ErbStG Rn. 73; Milatz/Christopeit, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 4. Auflage 2022, § 15 ErbStG Rn. 9; Hannes/Holtz, in: Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 18. Auflage 2021, § 15 ErbStG Rn. 21; Binz/Sorg, DStR 1994, 229 (230); Reich, DStR 2019, 1341 (1342)); Mehren, in: Schauhoff/Mehren, Stiftungsrecht nach der Reform, 2. Auflage 2024, Kap. 12 Rn. 19; Söffing, ErbStB 2020, 107 (110 f.); wohl auch Halaczinsky in: Daragan/Halaczinsky/Riedel, Praxiskommentar ErbStG und BewG, § 15 ErbStG Rn. 13; a.A. Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, 68. Ergänzungslieferung Stand März 2024, § 15 ErbStG Rn. 102; Gräfe, in: Erkis/Thonemann-Micker, BeckOK ErbStG, 24. Edition Stand 1. Juli 2024, § 15 ErbStG Rn. 98; Pauli, in: Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli, 3. Aufl. 2018, ErbStG § 15 Rn. 3; Oellerich, in: Werner/Saenger/Fischer, Die Stiftung, 2. Auflage 2019, § 39 Rn. 29; Holm, in: Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, Gemeinnützigkeitsrecht, 3. Auflage 2023, § 15 ErbStG Rn. 4; Blumers, DStR 2012, 1 (6); Lehmann, DStR 2024, 412).

    44
    aa) Leistungen aus einer Stiftung können zum einen an die sog. Bezugsberechtigten, die während der Dauer des Bestehens der Stiftung Leistungen aus dem Stiftungsvermögen erhalten (können) sollen, und zum anderen an die sog. Anfallsberechtigten, die das (Rest)Vermögen der Stiftung bei deren Auflösung erhalten, erbracht werden.

    45
    Eine Stiftung erlischt nicht automatisch, sondern erst aufgrund eines staatlichen Aktes, der ihr die im Anerkennungsverfahren verliehene Rechtsfähigkeit wieder entzieht. Selbst der vollständige und dauerhafte Verlust des Stiftungsvermögens führt nicht eo ipso zur Auflösung, sondern berechtigt nur zur Aufhebung (vgl. § 87 BGB a.F.; Hüttemann/Rawert, in: Staudinger (2017), § 88 BGB Rn. 2 mit weiteren Nachweisen).

    46
    Wem das im Fall einer derartigen Auflösung (eventuell) noch vorhandene restliche Stiftungsvermögen anfällt, bestimmt sich nach der bis zum 1. Juli 2023 geltenden Zivilrechtslage nach § 88 Satz 1 BGB a.F. Nach § 88 Satz 1 BGB a.F. fällt mit dem Erlöschen der Stiftung das Vermögen an die in der (Stiftungs)Verfassung bestimmten Personen, wenn dort solche Personen (z.B. Familienangehörige des Stifters, gemeinnützige Organisationen, familienfremde Personen o.Ä.). als Anfallsberechtigte benannt sind. Fehlt es an einer Bestimmung der Anfallsberechtigten, so fällt das Vermögen an den Fiskus des Landes, in dem die Stiftung ihren Sitz hatte, oder an einen anderen nach dem Recht dieses Landes bestimmten Anfallsberechtigten (§ 88 Satz 2 BGB a.F.). Somit hängen die weiteren Rechtsfolgen einer Aufhebung oder Auflösung der Stiftung entscheidend von der Person des Anfallsberechtigten ab: Ist der Landesfiskus anfallsberechtigt, führen Aufhebung oder Auflösung zugleich zur Beendigung des Rechtsträgers „Stiftung“, weil das Vermögen ohne Liquidationsverfahren im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Fiskus übergeht (§ 88 Satz 2 und Satz 3, § 46 BGB a.F.). In den anderen Fällen findet hingegen ein Liquidationsverfahren statt, bis zu dessen Abschluss die Stiftung ihre unbeschränkte Rechtsfähigkeit behält (Hüttemann/Rawert, in: Staudinger (2017), § 88 BGB Rn. 6 mit weiteren Nachweisen).

    47
    Die Regelung des § 88 BGB a.F. ist für den Streitfall auch noch die zivilrechtlich maßgebliche Rechtsgrundlage der Anfallsberechtigung, da es für die verfahrensgegenständlichen Zuwendungen an die Klägerin wegen des schenkungsteuerlichen Stichtagsprinzips auf die Zivilrechtslage im Zuwendungszeitpunkt ankommt (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Da der Zuwendungszeitpunkt im Streitfall vor Inkrafttreten der Neuregelungen im BGB durch Art. 1 des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom 16. Juli 2021 (BGBl I 2021, 2947) lag, sind für schenkungsteuerliche Zwecke noch die zuvor geltenden Regelungen des Stiftungsrechts, insbesondere die Regelung der Anfallsberechtigung nach § 88 BGB a.F. anzuwenden. Die zivilrechtliche Erstreckung der Neuregelungen zum 1. Juli 2023 auf bestehende Alt-Stiftungen wirkt weder materiell-zivilrechtlich noch materiell-steuerrechtlich zurück auf den Zeitpunkt der erstmaligen Vermögensausstattung der Klägerin.

    48
    bb) Das Finanzgericht Niedersachsen hat mit Gerichtsbescheid vom 19. Juli 20211 ‒ 3 K 5/21 ‒, EFG 2021, 1558, der die Vorentscheidung zur BFH-Entscheidung II R 25/21 bildete, offengelassen, ob der Anfallsberechtigte bereits bei der Bestimmung der Steuerklasse und des Steuersatzes zu berücksichtigen gewesen wäre. Andere Entscheidungen zu der streitgegenständlichen Frage sind ‒ soweit erkennbar ‒ noch nicht veröffentlicht.

    49
    cc) Eine reine Wortlautauslegung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG ergibt insofern keinen Hinweis, weil § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nur den „Berechtigten“ benennt, ohne weiter zu differenzieren, ob die Berechtigung sich auf die Dauer des Bestehens der Stiftung beschränkt oder auch im Sinne einer Anfallsberechtigung für den Fall der Auflösung der Stiftung bestehen kann (so auch: Söffing, ErbStB 2020, 107 (109)).

    50
    Die in Bezug genommene Vorschrift § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG definiert nur den steuerbaren Vermögensübergang, trifft aber keine weiteren Aussagen zur nachfolgenden schenkungsteuerlichen Behandlung.

    51
    dd) Die systematische Auslegung spricht jedoch insgesamt dafür, zwischen der Steuersatzprivilegierung für Bezugsberechtigte nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG und der Regelung für Anfallsberechtigte nach § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG klar zu trennen und Personen, denen an der Familienstiftung lediglich eine Anfallsberechtigung zukommt, deshalb nicht in den Kreis der „Berechtigten“ im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG einzubeziehen:

    52
    (1) Für den Streitfall nicht weiterführend ist die teilweise vertretene Auffassung, wonach aus der Steuerbefreiung für Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchstabe b) ErbStG die Wertung abgeleitet werden könne, dass der Anfallsberechtigte jedenfalls dann nicht im Rahmen des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG berücksichtigt werde, wenn er eine gemeinnützige Stiftung sei. Anderenfalls ‒ so wird dies bisweilen begründet ‒ führe dies dazu, dass gemeinnützige Körperschaften nicht mehr in Stiftungssatzungen als Anfallsberechtigte vorgesehen würden, was der Intention des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde, die Dotierung von gemeinnützigen Stiftungen zu fördern (von Oertzen/Friz, BB 2014, 87 (88); Reich, DStR 2019, 1341 (1342)).

    53
    Ungeachtet der in der Literatur zu Recht problematisierten Herausforderungen, die sich aus einer fehlenden verfahrensrechtlichen Abstimmung zwischen gemeinnützigkeitsrechtlichem Freistellungsbescheid und Schenkungsteuerbescheid bei Wegfall der Gemeinnützigkeit ergäben und die eine fortwährende Überwachung der Gemeinnützigkeit der Stiftung durch das Schenkungsteuerfinanzamt zur Folge haben müssten (so zu Recht: Lehmann, DStR 2024, 412 (413 f.)), ist im Streitfall der Klägerin gerade keine gemeinnützige Organisation als Anfallsberechtigte wirksam benannt, weil die Satzungsänderung zur Einsetzung des Tierheims H. nicht durch die Stiftungsbehörde anerkannt wurde.

    54
    Aus § 13 ErbStG lassen sich überdies keine Anhaltspunkte für die Klärung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage gewinnen, ob die Anfallsberechtigung zwar grundsätzlich im Rahmen des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG zu berücksichtigen und sodann nur durch die Wertungen des § 13 ErbStG zu modifizieren wäre, oder ob die Anfallsberechtigung im Rahmen des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG bereits grundsätzlich nicht zu berücksichtigen ist.

    55
    (2) Bei systematischer Auslegung zeigt jedoch die in § 15 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ErbStG verwendete explizite Verweisung auf § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG und die zugleich in § 15 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ErbStG vorgenommene tatbestandliche Einschränkung „sofern die Stiftung wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien (…) errichtet ist“ (die insofern der Legaldefinition des Begriffs gemäß § 13a Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG entspricht), dass das ErbStG eine eigenständige erbschaft- und schenkungsteuerrechtliche Legaldefinition des Begriffs „Familienstiftung“ vornimmt.

    56
    Nach Auffassung des Gerichts spricht dies dafür, dass die für Zwecke des Außensteuerrechts verwendete Legaldefinition des § 15 Abs. 2 AStG, die bei Familienstiftungen sowohl den Kreis der bezugs- als auch der anfallsberechtigten Personen berücksichtigt, nicht auf die Auslegung der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Vorschrift nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG übertragbar ist.

    57
    Weiter zeigt das vorgenannte Normverhältnis von § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG zu § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG, der sich nur auf die Erstausstattung einer rechtsfähigen Stiftung bezieht, dass sich auch der Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nur auf die erstmalige Vermögensausstattung von Familienstiftungen beziehen soll.

    58
    Zugleich besteht mit § 15 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG eine Sonderregelung zur Bestimmung der Steuerklasse für den Vermögensanfall bei Auflösung der Stiftung.

    59
    Aufgrund dieser nebeneinander stehenden Regelungen für die Errichtung bzw. die Auflösung einer Familienstiftung in § 15 Abs. 2 Satz 1 bzw. Satz 2 ErbStG erscheint es nicht überzeugend, dass die nur in § 15 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG benannte Konstellation der Anfallsberechtigung ‒ sogar ohne ausdrücklichen Hinweis im Normtext ‒ Auswirkungen auf die systematisch davon grundlegend zu unterscheidende Frage der Bestimmung der Steuerklasse bei der Errichtung der Stiftung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG haben kann oder sogar soll.

    60
    Der Anfallsberechtigte erwirbt vielmehr erst bei Auflösung bzw. Aufhebung der Stiftung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG vom Stifter als Schenker (§ 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG). Hierbei handelt es sich um einen von der Stiftungserrichtung zu unterscheidenden Erwerbsvorgang. Solange die Stiftung besteht, wird der Anfallsberechtigte nicht begünstigt. Dies spricht dafür, den Anfallsberechtigten nicht bei der Feststellung der Steuerklasse für die Stiftungserrichtung zu berücksichtigen und ihn nicht als Berechtigten im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG zu betrachten (so auch Söffing, ErbStB 2020, 107 (110); Billig, UVR 2024, 176 (179 f.)).

    61
    ee) Für dieses Ergebnis spricht auch eine historische Auslegung:

    62
    (1) Bereits in § 3 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1951 (BGBl. I 1951, S. 764) fand sich eine Schenkungsfiktion für das Vermögen, das bei Aufhebung einer Stiftung erworben wurde und bei dem nach § 9 Abs. 2 Halbsatz 1 ErbStG 1951 als Schenker der „zuletzt Berechtigte“ galt. Dies wurde ganz überwiegend so ausgelegt, dass als zuletzt Berechtigter im Sinne dieser Vorschrift der aus der Stiftung zuletzt Bezugsberechtigte anzusehen war (BFH, Urteil vom 23. April 1954 ‒ III 211/52 S ‒, BFHE 58, 701, BStBl III 1954, 178 mit weiteren Nachweisen).

    63 Zugleich wurde in § 3 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG 1951 eine Schenkung fingiert für den Übergang von Vermögen aufgrund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden. In § 9 Abs. 2 Halbsatz 2 ErbStG 1951 fand sich sodann ein mit § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG vergleichbares Steuersatzprivileg, wonach bei der Besteuerung das Verwandtschaftsverhältnis des „entferntest Berechtigten“ entscheidend sei. Dass der Gesetzgeber die in beiden Teilvorschriften des § 9 Abs. 2 ErbStG 1951 benutzten Begriffe des „Berechtigten“ unterschiedlich, nämlich bei Halbsatz 1 nur unter Berücksichtigung der Bezugsberechtigten und bei Halbsatz 2 auch unter Berücksichtigung der Anfallsberechtigten auslegen wollte, ist nicht erkennbar.

    64
    (2) Eine mit § 9 Abs. 2 Halbsatz 2 ErbStG 1951 wortgleiche Regelung zum Steuerklassenprivileg für Familienstiftungen wurde sodann in § 10 Abs. 2 Halbsatz 2 ErbStG 1959 (BGBl. I 1959, S. 187) übernommen. Zur Auslegung des Merkmals „Berechtigte“ gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend.

    65
    (3) Schließlich war die Regelung des § 10 Abs. 2 Halbsatz 2 ErbStG 1959 zwar nicht im Wortlaut, aber in ihrem wesentlichen Regelungsgehalt als § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG-E im Art. 2 des Entwurfs eines Zweiten Steuerreformgesetzes vom 1. März 1972 (BT-Drucksache VI/3418, S. 16 und 59 ff.) und ‒ nach vorzeitiger Auflösung des Bundestags ‒ erneut im Entwurf eines Zweiten Steuerreformgesetzes vom 25. Januar 1973 enthalten, wobei die vormalige Begründung fortgelten sollte (BT-Drucksache 7/78, S. 17 und 45).

    66
    In diesem Zusammenhang wurde die Regelung allerdings im Wortlaut neu gefasst, indem zunächst die Besteuerung bei Errichtung einer Familienstiftung (§ 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG-E 1974) und danach die Besteuerung bei ihrer Aufhebung behandelt wurde (§ 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG-E 1974). Die zunächst vorgesehene Regelung des Regierungsentwurfs zu § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG-E 1974 (der im Grundsatz der vorher geltenden Regelung in § 10 Abs. 2 Halbsatz 2 ErbStG 1959 entsprach) hatte noch folgenden Wortlaut (BT-Drucksache 7/78, S. 17 und 45 i.V.m. BT-Drucksache VI/3418, S. 16):

    67
    „(2) In den Fällen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 und des § 7 Abs. 1 Nr. 8 ist der Besteuerung das Verwandtschaftsverhältnis des nach, der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zu dem Erblasser oder Schenker, mindestens der Vomhundertsatz der Steuerklasse II zugrunde zu legen, sofern die Stiftung wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien im Inland errichtet ist. In den Fällen des § 7 Abs. 1 Nr. 9 gilt als Schenker der Stifter oder derjenige, der das Vermögen auf den Verein übertragen hat; der Besteuerung ist mindestens der Vomhundertsatz der Steuerklasse II zugrunde zu legen.“ (Hervorhebung durch das Gericht)

    68
    Vorgesehen war also zunächst, dass der Übergang des Vermögens auf die Familienstiftung mindestens nach Steuerklasse II zu versteuern gewesen wäre. Dies erschien der Bundesregierung gerechtfertigt, weil zum einen mit der Bindung von Vermögen in einer Familienstiftung ohnehin nicht unerhebliche Erbschaftsteuervorteile verbunden waren, und um zum anderen auszuschließen, dass sich weitere, von der Sache her nicht gerechtfertigte Vorteile dadurch erreichen lassen, dass als bezugsberechtigt zunächst nur die Kinder genannt werden (sodass nur die Steuerklasse I anzuwenden wäre) und zu einem späteren Zeitpunkt durch Satzungsänderung die Bezugsberechtigung schlechthin auf Abkömmlinge ausgedehnt werde (worauf eigentlich die Steuerklasse II maßgeblich wäre), während für eine Stiftung, die von vornherein zugunsten von Abkömmlingen errichtet wird, Steuerklasse II maßgebend sei (BT-Drucksache 7/78, S. 45 i.V.m. BT-Drucksache VI/3418, S. 69).

    69
    Zudem wurden in § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG-E 1974, der § 10 Abs. 2 Halbsatz 1 ErbStG 1959 entsprach, zwei sachliche Änderungen zur vorherigen Rechtslage vorgenommen. So sollte bei Aufhebung einer Stiftung künftig nicht mehr der „zuletzt Berechtigte", sondern stattdessen der „Stifter“ als Schenker gelten. Mit dieser Änderung sollte als Reaktion auf ein gegenteiliges BFH-Urteil sichergestellt werden, dass der bei Aufhebung einer Stiftung erfolgende Übergang des Stiftungsvermögens künftig auch dann der Schenkungsteuer unterlag, wenn das Vermögen dem zuletzt Berechtigten anfiel. Diese Regelung bedeutete immer noch eine Vergünstigung für Familienstiftungen, da der Vermögensübergang ohne eine Sonderregelung für diesen Besteuerungsbestand stets nach der ungünstigsten Steuerklasse zu versteuern wäre. Bei der nunmehr vorgesehenen Regelung sei dagegen bei Aufhebung einer Familienstiftung, die ausschließlich zugunsten von Abkömmlingen errichtet worden ist, Steuerklasse II anzuwenden (BT-Drucksache 7/78, S. 45 i.V.m. BT-Drucksache VI/3418, S. 69).

    70
    Allerdings schlug der Finanzausschuss des Bundestages im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens vor, in einem neuen § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG-E 1974 die der Erbschaftsteuer unterliegenden Grundtatbestände um eine turnusmäßige Steuerpflicht für das Vermögen der Familienstiftungen und der ihnen entsprechenden Vereine zu erweitern. Zudem sollten in § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG-E 1974 die Worte „mindestens der Vomhundertsatz der Steuerklasse II" gestrichen werden. Die Streichung habe zur Folge, dass der Vermögensübergang bei Errichtung einer Familienstiftung zugunsten von Abkömmlingen, die nur in der Folge des Generationswechsels bezugsberechtigt seien, statt nach den Steuersätzen der Steuerklasse II nach den wesentlich niedrigeren Steuersätzen der Steuerklasse I zu versteuern seien. Dies sei eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem geltenden Recht, die im Hinblick darauf vorgesehen worden sei, dass das Vermögen der Familienstiftung künftig einer turnusmäßigen Besteuerung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG-E 1974 unterliegen solle (BT-Drucksache 7/1329, S. 4 und 18; BT-Drucksache 7/1333, S. 4 und 5).

    71
    In dieser Form wurden die in der BT-Drucksache 7/78 enthaltenen und gemäß der BT-Drucksache 7/1333 zur Änderung vorgeschlagenen Regelungen zur Ersatzerbschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974 sowie die neu gefasste Regelung zum Steuersatzprivileg nach § 15 Abs. 2 ErbStG 1974 als Teilregelungen durch „Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts“ durch den Bundestag beschlossen (vgl. Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll der 69. Sitzung der siebten Wahlperiode vom 6. Dezember 1973, S. 4113 und 4124 f.). Nach anfänglicher Verweigerung der Zustimmung durch den Bundesrat und anschließender Anrufung des Vermittlungsausschusses bestätigte dieser das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts in der vorgenannten Fassung schließlich (BT-Drucksache 7/1600), sodass es dann auch in dieser Fassung in BGBl. I 1974, S. 933 ausgefertigt wurde.

    72
    (4) § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG 1974 entspricht ‒ abgesehen von einer geringfügigen sprachlichen Änderung durch Streichung des Artikels „des“ in dem Satzteil „In den Fällen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 und des § 7 Abs. 1 Nr. 8“ ‒ der heutigen Gesetzesfassung.

    73
    (5) Ausgehend von dieser Gesetzgebungshistorie, erkennt das Gericht die klare gesetzgeberische Intention, im Rahmen des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG allein den Kreis der Bezugsberechtigten zu betrachten. Dies zeigt sich bereits daraus, dass in der zunächst vorgesehenen Regelung des § 15 Abs. 2 ErbStG-E 1974 (BT-Drucksache 7/78, S. 45 i.V.m. BT-Drucksache VI/3418, S. 69) nur missbräuchliche Gestaltungen im Hinblick auf die Bezugsberechtigten ausgeschlossen werden sollten. Die Anfallsberechtigten standen damit nicht im Fokus der gesetzgeberischen Betrachtung, obwohl auch insofern Missbrauchsmöglichkeiten denkbar gewesen wären.

    74
    Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien ist die Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG zudem im Hinblick auf die zeitgleich eingeführte Regelung vorgesehen worden, wonach das Vermögen der Familienstiftung künftig einer turnusmäßigen Besteuerung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegen sollte. Beide Regelungen sind also aufeinander abgestimmt. Wäre indes bereits bei der Besteuerung der Erstausstattung einer Stiftung auch auf die potentielle Anfallsberechtigung abzustellen ‒ die aus den vorgenannten Gründen begünstigt behandeln werden sollte ‒, käme es in nahezu sämtlichen Fällen zu einer Zuweisung der Erstausstattung zu der schlechtesten Steuerklasse. Dies war aus den vorgenannten Gründen indes nicht gewollt. So sollte die Steuersatzprivilegierung die steuerlichen Nachteile der durch § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG begründeten Erbfallfiktion abmildern. Wäre bei der Betrachtung des Berechtigten nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG zusätzlich noch auf den Anfallsberechtigten abzustellen und käme es daher in aller Regel zur Anwendung der Steuerklasse III, läge nicht nur keine Privilegierung, sondern im Gegenteil sogar die schlechtestmögliche erb- bzw. schenkungsteuerliche Gesamtbelastung vor. Eine solche Besteuerungsfolge war durch den Gesetzgeber jedoch gerade nicht gewollt.

    75
    Indem der Gesetzgeber im Zuge der Neuregelung des § 15 Abs. 2 durch das ErbStG 1974 gerade nicht mehr auf den „zuletzt Berechtigten“, sondern stattdessen auf den „Stifter“ als (fingierten) Schenker des durch Anfall erworbenen Vermögens abstellte, hat er eine bewusste Trennung zwischen den ‒ § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG unterfallenden ‒ Bezugsberechtigten und den ‒ § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG unterfallenden ‒ Anfallsberechtigten vorgenommen. Auch dies spricht für eine Auslegung dahingehend, dass sich § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nur auf die Frage der Bezugsberechtigung beschränken wollte, während der Gesetzgeber die Frage der Anfallsberechtigung abschließend in § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG regeln wollte.

    76
    ff) Schließlich spricht die teleologische Auslegung gegen eine Berücksichtigung der Anfallsberechtigten im Rahmen des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG:

    77
    Die Errichtung einer Familienstiftung soll typischerweise familienrechtlich die finanzielle Versorgung nachfolgender Generationen sicherstellen. Erbschaftsteuerrechtlich bietet sie durch § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG die Möglichkeit, bei potentieller Begünstigung auch von in der Generationenfolge zeitlich weiter entfernten direkten Abkömmlingen durch entsprechende Gestaltung des Stiftungsgeschäfts höhere Freibeträge zu erhalten, als wenn bei der ersten Übertragung von Vermögen auf die Stiftung auf das Verhältnis des Stifters zu der Stiftung selbst abzustellen und beide als fremde Dritte anzusehen wären (BFH, Urteil vom 28. Februar 2024 ‒ II R 25/21 ‒, BFH/NV 2024, 993).

    78
    Dieses Gesetzgebungsziel würde unterlaufen, wenn der Stifter in dem Stiftungsgeschäft zwar seine Familienmitglieder als Bezugsberechtigte benannt und damit dem Förderzweck der Vorschrift entsprochen, aber gar keine Regelung zur Anfallsberechtigung getroffen hat mit der Folge, dass dann nach § 88 BGB a.F. stets ein Bundesland und damit stets ein nicht mit dem Stifter verwandter Rechtsträger der Anfallsberechtigte der Stiftung würde. Gleiches gilt, wenn als potentielle Anfallsberechtigte benannte Abkömmlinge vor der Auflösung der Stiftung versterben, sodass die Anfallsberechtigung ins Leere geht und gleichwohl eine Anfallsberechtigung des Staates ausgelöst wird. Denn dann würde bereits für die gesamte Erstausstattung der Stiftung über die Verweisung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG stets nur die Steuerklasse III und nur ein Freibetrag in Höhe von nur 20.000 Euro gewährt und die Stiftungsgründung maximal belastet (in diesem Sinne auch: Söffing, ErbStB 2020, 107 (110)).

    79
    Wäre in dieser Weise auf die Anfallsberechtigung abzustellen, käme dies bei teleologisch-systematischer Auslegung auch dem Ergebnis eines fixen Freibetrags gleich, der sich stets nur auf 20.000 Euro belaufen würde. Eine solche Lösung, wie sie etwa in § 15 Abs. 1 oder in § 16 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 ErbStG für die fingierten Ersatzerbfälle nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG vorgesehen ist und die Gewährung des doppelten Freibetrags nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (d.h. in Höhe von 800.000 Euro) vorschreibt, war durch die in § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG gewählte Regelungstechnik jedoch gerade nicht intendiert.

    80
    d) „Entferntest Berechtigter“ im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG ist stets derjenige Berechtigte, für den die schlechteste Steuerklasse Anwendung fände, wenn die Zuwendung direkt vom Stifter an diesen erfolgt wäre (BFH, Urteil vom 28. Februar 2024 ‒ II R 25/21 ‒, BFH/NV 2024, 993 mit weiteren Nachweisen).

    81
    Für die Steuerklasseneinteilung aller derart ermittelten (potentiell) Berechtigten sind wie nach § 15 Abs. 1 ErbStG (dazu BFH, Urteil vom 5. Dezember 2019 ‒ II R 5/17 ‒, BFHE 267, 451, BStBl II 2020, 322) die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Abstammung und Verwandtschaft maßgebend (a.A. Högl in: Stenger/Loose, Bewertungsrecht ‒ BewG/ErbStG/GrStG, 171. Ergänzungslieferung Stand August 2024, § 15 ErbStG Rn. 72 mit weiteren Nachweisen).

    82
    3. Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte die Bestimmung der auf den Erwerb anzuwendenden Steuerklasse nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG insofern unrichtig vorgenommen, als er in den Kreis der „Berechtigten“ auch potentielle Anfallsberechtigte im Fall der Auflösung der Klägerin einbezogen hat, bei denen es sich ‒ insofern war die Einordnung des Beklagten zutreffend ‒ auch um Personen handeln könnte, die keine Abkömmlinge des Stifters sind. Allerdings war nach den vorstehenden Rechtsausführungen allein auf den Kreis der bezugsberechtigten Personen abzustellen, bei denen es sich nach § 2 Abs. 1 der Stiftungssatzung allein um den Stifter, dessen Ehefrau, die Tochter und deren leiblichen Abkömmlinge (also die Enkel, Urenkel, Ururenkel etc. des Stifters), nicht aber um familienfremde Dritte handelte.

    83
    Für diese bis zu den Urenkeln und in der Generationenfolge noch darüber hinaus reichende Personengruppe, die insgesamt nach § 15 Abs. 1 I Nr. 2 bzw. Nr. 3 ErbStG der Steuerklasse I unterfällt, war jedoch ‒ entgegen der Behandlung durch den Beklagten ‒ ein Freibetrag gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG in Höhe von 100.000 Euro zu gewähren. Diese Maßgabe hat der Beklagte verletzt, indem er für die Erstausstattung des Stifters in Höhe von 25.000 Euro nicht einen Freibetrag von 100.000 Euro, sondern nur von 20.000 Euro angesetzt hat.

    84
    II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit mit Abwendungsbefugnis beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 analog i.V.m. § 709 i.V.m. § 711 ZPO, weil die Revision zuzulassen war.

    85
    Das Gericht hat die Revision zugelassen nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, weil die strittige und in der Rechtsprechung bislang unentschiedene Rechtsfrage erhebliche steuerliche Auswirkungen in jedem für die Erstausstattung einer Familienstiftung ergehenden Schenkungsteuerbescheid hat und weil wegen der zunehmenden Verbreitung neu gegründeter Familienstiftungen eine grundsätzliche Bedeutung mit nicht unerheblicher Breitenwirkung besteht.

    RechtsgebietErbStGVorschriften§ 1 Abs 1 Nr 2 ErbStG, § 15 Abs 2 S 1 ErbStG, § 7 Abs 1 Nr 8 S 1 ErbStG