10.11.2011 · IWW-Abrufnummer 113779
Bundesfinanzhof: Urteil vom 28.07.2011 – VI R 59/09
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe
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I. Streitig ist der Umfang der steuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung als Verkehrsflugzeugführer.
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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) schloss am 17. August 2004 einen Ausbildungsvertrag zum Verkehrsflugzeugführer bei der X ab. Der Kläger, der im Veranlagungszeitraum 2004 keine Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt hatte, beantragte mit seiner Einkommensteuererklärung 2004, seine Ausbildungskosten zum Verkehrsflugzeugführer in Höhe von 9.057,37 € als vorweggenommene Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen und einen verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2004 in Höhe von 9.057,37 € festzustellen.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Aufwendungen als Sonderausgaben (Berufsausbildungskosten) nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in Höhe von 4.000 €, da Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung ohne ein gleichzeitiges Dienstverhältnis nach § 12 Nr. 5 EStG nicht abzugsfähig seien. Es setzte die Einkommensteuer 2004 auf 0 € fest und lehnte mit hier streitigem Bescheid vom 11. November 2005 die gesonderte Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 2004 ab.
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Die dagegen nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen.
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Nach § 12 Nr. 5 EStG seien Aufwendungen des Steuerpflichtigen für eine erstmalige Berufsausbildung nicht abzugsfähig, es sei denn --was vorliegend unstreitig nicht der Fall sei--, die Berufsausbildung fände im Rahmen eines Dienstverhältnisses statt. Es lägen lediglich Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG vor, die sich im Rahmen der Verlustfeststellung nach § 10d Abs. 4 EStG nicht auswirkten.
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Mit der dagegen eingelegten Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
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Er beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 10. November 2009 und die Einspruchsentscheidung des FA vom 9. Mai 2006 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids vom 11. November 2005 das FA zum Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids zu verpflichten, durch den ein Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2004 in Höhe von 9.057,34 € festgestellt wird.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Das Bundesministerium der Finanzen hat mit Schriftsatz vom 6. Mai 2011 den Beitritt zum Verfahren nach § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erklärt.
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II. Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat die Aufwendungen des Klägers für dessen Ausbildung als Berufspilot zu Unrecht vom Abzug als (vorweggenommene) Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG ausgeschlossen. Die Sache ist allerdings nicht entscheidungsreif. Denn das FG hat zur Höhe der dem Kläger im einzelnen entstandenen Kosten keine Feststellungen getroffen.
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1. Werbungskosten, nämlich Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG liegen vor, wenn sie durch den Beruf oder durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Sie sind beruflich veranlasst, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige gegenwärtig noch keine Einnahmen erzielt. Dann sind die Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen. Diese Voraussetzungen können auch bei berufsbezogenen Bildungsmaßnahmen erfüllt sein. Denn § 9 EStG enthält keine Sonderregelung zu Berufsbildungskosten. Entscheidend bleibt, ob die Aufwendungen einen hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang zur nachfolgenden auf die Erzielung von Einkünften gerichteten Berufstätigkeit aufweisen.
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Der Werbungskostenabzug ist gegenüber dem Abzug von Aufwendungen als Sonderausgaben vorrangig. Das ist ein allgemeiner, für alle Sonderausgaben durch den Einleitungssatz zu § 10 Abs. 1 EStG normierter Grundsatz. Deshalb steht auch § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG dem Abzug der Berufsbildungskosten als Werbungskosten nicht entgegen. Denn Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung sind nur dann Sonderausgaben, "wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind".
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Dieser vorrangige Werbungskostenabzug gilt unverändert und insbesondere auch nach der Neuregelung des Abzugs der Berufsausbildungskosten und der Einführung des § 12 Nr. 5 EStG durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1753). Denn auch § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der durch dieses Änderungsgesetz insoweit unveränderten Fassung entfaltet keine Sperrwirkung gegenüber dem Werbungskostenabzug.
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Entsprechendes gilt für § 12 Nr. 5 EStG. Denn danach sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium nur insoweit weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen, als "in § 10 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 6, 7 und 9, § 10a, § 10b und §§ 33 bis 33c nichts anderes bestimmt ist". § 12 Nr. 5 EStG schließt damit anders als etwa § 4 Abs. 5 Satz 1 Nrn. 1 bis 11 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG den Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzug nicht kategorisch aus, sondern steht wie § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG unter dem Anwendungsvorbehalt seines Einleitungssatzes. Der ordnet indessen den vorrangigen Sonderausgabenabzug an. Der vorrangige Sonderausgabenabzug steht seinerseits unter dem Vorbehalt des vorrangigen Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzugs. Deshalb sind Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung auch unter Geltung des § 12 Nr. 5 EStG als Werbungskosten abziehbar, sofern ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang zwischen den Aufwendungen und der späteren auf Einkünfteerzielung gerichteten Berufstätigkeit besteht. Zur weiteren Begründung verweist der Senat zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 28. Juli 2011 in der Sache VI R 38/10, zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen, www.bundesfinanzhof.de.
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2. Nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsgrundsätze sind die vom Kläger getätigten Aufwendungen für seine Ausbildung zum Berufspiloten auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG dem Grunde nach vorweggenommene Werbungskosten. Denn es besteht ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang zwischen diesen Aufwendungen und der nachfolgenden Berufstätigkeit des Klägers als Pilot und den daraus erzielten Einkünften.
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3. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Denn das FG hat --aus seiner Sicht zu Recht-- zu den einzelnen vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen noch keine Feststellungen getroffen. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.