· Fachbeitrag · Steuerrecht
Umsatzsteuer: Achtung bei digitalen Bildungsleistungen über die Grenzen hinweg
von RAin Gabriele Ritter, FAin für Steuer- und Sozialrecht, Ritter&Partner mbB, Rechtsanwälte und Steuerberater, Wittlich
| Für Anbieter von sog. Fernunterrichtsleistungen gelten ab 1.1.15 neue Regelungen über die Abfuhr von Umsatzsteuer an Verbraucher. Sie basieren auf europarechtlichen Vorgaben. Leistungen, die unter § 3a Abs. 5 UStG n.F. fallen, werden nun dort versteuert, an dem der tatsächliche Verbrauch erfolgt. Sitzen die Teilnehmer von digitalen Unterrichtsleistungen im Ausland, gilt das Umsatzsteuerrecht dieses Landes. Ausnahmen gibt es keine. |
1. Was ändert sich?
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Eine Bildungseinrichtung plant, ihr Bildungsangebot auszuweiten, indem sie sich international aufstellt. Sie erwägt einen neuen Geschäftszweig mit einer Online-Plattform im Internet. Die online-Kurse dienen der beruflichen Weiterbildung in bestimmten Sektoren. Die Kurse richten sich an Verbraucher und Unternehmer. |
1.1 Sitzortprinzip
Bis Ende 2014 galt für einen in einem EU-Mitgliedsstaat ansässigen Anbieter bei Endverbrauchern das sog. Sitzortprinzip. Seine Leistungen unterlagen also dem Umsatzsteuerrecht des Landes, in dem der Anbieter seinen Sitz hat. Dies führte dazu, dass Unternehmen gerne ihren Sitz dorthin verlegten, wo der Steuersatz günstig war, was angesichts des Steuersatzgefüges innerhalb der EU zu beachtlichen Wettbewerbsvorteilen führte.
Dem hat der deutsche Gesetzgeber nun mit der Einführung des § 3a Abs. 5 UStG Einhalt geboten. Nach dieser mit dem sog. „Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ eingeführten und zum 1.1.15 wirksam werdenden Vorschrift erfolgte eine Anpassung an die EU-rechtlichen Vorgaben.
1.2 Bestimmungslandprinzip
Ab 1.1.15 besteht somit eine veränderte Rechtslage. Leistungen an Endverbraucher unterliegen nun dem Umsatzsteuerrecht des Landes, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz hat (sog. Bestimmungslandprinzip). Dorthin müssen sie dann die maßgebende Umsatzsteuer abführen. Um den Unternehmen zu ersparen, sich in den verschiedenen EU-Staaten zu registrieren, besteht jedoch die Möglichkeit, sich an ein zentrales Portal (Portal des Bundeszentralamts für Steuern) anzuschließen, dem „Mini One Stopp Shop“ (MOSS) oder in Deutsch „Kleine einzige Anlaufstelle“ (KEA) . Die ausländischen Umsatzsteuer wird dann an die deutsche Steuerbehörde gezahlt, die sie weiterleitet.
1.3 Auch Fernunterrichtsleistungen erfasst
Im Fokus der Neuregelung stehen wegen der zunehmenden Bedeutung insbesondere die elektronischen Dienstleistungen wie z. B. der Download von Software, Musik oder E-Books. Die Neuregelung ist jedoch weitergehender und umfasst explizit auch die Fernunterrichtsleistungen.
Für eine Bildungseinrichtung bedeutet dies, dass sie sich künftig mit den unterschiedlichen umsatzsteuerlichen Bestimmungen im Ausland beschäftigen muss. Zunächst muss sie prüfen, von wo aus der „Verbrauch“ stattfindet. Dies ist nicht stets einfach zu eruieren (Einzelheiten werden unter Punkt 3 erläutert). Ferner müssen Umsatzsteuerbefreiungen und Steuersätze des jeweiligen Landes in Erfahrung gebracht werden. Für kleinere Anbieter ist diese Folge sehr unerfreulich. Ausnahmen sieht das Gesetz jedoch nicht vor.
2. Zur Regelung im Einzelnen
Die Regelung des § 3a Abs. 5 UStG lautet:
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Ist der Empfänger einer der in Satz 2 bezeichneten sonstigen Leistungen
wird die sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt, an dem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder seinen Sitz hat. Sonstige Leistungen im Sinne des Satzes 1 sind:
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Leistungsempfänger nach S. 1 Nr. 1 ist also entweder eine natürliche Person oder ein Unternehmer, der privat Leistungen bezieht. Ist der Leistungsempfänger ein Unternehmer und bezieht er die Leistung für sein Unternehmen, befindet sich der Ort der sonstigen Leistungen gem. § 3a Abs. 2 UStG ebenfalls im Land des Leistungsempfängers. Hier ist jedoch - anders als bei Leistungen an Endverbraucher - der Leistungsempfänger Schuldner der Umsatzsteuer, sodass zwingend das Reverse-Charge-Verfahren anzuwenden ist.
Beachten Sie | Von der Neuregelung betroffen sind somit nur die sog. B2C-Anbieter (Business to Consumer-Anbieter). Für sog. B2B-Anbieter (Business to Business-Anbieter) ändert sich nichts.
Zu den auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen zählen gem. Art. 58 Abs. 1c MwStSystRL nach dem Anhang II der MwStSystRL und UStAE Absch. 12 zu § 3a UStG auch die Fernunterrichtsleistungen. Eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung i. S. d. § 3a Abs. 5 S. 2 Nr. 3 UStG ist eine Leistung, die über das Internet oder ein elektronisches Netz, einschließlich Netze zur Übermittlung digitaler Inhalte, erbracht wird und deren Erbringung auf Grund der Merkmale der sonstigen Leistung in hohem Maße auf Informationstechnologie angewiesen ist. Das bedeutet, die Leistung ist im Wesentlichen automatisiert, wird nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erbracht und wäre ohne Informationstechnologie nicht möglich.
Hierzu gehört z. B. der automatisierte Unterricht, der auf das Internet oder ähnliche elektronische Netze angewiesen ist (auch virtuelle Klassenzimmer). Dazu gehören auch Arbeitsunterlagen, die vom Schüler online bearbeitet und anschließend ohne menschliches Eingreifen automatisch korrigiert werden. Fernunterrichtsleistungen z. B. per Post oder solche, bei denen ein Lehrer den Unterricht über das Internet erteilt, fallen nicht hierunter.
3. Bestimmung des Leistungsorts
Bei der Bestimmung des Leistungsorts für die in § 3a Abs. 5 S. 2 UStG bezeichneten Leistungen (Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen) ist - wie gezeigt - zunächst zu unterscheiden, ob der Empfänger Unternehmer ist oder Verbraucher (Nichtunternehmer). Bei letzterem wird die sonstige Leistung dort ausgeführt, wo er seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthaltsort oder Sitz hat (§ 3a Abs. 5 S. 1 UStG). Für den Anbieter ist es indes nicht leicht, die Vorschrift umzusetzen. Der UStAE gibt dazu Hilfestellungen, die hier nur auszugsweise wiedergegeben werden:
Der leistende Unternehmer kann regelmäßig davon ausgehen, dass ein im Inland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer ist, wenn dieser dem leistenden Unternehmer keine USt-IdNr. mitgeteilt hat (vgl. Artikel 18 Abs. 2 Unterabs. 2 MwStVO).
Wird eine in § 3a Abs. 5 S. 2 UStG bezeichnete sonstige Leistung an einen Nichtunternehmer erbracht, der in verschiedenen Ländern ansässig ist oder seinen Wohnsitz in einem Land und seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in einem anderen Land hat, ist im Grundsatz der Leistungsort vorrangig an deren gewöhnlichem Aufenthaltsort, soweit keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Leistung an deren Wohnsitz genutzt oder ausgewertet wird.
Wird eine sonstige Leistung an einen Nichtunternehmer an Orten wie Telefonzellen, WLAN-Hot-Spots, Internetcafés, oder Hotellobbys erbracht, und muss der Leistungsempfänger an diesem Ort physisch anwesend sein, damit ihm der leistende Unternehmer die sonstige Leistung erbringen kann, gilt der Leistungsempfänger als an diesem Ort ansässig (Artikel 24a Abs. 1 MwStVO).
Wird eine in § 3a Abs. 5 S. 2 UStG bezeichnete sonstige Leistung an einen Nichtunternehmer
- über dessen Festnetzanschluss erbracht, gilt der Leistungsempfänger an dem Ort als ansässig, an dem sich dieser Anschluss befindet (vgl. Artikel 24b Buchstabe a MwStVO);
- über ein mobiles Telekommunikationsnetz erbracht, gilt der Leistungsempfänger in dem Land als ansässig, das durch den Ländercode der bei Inanspruchnahme dieser Leistung verwendeten SIM-Karte bezeichnet wird (vgl. Artikel 24b Buchstabe b MwStVO);
- erbracht, für die ein Decoder oder ein ähnliches Gerät, eine Programm- oder Satellitenkarte verwendet wird, gilt der Leistungsempfänger an dem Ort als ansässig, an dem sich der Decoder oder das ähnliche Gerät befindet.
Widerlegungen durch den Anbieter sind möglich.
4. Verfahrenshinweise
Bei Fernunterrichtsleistungen an Privatpersonen ist das leistende Unternehmen Schuldner der Umsatzsteuer. Deutsche Anbieter müssen sich folglich in jedem-EU Land, in dem sie Leistungen auf elektronischem Weg an Endverbraucher ausführen, zur Abwicklung der Umsatzsteuer registrieren lassen. Für Unternehmer mit nur geringen Umsätzen bietet sich das vereinfachte Besteuerungsverfahren nach § 18 h UStG (MOSS/KEA) an. Unternehmen, die dieses Verfahren anwenden wollen, müssen dies anzeigen
- gegenüber dem BZSt
- nach amtlich vorgegebenem Datensatz
- durch Datenfernübertragung nach der Steuerdaten-ÜbermittungsVO.
Die Verteilung und Zahlung an die jeweiligen Mitgliedstaaten erfolgt durch das BZSt. Zu beachten ist, dass die Aufzeichnungen des Anbieters eine Feststellung ermöglichen müssen, ob die Erklärung korrekt ist. Die Aufzeichnungen müssen nach Mitgliedstaaten getrennt erfolgen und folgende Informationen enthalten (Art 63c VO (EU) 282/2011 idF VO (EU) 967/2012):
- Mitgliedstaat des Verbrauchs, in dem die Dienstleistung erbracht wird
- Art der erbrachten Dienstleistung
- Datum der Dienstleistungserbringung
- Steuerbemessungsgrundlage unter Angabe der verwendeten Währung;
- jede anschließende Erhöhung oder Senkung der Steuerbemessungsgrundlage
- anzuwendender Umsatzsteuersatz
- Betrag der zu zahlenden Umsatzsteuer unter Angabe der verwendeten Währung
- Datum und Betrag der erhaltenen Zahlungen
- alle vor Erbringung der Dienstleistung erhaltenen Vorauszahlungen
- falls eine Rechnung ausgestellt wurde, die darin enthaltenen Informationen
- Name des Dienstleistungsempfängers, soweit dem Steuerpflichtigen bekannt
- Informationen zur Bestimmung des Orts, an dem der Dienstleistungsempfänger ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Die Aufzeichnungen sind 10 Jahre aufzubewahren und über Aufforderung des Finanzamts oder der zuständigen Behörde auf elektronischem Wege zur Verfügung zu stellen.
5. Schlussbemerkung
Steuerbefreiungen, wie sie in Deutschland für das Bildungswesen gelten, sind bei digitalen Leistungen an Privatpersonen im Ausland nicht anwendbar. Auch die unmittelbare Berufung auf die Befreiungsvorschrift des Art. 132 Abs. 1i oder j MwStSystRL verhilft nicht weiter.
- Vorrangig ist zunächst der Ort der Leistung nach den genannten Merkmalen zu definieren.
- Weitere Folge ist, dass anhand der Bestimmungen im jeweiligen anderen Land zu prüfen wäre, ob dort Bildungsleistungen eventuell befreit sind bzw. sein müssten.
Es muss also geschaut werden, ob und wie Art. 132 Abs. 1i oder j MwStSystRL dort umgesetzt wird. Schließlich ist es durchaus möglich, dass andere Mitgliedsstaaten andere Bedingungen einfordern. Nach § 133 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten nämlich bestimmte Befreiungen, darunter auch solche des Buchstaben i, von weitergehenden Bedingungen abhängig machen.