· Fachbeitrag · Stiftung & Recht
Die Stiftung im Konzern
von RAin Gabriele Ritter, FAin für Steuer- und Sozialrecht, BDO AG, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Köln
| Aufgrund der Besonderheit der Stiftung weder außenstehende Eigentümer noch Mitglieder oder Gesellschafter zu kennen, hebt sie sich von den übrigen Gestaltungsformen des Gesellschaftsrechts entscheidend ab. Diese Besonderheit führt dazu, dass ihre Eingliederung in einen Konzernverbund erschwert ist, z.B. umsatzsteuerlich als Organgesellschaft im Organverbund. Dieser Beitrag erläutert die aktienrechtliche Begriffsbestimmung des abhängigen und des herrschenden Unternehmens. |
1. Der Beispielsfall
Zur Veranschaulichung der Problematik der Eingliederung einer Stiftung in einen Konzernverbund soll der folgende Beispielsfall dienen:
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Drei selbstständige steuerbegünstigte Förderstiftungen X, Y und Z sind sowohl organisatorisch über ihre personenidentischen Leitungsorgane als auch aufgrund ihres aufeinander abgestimmten Förderspektrums eng miteinander verbunden. Die Stiftung X hält mehrere Beteiligungen an operativ tätigen, ebenfalls steuerbegünstigten GmbHs. Deren Geschäftsführungen sind personenidentisch mit den Vorständen der Stiftungen. Die Unternehmen haben neben eigenen Homepages einen gemeinsamen Web-Auftritt. Auf der Homepage der Stiftung X sind alle Stiftungen und Gesellschaften erwähnt, auf eine intensive Zusammenarbeit wird hingewiesen. Trotz der engen Verflechtung ist dem „Verbund“ jedoch auch die Erhaltung der besonderen Identität der Stiftungen in ihrem jeweiligen Umfeld ein Anliegen, da die Namen und die Geschichte jeder einzelnen dieser Einrichtungen für die besondere Qualität ihrer Arbeit und für das Eingebundensein im gesellschaftlichen Gemeinwesen stehen. Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträge bestehen nicht.
Angedacht ist nun, dass eine der beiden anderen Stiftungen, also Y oder Z, die Insolvenzabsicherung von Wertguthaben aus Langzeitarbeitskonten, welche in den Tochtergesellschaften der Stiftung X geführt werden, übernimmt. |
Die Verpflichtung für Arbeitgeber, das Wertguthaben einschließlich des darin enthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeitrags gegen das Risiko der Insolvenz des Arbeitgebers vollständig abzusichern, ergibt sich aus § 7e SGB IV. Als mögliche Absicherungsmaßnahmen kommen nach § 7e Abs. 2 SGB IV ein Treuhandverhältnis oder ein gleichwertiges Sicherungsmittel in Betracht (z.B. ein Versicherungsmodell oder ein schuldrechtliches Verpfändungs- oder Bürgschaftsmodell). Eine abschließende Aufzählung sieht das Gesetz nicht vor. Ausgeschlossen werden jedoch bilanzielle Rückstellungen sowie zwischen Konzernunternehmen (§ 18 des AktG) begründete Einstandspflichten, insbesondere Bürgschaften, Patronatserklärungen oder Schuldbeitritte.
Vor dem Hintergrund der Verflechtungen der Stiftungen, insbesondere auch wegen der Personenidentität auf Vorstands- bzw. Geschäftsführerebene (in den Tochtergesellschaften), würde bei Annahme einer Konzernverbindung eine Absicherung der Insolvenz über die Stiftungen Y oder Z aufgrund des in § 7e Abs. 3 SGB IV genannten Ausschlusses nicht möglich sein.
2. Konzern im Sinne des § 18 AktG
Der Konzern ist nach § 18 AktG ein Zusammenschluss mehrerer Unternehmen unter einheitlicher Leitung (wirtschaftliche Einheit) bei gleichzeitiger rechtlicher Selbstständigkeit (rechtliche Vielheit). Die Regelung gilt über die genannte Verweisung rechtsformunabhängig für sämtliche Konzerne. § 7e Abs. 3 SGB IV gilt daher nicht nur für den Aktienkonzern. Ein Konzern i.S. von § 18 AktG kann vorliegen als Unterordnungskonzern (§ 18 Abs. 1 AktG) oder Gleichordnungskonzern (§ 18 Abs. 2 AktG). Der Konzernbegriff unterscheidet nicht danach, ob der Konzern auf vertraglicher Basis zustande kam oder ob er faktisch durch die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte gebildet wurde.
2.1 Unterordnungskonzern
Ein Unterordnungskonzern liegt vor, wenn ein herrschendes und mindestens ein abhängiges Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind. Demnach steht an der Spitze des Konzerns eine Gesellschaft, die auf die abhängigen Konzernunternehmen einen beherrschenden Einfluss ausübt. Dies kann prinzipiell jeder Unternehmer unabhängig von seiner Rechtsform sein. Somit können auch Stiftungen herrschendes Unternehmen sein.
- Wann Unternehmen abhängig sind, ist in § 17 AktG geregelt. Abhängige Unternehmen sind rechtlich selbstständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss ausüben kann. Es wird vermutet, dass sie mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bilden (§ 18 Abs. 2 S. 3 AktG). Nach § 17 Abs. 1 AktG reicht vom Wortlaut her („kann“) die Möglichkeit der Einflussnahme eines anderen Unternehmens aus, um eine Abhängigkeit zu begründen. Die tatsächliche Ausübung des Einflusses ist nicht erforderlich. Ausreichend ist auch die Möglichkeit mittelbarer Einflussnahme, was z.B. für die Tochtergesellschaften von Bedeutung sein könnte. Nicht erforderlich ist, dass das herrschende Unternehmen in der Lage ist, den anderen Gesellschaften seinen Willen aufzwingen zu können.
- Die Möglichkeit der Einflussnahme muss aber neben anderen Faktoren auch gesellschaftsrechtlich fundiert sein. Dies ist sie aber nur, wenn sie sich entweder aus einer Beteiligung oder aus einem Organisationsvertrag in der Form eines Beherrschungsvertrags und/oder Gewinnabführungsvertrags ergibt (OLG Karlsruhe AG 04, 147, Heidelberger Schlossquell Brauerei/Brau und Brunnen AG).
Bei der Stiftung handelt es sich jedoch um eine Gesellschaftsform, die weder außen stehende Eigentümer (Gesellschafter) noch Mitglieder kennt, wodurch sie sich von den übrigen Gestaltungsformen im Gesellschaftsrecht abhebt. Vielmehr wird sie durch einen Stifter errichtet und gehört nach der Errichtung „sich selbst“. Daher wäre eine Einflussnahme - so sie denn bestünde - nicht gesellschaftsrechtlich begründet. Liegt weder ein Organisations- noch ein Beherrschungsvertrag vor, ist im Ergebnis festzustellen, dass eine Abhängigkeit i.S. des § 17 AktG unter Stiftungen nicht möglich ist. Für den Beispielsfall bedeutet das, dass kein Unterordnungskonzern vorliegt.
2.2 Gleichordnungskonzern
Ein Gleichordnungskonzern liegt vor, wenn die Konzernunternehmen zwar über eine gleichrangige Stellung verfügen, aber unter einer einheitlichen Leitung zusammengefasst sind. Im Beispiel stehen die Stiftungen alle gleichrangig nebeneinander. Sie ergänzen sich zwar in ihrer Aufgabenstellung, jede ist für sich genommen aber autark. Für die Konzernzugehörigkeit kommt es nun darauf an, ob die weiteren Erfordernisse der Einheitlichkeit der Leitung gegeben sind. In der Literatur diskutiert werden zwei Konzernbegriffe.
- Enger Konzernbegriff: Ein Konzern liegt nur vor, wenn die Konzernspitze für alle zentralen unternehmerischen Bereiche (Organisation, Beschaffung, Finanz- und Personalwesen) eine einheitliche Planung aufstellt und bei den Konzerngliedern ohne Rücksicht auf deren Selbstständigkeit durchsetzt.
- Weiter Konzernbegriff: Danach genügt es für einen Konzern, wenn die Wahrnehmung einer Leitungsfunktion in nur einem zentralen Unternehmensbereich erfolgt und diese Koordinierung Ausstrahlungen und Rückwirkungen auf die Unternehmensgruppe hat. Die höchstrichterliche Rechtsprechung scheint den weiten Konzernbegriff zu bevorzugen.
- Laut BGH (8.12.98, KVR 31/97) liegt ein faktischer Gleichordnungskonzern vor, wenn die Begründung einer einheitlichen Leitung der nicht abhängigen Unternehmen aus den Gesamtumständen geschlossen werden kann, insbesondere aufgrund
- personeller Verflechtungen,
- einheitlicher Zielvorgaben und
- eines gleichgerichteten Verhaltens der Konzerngesellschaften
- Untere Gerichte haben einen Gleichordnungskonzern abgeleitet aus den Merkmalen
- Zuweisung von unternehmerischen Aktivitäten,
- Übertragung von Verwaltungsfunktionen auf eine Gesellschaft,
- enge personelle Verflechtungen bei den Vertretungsberechtigten,
- enge finanzielle Verflechtungen innerhalb der Unternehmen sowie
- die Verwendung von einheitlichen Anschriften, Telefon-, Faxnummern, E-Mail-Adressen und Websites.
- Auch nach der Gesetzesbegründung muss die einheitliche Leitung nicht alle wesentlichen Bereiche der unternehmerischen Tätigkeit erfassen. Vielmehr reiche es bereits aus, wenn die Konzernleitung die Geschäftspolitik der Konzerngesellschaften und sonstige grundsätzliche Fragen der Geschäftsführung aufeinander abstimme (Schmidt/Lutter, AktG, 2.Aufl., § 18 Rn. 10).
- Eine (weitere) Möglichkeit der Bildung eines Gleichordnungskonzerns ist der Abschluss eines Gleichordnungsvertrags, in dem sich die Gesellschaften (bewusst) für die Bildung eines Gleichordnungskonzerns entscheiden, was im Beispielsfall jedoch nicht gegeben ist.
2.3 Anwendung auf den Beispielsfall
Für den vorliegenden Fall kommt es folglich darauf an, ob faktisch über die tatsächlichen Verhältnisse eine dem Konzernbegriff entsprechende einheitliche Leitung angenommen werden kann.
- Die personelle Verflechtung in Person im Vorstand der Stiftungen bzw. in den Geschäftsführungen der Tochtergesellschaften allein kann entsprechend den obigen Feststellungen zu den Gesamtumständen wohl nicht ausreichend sein. Entscheidend sind vielmehr weitere Umstände. Von Bedeutung sind deshalb zusätzlich einheitliche Zielvorgaben und ein gleichgerichtetes Verhalten der Gesellschaften zumindest in einem zentralen Funktionsbereich sowie der Außenauftritt.
- Der gemeinsame Web-Auftritt (neben eigenen Homepages) und die Erwähnung von allen Stiftungen/Gesellschaften auf der Homepage der Stiftung X sowie der dortige Hinweis auf eine intensive Zusammenarbeit sind wohl ebenfalls isoliert und auch in Kumulation mit der Personenidentität noch nicht ausreichend für die Annahme eines Konzernunternehmens.
- Bei der Übertragung der Verwaltungsfunktionen ist festzustellen, dass zwar eine intensive Zusammenarbeit erfolgt, dass bei den Stiftungen aber dennoch keine Gleichausrichtung vorliegt, sondern vielmehr alle noch ihr „Geschäftsfeld“ innehaben und alle zentralen Bereiche selbstständig verwalten. Ziel der Zusammenarbeit ist schließlich auch die Erhaltung der besonderen Identität der Stiftungen in ihrem jeweiligen Umfeld. Dies alles spricht eher gegen die Annahme einer einheitlichen Leitung als dafür.
Schließlich ist auf die in der Literatur vertretene Auffassung hinzuweisen, dass aufgrund der Besonderheit einer Stiftung, nämlich die grundsätzliche Unveränderbarkeit ihrer Ausrichtung, ein Gleichordnungskonzern überhaupt nicht möglich oder wegen des möglichen Verlusts der Autonomie der Stiftung aufgrund einer einheitlichen Leitung mit dem Stiftungsrecht nicht vereinbar ist (Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, § 114 Rn. 46 f.).
FAZIT | Für die Annahme eines Unterordnungskonzerns fehlt es an der erforderlichen Abhängigkeit der Stiftungen. Es bestehen auch keine herausragenden Argumente, die für das Vorliegen eines Gleichordnungskonzerns sprechen. Funktionsbereiche sind nicht aufeinander abgestimmt. Die Wahrung der jeweiligen Identität der Stiftungen und die Verfolgung von eigenen Zwecken sowie die Struktur der Stiftung als sich selbst gehörende Einheit sprechen gegen den Unternehmensverbund im aktienrechtlichen Sinne. Die Stiftung Y oder Z könnte also vor dem Hintergrund der fehlenden gesellschaftsrechtlichen Verknüpfung die Insolvenzabsicherung für die Wertguthaben der Mitarbeiter aus den Tochtergesellschaften der Stiftung X übernehmen. Auf Gesichtspunkte des Steuerrechts oder des Aufsichtsrechts soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. |