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  • · Nachricht · Editorial September 2021Das neue Stiftungsrecht

    | Mit dem neuen Stiftungsrecht werden wir Stiftungspraktiker und -wissenschaftler vor zahlreiche neue Fragen und Probleme gestellt. Da ist ein genauer Blick auf das neue Recht zu richten, um es richtig zu verstehen. Das gibt mir zugleich die Hoffnung, dass der in der Vergangenheit nicht nur von Stiftungsbehörden so oft praktizierte rein formale Blick einmal mehr infrage gestellt wird. Geht es um die Anwendung neuen Rechts, ist stets der Blick auf den materiellen Inhalt, auf den Sinn und Zweck der neuen Regelung erforderlich. Da reicht es nicht, bei einer rein formalen Betrachtung stehenzubleiben. |

     

    Wem das zu abstrakt ist, dem gebe ich hier gerne ein Beispiel: Es reicht nicht, den Satzungsänderungsantrag einer Stiftung mit der Begründung abzulehnen, die Satzungsänderung entspreche nicht dem ursprünglichen Stifterwillen, denn in der Satzung habe der Stifter ja ursprünglich etwas anderes geregelt. Das ist ein Zirkelschluss. Übersehen wird dabei, dass auch der mutmaßliche Stifterwille bezogen auf zwischenzeitlich geänderte Verhältnisse zu beachten ist. Übergangen wird zudem in solchen Fällen typischerweise, dass der Stifter in die Stiftungssatzung eine Regelung zu Satzungsänderungen aufgenommen hat, was bedeutet, dass der ursprüngliche Satzungsinhalt in der Zukunft gegebenenfalls geändert werden darf. Noch schwächer wird der formale Hinweis auf den damaligen Stifterwillen nach Satzungsinhalt etwa, wenn die Stiftungssatzung an der betreffenden Stelle von einem Testamentsvollstrecker konkretisiert wurde. Tatsächlich treten wir Juristen für Rechtsmeinungen ein und versuchen, diese überzeugend durchzusetzen. Das setzt jeweils tragfähige Begründungen voraus (siehe schon Schiffer, SB 2011, 221).

     

    In dem Zusammenhang fand ich es erstaunlich, mit wie viel Emotionen manche um das neue Stiftungsrecht gestritten haben. So hat etwa Angelo Winkler, ehemals bei der Stiftungsverwaltung Sachsen-Anhalt tätig, auf einer Fachveranstaltung das bisherige Stiftungsrecht im BGB als „grottenschlecht“ abgetan (s. Pruns, ErbR, 2021, 577, 578). Mit dieser Ansicht dürfte er ziemlich alleine stehen. Im Ton vergriffen hat er sich dabei auch. Der Jurist lernt nicht ohne Grund, hart in der Sache, aber moderat im Ton mit Argumenten für seine Meinung zu streiten („suaviter in modo, fortiter in re“). Wo er diesen Ansatz verfehlt, drängt sich der Eindruck fehlender Argumente auf.

     

    Wir sehen, die fachlichen Diskussionen zum neuen Stiftungsrecht bleiben anspruchsvoll und spannend. Nehmen wir engagiert und moderat im Ton mit tragbaren Begründungen daran teil!

     

    Bleiben Sie gesund, weiterhin auf Abstand und wohlgemut!

     

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. K. Jan Schiffer | Rechtsanwalt

    Quelle: ID 49314477