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  • · Fachbeitrag · Zwischenruf

    Die Unternehmensstiftung als volkswirtschaftliche Chance?

    von RA Dr. K. Jan Schiffer, Bonn (www.stiftungsrecht-plus.de)

    | Die Unternehmensstiftung, auch bezeichnet als „Unternehmensbeteiligungsträgerstiftung, Beteiligungsträgerstiftung, unternehmensverbundene Stiftung, Stiftungsunternehmen“, ist immer wieder Gegenstand erstaunlicher Äußerungen. |

    1. Ansicht von Rawert

    So meinte der von mir sehr geschätzte Kollege Rawert 1999 in einem Interview, das Mecking mit ihm und mir zu der damaligen Diskussion um die Reform des Stiftungsrechts geführt hat (Mitteilungen des Bundesverbands deutscher Stiftungen, Ausgabe 3/99, S. 45, 49):

     

    „Einen neuen Typus der unternehmensverbundenen Stiftung per Gesetz einzuführen, halte ich nicht für erforderlich. Er würde auch das volkswirtschaftspolitische Bedenken gegen eine dauerhafte Bindung von Unternehmensvermögen an eine eigentümerlose Rechtsperson nicht beseitigen. Eigentlich ist das eigentümerlose Unternehmen eher ein Ideal des Sozialismus vormals östlicher Prägung gewesen. Ich sehe - salopp gesagt - keinen Sinn darin, den VEB (volkseigenen Betrieb) durch eine gesetzlich geschaffene „Unternehmensstiftung“ wieder einzuführen.“

     

    Inzwischen sind über den damaligen fachlichen Streit der Gesetzgeber und die Zeit hinweggegangen. Die Unternehmensstiftung macht u. a. im Zusammenhang mit der Unternehmensnachfolge Karriere. Sie wird aber auch wieder im mehr weltanschaulichen Bereich und damit, wie noch zu zeigen sein wird, in gewisser Weise in Tradition der zitierten Befürchtung Rawerts „benutzt“.

    2. Ansicht von Frühbrodt

    So hat Lutz Frühbrodt, promovierter Volkswirt und ehemaliger Wirtschaftsreporter, als Professor sowie Leiter des Studiengangs „Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation“ kürzlich ein kleines Buch geschrieben: „Das soziale Stiftungsunternehmen - Eine wirtschaftspolitische Alternative“, 2014. Er meint noch mit einigen eher kursorischen Ausführungen zu Stiftungen und Unternehmen, für die er sich überwiegend auf Dissertationen und nicht etwa auf Standardfachliteratur beruft, das soziale Stiftungsunternehmen sei volkswirtschaftlich eine Chance. Er verweist dazu letztlich nur auf zwei Beispiele, auf den Naturkosmetikkonzern Wella und auf die Hoppman Autowelt.

    3. Ansicht von Sahra Wagenknecht

    Nun hat sich auch die Politikerin Sahra Wagenknecht geäußert. Die vor einiger Zeit promovierte Volkswirtin schreibt in der FAZ Sonntagszeitung vom 6.3.16 auf S. 28 zu einem von ihr vorgeschlagenen „Modell einer modernen Wirtschaftsordnung“. Dieses sollte den Weg in eine Ökonomie eröffnen, in der Eigentum tatsächlich nur noch durch eigene Arbeit entsteht. Feudale Strukturen und leistungslose Einkommen sollen der Vergangenheit angehören.

     

    Dazu schreibt sie ganz im Sinne der oben zitierten Befürchtung Rawerts: „Um zu verhindern, dass die Führungsetage eines Unternehmens nachlässig, schlampig oder einfach schlecht arbeitet, braucht es keine externen Eigentümer, wie wir an erfolgreichen Unternehmen im hundertprozentigen Besitz von Stiftungen sehen können.“ Und sie schreibt weiter: „Was es braucht, sind Kontrollorgane, die mit Leuten besetzt sind, deren Schicksal eng mit dem Unternehmen verbunden ist und deren Interesse sich möglichst mit einer langfristig guten, stabilen und erfolgreichen Unternehmensentwicklung deckt.“

    4. Kritik an den Ansichten von Frühbrodt und Wagenknecht

    Wie kommen Wagenknecht und Frühbrodt zu der Annahme, dass Stiftungen volkswirtschaftlich so erfolgreich und grundsätzlich wirken können, wie es nach Wagenknecht bei „den heutigen Eigentümern oft nicht der Fall“ sein soll? Warum soll die Unternehmensführung bei von Stiftungen gehaltenen Unternehmen per se besser sein als bei Unternehmen im Familieneigentum? Werden doch auch Stiftungen von Menschen geführt - aus der Unternehmerfamilie oder von Familienfremden, d. h. schlechtestenfalls von „Funktionären“. Blicken wir hier bei Wagenknecht und bei Frühbrodt etwa auf eine gewisse Sozialromantik, die einen dauerhaften Praxistest erst noch bestehen müsste?

     

    Jedenfalls besitzen die Autoren keine belastbare Praxiserfahrung. Ein Satz von Wagenknecht deutet sehr in diese Richtung: „Es gibt also, wie Abbes Stiftung zeigt, sehr viele andere Möglichkeiten für die Gestaltung wirtschaftlichen Eigentums und die Verfassung von Unternehmen als die unergiebige Alternative zwischen Privat- und Staatswirtschaft, die oft genug die Debatte bestimmt.“ Wie kann ein Beispiel „sehr viele andere Möglichkeiten“ zeigen? Das zu verstehen, wird bitte niemand ernsthaft von mir verlangen wollen. Auch Frühbrodt bezieht sich für seine Ausführungen nur auf zwei Praxisfälle. Wie er selbst anführt, handelt es sich dabei um ganz verschiedenartige Einzelfälle.

     

    Wenn wir aus einigen wenigen Praxisfällen im Zusammenhang mit unternehmensverbundenen Stiftungen auf grundsätzliche volkswirtschaftliche Lösungen schließen sollen, ist dies

    • erstens wissenschaftlich nicht fundiert und
    • zweitens wird die Rechtsfigur Stiftung damit überfordert.

     

    Das Stiftungsrecht lässt, wie die Fachwelt weiß, ganz viele verschiedene Gestaltungen zu. Die gesetzlichen Vorgaben zur Stiftung sind keineswegs eng, sie sind vielmehr durchaus flexibel und stellen den (Einzel-)Willen des Stifters deutlich in den Vordergrund. Damit kann die Stiftung als besondere, individuelle Gestaltungsmöglichkeit eine passende Lösung für verschiedene Spezialfälle sein, aber eben keine volkswirtschaftliche Standardlösung. Alles andere erscheint mir als Wunschdenken.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2016 | Seite 81 | ID 43930996