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11.04.2016 · IWW-Abrufnummer 185026

Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 02.02.2016 – 12 Sa 700/15

1. Leitende Oberärztin/leitender Oberarzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die ständige Vertretung der leitenden Ärztin/des leitenden Arztes (Chefärztin/Chefarzt) vom Dienstgeber ausdrücklich übertragen worden ist. Leitende Oberärz-tin/leitender Oberarzt ist nur diejenige Ärz-tin/derjenige Arzt, die/der die leitende Ärztin/den leitenden Arzt in der Gesamtheit ihrer/seiner Dienst-aufgaben vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann daher innerhalb einer Klinik in der Regel nur von einer Ärz-tin/einem Arzt erfüllt werden.

2. Das Eingruppierungsmerkmal stellt klar, dass das Tätigkeitsmerkmal in einer Klinik in der Regel nur von einem Arzt erfüllt werden kann.

3. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Tarifmerkmal der "ständigen Vertretung" genügt nicht die bloße Vertretung im Falle der Abwesenheit oder der Verhinderung des Vertretenen wegen Krankheit, Urlaub oder aus sonstigen Gründen. Vielmehr muss der ständige Vertreter dessen Aufgaben auch bei dienstlicher Anwesenheit des Vertretenen, mit anderen Worten, neben diesem, wahrnehmen können.

4. Die "ständige Vertretung" in Anwesenheit des Chefarztes beschränkt sich nicht auf Fälle der Verhinderung, sondern umfasst auch die dauerhafte Übernahme von Führungs- und Leitungsaufgaben bei dessen Anwesenheit.


Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 3. Dezember 2014- 2 Ca 10489/13 - wird zurückgewiesen.


2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.


3. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über die richtige Eingruppierung des Klägers und die daraus folgende Zahlungsverpflichtung der Beklagten. Der Kläger begehrt die Eingruppierung als leitender Oberarzt (EG IV).



Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft Bezugnahme die AVR C Anwendung. Der Kläger - Jahrgang 1952 - ist seit Juli 1987 als Anästhesist bei der Beklagten, einem Krankenhaus im Anwendungsbereich der AVR, beschäftigt. Seit mehreren Jahren ist der Kläger als sog. leitender Oberarzt in der Anästhesieabteilung tätig. Neben dem Kläger beschäftigt die Beklagte einen weiteren sog. leitenden Oberarzt.



Am 20. Juni 2008 schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, in dem sie vereinbarten, dass "der Kläger als leitender Oberarzt sowie Stellvertreter des Chefarztes bei der Beklagten beschäftigt" sei.



Bis Ende 2010 war der Kläger nach der bis dahin geltenden Anlage 2 Vergütungsgruppen für Mitarbeiter/-innen nach den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des C (AVR) in die Vergütungsgruppe 1a Fallgruppe 3 eingruppiert. Sie hat folgenden Wortlaut:

"Ärzte, die als ständige Vertreter des leitenden Arztes durch ausdrückliche Anordnung bestellt sind, wenn dem leitenden Arzt mindestens sechs Ärzte ständig unterstellt sind."



§§ 11, 12 der Anlage 30 der AVR C erhielten Ende Oktober 2010 auf Beschluss der Bundeskommission der Arbeitsrechtlichen Kommission in Auszügen folgenden Inhalt:



"§ 11 Allgemeine Eingruppierungsregelungen



(1) 1 Die Eingruppierungen der Ärztinnen und Ärzte richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen des § 12. 2 Die Ärztin/der Arzt erhält das Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.



(2) 1 Die Ärztin/der Arzt ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht.



2 Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. 3 Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden, sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen. 4 Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung der Person des Mitarbeiters bestimmt, muss auch diese Anforderung erfüllt sein.



§ 12 Eingruppierung



Ärztinnen und Ärzte sind wie folgt eingruppiert:



...



c) Entgeltgruppe III: Oberärztin/Oberarzt



Anmerkung zu Buchstabe c: Oberärztin/Oberarzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. der Abteilung vom Dienstgeber ausdrücklich übertragen worden ist.



d) Entgeltgruppe IV: Leitende Oberärztin/leitender Oberarzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die ständige Vertretung der leitenden Ärztin/des leitenden Arztes (Chefärztin/Chefarzt) vom Dienstgeber ausdrücklich übertragen worden ist.



Anmerkung zu Buchstabe d: Leitende Oberärztin/leitender Oberarzt ist nur diejenige Ärztin/derjenige Arzt, die/der die leitende Ärztin/den leitenden Arzt in der Gesamtheit ihrer/seiner Dienstaufgaben vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann daher innerhalb einer Klinik in der Regel nur von einer Ärztin/einem Arzt erfüllt werden.



Anhang B zur Anlage 30: Überleitungs- und Besitzstandsregelung vom 21. Oktober 2010:



"§ 2 Überleitung

Ärztinnen und Ärzte gemäß § 1 der Anlage 30 zu den AVR werden so in das neue System übergeleitet, als ob sie seit dem Zeitpunkt, seit dem sie ununterbrochen im Geltungsbereich der AVR oder im sonstigen Bereich der katholischen Kirche tätig waren, nach Anlage 30 zu den AVR eingruppiert und eingestuft worden wären."



Ab Januar 2011 gruppierte die Beklagte den Kläger in die Entgeltgruppe III ein. Sein Gehalt verringerte sich hierdurch nicht.



Der Kläger hat vorgetragen, der ehemalige Chefarzt habe ihn als ersten Oberarzt und offiziellen Stellvertreter und Ansprechpartner in seiner Abwesenheit bezeichnet. Auch aus dem gerichtlichen Vergleich folge, dass er als stellvertretender Leiter des Chefarztes beschäftigt sei. Er habe Aufgaben eines Stellvertreters des Chefarztes und leitenden Oberarztes ausgefüllt. Die ständige Vertretung setze keinen bestimmten zeitlichen Umfang voraus. Eine Veränderung erfordere eine Änderungskündigung nach den Grundätzen der korrigierenden Rückgruppierung. Die monatliche Vergütungsdifferenz betrage 725,99 Euro.



Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Differenzlohn für die Jahre 2011 bis 2013 in Höhe von 26.135,64 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2014 zu zahlen.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Die Beklagte hat vorgetragen, die Klage sei bereits nicht schlüssig, der Kläger habe die Tätigkeitsmerkmale nicht im Einzelnen dargelegt und bewiesen. Er vertrete den Chefarzt nicht in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben. Zudem könne das Tätigkeitsmerkmal nur einmal von einem Arzt in einer Klinik erfüllt werden. Es fehle an einer verselbständigten Abteilung. Neben dem Kläger trügen der weitere leitende Oberarzt und die organisatorische Leiterin des ambulanten Operierens die Verantwortung, wenn der Chefarzt nicht anwesend sei. Der Kollege sei dem Kläger gleichgestellt, im operativen Bereich sei er allein weisungsbefugt. Die Bezeichnung des Klägers als "leitender Oberarzt" sei unerheblich. Der Kläger sei nicht rückgruppiert worden, er habe nie eine höhere Vergütungsgruppe als die Entgeltgruppe III der Anlage 30 zu den AVR erhalten.



Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger vertrete den Chefarzt nicht in der Gesamtheit seiner Aufgaben.



Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze wie auch auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bezug genommen.



Das Urteil ist dem Kläger am 26. Januar 2015 zugestellt worden. Seine Berufungsschrift ist am 23. Februar 2015, die Berufungsbegründung am 23. April 2015 beim Landesarbeitsgericht nach entsprechender Verlängerung der Frist eingegangen.



Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung vor, die Beklagte sei durch den gerichtlichen Vergleich gebunden. Er sei bereits vor 2011 als leitender Oberarzt eingruppiert gewesen. Er nehme die Vertretung des Chefarztes in der Gesamtheit seiner Aufgaben wahr. Sei der Chefarzt nicht greifbar, übernehme er die Leitungsaufgaben. Er leiste im Wechsel mit dem Chefarzt Rufdienst. Der Beklagten sei es nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Fehlerhaftigkeit der ursprünglichen Eingruppierung zu berufen und die korrigierende Umgruppierung zu vollziehen.



Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom3. Dezember 2014 - 2 Ca 10489/13 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn Differenzlohn für die Jahre 2011 bis 2013 in Höhe von 26.135,64 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2014 zu zahlen.



Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Die Beklagte trägt vor, der Kläger sei nicht rückgruppiert, sondern allein nach den neuen AVR zum 1. Januar 2011 eingruppiert worden. Neben dem Kläger gebe es einen weiteren sog. leitenden Oberarzt, der wie der Kläger eingruppiert sei. Er habe gegenüber seinem Kollegen kein Weisungsrecht. Er habe keine Mitarbeitergespräche geführt. Er sei nicht prägend in der Intensivmedizin tätig gewesen. Die Eingruppierung zum Januar 2011 habe auf der Grundlage der neuen AVR stattgefunden. In den Überleitungsbestimmungen sei ein Besitzstand vorgesehen. Die Ungenauigkeit bei der ursprünglichen Beförderung des Klägers zum Oberarzt unter der alten Vergütungsregelung habe keine eigenständige rechtliche Relevanz. Ärzte seien 2011 so in das neue System überzuleiten, als ob sie seit dem Zeitpunkt, seitdem sie ununterbrochen im Geltungsbereich der AVR tätig waren, nach der Anlage 30 eingestuft worden wären. Der Kläger habe nie an Chefarzt-Konferenzen oder Sitzungen von Führungsgremien teilgenommen. An Einstellungsgesprächen sei er nie beteiligt gewesen. Gutachten habe ausschließlich der Chefarzt erstellt. Die Einteilung der Anästhesisten für die Operationssäle habe der andere sog. leitende Oberarzt übernommen.



Für den weiteren Vortrag wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.



A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet, § 66 Abs. 1 Satz 1, 2, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 519, § 520 Abs. 1, Abs. 3 ZPO.



B. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag unbegründet. Der Kläger ist nicht in die Entgeltgruppe IV der Anlage 30 AVR einzugruppieren. Er ist nicht ständiger Vertreter des leitenden Arztes in diesem Sinne.



I. Die Auslegung von Arbeitsvertragsrichtlinien erfolgt, obwohl es sich nicht um normativ wirkende Tarifregelungen handelt (st. Rspr. BAG25. März 2009 - 7 AZR 710/07 - Rn. 16; 8. Juni 2005 - 4 AZR 412/04 - Rn. 54 mwN), sondern um Kollektivvereinbarungen besonderer Art, nach den für die Tarifauslegung maßgeblichen Grundsätzen (BAG 18. November 2009- 4 AZR 493/08 -, Rn. 29; 13. September 2006 - 4 AZR 1/06 - Rn. 20). Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Vierten Senats den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 19)



II. Der Kläger ist danach nicht ständiger Vertreter des Chefarztes. Zu der fast identischen Norm in § 16 Buchst. d) TV-Ärzte/VKA und § 12 TV-Ärzte/TdL existiert Rechtsprechung des Vierten Senats zum Tarifmerkmal "ständiger Vertreter des Chefarztes in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben" - die heranzuziehen ist (vgl. Herfs-Röttgen NZA Online Aufsatz 1/2012 S. 1, 6). Deren Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.



1. Die Abteilung, in welcher der Kläger tätig ist, erfüllt schon nicht die Anforderungen, um in dieser leitender Oberarzt sein zu können (vgl. BAG 25. Oktober 1995 - 4 AZR 479/94 -). Das Eingruppierungsmerkmal stellt klar, dass das Tätigkeitsmerkmal in einer Klinik in der Regel nur von einem Arzt erfüllt werden kann. Der Kläger legt allerdings nur dar, in der anästhetischen Abteilung Vertreter des Chefarztes zu sein. Das genügt nach dem klaren Wortlaut des Tarifmerkmals nicht. Warum von der Regel der AVR abzuweichen wäre, erläutert der Kläger ebenfalls nicht.



2. Die auszuübende Tätigkeit des Klägers ist zudem keine ständige Vertretung des leitenden Arztes. Jedenfalls hat er dieses Merkmal nicht ausreichend dargelegt.



a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Tarifmerkmal der "ständigen Vertretung" genügt nicht die bloße Vertretung im Falle der Abwesenheit oder der Verhinderung des Vertretenen wegen Krankheit, Urlaub oder aus sonstigen Gründen. Vielmehr muss der ständige Vertreter dessen Aufgaben auch bei dienstlicher Anwesenheit des Vertretenen, mit anderen Worten, neben diesem, wahrnehmen können (BAG14. August 1991 - 4 AZR 25/91 - zu II 4 der Gründe; 27. Mai 1981- 4 AZR 1079/78 -). Erforderlich ist, dass der betreffende Beschäftigte Aufgaben des Chefarztes auch bei dessen dienstlicher Anwesenheit zu erledigen hat. Dafür spricht die von den Tarifvertragsparteien gewählte Formulierung des Merkmals, insbesondere das Wort "ständig". Wie bereits im Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) setzt die Tätigkeit als "ständiger Vertreter" des leitenden Arztes nicht nur die eines Vertreters im Verhinderungsfall voraus. Der ständige Vertreter muss seine Tätigkeit auch ausüben, wenn sich der Vertretene im Dienst befindet, aber gerade nicht "greifbar" ist, weil er mit anderen (Leitungs-)Tätigkeiten beschäftigt ist (BAG 23. Februar 2011- 4 AZR 336/09 - Rn. 25; vgl. grundsätzlich auch Herfs-Röttgen NZA Online Aufsatz 1/2012 S. 1, 6). Diese Rechtsprechung zu anderen Vergütungsordnungen kann auch zur Auslegung des Merkmales der ständigen Vertretung im Rahmen des Tätigkeitsmerkmales herangezogen werden. Das gilt insbesondere, seitdem die Anlage 30 AVR ausdrücklich klarstellt, dass der Leitende Oberärztin/leitender Oberarzt nur diejenige Ärztin/derjenige Arzt, die/der die leitende Ärztin/den leitenden Arzt in der Gesamtheit ihrer/seiner Dienstaufgaben vertritt.



b) Die "ständige Vertretung" in Anwesenheit des Chefarztes beschränkt sich nach der Rechtsprechung des Vierten Senats nicht auf Fälle der Verhinderung, sondern umfasst auch die dauerhafte Übernahme von Führungs- und Leitungsaufgaben bei dessen Anwesenheit. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der ständige Vertreter bei Anwesenheit des Chefarztes sämtliche Leitungsaufgaben tatsächlich wahrnimmt, weil nur dann die Anforderungen einer Vertretung in der "Gesamtheit seiner Dienstaufgaben" erfüllt seien. Ein solcher Umfang ist zwar für die Abwesenheitsvertretung erforderlich, weil der ständige Vertreter in der Lage sein muss, den Chefarzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben zu vertreten. Im Falle von dessen Anwesenheit ist aber die dauerhafte Übertragung maßgebender Führungs- und Leitungsaufgaben im Sinne einer Zuständigkeitsregelung ausreichend, ohne dass für den Vertretungsfall eine Verhinderung des Chefarztes vorliegen muss (BAG 23. Februar 2011 - 4 AZR 336/09 - Rn. 27).



c) Eine ständige Vertretung ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, wenn sich der Chefarzt einzelne Entscheidungen im Falle seiner Anwesenheit vorbehält. Der ständige Vertreter des Chefarztes ist nicht zugleich mit ihm "leitender Arzt", dem die Gesamtheit der Führungs- und Leitungsaufgaben übertragen worden ist. Der ständige Vertreter muss nicht "Chef neben dem Chef" sein. Sie verlangt zwar eine Vertretung in der "Gesamtheit seiner Dienstaufgaben". Der ständige Vertreter muss die Aufgaben des leitenden Arztes "neben diesem" zu erledigen haben. Daraus folgt aber keine Gleichstellung mit dem leitenden Arzt in der krankenhausinternen Organisations- und Verantwortungsstruktur dergestalt, dass der ständige Vertreter auch bei Anwesenheit des Chefarztes hinsichtlich sämtlicher Führungs- und Leitungsaufgaben allein zuständig wäre. Für die Erfüllung des Tarifmerkmales ist es nicht erforderlich, dass der ständige Vertreter rein tatsächlich sämtliche Führungs- und Leitungsaufgaben wahrnimmt, wenn der Chefarzt anwesend ist. Zwischen dem Chefarzt und seinem ständigen Vertreter besteht nach wie vor ein hierarchisches Über-/Unterordnungsverhältnis. Dieses wird durch die Übertragung der Tätigkeit eines ständigen Vertreters nicht aufgehoben. Daraus folgt zugleich, dass der ständige Vertreter kein im Vergleich zum Chefarzt gleichberechtigtes oder gar ein von ihm unabhängiges Alleinentscheidungsrecht im Falle von dessen Anwesenheit haben muss. Die Leitungsverantwortung verbleibt beim leitenden Arzt. In der Folge sind auch die Vertretungsaufgaben des ständigen Vertreters im Falle der Anwesenheit des leitenden Arztes von vornherein durch die nach wie vor bestehende vorrangige Führungs- und Leitungsverantwortung des Chefarztes beschränkt, müssen aber einen maßgebenden Teil derselben abdecken. Demgegenüber verbliebe einem Chefarzt, dem ein Oberarzt als ständiger Vertreter im Tarifsinne zugeordnet ist, kein eigenes Betätigungsfeld mehr. Der ständige Vertreter müsste, wäre ihre Auffassung zutreffend, "faktischer Chefarzt" sein, weil er stets die Gesamtheit der Aufgaben als Vertreter wahrzunehmen befugt wäre (BAG 23. Februar 2011 - 4 AZR 336/09 - Rn. 28).



d) Die ständige Vertretung des Chefarztes wird auch grundsätzlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Chefarzt einen Teil der zu erfüllenden Aufgaben, die nicht originär zu seiner Führungs- und Leitungsverantwortung gehören, an andere Personen als den "ständigen Vertreter" delegiert. Zwar kann es innerhalb einer Klinik nur einen ständigen Vertreter geben. Die Vertretung muss ungeteilt bei ihm liegen. Eine Aufspaltung der Vertretung auf zwei Ärzte genügt nicht. Eine solche Aufspaltung ist aber nicht bereits dann gegeben, wenn einzelne Aufgabenstellungen, die nicht dem Kreis der unmittelbaren Führungs- und Leitungsaufgaben zuzurechnen sind, an andere Beschäftigte innerhalb der Klinik übertragen werden. Eine arbeitsteilige Erledigung von Arbeitsaufgaben steht der Annahme einer Tätigkeit als ständiger Vertreter nicht ohne weiteres entgegen (BAG 23. Februar 2011- 4 AZR 336/09 - Rn. 29).



e) Diese Merkmale erfüllt der Kläger nicht. Er hat sie schon nicht ausreichend dargelegt.



aa) Er hat keine im Einzelnen erläuterte - umfassende Vertretung in Führungs- und Leitungsaufgaben der Klinik in Abwesenheit des Chefarztes dargetan. Auch und gerade bei der Anwesenheit des Chefarztes legt der Kläger zudem keine ausreichende ständige Vertretung in der Gesamtheit der Aufgaben dar. Die von ihm behaupteten Qualifikationen sind insoweit unerheblich, sind sie doch für die Entgeltgruppe III relevant, nicht aber für die IV. Er behauptet überdies nur eine Vertretung in allen Bereichen der Anästhesie und der Intensivmedizin. Der Kläger hat nicht - etwa durch Abläufe in der Vergangenheit - dargelegt, dass die Vertretungsaufgaben auch im Falle der Anwesenheit des leitenden Arztes einen maßgebenden Teil derselben abdecken. Er behauptet diesen Umstand nicht einmal.



bb) Zwar mag es der Eingruppierung des Klägers noch nicht schaden, dass die Beklagte neben dem Kläger eine Mitarbeiterin als Leiterin des Ambulanten Operierens einsetzt. Eine solche Aufspaltung ist jedoch schädlich, wenn einzelne Aufgabenstellungen, die dem Kreis der unmittelbaren Führungs- und Leitungsaufgaben zuzurechnen sind, an andere Beschäftigte innerhalb der Klinik übertragen werden. Das ist hier dadurch der Fall, dass neben dem Kläger ein weiterer sog. leitender Oberarzt beschäftigt wird, dem ebenfalls Aufgaben zugewiesen sind. Die Vertretung liegt in diesem Fall nicht offensichtlich ungeteilt bei dem Kläger. Jedenfalls legt der Kläger nicht dar, dass er auch gegenüber diesem Kollegen Aufgaben als ständiger Vertreter des Chefarztes ausübt. Zwar steht eine arbeitsteilige Erledigung von Arbeitsaufgaben der Annahme einer Tätigkeit als ständiger Vertreter nicht ohne Weiteres entgegen. Allerdings legt der Kläger nicht dar, dass die etwaige arbeitsteilige Erledigung von Arbeitsaufgaben nicht einer Aufspaltung entspricht.



cc) Die Bezeichnung des Klägers als leitender Oberarzt allein vermag das Tarifmerkmal nicht zu erfüllen. Das Tarifmerkmal zeigt, dass es neben der ständigen Vertretung in der Gesamtheit der Aufgaben auch darauf ankommt, dass diese ausdrücklich übertragen worden ist. Mit der behaupteten Bezeichnung kann der Kläger unter Umständen die Übertragung darlegen, nicht jedoch auf die ständige Vertretung abstellen. Auch aus dem gerichtlichen Vergleich folgt kein abweichendes Ergebnis. Er bezeichnet den Kläger nur als Stellvertreter des Chefarztes, nicht aber als dessen alleinigen ständigen Vertreter. Der Begriff des Stellvertreters kann wesentlich mehr erfassen, aber nicht notwendigerweise die ständige Vertretung.



dd) Der Kläger hat insbesondere nicht vorgetragen, dass ihm in dringenden Fällen bei einer Verhinderung des Chefarztes nach Absprache die Zuständigkeit zur Unterschriftsleistung zusteht. Ihm sind unabhängig von einer Verhinderung des Chefarztes keine maßgebenden Zuständigkeiten im Bereich der Führung und Leitung der Klink dauerhaft übertragen worden. Den Aufgaben, die der Chefarzt unstreitig an andere Personen delegiert hat, kommt eine Bedeutung zu, die der Annahme einer ständigen Vertretung des leitenden Arztes "in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben" durch den Kläger entgegensteht.



III. Die bisherige Eingruppierung des Klägers steht der hier vorgenommenen Eingruppierung ebenfalls nicht entgegen. Die Arbeitsrechtliche Kommission hat eine eigenständige neue Tarifregelung mit im Wesentlichen veränderten Eingruppierungsmerkmalen eingeführt. Zwar ist weiterhin die Rede vom ständigen Vertreter. Allerdings fordert die Anlage jetzt deutlich, dass es um eine Vertretung in der Gesamtheit der Aufgaben geht. Durch § 2 des Anhangs B zu Anlage 30 hat die Kommission zudem klargestellt, dass Ärzte gemäߧ 1 der Anlage 30 zu den AVR so in das neue System übergeleitet werden, als ob sie seit dem Zeitpunkt, seitdem sie ununterbrochen im Geltungsbereich der AVR oder im sonstigen Bereich der katholischen Kirche tätig waren, nach Anlage 30 zu den AVR eingruppiert und eingestuft worden wären. Das bedeutet, dass eine neue originäre Eingruppierung stattzufinden hat. Durch die in § 3 des Anhangs enthaltene Besitzstandsregelung werden die Arbeitnehmer vor Verschlechterungen geschützt. Ärztinnen und Ärzte, deren bisherige Vergütung (Vergleichsvergütung) das ihnen am Tag des Inkrafttretens der Anlage 30 zu den AVR durch Beschluss der jeweiligen Regionalkommission zustehende Entgelt übersteigt, erhalten eine Besitzstandszulage. Auch dieser Umstand bestätigt die Pflicht zu einer neuen und originären Eingruppierung der Arbeitnehmer (vgl. im Erg. Herfs-Röttgen NZA Online Aufsatz 1/2012 S. 1, 2).



IV. Selbst wenn die Parteien - etwa auch im gerichtlichen Vergleich aus dem Jahre 2008 - vereinbart haben sollten, dass der Kläger als leitender Oberarzt tätig werden sollte, führte dies nicht zu seiner verlangten Eingruppierung. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Parteien, deren Vergütung nach öffentlichen Tarifverträgen oder den AVR gestaltet wurde, kein davon und der Vergütungsordnung gesondertes Vertragsrecht praktizieren wollten (BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 568/09 - Rn. 30). Überdies konnten die Vertragsparteien im Jahr 2008 kein Tarifmerkmal des Jahres 2011 vereinbaren, da es die Regelung in der Anlage 30 AVR noch gar nicht gab.



C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.



D. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 ArbGG. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage, die grundsätzliche Bedeutung hätte und noch nicht hinreichend geklärt wäre, ist nicht ersichtlich.



E. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen, § 72a Abs. 1 ArbGG.



BELEHRUNG



Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Vorschriften§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519, § 520 Abs. 1, Abs. 3 ZPO, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG, § 72a Abs. 1 ArbGG