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· Fachbeitrag · Altersvorsorge

Anlegerschutz bei älteren Menschen

von RA Karl-Heinz Steffens, Berlin

| Für die Finanzinstitute geht heute kein Weg mehr an älteren Menschen als Kunden vorbei. Oft haben diese ein ansehnliches Vermögen angesammelt und verfügen über größere finanzielle Spielräume als andere Anlegergruppen. Leider werden sie oft nicht als Kunden, sondern als leichte Beute wahrgenommen. Dieser Beitrag zeigt, wie sich ältere Kunden schützen können und welche Rechte sie bei der Anlageberatung haben. |

1. Grundproblematik

55 plus gilt als konsumkräftigste Gruppe. Sie gestalten ihr Leben aktiv, wollen sich etwas gönnen, achten auf Qualität und sind markentreuer als junge Kunden. Hinter den Kulissen werden sie jedoch ganz anders genannt. Da sind sie „Ad-Kunden“ oder „Leos“. „Ad“ steht für „alt und doof“ oder „alt und dumm“. „Leo“ heißt „leicht erreichbare Opfer“. Das sind Alte, die vertrauensselig und leicht zu beschwatzen sind, erklärten uns Berater der Postbank. Für viele Banken sind Senioren leichte und fette Beute. Leicht, weil sie noch an den „Bankbeamten“ glauben, der ohne Eigeninteresse die passenden Produkte empfiehlt. Und fett, weil die Generation 55 plus über die Hälfte des Gesamtvermögens in Deutschland besitzt und dieses vernünftig anlegen will.

2. Anlageberatungsvertrag

Anlageberatungsverträge können konkludent oder durch Vereinbarung entstehen. Ein konkludenter Vertragsschluss ist nach den Grundsätzen des Bond-Urteils des BGH (6.7.93, XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126; OLG Frankfurt a. M.OLGR 07, 908) bereits zu bejahen, wenn ein Anlageinteressent an einen Vertreiber herantritt, nach einer Kapitalanlage fragt und der Berater erkennt, dass der Kunde das Ergebnis der Beratung zur Grundlage einer Anlageentscheidung machen will. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (11.1.07, III ZR 193/05; NJW 00, 3275) liegt ein Anlageberatungsvertrag vor, wenn der Anlageinteressent deutlich macht, dass er in Bezug auf eine bestimmte, für ihn wesentliche Anlageentscheidung die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des anderen als Berater oder Vermittler in Anspruch nehmen will und dieser in Kenntnis dieser Umstände die Beratung beginnt. Der Feststellung weiterer besonderer Umstände bedarf es nicht.

3. Inhalt und Umfang der Anlageberatung

Nach der grundlegenden Entscheidung des BGH zu Inhalt und Umfang pflichtgemäßer Anlageberatung (BGHZ 123, 126, 128) ist der Beratung insbesondere der Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft und Anlageziel zugrunde zu legen. Anlegergerecht im vorgenannten Sinne ist eine Beratung demgemäß, wenn sie das Anlageziel des Kunden - sichere Geldanlage einerseits oder spekulativer Charakter mit Bereitschaft zur Übernahme eines Risikos andererseits sowie dessen Fachwissen gegebenenfalls durch entsprechende Befragung abklärt und bei der empfohlenen Anlage entsprechend berücksichtigt (BGH, a.a.O.). Bei einer objektgerechten Anlageberatung müssen diejenigen Eigenschaften und Risiken des Anlageobjekts berücksichtigt werden, die für die konkrete Anlageentscheidung eine Bedeutung haben oder haben können (BGHZ 74, 103; Schimansky/Bunte/Lwowski-Hannover, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 110 Rn. 35).

 

Die älteren Menschen werden bei der Bankberatung mit ihren Anlagezielen in einem Aufnahmebogen festgelegt und beschrieben. In gerichtlichen Protokollen liest sich das wie folgt: Zwar hat die Klägerin bei ihrer Anhörung bekundet, dass ihr damals 70jähriger Ehemann daran interessiert gewesen sei, eine „risikoarme“ Anlage zu zeichnen, weil das primäre Anlageziel die Altersversorgung gebildet habe. In die Richtung eines durch Sicherheit geprägten Anlageziels weist auch, dass sich der Ehemann der Klägerin in einer vorgelegten strategischen Vermögensplanung selbst als „konservativer Anleger mit einer tendenziell geringen Risikobereitschaft“ beschrieben hat, der bestrebt gewesen sei, zukünftig eine noch sichere Anlagestrategie zu verfolgen.

 

Die Beweislast für eine behauptete Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzung trägt nach ständiger Rechtsprechung des BGH der Anleger. Die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die behaupteten Fehlberatungen substanziiert bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelnen beraten bzw. aufgeklärt worden sein soll. Dem Anspruchsteller obliegt dann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft (BGH NJW 09, 3429).

 

Übersicht / Bei diesen Anlageformen ist Vorsicht geboten

  • Finanzierung von fremdgenutzten Eigentumswohnungen als Anlageobjekt: Verbraucherverbände und Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht schätzen, dass ca. 300.000 gutgläubige Anleger in den letzten Jahren Bankdarlehen für den Ankauf von überteuerten fremdgenutzten Eigentumswohnungen aufgenommen haben. Inzwischen hat sich für diese Kapitalbeteiligung der Begriff „Schrottimmobilien“ geprägt. Die Finanzierung erfolgte mit Bankkrediten mit Tilgungsaussetzungen. Es wurde zunächst viele Jahre nur der Zins gezahlt, ohne die Kapitalschuld zu verringern. Der Ausgleich der Kapitalschuld sollte durch eine gleichzeitig abgeschlossene Kapitallebensversicherung oder durch Bausparverträge erfolgen. Diese Finanzierung hat wegen der reduzierten Gewinnerwartung bei Lebensversicherungen besondere Risiken. Ansprüche der häufig älteren Menschen wegen Verletzung von Aufklärungs- oder Beratungspflichten sind schwer durchzusetzen, weil die Berater in die Insolvenz flüchten. Der Versuch, Kreditinstitute oder Bausparkassen in die Haftung zu nehmen, scheitert meist. Der BGH hat die Erwartungen von Anlegern weitgehend enttäuscht und die Kreditinstitute von einer Haftung in der Regel verschont. Nur bei der Bausparkasse Badenia gab es positive Urteile für die Anleger.
  • Zertifikate: Lehmann-Zertifikate: Um zu verstehen, welche speziellen Risiken und Schwächen Zertifikate besitzen, ist es wichtig, sich zunächst mit der Konzeption dieser Papiere vertraut zu machen. Vereinfacht gesagt, sind Zertifikate eine spezielle Form von Anleihen. Zertifikate beziehen sich auf die Kursentwicklung anderer Anlageobjekte, in der Fachsprache Basisinstrumente genannt. Das kann eine einzelne Aktie sein ebenso auch ein Index wie der Dax oder ein bestimmter Rohstoff wie Gold. Mit seinem Einsatz nimmt der Anleger am Erfolg des jeweiligen Basisinstruments teil. Steigt der Dax, der Dow Jones EuroStoxx, gewinnt auch das Zertifikat. Fällt er, sinkt der Wert des Zertifikats in gleichem Maß. Der Anleger erhält am Ende der festgelegten Laufzeit keinen festgelegten Nennwert wie bei einer Anleihe zurück, sondern den Betrag, den das Basisinstrument zum Verkaufszeitpunkt wert ist. Zertifikate gibt es in unterschiedlichsten Varianten. Die Möglichkeiten der ausgebenden
  • Bank sind grenzenlos. Die Zertifikate werden in Anlagezertifikate und Hebelprodukte unterteilt. Hebelprodukte wie Options- oder Turboscheine sind hochspekulative Papiere, mit denen es beim Gewinn wie beim Verlust alle Möglichkeiten gibt. Diese Produkte sind nicht für Anleger ohne Erfahrungen geeignet. Diese Erfahrung mussten viele Anleger mit Lehmann-Zertifikaten machen. Die Finanzinstitute haben dann Garantiezertifikate entwickelt, die den Aktienkauf mit Airbag versprachen. Aber auch Garantiezertifikate sind nicht automatisch eine gute Wahl. Wichtig ist jedoch, dass hier Senioren von Banken in komplexe Anlageprodukte gelockt wurden. Die Bankberater der Hausbank der Senioren haben diese dann zum Kauf gebracht, weil es gute Provisionen gab.
  • Geschlossene Fonds s- Schiffsfonds und Immobilienfonds: Geschlossene Fondsbeteiligungen werden aufgelegt, um teure Investitionsobjekte durch die Beschaffung von Eigenkapital bei einer begrenzten Anzahl von Privat-anlegern zu finanzieren. Mit Hilfe der eingesammelten Mittel werden typischerweise Großprojekte wie Schiffe oder Gewerbeimmobilien erworben. Die Mindestanlage beträgt 10.000 EUR. Es ist dabei die Anlage für häufig 20 Jahre und mehr geplant. Dies ist nicht angemessen bei einem Eintrittsalter von über 50 Jahren. Fonds sind in der Regel als Personengesellschaften in der Rechtsform der KG oder GmbH & Co. KG konzipiert. Durch die Beteiligung an einer Personengesellschaft ergeben sich für den Anleger gesellschaftsspezifische Besonderheiten und Haftungsrisiken. Diese verwirklichen sich dann in Krisenzeiten des geschlossenen Fonds mit Sanierungskonzepten und Nachzahlungen der Anleger. Auch werden immer häufiger sicher geglaubte Ausschüttungen der Anleger zurückgefordert. Diese hohen Zahlungsabflüsse treffen besonders Rentner, die die Kapitalanlage gerade zur Aufstockung der Rente angelegt haben.
  • Fondsgebundene Lebensversicherung: Die Fonds im deutschen Lebensversicherungsmarkt investieren in Fondsprodukte. Damit ist jedoch eine garantierte Alterskapitalleistung mit einer garantierten Verzinsung nicht gegeben. In den zurückliegenden Jahren waren gerade Fondsprodukte großen Schwankungen ausgesetzt. Aber auch die klassischen Produkte haben die Garantieverzinsung nur mit großen Abschlägen erwirtschaftet und der Garantiezins wurde zuletzt auf 1,75 Prozent abgesenkt.
  • Offene Immobilienfonds: Die offenen Immobilienfonds gehören zu den Klassikern unter den verschiedenen Fonds. Mit den Fonds haben Anleger die Möglichkeit, sich an Grundstücken und Gebäuden zu beteiligen. Dies ist auch möglich, wenn das notwendige Kapital für den direkten Erwerb einer Immobilie fehlt. Der generelle Pluspunkt von offenen Immobilienfonds ist, dass der Anleger mit ihnen am langfristigen Wertzuwachs von Grund-vermögen teilnimmt. Auf der anderen Seite bleibt er generell flüssig investiert, denn seine Anteile kann er theoretisch jederzeit zurückgeben. Es gab auch Dachfonds mit Immobilien, die an mehreren offenen Immobilienfonds beteiligt waren. In den letzten drei Jahren haben besonders Senioren mit dieser sicheren Variante der Kapitalanlage die Erfahrungen machen dürfen, dass offene Fonds wegen Liquiditätsproblemen aus der Lehmann-Krise geschlossen wurden und ältere Kapitalanleger nicht an das Kapital herankamen. Jetzt werden fast alle großen offenen Immobilienfonds abgewickelt. Die Auszahlung wird über Jahre gestreckt. Für die Fonds wurden vom Gesetzgeber neue Regeln ausgestellt, die die Auszahlung deutlich beschränken.
  • Atypisch stille Beteiligung: Eine Ausgestaltung geschlossener Fonds ist die Beteiligung der Anleger als atypisch stille Gesellschafter. Die Projektgesellschaft ist in diesen Fällen eine Kapitalgesellschaft, meist in Form einer GmbH. Die geldmäßige Beteiligung erfolgt mit einer Einmaleinlage oder durch Einzahlungspläne über mindestens 10 Jahre. Atypisch stille Gesellschafter haben die Stellung, die der eines Kommanditisten ähnelt. Sie haben Prüfrechte, sind beteiligt am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven. Die Haftung ist auf die geleistete Einlage begrenzt. Es besteht grundsätzlich keine Nachschusspflicht. Für ältere Menschen ergeben sich bei der atypisch stillen Beteiligung höhere Risiken, weil das Geschäftsmodell oft nicht nachvollziehbar ist.
 

4. Fazit und Rechtsprechung

Älteren Menschen raten Fachanwälte und Verbraucherzentralen zur besonderen Vorsicht beim Abschluss von Anlagen. Gerade ältere Kunden werden teure, komplizierte und riskante Produkte verkauft. Besonders die Postbank Finanzberatung hat vielen älteren Kunden riskante Schiffsfonds vermittelt. Zum Anlageziel Altersvorsorge ist die Entscheidung des OLG Brandenburg (26.10.11, 4 U 42/11, Abruf-Nr. 141386) lesenswert.

Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 88 | ID 42656129