· Fachbeitrag · P-Konto-Novelle
Anordnung der befristeten Unpfändbarkeit von Guthaben auf P-Konto: Das ist zu beachten
von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| Durch die neuen P-Konto-Pfändungsregelungen wird der bis zum 30.11.21 bestehende § 850l ZPO zum 1.12.21 in die Neuregelung des § 907 ZPO n. F. verlagert. Wie auch die Vorgängerregelung bezweckt die Vorschrift auf Antrag des Schuldners die Möglichkeit der Anordnung einer befristeten Unpfändbarkeit von Guthaben nur auf einem P-Konto durch das Vollstreckungsgericht in den Fällen, in denen eine Zwangsvollstreckung aussichtslos erscheint. Es handelt sich hierbei um eine Sonderbestimmung für das P-Konto (BT-Drucksache 16/12714, S. 22.). In Härtefällen bleibt § 765a ZPO daneben anwendbar (BT-Drucksache 16/7615, S. 30; BFH ZInsO 17, 1855). Der folgende Beitrag klärt darüber auf, welche Voraussetzungen und Wirkungen ein solcher Antrag hat. |
1. Schuldnerantrag erforderlich
Nur der Schuldner (AG Heilbronn VuR 12, 113) ‒ nicht auch der Drittschuldner ‒ kann beim Vollstreckungsgericht einen Antrag auf befristete Unpfändbarkeit stellen, wenn eine Pfändung in das Guthaben eines P-Kontos erfolgt ist. Ein rein prophylaktischer Antrag scheidet daher aus.
MERKE | Der Antrag ist erst zulässig, sobald der PfÜB dem Kreditinstitut zugestellt wurde (§ 829 Abs. 3 ZPO), da erst zu diesem Zeitpunkt die Wirkungen der Pfändung eintreten. Es besteht dann aber keine Frist zur Antragstellung. |
2. Diese Nachweise muss der Schuldner erbringen
Der Schuldner muss nachweisen ‒ nicht nur glaubhaft machen ‒, dass in den letzten sechs Monaten vor der Antragstellung ganz überwiegend unpfändbare Beträge auf dem Konto gutgeschrieben worden sind (§ 907 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO). Umkehrschluss: Ein gelegentlicher Eingang unbedeutender ‒ pfändbarer ‒ Beträge steht einem Antrag nicht entgegen (HK-ZV/Meller-Hannich, Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., § 850l Rn. 10).
Beachten Sie | Die Unpfändbarkeit der gutgeschriebenen Leistungen kann sich aus den Vorschriften der ZPO (z. B. § 850c ZPO), des SGB (z. B. § 54 SGB I, § 42 SGB III) oder aus Vorschriften in besonderen Leistungsgesetzen (z. B. § 76a EStG) ergeben.
Dabei stellt § 907 ZPO n. F. für die rückwirkende Betrachtung der Eingänge auf dem gepfändeten Konto auf einen Zeitraum von sechs Monaten vor der Antragstellung ab; der Antrag kann damit auch schon unmittelbar nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses gestellt werden.
PRAXISTIPP | Den Schuldner trifft hierbei eine umfangreiche Beibringungs- und Beweispflicht, sodass Leistungsbescheide, Einkommensbelege und Kontoauszüge vollständig und lückenlos vorzulegen sind (AG Heilbronn VuR 12, 113; AG Brühl JurBüro 11, 270; AG Frankfurt/Main ZVI 11, 262; AG Hannover 17.9.10, 712 M 125742/10). Hierauf sollten Schuldner unbedingt achten, damit das Gericht einen entsprechenden Antrag auch zügig bearbeiten kann. |
3. Unwahrscheinlichkeit von pfändbaren Beträgen in den nächsten sechs Monaten
Der Schuldner muss zudem glaubhaft machen, dass auch in den folgenden sechs Monaten nach Antragstellung nur mit dem Eingang von ganz überwiegend nicht oder allenfalls in geringfügigem Umfang pfändbaren Beträgen zu rechnen ist (§ 907 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO n. F.).
MERKE | Pauschale Aussagen des Schuldners, dass innerhalb der nächsten sechs Monate aller Voraussicht nach nicht mit dem Eingang pfändbarer Beträge auf dem P-Konto zu rechnen ist, werden allerdings den strengen Anforderungen an die zukunftsbezogene Prognose nicht gerecht, da sie weder Darlegung noch Glaubhaftmachung enthalten (AG Hannover ZVI 11, 230).
Vielmehr kann eine solche Zukunftsprognose im Sinne des Schuldners z. B. nur bejaht werden, wenn er berufsunfähig ist und eine Besserung seiner gesundheitlichen Beschwerden kurz- und mittelfristig nicht zu erwarten ist oder er sich als Empfänger sozialer Transferleistungen schon seit Längerem erfolglos um einen Arbeitsplatz bemüht hat (vgl. §§ 2, 10 SGB II), ebenso, wenn die Rente des Schuldners unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegt und er glaubhaft machen kann, dass zu erwarten ist, dass seinem Konto in den folgenden sechs Monaten nur ganz überwiegend nicht pfändbare Beträge gutgeschrieben werden (AG Bochum VuR 12, 413). |
Das Vollstreckungsgericht muss im Rahmen seiner Ermessensentscheidung auch stets die Interessen des vollstreckenden Gläubigers berücksichtigen und, wenn diese überwiegen, die befristete Einstellung der Pfändung versagen.
MERKE | Ein Überwiegen der Interessen des Gläubigers ist vor allem anzunehmen, wenn es um die Vollstreckung gesetzlicher Unterhaltsansprüche sowie Renten wegen der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit oder um deliktische Ansprüche geht (vgl. §§ 850d, 850f Abs. 2 ZPO).
In solchen Fällen wird ein Schuldner die Freigabe daher im Einzelfall nur nach § 765a ZPO erwirken können. |
4. Verfahren
Bei Vorliegen der Voraussetzungen kann das Vollstreckungsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob das Guthaben des Kontos für die Dauer von bis zu zwölf Monaten der Pfändung nicht unterworfen ist (§ 907 Abs. 1 S. 1 ZPO n. F.).
Beachten Sie | Dies ermöglicht somit nur vorübergehend ‒ und nicht dauerhaft ‒, die Unpfändbarkeit des Kontoguthabens festzusetzen (BT-Drucksache 19/19850, 44).
5. Versagung der befristeten Einstellung
Die befristete Anordnung kann versagt werden, wenn überwiegende Belange des Gläubigers entgegenstehen (§ 907 Abs. 1 S. 2 ZPO n. F.). Das wird i. d. R. der Fall sein, wenn es um die Vollstreckung der in § 850d ZPO genannten Forderungen ‒ Unterhaltsansprüche sowie Renten wegen der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit ‒ geht.
Gleiches gilt für Ansprüche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung gemäß § 850f Abs. 2 ZPO.
6. Wirkungen der Anordnung
Die beschränkte Aufhebung der Pfändung bewirkt das Ruhen der Pfändung für den angeordneten Zeitraum, maximal bis zu zwölf Monaten.
MERKE | Die Anordnung entfaltet absolute Wirkung. Folge: Unter Wahrung des jeweiligen Rangs sind daher auch andere nicht vollstreckende Gläubiger von deren Wirkung betroffen.
Dies ergibt sich aus dem Wortlaut nach § 907 Abs. 2 S. 1 ZPO n. F. Hiernach ist die Anordnung nach § 907 Abs. 1 ZPO n. F. auf Antrag „jedes Gläubigers“ aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen (§ 907 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 ZPO n. F.) oder die Festsetzung den überwiegenden Belangen des den Antrag stellenden Gläubigers entgegensteht (§ 907 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 ZPO n. F.). |
Es muss allerdings stets zwischen den folgenden beiden Alternativen unterschieden werden:
- Wenn im Fall des § 907 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 ZPO n. F. irgendein Gläubiger darlegt, dass die Voraussetzungen der ergangenen Anordnung nicht mehr vorliegen, bewirkt die dann ergehende gerichtliche Entscheidung eine absolute Unwirksamkeit. Folge: Die ursprüngliche Rangfolge der Pfändungen wird gemäß § 804 Abs. 3 ZPO wieder hergestellt, wenn das Gericht das Kontoguthaben freigibt bzw. die Aufhebung der Anordnung beschließt.
- Anders ist dies nach § 907 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 ZPO n. F. zu beurteilen, wenn die ergangene Anordnung den überwiegenden Belangen „des den Antrag stellenden Gläubigers“ entgegensteht. Hier gilt dann eine relative Unwirksamkeit.
MERKE | Praktisch betrifft dies die Fälle nach § 850d, § 850f Abs. 2 ZPO. Da solche privilegierten Gläubiger i. d. R. in ihren Belangen im Wesentlichen auf Zahlungen des Schuldners angewiesen sind, können sie erlassene Anordnungen nach § 907 Abs. 1 ZPO n. F. ihnen vorgehender „Normalgläubiger“ aushebeln, indem sie als ebenfalls pfändender Gläubiger die Aufhebung einer solchen Anordnung zu ihren Gunsten erwirken (Goebel, Kontopfändung unter veränderten Rahmenbedingungen, § 2 Rn. 115 ff.). |
Beachten Sie | Das Vollstreckungsgericht darf wegen der absoluten Wirkung bei nachpfändenden Gläubigern keine Pfändungsbeschlüsse mehr erlassen. Insofern muss der Schuldner hierauf achten und daher gegen später ergangene Beschlüsse Erinnerung nach § 766 ZPO einlegen und zugleich die einstweilige Einstellung der Vollstreckung beantragen (vgl. § 732 ZPO).
7. Ungewissheit bleibt: jederzeitiger Antrag auf Aufhebung der Anordnung möglich
Nach § 907 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 ZPO ist die Anordnung nach § 907 Abs. 1 ZPO auf Antrag jedes Gläubigers aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder die Anordnung den überwiegenden Belangen dieses Gläubigers entgegensteht (§ 907 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 ZPO). Das Recht zur Antragstellung hat dabei jeder Gläubiger in Bezug auf eine Anordnung nach § 907 Abs. 1 ZPO.
Der Antrag kann jederzeit gestellt werden. Bei seinem Antrag muss der Gläubiger darlegen, dass die Voraussetzungen der Aufhebung nicht mehr vorliegen oder die Anordnung seinen überwiegenden Belangen entgegensteht. Hier kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.
Beachten Sie | In diesem Zusammenhang ordnet § 907 Abs. 2 S. 2 ZPO n. F. an, dass der Schuldner die Gläubiger unverzüglich auf eine wesentliche Veränderung seiner Vermögensverhältnisse hinweisen muss. Damit soll Gläubigern ermöglicht werden, eine Änderung der Entscheidung des Vollstreckungsgerichts in solchen Fällen herbeizuführen, in denen die Voraussetzungen einer Festsetzung nach § 907 Abs. 1 ZPO n. F. ganz oder teilweise entfallen (BT-Drucksache 19/19850, 44).
Das stellt allerdings i. d. R. ein „stumpfes Schwert dar“. Denn missachtet der Schuldner diese Pflicht, bleibt dies nach dem Gesetz sanktionslos.