· Fachbeitrag · Restschuldbefreiung
Sukzessive oder nach drei Jahren? Das ist zu beachten!
von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| Das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens ist seit dem 1.1.21 in Kraft und gilt rückwirkend seit dem 1.10.20 (BGBl. I 20, S. 3328). Hiernach ist es für alle Schuldner als natürliche Personen bereits nach drei Jahren möglich, unter bestimmten Voraussetzungen Restschuldbefreiung zu erhalten. Gleichzeitig gilt für Verfahren, die vor dem 1.10.20 beantragt wurden, eine sukzessive Verkürzung der Verfahrensdauer. Der folgende Beitrag erläutert, was im Einzelnen gilt. |
1. Altverfahren: Antrag vor 1.10.20
Für Insolvenzverfahren, die vor dem 1.10.20 beantragt wurden, findet für Verbraucher als natürliche Personen eine schrittweise Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens wie folgt statt:
- Antrag bis zum 16.12.19: Hier bleibt es im Grundsatz bei der bisherigen Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs Jahren.
- Antrag zwischen 17.12.19 und 30.9.20: Hier verkürzt sich das bisherige sechsjährige Restschuldbefreiungsverfahren monatsweise (Art. 103k Abs. 2 EGInsO; BGBl I 20, 3329).
Übersicht / Sukzessive Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens bei Antragstellung zwischen 17.12.19 und 30.9.20 | |
Datum der Insolvenzantragstellung | Dauer der Abtretungsfrist |
Zwischen 17.12.19 und 16.1.20 | 5 Jahre und 7 Monate |
Zwischen 17.1.20 und 16.2.20 | 5 Jahre und 6 Monate |
Zwischen 17.2.20 und 16.3.20 | 5 Jahre und 5 Monate |
Zwischen 17.3.20 und 16.4.20 | 5 Jahre und 4 Monate |
Zwischen 17.4.20 und 16.5.20 | 5 Jahre und 3 Monate |
Zwischen 17.5.20 und 16.6.20 | 5 Jahre und 2 Monate |
Zwischen 17.6.20 und 16.7.20 | 5 Jahre und 1 Monat |
Zwischen 17.7.20 und 16.8.20 | 5 Jahre |
Zwischen 17.8.20 und 16.9.20 | 4 Jahre und 11 Monate |
Zwischen 17.9.20 und 30.9.20 | 4 Jahre und 10 Monate |
Beachten Sie | Bei diesen Altverfahren besteht allerdings auch weiterhin die Möglichkeit, dass der Schuldner nach Zahlung der Verfahrenskosten auf Antrag vorzeitig nach § 300 Abs. 1 InsO a. F. die Restschuldbefreiung erlangt (Art. 103k Abs. 1 EGInsO; BGBl I 20, 3329), wenn
- kein Insolvenzgläubiger eine Forderung angemeldet hat oder wenn die Forderungen der Insolvenzgläubiger befriedigt sind und der Schuldner die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt hat,
- drei Jahre der Abtretungsfrist verstrichen sind und dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder innerhalb dieses Zeitraums ein Betrag zugeflossen ist, der eine Befriedigung der Forderungen der Insolvenzgläubiger in Höhe von mindestens 35 Prozent ermöglicht, oder
- fünf Jahre der Abtretungsfrist verstrichen sind.
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Schuldner S. beantragt am 17.12.19, ein Verbraucherinsolvenzverfahren zu eröffnen. Welche Möglichkeiten der Verkürzung hat er?
Lösung
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2. Antrag seit 1.10.20
Für alle Insolvenzverfahren, die seit dem 1.10.20 beantragt wurden, gilt das dreijährige, bedingungslose Restschuldbefreiungsverfahren.
MERKE | Anders als bei Altverfahren ist es nicht mehr erforderlich, dass die Verfahrenskosten beglichen und 35 Prozent der Forderungen der Insolvenzgläubiger befriedigt sind. Es gilt aber auch hier weiterhin die Möglichkeit der vorzeitigen (also vor drei Jahren) Erteilung der Restschuldbefreiung, wenn keine Forderung angemeldet ist oder alle Insolvenzgläubiger nachweislich befriedigt wurden (§ 300 Abs. 2 S. 1 InsO). |
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In Abwandlung zu Beispiel 1 beantragt S. am 10.10.20 die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens. Welche Möglichkeiten der Verkürzung hat er?
Lösung
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a) Keine Zurückweisungsmöglichkeit bei Bescheinigung älter als sechs Monate
Besondere Bedeutung dürfte für Schuldnerberater die Übergangsregelung des Art. 103 Abs. 4 EGInsO haben. Dort heißt es: „Wird ein Antrag auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens zwischen dem 30.12.20 und dem 30.6.21 gestellt, genügt die vom Schuldner vorzulegende Bescheinigung auch dann den in § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO genannten Anforderungen, wenn sich aus ihr ergibt, dass eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans innerhalb der letzten zwölf Monate vor dem Eröffnungsantrag erfolglos versucht worden ist.“
MERKE | Nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO muss dem Antrag auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens stets ein erfolglos gebliebener außergerichtlicher Einigungsversuch mit den Gläubigern vorangehen. Der Einigungsversuch darf nicht länger als sechs Monate zurückliegen. Dies muss durch eine geeignete Person oder Stelle, z. B. Schuldnerberatungsstelle, bescheinigt werden. Vielfach haben Schuldner im Hinblick auf die für den 1.10.20 angekündigte Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens bereits einen außergerichtlichen Einigungsversuch unternommen und eine Bescheinigung erlangt, jedoch von einem Insolvenzantrag abgesehen, um den Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens abzuwarten. Da das Gesetz jedoch erst am 1.1.21 in Kraft getreten ist, ist die Sechsmonatsfrist des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO oft abgelaufen. Daher wurde für eine Übergangszeit der Zeitraum verlängert, innerhalb dessen ein Einigungsversuch unternommen worden sein muss. |
Insbesondere den Schuldnern und Schuldnerberatungsstellen wird damit ein weiterer aufwendiger und regelmäßig unnötiger Einigungsversuch erspart. Da mit dem Inkrafttreten des Gesetzes eine Welle von Insolvenzanträgen einhergeht und die Ressourcen der Beratungspraxis ohnehin bereits über das normale Maß hinaus beansprucht sind, kommt die Regelung gerade der Beratungspraxis zugute. Folge: Es darf kein Insolvenzantrag zurückgewiesen werden, weil die außergerichtliche Bescheinigung über eine versuchte Einigung u. U. länger als sechs Monate zurückliegt.
b) Verfahrensablauf
Nach § 300 Abs. 1 S. 1 InsO entscheidet das Insolvenzgericht über die Erteilung der Restschuldbefreiung nach Fristablauf, d. h. spätestens nach drei Jahren. Nach § 300 Abs. 1 S. 3 gilt die Restschuldbefreiung jedoch ‒ fiktiv ‒ bereits mit Ablauf der dreijährigen Abtretungsfrist zugunsten des Schuldners als erteilt. Folge: Es ist damit ‒ entgegen der alten Rechtslage ‒ bedeutungslos, wann das Insolvenzgericht die Anhörung der Beteiligten nach § 300 Abs. 1 InsO durchführt und seinen Beschluss erlässt. Dies hat daher keinen Einfluss mehr auf den Zeitpunkt der Erteilung der Restschuldbefreiung. Ein Schuldner kann sich also sicher sein, dass er nach drei Jahren restschuldbefreit ist!
c) Achtung: Schuldner beantragt Zweitverfahren
Die Verkürzung der Restschuldbefreiung ist als Chance für den wirtschaftlichen Neuanfang gedacht. Sie soll aber nicht dazu führen, dass sich Schuldner schnell wieder in ein neues Restschuldbefreiungsverfahren begeben können.
Beachten Sie | Wird ein Schuldner daher erneut insolvent und beantragt ein Zweitverfahren, verlängert sich die Sperrfrist für einen neuen Antrag nach § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO von ursprünglich zehn auf elf Jahre. Die Abtretungsfrist beträgt zudem in einem erneuten Verfahren nicht drei, sondern fünf Jahre (§ 287 Abs. 2 S. 2 InsO). Wurde die (vorzeitige) Restschuldbefreiung dagegen nach der bis zum 30.9.20 geltenden Rechtslage beantragt, bleibt es hingegen bei der Laufzeit von drei Jahren für das darauf folgende Zweitverfahren.