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  • · Fachbeitrag · Stiftung & Steuern

    Die Vorstiftung: Phantom oder Realität

    von RAin StBin Martina Weisheit, Frankfurt a.M.

    | Im Stiftungsrecht ist weiterhin umstritten, ob es analog zum Recht der GmbH auch für die rechtsfähige Stiftung - vor deren Anerkennung durch die Stiftungsbehörde - identitätswahrend zur späteren rechtsfähigen Stiftung ein Rechtsgebilde der „Vorstiftung“ gibt, die mit dem Abschluss des Stiftungsgeschäfts oder ab dem Zeitpunkt der Einreichung der Gründungsunterlagen bei der Stiftungsaufsichtsbehörde entsteht. Der folgende Beitrag gibt den aktuellen Meinungsstand wieder und zeigt Alternativen auf. |

    1. Grundlagen

    Eine rechtsfähige Stiftung des privaten Rechts entsteht durch das Stiftungsgeschäft und die Anerkennung durch die Stiftungsbehörde (§§ 80 ff. BGB). Die Vorstiftung hat insbesondere dann Bedeutung, wenn die notwendige Anerkennung durch die Stiftungsaufsichtsbehörde, die für rechtsfähige Stiftungen konstitutiven Charakter hat (§ 80 Abs. 1 S. 1 BGB), zeitversetzt erfolgt. Die Anerkennung einer Vorstiftung hätte zur Folge, dass bereits vor Erlangung der Rechtsfähigkeit Vermögenswerte auf die „Stiftung“ übertragen werden können, wodurch Fristen (z.B. im Pflichtteilsergänzungs- oder Anfechtungsrecht) früher zu laufen begännen. Auch ein Spendenabzug nach § 10b Abs. 1a EStG der Vermögensausstattung bei Stiftungserrichtung zu Lebzeiten könnte bereits im Jahr der Vermögensausstattung erfolgen (Hüttemann, Festschrift für Spiegelberger, 2009, 1292; Zimmermann, NJW 12, 3277).

    2. Entscheidung des FG Baden-Württemberg

    Abgelehnt wurde ein solches Rechtsinstitut durch das FG Schleswig-Holstein (4.6.09, 1 K 156/04, DStRE 09, 1386). Dem hat sich die unterfinanzgerichtliche Rechtsprechung in jüngerer Zeit angeschlossen (FG Baden Württemberg 8.2.11, 4 K 4080/09, DStRE 12, 53; FG Schleswig-Holstein 8.3.12, 3 K 118/11, DStRE 12, 945, SB 12, 122, Abruf-Nr. 122001). Gegen die Entscheidungen wurde allerdings Revision beim BFH eingelegt.

     

    2.1 Der Fall des FG Baden-Württemberg

    Die Klägerin hatte sich in 2007 verpflichtet, mit ihrer Schwester jeweils 300.000 EUR in das Stiftungskapital zu zahlen. Am selben Tag als sie die Verpflichtung einging wurde die Satzung erlassen, die laut § 15 erst mit Bekanntgabe der Genehmigung in Kraft tritt. Im November gingen Stiftungsgeschäft und Satzung beim Finanzamt mit der Bitte um beschleunigte Überprüfung ein. Am selben Tag wurde beim Regierungspräsidium die Anerkennung der Stiftung beantragt. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung des FA wurde dem Regierungspräsidium im Dezember 2007 vorgelegt. Aufgrund Arbeitsüberlastung erkannte das Regierungspräsidium die Rechtsfähigkeit der Stiftung im Folgejahr (ab dem 17.1.08) an. Bereits am 21.11.07 - vor dem Eingang des Stiftungsgeschäfts sowie der Satzung beim Finanzamt und beim Regierungspräsidium - überwiesen die Klägerin und ihre Schwester jeweils einen Betrag von 300.000 EUR auf das auf den Namen der Stiftung lautende Girokonto unter Angabe des Verwendungszwecks „Stiftungsgeschäft“. Über dieses Konto waren weder die Klägerin noch ihre Schwester verfügungsbefugt, sondern ausschließlich der Stiftungsvorstand, dem beide nicht angehörten.

     

    In ihrer Einkommensteuererklärung 2007 beantragte die Klägerin von der Zuwendung einen Betrag von 230.000 EUR im Streitjahr zu berücksichtigen. Das Finanzamt ließ den Spendenabzug nicht zu, da die Stiftung erst im Jahr 2008 durch Genehmigung des Regierungspräsidiums entstanden sei. Der hiergegen eingelegte Einspruch war nicht erfolgreich.

     

    2.2 Die Entscheidung des FG Baden-Württemberg

    Das FG Baden-Württemberg sah - wie das FG Schleswig-Holstein in einer früheren Entscheidung (4.6.09, a.a.O.) - als entscheidend an, dass zivilrechtlich nach § 81 Abs. 2 S. 1 BGB der Stifter das Stiftungsgeschäft bis zur Anerkennung durch die Stiftungsaufsichtsbehörde jederzeit widerrufen kann. Aus diesem Grunde liege bis zur Anerkennung durch die Stiftungsaufsichtsbehörde noch keine abschließende Vermögenstrennung vor. Das FG Baden-Württemberg schließt sich damit der vorherrschenden Meinung im zivilrechtlichen Schrifttum an, die in dem Zeitraum zwischen Einreichung des Stiftungsgeschäfts und Genehmigung keine Stiftung, auch keine nichtrechtsfähige Stiftung anerkennen will (MüKo/Reuter, BGB, 4. Aufl. § 81, Rn. 24; Soergel/Neuhoff, BGB, 12. Aufl., § 80 Rn. 16; a.A. Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 80 Rn. 2; Wachter, DStR 09, 2469).

     

    In seiner Entscheidung setzt sich das FG Baden-Württemberg auch mit dem steuerrechtlichen Schrifttum auseinander, das teilweise die Auffassung vertritt, eine Stiftung als Körperschaftsteuersubjekt entstehe bereits mit dem Stiftungsakt (Stiftungsgeschäft, Gosch/Lamprecht, KStG, § 1, Rn. 83). Andere Stimmen (Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine und Stiftungen, 6.Aufl., Rn. 46) differenzieren danach, dass eine noch nicht genehmigte Stiftung schon als gemeinnützig behandelt werden könne, wenn das Stiftungsgeschäft abgeschlossen ist und der Stifter endgültig - d.h. unter Verzicht auf das Widerrufsrecht des § 81 BGB - Vermögen übertragen hat, nur ein Stiftungsvorstand über das Vermögen verfügen kann und entweder die Genehmigung beantragt wird oder stattdessen ein wirksames Treuhandverhältnis begründet ist. Wieder eine andere Ansicht verlangt neben dem Errichtungsakt auch den Vollzug der Stiftung (Graffe, Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 1, Rn. 1, 11).

     

    Unabhängig vom Meinungsstand im steuerrechtlichen Schrifttum stellt das FG Baden-Württemberg aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit auf das Zivilrecht ab und beruft sich auf § 80 Abs. 1 BGB, wonach die Stiftung erst mit der Anerkennung als Rechtssubjekt entsteht. Das FG beruft sich dabei auf die BFH-Rechtsprechung zur Stiftungserrichtung von Todes wegen (BFH 17.9.03, I R 85/02, BStBl II 05, 149). Der BFH hatte in diesem Fall entschieden, dass diese im Fall der staatlichen Genehmigung bereits ab dem Zeitpunkt des Vermögensanfalls nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG körperschaftsteuerpflichtig werde und hatte dabei maßgeblich auf die zivilrechtliche Rückwirkungsfiktion nach § 84 BGB abgestellt. § 84 BGB fingiert das Bestehen der juristischen Person „Stiftung“ schon vor dem Tod des Stifters, um zu ermöglichen, dass die Stiftung nach § 1923 Abs. 1 BGB als Erbe vom Stifter im Erbgang Vermögen erwirbt. Da der BFH in seiner Entscheidung erkennbar an das Zivilrecht angeknüpft habe, sah es das FG Baden-Württemberg als folgerichtig an, ebenfalls auf das Zivilrecht abzustellen.

     

    Nach Ansicht des FG bringe die Widerrufsoption des § 81 Abs. 2 S. 1 BGB klar zum Ausdruck, dass der Stifter bis zur staatlichen Genehmigung Herr des Stiftungsvorgangs bleibt, welchen er nach seinem Belieben fördern oder auch scheitern lassen kann. Daran ändere nach Ansicht des FG auch die Tatsache nichts, dass die Klägerin das Dotationskapital bereits im Jahr 2007 auf ein Konto der Stiftung überwiesen habe. Zwar hatte die Klägerin über das Konto keine Verfügungsmacht. Allerdings habe sie nicht auf ihr Widerrufsrecht nach § 81 Abs. 2 S. 1 BGB verzichtet. Damit sei es nicht zu einer endgültigen Trennung der Vermögenssphären gekommen. Dies habe auch dem Stifterwillen entsprochen, da in der Stiftungssatzung ausdrücklich bestimmt wurde, dass die Stiftung erst mit Bekanntgabe der Genehmigung durch die Stiftungsbehörde in Kraft trete. Hätte die Klägerin von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht, wäre die Verfügungsbefugnis an die Klägerin zurückgefallen. Das FG nimmt nicht dazu Stellung, ob ein Verzicht auf das Widerrufsrecht zivilrechtlich überhaupt wirksam ist.

     

    2.3 Auswirkung der Entscheidung auf die Finanzverwaltung

    Die Rechtsauffassung des FG Baden-Württemberg hat u.U. auch Auswirkungen auf die Verwaltungspraxis der Finanzämter, die unter bestimmten Voraussetzungen für steuerliche Zwecke „Stiftungen“ bereits vor Erlangung der Rechtsfähigkeit als Körperschaftsteuersubjekt anerkannt haben (Wachter, DStR 09, 2470). Dafür müssen vier Voraussetzungen - wie im Urteilsfall auch von der Beklagten (Finanzamt) vorgetragen - erfüllt sein:

    Checkliste / Diese vier Voraussetzungen müssen erfüllt sein

    • Das Stiftungsgeschäft muss wirksam abgeschlossen sein und die Stiftungssatzung muss festgestellt sein.
    • Der Stiftungsvorstand muss über das Stiftungsvermögen verfügen können.
    • Der Stifter muss gegenüber der Stiftungsbehörde auf sein Widerrufsrecht verzichtet haben.
    • Die Stiftung muss später tatsächlich anerkannt werden.
     

    Aus der Urteilsbegründung erscheint es zumindest nicht ausgeschlossen, dass eine Vermögenstrennung durch Einrichtung eines Kontos ohne Verfügungsbefugnis des Stifters und Verzicht auf sein Widerrufsrecht herbeigeführt werden kann. Im Ergebnis wäre eine Anerkennung der Stiftung als Körperschaftsteuersubjekt vor Erlangung der Rechtsfähigkeit nach den Maßstäben, die die Finanzverwaltung gesetzt hat, möglich. Allerdings ist nicht klar, ob die Finanzverwaltung die „Vorstiftung“ als Rechtsinstitut anerkennt oder nicht vielmehr von einem nicht rechtsfähigen Zweckvermögen privaten Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG) ausgeht.

    3. Entscheidung des FG Schleswig-Holstein

    Auch in einer weiteren finanzgerichtlichen Entscheidung geht es indirekt um die Frage der Anerkennung einer Vorstiftung. Das FG Schleswig-Holstein hatte sich in der jüngeren Entscheidung (8.3.12, 3 K 118/11, DStRE 12, 945) mit der Frage auseinandergesetzt, welches Rechtsgeschäft bei der Stiftungserrichtung mit einem Grundstück der Grunderwerbsteuer unterliegt. Es entschied, dass der Besteuerungstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bereits mit dem Abschluss des Stiftungsgeschäfts und der Bekanntgabe der Anerkennung als erfüllt anzusehen sei. Unabhängig von der Frage, ob bei einer Stiftungserrichtung mit Grundstück nicht die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG wegen Vorliegen eines Schenkungssteuertatbestands einschlägig ist, hat das Gericht entschieden, dass die mit der staatlichen Anerkennung einer Stiftung als rechtsfähig entstehende Verpflichtung zur Übereignung eines Grundstücks gemäß Zusicherung in einem wirksamen Stiftungsgeschäft die Grunderwerbsteuerpflicht auslöst und nicht erst die nachfolgende Übertragungserklärung und Auflassung.

     

    Nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet, der Grunderwerbsteuer. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GrEStG setzt nach Auffassung des FG voraus, dass durch das Rechtsgeschäft ein schuldrechtlicher Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an einem Grundstück begründet wird. Das Stiftungsgeschäft unter Lebenden sei ein Rechtsgeschäft, das mit Anerkennung der Stiftung nach § 82 BGB einen Anspruch auf Übereignung begründet. Würde man davon ausgehen, dass eine „Vorstiftung“ vorliegt, würde die Verpflichtung bereits vor Anerkennung der Stiftung entstehen.

     

    PRAXISHINWEIS | Angesichts der anhängigen Revisionen gegen die Urteile des FG Baden-Württemberg und des FG Schleswig-Holstein ist über die zivilrechtliche Anerkennung der „Vorstiftung“ noch nicht endgültig entschieden. Auch haben sich bisher die Zivilgerichte zur Anerkennung der „Vorstiftung“ noch nicht geäußert.

     

    Obwohl es wohl zu früh ist, dem Institut der „Vorstiftung“ eine endgültige Absage zu erteilen, empfiehlt es sich, bei einer Stiftungserrichtung zu Lebzeiten des Stifters, für die ein Spendenabzug nach § 10b EStG noch im Jahr des Stiftungsgeschäfts erreicht werden soll, obwohl realistischerweise nicht mit einer Anerkennung durch die Stiftungsbehörde im selben Jahr zu rechnen ist, zunächst eine unselbstständige Stiftung zu errichten und diese dann in eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts umzuwandeln (Wachter, DStR 09, 2470). Auch bei der Errichtung einer unselbstständigen Stiftung müssen jedoch aus steuerlicher Sicht bestimmte Voraussetzungen zwingend beachtet werden (Verfügung OFD Frankfurt a.M. 30.8.11).

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zur unselbstständigen Stiftung, Pruns, SB 11, 83
    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 124 | ID 40197620