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  • · Fachbeitrag · OPS 8-550

    Dokumentation im vorauseilenden Gehorsam nährt die Überbürokratisierung der Medizin! Eine Replik.

    von Jessica Kappes, Berlin und Hon.-Prof. Dr. med. Dieter Lüttje, Osnabrück*

    | Der Artikel zum Thema „OPS 8-550 und die wöchentliche Teambesprechung“ von Dr. Tilman Clausen aus dem CB 09/2020, Seite 6 hat Widerspruch aus der Leserschaft hervorgerufen, die zeigt, wie uneindeutig die Regeln der OPS-Komplexcodes sein können. Insbesondere geht es in der Auseinandersetzung um die Frage nach dem nötigen Umfang der Dokumentation von Teambesprechungen. Nachdem an o. g. Stelle die juristische Interpretation dargelegt wurde, soll im Folgenden die medizinische und klassifikatorische Sicht zu Wort kommen. Die CB-Redaktion gibt den Autoren nachfolgend Raum, um ihre „Sichtweise unter Beachtung der besonderen Bedürfnisse der multimorbiden, hochbetagten Patientenklientel sowie des klassifikatorischen Regelungssystems des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS)“ darzulegen. |

     

    Unstrittig ist, dass Chefärzte ihre Klinik bzw. Fachabteilungen so zu organisieren haben, dass die Dokumentation der Mindestmerkmale der dort durchgeführten Prozeduren korrekt erfolgt. Wie im eingangs genannten Artikel in diesem Zusammenhang korrekterweise festgestellt wird, kann eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Aufbauend auf diesem Grundsatz erfolgt unsere Auslegung der Vergütungsregelung zur multiprofessionellen Teambesprechung in der Geriatrie.

     

    Wie auch im erwähnten Artikel dargelegt, hat das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil B 1 KR 19/17 vom 19.12.2017 festgestellt, dass die Anwesenheit der Teilnehmer konkret dokumentiert sein muss. Hierbei ist die Herleitung der Historie mit Differenzierung dieses Bundessozialgerichtsurteils durch das DIMDI (jetzt BfArM) in der rückwirkenden Klarstellung sachgerecht dargestellt. Speziell für den Code 8-550 wird darin klargestellt, dass nicht der Verlauf der Teambesprechung, sondern allein die Ergebnisse der Behandlung und die weiteren Behandlungsziele für den jeweiligen Patienten zu dokumentieren sind. Diese Klarstellung gilt rückwirkend ab dem 01.01.2013. Im Gegensatz zu Dr. Clausen sind wir der Meinung, dass diese rückwirkende Klarstellung des DIMDI sehr wohl sachgerecht ist. Das DIMDI hat in dem im Beitrag angeführten Zitat eindeutig klargestellt, welche Berufsgruppen jeweils mindestens einen Vertreter in die Therapieplankonferenz zu versenden haben. Dagegen wird ebenfalls klargestellt, dass die Dokumentationspflicht im Einzelfall lediglich bei den patientenbezogenen beteiligten Berufsgruppen zu erfolgen hat. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang der letzte Satz: „Weitere Nachweise zur Durchführung der Teambesprechung sind nicht erforderlich.“ Bei diesem Zusatz handelt es sich aus unserer Sicht zweifellos um eine abschließende Aufzählung. Abschließende Aufzählungen gehören zu den bestimmten Rechtsbegriffen und sollen den Kreis der von der Vorschrift betroffenen Fälle von vornherein begrenzen und andere, nicht aufgezählte Sachverhalte von der Regelung ausschließen. Die abschließende Aufzählung hat Ausschlusswirkung für alle nicht von der Regelung erfassten Tatbestände und kann nicht durch Auslegung erweitert werden. Aus diesem Grundsatz ergibt sich eindeutig, dass der Wortlaut des OPS 8-550 im Einzelfall keine Nachweise zur Beteiligung aller Berufsgruppen an der Teambesprechung fordert.

     

    Es ist eben kein Widerspruch, dass das DIMDI/BfArM die Beteiligung aller Berufsgruppen einschließlich der Fachärzte in Behandlungsleitung an der wöchentlichen Teambesprechung fordert und gleichzeitig die Dokumentationspflicht im Einzelfall eingrenzt.

    Die Beteiligung aller Berufsgruppen an der Teambesprechung ist als eine Frage der Strukturqualität zu verstehen. Teamarbeit erfordert definierte Prozesse der Kommunikation und Kooperation, ohne die ein zielgerichtetes Handeln nicht erfolgen kann. Die Teambesprechung ist daher innerhalb der Ablauforganisation der krankenhausinternen Organisationsstruktur zu definieren und die Beteiligung der einzelnen Professionen sicherzustellen. Dem allgemeinen Regelungssystem des OPS folgend, handelt es sich hierbei zweifellos um ein Strukturmerkmal. Anderenfalls würde eine Nachweispflicht im Einzelfall bestehen, welche jedoch explizit vom Wortlaut des OPS ausgeschlossen ist. Die Beteiligung aller Berufsgruppen ist aus unserer Sicht daher im Rahmen der regelmäßigen Begutachtung zur Einhaltung von Strukturmerkmalen nach § 275d SGB V durch das jeweilige Krankenhaus nachzuweisen.

     

    Die Dokumentation von Ergebnissen der bisherigen Behandlung und der weiteren Behandlungsziele erfolgt durch die patientenbezogenen beteiligten Berufsgruppen. Hierbei handelt es sich hingegen zweifellos um eine medizinische Sachfrage des konkreten Einzelfalls, weshalb dieses Mindestmerkmal einen Punkt der Prozessqualität darstellt und im Rahmen der Einzelfallprüfung gemäß § 275c nachzuweisen ist. Es wäre überbordende Dokumentationsleistung, wenn die nicht an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen jeweils die Nicht-Behandlung dokumentieren müssten. Die vom BSG geforderte „konzentrierte Darstellung eines strukturierten Dialogs“ geht daher weit über den Wortlaut des OPS hinaus. Die Anwesenheit der nicht aktuell an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen ergibt sich aus dem Selbstverständnis der Geriatrie nach umfassender Wahrnehmung der Patienten. Wenn die aktuell nicht beteiligten Berufsgruppen über die Schilderung der patientenbezogenen beteiligten Berufsgruppen einen Hinweis darauf erhalten, dass sich, anders als zu Beginn der Behandlung gedacht, doch für sie ein Behandlungsansatz ergibt, erfahren sie dies eben in der Therapieplankonferenz.

     

    Von daher stellt die Klarstellung des DIMDI eine sehr feinziselierte und exakt dem Ansatz der Geriatrie folgende Differenzierung dar.

     

    Zum Thema der Teambesprechung ist selbstverständlich, dass entsprechend der Punkte des DIMDI auch fachärztliche Behandlungsleitung, Teilnahme der Berufsgruppen mit Namen und Berufsgruppenbezeichnung sowie die Dokumentation der patientenbezogenen beteiligten Berufsgruppen (immer Pflege und ärztlicher Bereich sowie mindestens zwei der übrigen Berufsgruppen) bezüglich der bisherigen Behandlung und der Weiterbehandlungsziele erfolgen muss. Es ist jedoch eine Fehlinterpretation, das Führen einer Teilnehmerliste mit den Unterschriften der einzelnen Teammitglieder im Einzelfall zu fordern. Diese Begrifflichkeit existiert weder im OPS 8-550 noch im Urteil des Bundessozialgerichtes und auch nicht in den Klarstellungen des DIMDI.

     

    Im Rahmen zunehmender Digitalisierung der Dokumentation wäre ja auch eine klassisch handgeschriebene Teilnehmerliste nicht sinnvoll. Zu dokumentieren ist z. B. elektronisch, wer anwesend ist (mit Namen und Berufsbezeichnung), dies wird typischerweise vom behandlungsleitenden Arzt oder dem jeweils Schriftführenden der Therapieplankonferenz dokumentiert und bedarf keinerlei weiteren Gegenzeichnungen durch Handzeichen oder Ähnliches. Diese Art der Dokumentation hat dabei auf der Strukturebene einmal je Teambesprechung zu erfolgen und nicht etwa für jeden Einzelfall.

     

    Dokumentation im vorauseilenden Gehorsam würden die leider bereits jetzt erforderliche Überbürokratisierung der Medizin lediglich weiter vorantreiben. Dieses ist auch nach Klarstellung des Bundessozialgerichts und des DIMDI (jetzt BfArM) aber eben nicht Ziel der entsprechenden Entscheidung gewesen und sollte aus dem Grund auch nicht von Juristen entsprechend interpretiert werden.

     

    *Zu den Autoren

    • Frau Jessica Kappes, Betriebswirtin im Gesundheitswesen, Bereichsleiterin Finanzierung Bundesverband Geriatrie e.V., federführende Bearbeiterin „Kodierhandbuch Geriatrie 2020“ und Sprecherin der DRG-Projektgruppe ‒ gemeinsam getragen vom Bundesverband Geriatrie e.V., der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie e. V. und der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie e. V.
    • Hon.-Prof. Dr. med. Dieter Lüttje, FA Innere Medizin, Geriatrie, Palliativmedizin und FA PRM, Chefarzt Geriatrie seit > 25 Jahren, langjähriger Co-Autor Kodierhandbuch Geriatrie, bis 2011 12-jährige Tätigkeit im Vorstand bzw. als Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Geriatrie e.V.
    Quelle: Ausgabe 11 / 2020 | Seite 11 | ID 46906970