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  • · Fachbeitrag · Krankenhausabrechnung

    Behandlung gemäß OPS 8-550 erfordert keine ständige Anwesenheit qualifizierter Vertreter

    von RA, FA MedR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de

    | Für die Abrechnung geriatrischer frührehabilitativer Komplexbehandlungen (OPS 8-550) reicht es aus, wenn die Anforderungen an die Qualifikation von Arzt und Pflegekraft (Strukturmerkmale) erfüllt sind und die Versorgung im Einzelfall gesichert ist. Die ständige Anwesenheit einer adäquaten Vertretung für Arzt und Pflegekraft ist nicht notwendig. Die Krankenkasse muss die Rechtmäßigkeit der OPS innerhalb von elf Monaten geprüft haben, sonst verliert sie eventuelle Rückforderungsansprüche (Sozialgericht [SG] Aachen, Urteil vom 07.07.2020, Az. S 14 KR 560/19). |

    Der Sachverhalt

    Im betreffenden Fall klagte eine gesetzliche Krankenkasse gegen einen Krankenhausträger. Ein Patient und Versicherter der Krankenkasse war im Jahr 2017 vollstationär geriatrisch behandelt worden. Der beklagte Krankenhausträger hatte für die ärztliche Behandlungsleistung zwei Kooperationsverträge mit externen Ärzten abgeschlossen. Die Behandlung war unter Einbeziehung des OPS 8-550 abgerechnet worden. Die Krankenkasse hatte die Rechnung zunächst bezahlt.

     

    Im Jahr 2019 machte die Krankenkasse vor Gericht eine Rückforderung geltend. Denn der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) habe festgestellt, dass das betreffende Krankenhaus die Strukturmerkmale des OPS 8-550 laut OPS-Katalog 2017 (online unter iww.de/s4327) nicht erfülle: Die Erfordernisse einer fachärztlichen Behandlungsleitung und einer qualifizierten Pflegekraft seien infolge unzureichender Vertretungsvorkehrungen in Abrede zu stellen. Auch die Vertretung der lt. OPS 8-550 einzelnen Fachbereiche in den wöchentlichen Teambesprechungen sei nicht gesichert. Die vorhandenen Kooperationsverträge der Beklagten mit anderen Leistungserbringern stelle eine jederzeitige Verfügbarkeit entsprechenden Fachpersonals nicht ausreichend sicher. Darüber hinaus erhob die Krankenkasse weitere einzelfallbezogene Rückforderungen aus dem Jahr 2017. Das Gericht wies die Klage als unbegründet ab.

    Die Entscheidungsgründe

    Das Gericht hielt die strukturbezogene Rückforderung für unbegründet. Das laut OPS-Katalog geforderte Team sei vorhanden, ebenso seien alle vier Therapiebereiche vertreten. Die fachärztliche Behandlungsleitung sei gegeben, und es gebe auch eine ausreichend qualifizierte Pflegefachkraft.

     

    Die Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher, besonders qualifizierter Behandlungsleitung bzw. die aktivierend-therapeutische Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal mit mindestens einer Pflegefachkraft im geriatrischen Team mit näher bezeichneter Zusatzqualifikation (OPS 8-550) erfordert aus Sicht des Gerichts nicht, dass eine jederzeitige Vertretungsmöglichkeit der entsprechenden Teammitglieder sichergestellt sein muss. Das Erfordernis der Gewährleistung einer jederzeitigen Vertretungsmöglichkeit der ärztlichen Behandlungsleistung und der i. S. d. OPS (Spiegelstrich 5, S. 2) qualifizierten Pflegefachkraft zur Kodierung des OPS 8-550 vermag das Gericht dem Wortlaut der OPS aber nicht zu entnehmen. Ob ein Teammitglied die wöchentlichen Teambesprechungen versäumt habe, könne nicht abstrakt beurteilt werden und müsse vielmehr einzelfallbezogen geprüft werden. Die OPS 8-550 fordere auch nicht (anders als z. B. die OPS 8-980) eine „ständige ärztliche Anwesenheit“. Die einzelfallbezogenen Rückforderungen der Krankenkasse scheiterten aus Sicht des Gerichts an der Versäumung der elfmonatigen Ausschlussfrist nach § 8 S. 3, 4 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) 2016.

    Handlungsempfehlungen für Krankenhausträger

    In den letzten Jahren kommt es vermehrt zu solchen und ähnlichen Rückforderungen der Krankenkassen. Im Einzelfall ist es für das Krankenhaus aber schwer festzustellen, ob Einwände, die von der Krankenversicherung gegen die Abrechnung von Komplexbehandlungsziffern erhoben werden, berechtigt sind. Denn wie die Entscheidung zeigt, ist die Auslegung der Ziffern schwierig und es ist unklar, ob die dort genannten Voraussetzungen immer (strukturell) oder im Einzelfall (fallbezogen) vorliegen müssen.

     

    Daher sollten die Krankenhäuser es vermeiden, Rückforderungen der Kassen vorschnell und ohne vorherige juristische Prüfung im Einzelfall anzuerkennen. Vielmehr sollten sie im Detail prüfen, ob es sich bei den in den OPS genannten Merkmalen um abstrakte Strukturmerkmale handelt oder stattdessen um im Einzelfall zu erfüllende Anforderungen.

     

    MERKE | Ab dem Jahr 2021 ist die vorherige Überprüfung von Strukturmerkmalen durch den MD (vormals MDK) Voraussetzung für die Abrechnung bestimmter Komplexbehandlungen des OPS (CB 01/2020, Seite 15).

     

    Auch sollten die Krankenhäuser auf die elfmonatige Ausschlussfrist achten: Die Krankenkasse muss nach einer MDK-Prüfung ihre abschließende Entscheidung und die Gründe, warum die Leistung nicht in vollem Umfang wirtschaftlich oder korrekt gewesen sein soll, innerhalb von elf Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige darlegen, danach ist eine Rückforderung ausgeschlossen. Zugleich sollten die Krankenhäuser beachten, dass sie dabei selbst von Ausschlussfristen bedroht sind: So sind sie z. B. verpflichtet, von der Kasse im Rahmen einer Unterlagenanforderung erbetene Unterlagen binnen vier Wochen an den MDK zu übermitteln.

     

    Weiterführende Hinweise

    • „Dokumentation im vorauseilenden Gehorsam nährt die Überbürokratisierung der Medizin! Eine Replik.“ (CB 11/2020, Seite 11)
    • „MDK-Reformgesetz: Die Neuerungen und deren Folgen für die Strukturprüfungen“ (CB 01/2021, Seite 15)
    • „Strukturprüfungen von Komplexcodes: Sind sie zulässig und ist es sinnvoll, sie durchzuführen?“ (CB 06/2019, Seite 17)
    • „Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung: BSG präzisiert Vorgaben für Dokumentation“ (CB 07/2018, Seite 17)
    Quelle: Ausgabe 01 / 2021 | Seite 11 | ID 46958891