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  • · Fachbeitrag · Mitarbeiterführung

    Homeoffice ist nicht einfach „Heimarbeit“ ‒ es geht um 5 soziale Mitarbeiterbedürfnisse

    von Marion Ketteler, Münster, kanzleiprofiling.de

    | Homeofficepflicht hin oder her! Bedenken gegen Homeoffice gibt es auf beiden Seiten: Manch Arbeitgeber scheut den organisatorischen Aufwand für Homeoffice-Arbeitsplätze oder fühlt sich bei dem Gedanken unwohl, dass „seine Leute den ganzen Tag unbeaufsichtigt sind.“ Arbeitnehmer befürchten eine „Entgrenzung der Arbeit“. Was beide Seiten verkennen: Es gibt vielfältige Erfahrungen und konkrete Tipps, wie das Homeoffice erfolgreich gestaltet werden kann. Dieser Beitrag zeigt, wie Sie als Arbeitgeber die fünf sozialen Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter erhalten, die über die Arbeit erfüllt werden: Zugehörigkeit, Sicherheit, Austausch, Anerkennung und Selbstverwirklichung. |

    1. Bedürfnis nach Zugehörigkeit

    Menschen sind soziale Wesen und streben nach Zugehörigkeit. Jeden Morgen ins Büro zu kommen und jeden Tag dieselben Menschen zu treffen, schafft Zugehörigkeit. Selbst, wenn sich der Einzelne nicht mit jedem versteht: Allein, dass er weiß, mit diesem gut auszukommen und mit jenem nicht, stärkt seine Gruppenidentiät. Er kennt die Gruppe derer, die ihn den ganzen Tag umgeben und sie kennen ihn. Durch das Homeoffice fällt diese alltägliche Erinnerung an die Zugehörigkeit plötzlich weg. Es muss also auf anderen Wegen versucht werden, das Zugehörigkeitsgefühl zu erhalten, gerade wenn über die konkrete Arbeitsteilung nur wenig Gelegenheit zu Kontakten besteht.

     

    PRAXISTIPPS | Das stärkt das Zugehörigkeitsgefühl:

     

    • Virtuelle Mittagspause: Wer seine Mittagspausen mit Kollegen verbringt, kann das vielleicht auch ‒ virtuell ‒ im Homeoffice beibehalten. Da jeder in seinem Homeoffice sitzt, kann er den anderen etwas über diesen individuellen Raum erzählen oder zeigen. Das schafft Austausch und Nähe.

     

    • Homeoffice-Kaffeetasse: Zugehörigkeit kann über Zeichen hergestellt werden. Daher ist z. B. eine Homeoffice-Kaffeetasse eine einfache Möglichkeit, auch im Homeoffice an die Zugehörigkeit erinnert zu werden und Zugehörigkeit zu demonstrieren.
     

    2. Bedürfnis nach Sicherheit

    Dieselben Abläufe Tag für Tag zu durchlaufen, gibt Sicherheit. So sitzen viele Mitarbeiter jeden Mittag auf demselben Platz in der Küche oder Kantine, anstatt jeden Tag einen neuen Platz auszuprobieren. Aus diesem Grund gehen Mitarbeiter immer mit denselben Kollegen zu derselben Zeit essen. Verändert sich die Situation, gibt es erst einmal nur Neues: ein neuer Arbeitsplatz zu Hause, die neue Technik, die beherrscht werden muss, die (anfänglichen) Probleme damit, eine neue Tagesstruktur, die mit den übrigen Haushaltsmitgliedern verbindlich vereinbart wird.

     

    PRAXISTIPPS | Abläufe einspielen:

     

    • Soviel Alltag wie möglich: Es hilft, soviel Alltag wie möglich in die virtuelle Welt zu überführen. Wenn z. B. an einem bestimmten Wochentag ein Meeting stattfindet, sollte die Möglichkeit bestehen, dass sich Mitarbeiter aus dem Homeoffice dazuschalten können.

     

    • Organisierter Erfahrungsaustausch: Gut ist, was den Austausch untereinander über die Erfahrungen mit den neuen Umständen, der neuen Technik etc. fördert. Das verkürzt Lernkurven, weil nicht alle dieselben Probleme lösen müssen. Manche Lösungen sind mit Sicherheit übertragbar.
     

    3. Bedürfnis nach Austausch

    Der „Flurfunk“ erfüllt ein wichtiges Bedürfnis: dem nach zwischenmenschlichem Austausch. Auch zur informellen Informationsweitergabe ist er gut geeignet: Das kurze Gespräch in der Teeküche kann lange Besprechungen oder Diskussionen ersparen. Aber im Homeoffice fehlen oft solche Ansprechpartner und der Mitarbeiter ist den ganzen Tag mit sich allein. Da fällt ein zwischenmenschlicher Austausch völlig weg.

     

    PRAXISTIPPS | Sich (per Video) sehen, sich mitteilen und zuhören funktioniert auch im Homeoffice:

     

    • Videomeetings für den Austausch: Persönlicher fachlicher Austausch war immer schon Gold wert. Jetzt wird auch der private Austausch wichtiger denn je. Einen anderen Kollegen wenigstens bis zu den Schultern zu sehen, ist auf jeden Fall für die persönliche Kommunikation besser als nur zu telefonieren.

     

    • Virtuelle Teeküche: Mindestens so wichtig wie die offiziellen Meetings sind die inoffiziellen.

     

    • Rezept der Woche: Wie wäre es mit einer kleinen Challenge? Wer mitmachen möchte, zeigt ein selbst gekochtes Gericht und liefert das Rezept gleich mit. Dann können alle die Rezepte der anderen ausprobieren und bewerten.
     

    4. Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung

    Die Austauschmöglichkeit ist auch noch in einem anderen Kontext wichtig. Jeder freut sich über einen anerkennenden Satz oder über ein Lob. Das ist im Homeoffice schwieriger, weil zum einen die Erfolge weniger sichtbar oder miterlebbar sind und zum anderen der persönliche Austausch mangels Kontaktanlässen gehemmt ist.

     

    PRAXISTIPPS | Leistungen, Nöte aus der beruflichen Sphäre, Lob und Anerkennung nicht vergessen:

     

    • Kommunikationsbereit sein: Hier geht es darum, weiterhin ein offenes Ohr für die Kollegen zu haben und das eigene betriebliche Netzwerk nicht verkümmern zu lassen, nur weil man sich persönlich nicht mehr sieht. Zuzuhören und sich mitzuteilen stärkt auch das Gefühl der Zugehörigkeit.

     

    • Offizielle Meetings: Ein digitaler Treff unter vier Augen oder ein für alle offenes regelmäßiges Online-Arbeitstreffen kann genutzt werden, um besondere Leistungen hervorzuheben.
     

    5. Bedürfnis nach Selbstverwirklichung

    Das Bedürfnis der Selbstverwirklichung beschreibt das Bedürfnis, das zu verwirklichen, was potenziell in einem steckt. Das Bedürfnis wird in der privaten und in der beruflichen Sphäre gelebt. Gerade für Gestalter und Bewirker ist es der Antrieb. Menschen, die gerne Neues beginnen und umsetzen, für Dynamik im eigenen Arbeitsbereich sorgen oder viel dafür tun, dass sie erfolgreich sind, haben ein starkes Bedürfnis nach Selbstverwirklichung.

     

    Durch die Vereinzelung im Homeoffice kann diese Entwicklung gehemmt werden oder sogar völlig zum Erliegen kommen. Braucht man Kollegen, um Ideen und Vorstellungen in die Tat umzusetzen, wird es schwieriger, sie aus dem Homeoffice dafür zu begeistern. Das kann schnell zu Unzufriedenheit führen.

     

    PRAXISTIPPS | Wenn Sie andere für Projekte brauchen, treffen Sie sich digital in virtuellen Teams: Bei virtueller Projektarbeit verlassen Sie den Bereich der „Tipps und Tricks“ und betreten den Raum der virtuellen Teams und deren Führung, was eine „Wissenschaft für sich“ ist. Hier heißt es, Mut haben, ausprobieren ‒ mit jedem Meeting verlieren Sie die Scheu vor der Kamera und werden sicher auch kreativer, was die technischen Möglichkeiten betrifft.

     

    FAZIT | Homeoffice ist nicht einfach nur „Arbeiten von Zuhause“. Homeoffice ist eine eigenständige Arbeitsform mit ihren Vor- und Nachteilen, die an beide Seiten erhöhte Anforderungen stellt.

     

    Dabei können Sie es als Arbeitgeber nicht allen Mitarbeitern recht machen ‒ und müssen es auch nicht. Jeder Mitarbeiter ist hinsichtlich der Ausprägungen der einzelnen Bedürfnisse individuell und speziell: Der eine braucht mehr Austausch, die andere mehr Raum für Selbstverwirklichung, der Dritte die Fahrt ins Büro. Insofern liegt Ihre Aufgabe nicht darin, die Erfüllung aller Bedürfnisse durch das Homeoffice gleichermaßen zu optimieren ‒ das geschieht auch im Büro nicht. Es geht vielmehr darum, die Arbeitsform Homeoffice so zu gestalten, dass sie eine willkommene (!) Flexibilisierung der Arbeit ermöglicht. Das geht nur, wenn beide Seiten etwas davon haben.

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2021 | Seite 212 | ID 47697576