Unfallschadensregulierung
Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises bei BAB-Auffahrunfall
1. Steht das Auffahren auf ein vorausfahrendes Fahrzeug in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem vorangegangenen Spurwechsel des Vordermanns, so obliegt es dem Auffahrenden, den gegen ihn sprechenden Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden zu erschüttern. |
2. Erschüttert ist der Anscheinsbeweis jedenfalls dann, wenn es zumindest ebenso wahrscheinlich ist, dass eine Sorgfaltswidrigkeit beim Spurwechsel die Unfallursache ist. |
(OLG Saarbrücken 19.7.05, 4 U 209/04, Abruf-Nr. 052865) |
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Versicherung, nimmt die Beklagten aus übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers (VN) auf Schadensersatz in Anspruch. Der Beklagte zu 1) war mit seinem Pkw auf der Überholspur einer Autobahn unterwegs. Vor ihm, auf der rechten Spur, fuhr der VN. Nachdem er mit seinem Pkw auf die Überholspur gewechselt war, fuhr der Beklagte zu 1) mit einer letztlich nicht zu klärenden Ausgangsgeschwindigkeit von mehr als 130 km/h auf ihn auf. Das Überholmanöver ihres VN wurde von der Klägerin als einwandfrei beschrieben, während die Beklagten behaupteten, der VN sei ohne Vorankündigung in zu knappem Abstand von dem Erstbeklagten auf die linke Spur gewechselt. Auch bei Tempo 130 km/h sei die Kollision nicht vermeidbar gewesen. Das LG hat die Haftung im Verhältnis 2/3 zu 1/3 zum Nachteil der Beklagten verteilt. Deren Berufung, mit der sie lediglich eine Herabsetzung der Quote von 2/3 auf 1/2 bezweckten, war erfolgreich.
Entscheidungsgründe
Das OLG hat die Haftungsabwägung korrigiert. Zwar spreche der Beweis des ersten Anscheins für ein Auffahrverschulden des Beklagten zu 1). Entgegen der Annahme des LG sei er aber erschüttert und der Vollbeweis eines schuldhaften Auffahrens oder sonstigen Fehlers nicht geführt. Auch ohne nachgewiesenen Sorgfaltsverstoß des VN beim Spurwechsel könne der Haftungsanteil der Beklagten allenfalls mit 50 %, der von ihnen akzeptierten Quote, veranschlagt werden. Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises genüge es, wenn aufgrund erwiesener Tatsachen die Möglichkeit bestehe, dass sich der Unfall durch einen atypischen Verlauf ereignet haben mag. Davon sei hier auszugehen. Nach den Feststellungen des LG sei es zumindest ebenso wahrscheinlich, dass die Kollision auf einem Fehler beim Überholen/Spurwechsel beruhe.
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